Trajans Dakerfeldzüge


Abb. 1: Überquerung einer Pontonbrücke CC BY-NC-SA 3.0


Abb. 2: Versorgung von Verwundeten CC BY-NC-SA 3.0

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Falk Wackerow
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Trajans Dakerfeldzüge

Leitfragen:

1) Was ist auf der Trajanssäule zu sehen?

2) Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Untersuchung der Säule gewinnen?

3) Wie verliefen die Dakerfeldzüge unter Trajan?

Kommentar:

Die sogenannte Trajanssäule ist das zentrale Monument auf dem noch heute zugänglichen Trajansforum in Rom. Sie wurde zur Ehrung des damaligen Kaisers 112/3 n. Chr. vom Senat gestiftet und veranschaulicht in einem aufwendigen Rundrelief die Taten Trajans und vor allem die unter ihm geführten Dakerkriege. Die aufwendigen und detailreichen Arbeiten zeigen römische Soldaten bei den unterschiedlichsten alltäglichen Aufgaben, von der Anlage eines Marschlagers über die oben zu sehende Überquerung einer Brücke bis hin zum Sturm auf eine feindliche Befestigung in Schildkrötenformation. Dabei sind nicht nur Legionäre, sondern auch vielerlei unterschiedliche Hilfstruppen, wie z. B. sarmatische Reiter und syrische Bogenschützen zu sehen. Besonders aufschlussreich für Militärhistoriker ist neben dem Einblick in den Alltag der Soldaten ihre Ausrüstung, von der ansonsten häufig nur wenige Überreste vorhanden sind. So zeigen die Reliefs unter anderem Pferdepanzer (Kataphrakten), Schienenplattenpanzer (loricae segmentatae), Feldartillerie sowie verschiedene Werkzeuge wie Hacken und Beile, mit denen beispielsweise Bäume für Brücken bearbeitet wurden. Auch die medizinische Versorgung der Verwundeten, mehrere Ansprachen des Kaisers an seine Männer und die Einschiffung der Truppen sind abgebildet, sodass sich ein umfassendes Bild der Feldzüge ergibt. Im Jahre 101 n. Chr. marschierten Trajans Soldaten nach groß angelegten Rüstungen in Dakien ein. Nach dem Brückenschlag über die Donau kam es zu einem Gefecht bei Tapae, das die Römer für sich entscheiden konnten. Der dakische Gegenangriff weiter östlich scheiterte, sodass Trajans Truppen vorrücken und einen Großteil Dakiens unter ihre Kontrolle bringen konnten. Die nächsten zwei Jahre blieb es ruhig an der Front, bis 105 n. Chr. etwa zeitgleich die Daker und die Römer einander angriffen. Trotz einiger Anfangserfolge hatten die Daker unter ihrem König Decebalus der im Vergleich zum ersten Feldzug verdoppelten römischen Truppenstärke nicht viel entgegenzusetzen. Eine Festung nach der anderen fiel, Decebalus schließlich gab sich in aussichtsloser Lage den Freitod. Daraufhin wurde das Gebiet nördlich der Donau zur römischen Provinz Dacia. Der erfolgreiche Feldzug und die Sicherung des rohstoffreichen Territoriums trugen viel zur Legitimation Trajans bei, dessen Thronfolge durch Adoption bisher von einigen als Makel gesehen worden war.

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Alltag der Stadtbevölkerung

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Iuvenal
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Iuv. 3,190-210 – Original:

Quis timet aut timuit gelida Praeneste ruinam
aut positis nemorosa inter iuga Volsiniis  aut                              190
simplicibus Gabiis aut proni Tiburis arce?
nos urbem colimus tenui tibicine fultam
magna parte sui; nam sic labentibus obstat
vilicus et, veteris rimae cum texit hiatum,                                      195
securos pendente iubet dormire ruina.
vivendum est illic, ubi nulla incendia, nulli
nocte metus. iam poscit aquam, iam frivola transfert
Ucalegon, tabulata tibi iam tertia fumant:
tu nescis; nam si gradibus trepidatur ab imis,                               200
ultimus ardebit quem tegula sola tuetur
a pluvia, molles ubi reddunt ova columbae.
ultimus ardebit quem tegula sola tuetur
a pluvia, molles ubi reddunt ova columbae.
lectus erat Cordo Procula minor, urceoli sex
ornamentum abaci, nec non et parvulus infra
cantharus et recubans sub eodem marmore Chiron,                   205
iamque vetus Graecos servabat cista libellos
et divina opici rodebant carmina mures.
nil habuit Cordus, quis enim negat? et tamen illud
perdidit infelix totum nihil. ultimus autem
aerumnae cumulus, quod nudum et frusta rogantem                 210
nemo cibo, nemo hospitio tectoque iuvabit.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: G. G. Ramsay
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

„Who at cool Praeneste, or at Volsinii amid its leafy hills, was ever afraid of his house tumbling down? Who in modest Gabii, or on the sloping heights of Tivoli? But here we inhabit a city propped up for the most part by slender flute-players: for that is how the bailiff patches up the cracks in the old wall, bidding the inmates sleep at ease under a roof ready to tumble about their ears. No, no, I must live where there are no fires, no nightly alarms. Ucalegon below is already shouting for water and shifting his chattels; smoke is pouring out of your third-floor attic above, but you know nothing of it; for if the alarm begins in the ground-floor, the last man to burn will be he who has nothing to shelter him from the rain but the tiles, where the gentle doves lay their eggs. Codrus possessed a bed too small for the dwarf Procula, a marble slab adorned by six pipkins, with a small drinking cup, and a recumbent Chiron below, and an old chest containing Greek books whose divine lays were being gnawed by unlettered mice. Poor Codrus had nothing, it is true: but he lost that nothing, which was his all; and the last straw in his heap of misery is this, that though he is destitute and begging for a bite, no one will help him with a meal, no one offer him board or shelter.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Iuv. 3,190-210

Leitfragen:

1) Wie werden die Wohnverhältnisse in Rom von Iuvenal beschrieben?

2) Wie stellt sich der Wohnalltag in Rom dar?

3) Welche Probleme gab es in einer Stadt wie Rom?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um einen Auszug aus den Satiren des Iuvenal. Bei diesen handelt es sich um das einzig überlieferte Werk des Iuvenal, die auf ironische Weise einen Einblick in das Alltagsleben Roms am Ende des 1. Jh. n. Chr. geben. Über das Leben des kaiserzeitlichen Literaten ist nur sehr wenig bekannt. Die dritte von insgesamt sechzehn Satiren, aus welchem auch der vorliegende Ausschnitt stammt, beschäftigt sich vor allem mit dem Großstadtleben. Das Siedlungsgebiet Roms war aufgrund seiner geographischen Eigenschaften stark räumlich eingeschränkt. Während die Stadtelite meistens in größeren sog. Atriums- oder Peristylhäusern gelebt hat, die mehrere Räume mit unterschiedlichen Funktionen aufwiesen und oftmals über eine große Eingangshalle sowie einen Lichthof verfügten, verfügte die soziale Mittel- und Unterschicht über einen wesentlich geringeren Wohnluxus. Ein Großteil der römischen pleps wohnte in sog. Insulae. Bei diesen handelte es sich um mehrstöckige Wohnhäuser für mehrere Mietparteien, deren Außenwände auf allen Seiten von Straßen umgeben waren, was den Eindruck einer „Wohninsel“ machte.

In der frühen Kaiserzeit führte der vermehrte Zuzug von Menschen aus der Umgebung Roms in die Urbs zu einer Wohnraumverknappung, die wiederum dazu führte, dass viele Einzelhäusern in Mietshäuser respektive Insulae umgewandelt wurden und somit das Stadtbild (einiger Stadtteile) maßgeblich prägten. Die Problematik dieser Wohnform, auf die auch Iuvenal eingeht, war, dass die Vermieter sich vielfach nur in geringem Maße an die Bauvorschriften hielten. Dies betraf den eigentlichen Zustand der Bausubstanz, der oftmals Mängel aufwies, die nur notdürftig behoben wurden. Zudem wurde allzu oft wesentlich höher gebaut als eigentlich erlaubt war, was zu Einstürzen der Bauwerke führen konnte. Die Wohnungen in den oberen Stockwerken waren aufgrund dieses Risikopotentiales und wegen ihrer geringeren Ausstattung – vielfach vielleicht auch wegen ihres illegalen Bestehens gegen die Bauvorschriften – wesentlich günstiger als die ebenerdigen Wohnräume, die oft zusätzlich noch kleine Ladengeschäfte einschlossen. Dies hatte auch zur Folge, dass aufgrund der überaus engen Bauweise und der vielfachen Verwendung von leicht brennbaren Materialien, wie Holz, Rom immer wieder von gefährlichen Bränden heimgesucht wurde, die nicht selten ganze Stadtteile verheerten – erst unter dem Principat des Augustus wurde eine Art Feuerwehr eingeführt.

Über eigene Wasseranschlüsse, um diesen Bränden entgegenzuwirken, aber auch für den privaten Verbrauch verfügten nur die wenigsten Privathäuser, die meisten Bewohner werden ihre tägliche Wasserversorgung über die zahlreichen öffentlichen Brunnen gedeckt haben. Es darf nicht unterschätzt werden, dass das römische Stadtbild, neben den prächtigen öffentlichen Bauwerken aus Marmor eben auch durch diese Mietshäuser geprägt war. Die engen Gassen, das wenige Licht, welches aufgrund der hohen Häuser durchkam und der allgegenwärtige Lärm, den die Bewohner der Hauptstadt mit sich brachten, prägten den Alltag der Bevölkerung maßgeblich und versorgten die Schriftsteller mit reichlich Stoff für Satiren und Spottgedichte über das (arme) Stadtleben. Wenn man sich also diese Zustände Roms, des caput mundi vorstellt, kann man Iuvenal nur zustimmen, der an anderer Stelle sagte „difficile est saturam non scibere“ – es ist schwierig, keine Satire zu schreiben.

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Umbruch/Neuerungen Principat


Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Augustus als Pontifex maximus

Leitfragen:

1) Was verändert sich durch das Principat des Augustus?

2) Was war der ursprüngliche Aufgabenbereich des Pontifex maximus?

3) Ab welchem Zeitpunkt wird dieser Titel auf den Bischof Roms angewandt?

Kommentar:

Während des Principats wurde zwar in vielen Aspekten versucht, zumindest nach außen hin das Bild einer res publica restituta aufrechtzuerhalten, dennoch gab es einschneidende Veränderung in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens – insbesondere in der Religion. Ein wichtiges Merkmal, welches die Herrschaft von Augustus zeitlebens prägen sollte, war der Rückbezug auf die mos maiorum, die Sitten der Alten. Bereits in den Tagen der späten Republik wurden der allgemeine Sittenverfall und die Vernachlässigung der Tempel beklagt. Augustus nahm sich dieses Problems schon am Beginn seiner Regierungszeit im Rahmen eines umfassenden Programmes an.

Die paganen Kulte und Riten gehörten als Teil des religiösen Lebens untrennbar zum Alltag der antiken Zeitgenossen. Der hohe Stellenwert, den der Kult insbesondere in der römischen Gesellschaft innehatte, wird besonders anhand des Amtes des pontifex maximus deutlich. Ursprünglich handelte es sich bei diesem um den Vorsteher des Priesterkollegiums in Rom, der mit der Aufsicht aller sakraler Angelegenheiten beauftragt war. Dies schloss die Oberaufsicht über sämtliche öffentliche Kulthandlungen und die verschiedenen Kollegien – auch der Vestalinnen, die ansonsten streng unter sich blieben – mit ein. Dieses Amt wurde, wie die meisten öffentlichen Ämter in republikanischer Zeit, gewählt. Im Gegensatz zu den Ämtern des cursus honorum war dieses allerdings nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, sondern wurde auf Lebenszeit vergeben.

Auch Caesar hatte dieses Amt inne und nach ihm Lepidus; mit dessen Tod ging es auf Octavian über, der es auch nach seiner endgültigen Machtergreifung behielt. Von diesem Zeitpunkt an war der Aufgabenbereich des obersten Priesters fester Bestandteil des Verantwortungsbereichs des Kaisers. Der Titel des Pontifex wurde in die kaiserliche Titulatur aufgenommen (z.B. Imperator Caesar Divi Filius Augustus, Pontifex Maximus, Consul XII, Tribinicia Potestas XXXVII, Pater Patriae). Diese Nennung der Amtsbezeichnung in offiziellen Dokumenten, Inschriften und auf Münzen – meistens abgekürzt – im Titel des Kaisers macht noch einmal den hohen Stellenwert dieser Position deutlich. In den folgenden Jahren wurde diese Titulatur nur noch um besondere Verdienste im Krieg o.ä. ergänzt.

Die Statue zeigt Augustus als Togatus im Typus capite velato, wahrscheinlich hatte er noch eine Opferschale in der Hand. Der Princeps verweist damit auf seine besondere Frömmigkeit, denn das verhüllte Haupt war ein wichtiger Bestandteil bei jeglichen Opferritualen im römischen Raum. Dieser Figurentyp war besonders in den Provinzen weit verbreitet und nahm eine Rolle zwischen Kultstatue und Kaiserdarstellung ein. Die Rückbesinnung auf die alten Kulte prägte das Leben der kaiserzeitlichen Gesellschaft im höchsten Maße. Die Annahme des Titels des pontifex maximus zeigt zudem einmal mehr das politische Kalkül, welches hinter dem Handeln des Augustus steckte, indem er auch nach der offiziellen Rückgabe aller außerordentlichen Ämter die wichtigsten behielt oder sich zumindest deren Amtsgewalt übertragen ließ. Mit der Etablierung des Christentums in der Spätantike verlor der Titel des pontifex maximus an Bedeutung, bis schließlich Kaiser Gratian diesen 328 n. Chr. ganz ablegte. Erst im 5. Jh. n. Chr. taucht der Titel wieder bei der Erklärung Leos des Großen zum ersten Patriarchen in Rom auf. Erst von diesem Zeitpunkt an kann von einer deutlich herausragenden Position des Bischofes von Rom als Papst und Stellvertreters Christi gesprochen werden.

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Rolle der Sklaven/liberii in der Gesellschaft

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Cena Trimalchionis

Leitfragen:

1) Was ist ein libertus (Freigelassener)?

2) Welches Bild eines Freigelassenen gibt der Text?

3) Welche Stellung in der Gesellschaft hatten diese?

Kommentar:

Die hier dargestellte Quelle zeigt einen Ausschnitt aus dem antiken Roman Satyricon, welcher im 1. Jh. n. Chr. von Petronius (ca. 14-66 n. Chr.) verfasst wurde. Dieser war ein Zeitgenosse und enger Vertrauter Kaiser Neros. Petronius, der als römischer Aristokrat die Ämterlaufbahn des cursus honorum bis zum Konsulat durchlaufen hatte, war später allerdings vor allem für seine literarischen Werke und seinen Müßiggang bekannt. Von diesen Werken hat sich lediglich das Satyricon fragmentarisch überliefert, denn von den ursprünglich 16 Büchern dieses Romans haben sich nur zwei erhalten. Glücklicherweise ist die Szene um die Cena Trimalchionis, dem Gastmahl des Trimalchio, fast vollständig auf uns gekommen. Der Text gilt durch seine Stilistik als eine wichtige Quelle zum Alltagsleben der Kaiserzeit, der als eines der wenigen Beispiele einen Einblick in das allgemein gesprochene Vulgärlatein dieser Zeit gibt.

Bei den Protagonisten dieses Werkes handelt es sich um den griechischen Freigelassenen Encopius und seine Gefährten Ascyltos und Giton, die alle aus der sozialen Mittelschicht stammen. Diese werden von ihrem gemeinsamen Bekannten Agamemnon zu dem Gastmahl eines gewissen Trimalchio in Puetoli eingeladen, ein neureicher Emporkömmling, der versucht, seine Gäste durch außergewöhnliche Speisen und Darbietungen zu beeindrucken. Dies manifestiert sich in den hier dargestellten Beschreibungen der Vorkehrungen für seinen Tod. Er beschreibt ausführlich die Großzügigkeiten, die er seinen eigenen Sklaven wird zukommen lassen und die Vorkehrungen, die für sein ausgesprochen prunkvolles Grabmal veranlasst werden sollen – dabei stellt er vor allem seine Geschmacklosigkeit und sein Halbwissen zur Schau. Was Petronius hier ins Lächerliche zieht, ist das Verhalten wohl nicht weniger Freigelassener (liberti), die auf irgendeine Weise zu Gelde gekommen waren.

Grundsätzlich gehörten Sklaven zur untersten sozialen Schicht im Römischen Reich. Dabei handelte es sich in keinem Fall um eine homogene Gruppe; wertvollen Sklaven, wie z.B. griechischen Privatlehrern, erging es wesentlich besser als den Sklaven, die in den Bergwerken arbeiten mussten. Die Freilassung eines Sklaven war in der antiken Gesellschaft durchaus üblich. Dies konnte auf verschiedenen Wegen passieren; z.B. per vindictam (vor dem Magistraten), inter amicos / per convivium (unter Zeugen) und per testamentum (durch testamentarischen Beschluss). Zusätzlich zu diesen Möglichkeiten konnten sie sich durch ein angespartes Privatvermögen selbst freikaufen. Die wohl gängigste Form der Freilassung, war die von Trimalchio beschriebene Freilassung durch testamentarischen Beschluss, die nicht nur in seinem Fall mit der Intention gefasst wurde, durch diese große Geste seine Sklaven zu motivieren.

Sklaven erhielten nach ihrer Freilassung das römische Bürgerrecht mit einigen Einschränkungen, die vor allem die Teilhabe am öffentlichen-politischen Leben betrafen und wurden damit (zum Großteil) akzeptierter Teil der römischen Gesellschaft. Die Einschränkungen bezogen sich auf die Ämterlaufbahn, so schlug Trimalchio, wie er in seiner künftigen Grabinschrift andeutet, die Dekurionenlaufbahn keineswegs aus, er durfte ihnen als Freigelassener schlicht nicht angehören.Die Kinder Freigelassener wurden als vollwertige Römische Bürger ohne rechtliche Einschränkungen angesehen. Viele Sklaven blieben auch nach ihrer Freilassung im Klientelverhältnis zu ihrem Patron. Nach dem Sozialprestige ihres Patrons richtete sich dann auch der soziale Status der liberti. Dieses Klientelverhältnis wird auch in der Übernahme des Prae- und Gentilnomens deutlich. Ihren Sklavennamen behielten sie dabei als Cognomen (z.B. wurde Tiro, der Sklave von Cicero, nach seiner Freilassung Marcus Tullius Tiro genannt). In seiner „Sittensatire“ stellt Petronius geschickt die unterschiedlichen sozialen Gruppen und die Unsitten seiner Zeit dar, was diese Quelle zu einem wertvollen Zeugnis für die Mentalitätsgeschichte der Kaiserzeit macht.

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Reisebeschreibungen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Tabula Peutingeriana

Leitfragen:

1) Was wird auf der Tabula Peutingeriana dargestellt?

2) Welche Funktion hatte die Karte?

3) Welchen Stellenwert hatte das Reisen in der Antike?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um einen (äußerst kleinen) Ausschnitt aus einem antiken Itinerar; der Tabula Peutingeriana. Diese kartographische Darstellung stammt aus einer mittelalterlichen Abschrift aus dem 12. Jh. n. Chr. und lässt sich wahrscheinlich auf eine ältere Abbildung oder Beschreibung des Römischen Reichs um das Jahr 300 n. Chr. – inklusive seines Straßennetzes und den verschiedenen Pferdewechselstationen (mansiones) – zurückführen. Dabei sind die Städte Rom, Antiochia und Konstantinopel durch besondere Stadtvingetten hervorgehoben. Die Karte zeigt die den Römern bekannte oikumene in stark gestauchter Form auf ca. 14 Pergamentstücken (670 x 33 cm), wovon nur die Teile 4-14 erhalten sind. Der hier gezeigte Segment VII der Tabula Peutingerina zeigt Teile der Provinzen Makedonien, Dalmatien, Italien und Afrika. Deutlich zu erkennen sind die „Stiefelspitze“ Italiens und die davor liegende Insel Sizilien. Die roten Linien stellen das Straßensystem dar, welches die unterschiedlichen Städte und Orte verbunden hat. Dies führte dazu, dass Entfernungsangaben oftmals lediglich in Rastplätzen angegeben wurden, wobei diese durchaus in unterschiedlicher Entfernung zueinander liegen konnten; so konnte die Entfernungsangabe von drei Rastplätzen in einem dichtbesiedelten Gebiet, wie Italien eine sehr kurze Strecke beschreiben, während es in einem weniger erschlossenem Gebiet eine sehr weite Entfernung ausmachen konnte. Es gab keine maßstabsgetreuen Karten.

Mobilität und Reisen waren schon immer wichtige Bestandteile für die zivilisatorische Weiterentwicklung und damit auch wichtige Faktoren für den Handel, die Kolonialisierung und schließlich auch für den kulturellen Austausch. Für die Römer begann mit der Kaiserzeit eine Blütezeit des Reisens; dabei begünstigten besonders die innerpolitisch friedlichen Perioden die verschiedenen Reisevorhaben. Menschen brachen aus ganz unterschiedlichen Gründen zu Reisen auf; es gab politisch motivierte Reisen, zum Beispiel von Gesandtschaften, aber auch Bildungsreisen oder Reisen, um Verwandte oder Freunde zu besuchen. Eine wichtige Kategorie machten natürlich auch religiöse Reisen zu bestimmten heiligen Stätten, Heiligtümern und Orakeln aus. Dieser Mobilitätsdrang spiegelt sich auch in der Literatur in den diversen Reisebeschreibungen, z.B. bei Pausanias oder den ethnographischen Beschreibungen des Strabon wider.

Fast das gesamte Reich war durch die öffentlichen, gut ausgebauten Straßen und die staatliche Sicherheit innerhalb der Grenzen des Imperiums gut – zu Land und zu Wasser – zu bereisen. Die Tabula Peutingeriana zeigt genau dieses Straßensystem. Neben bildlichen Darstellungen, wie der Tabula – die aufgrund ihres unhandlichen Formats wahrscheinlich nie für die praktische Nutzung gedacht war – wurden Itinerarien in Listenform verwendet, die die einzelnen Stationen zwischen einem bestimmten Start- und Zielpunkt unter der Angabe der zurückzulegenden Meilen auflisteten. Zudem gab es Meilensteine, die an den wichtigsten Knotenpunkten im Reich aufgestellt waren; außerdem hat es möglicherweise hölzerne Wegweiser gegeben, die sich allerdings nicht überliefert haben. Nichtsdestotrotz wurden die meisten Informationen, die für eine Reise benötigt wurden, wahrscheinlich mündlich weitergegeben. Im Vorweg einer Reise wird es das einfachste gewesen sein, Informationen von Menschen einzuholen, die die Reisestrecke bereits kannten. So konnte die Planung des Hinweges und einer ungefähren Reiseroute vorgenommen werden. Vor Ort angekommen war es unverzichtbar auf ortskundige Reiseführer zurückzugreifen. Der Quellenausschnitt macht deutlich, dass die Römer nicht nur eine genaue Vorstellung von ihrem imperium sine fine hatten, sondern dass sie sich in diesem auch relativ problemlos bewegen konnten, indem sie den Itinierarien – im wahrsten Sinne des Wortes – Schritt für Schritt folgten.

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Briefliteratur

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Plinius der Jüngere
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plin.epist. 6,20 – Original:

(1) Ais te adductum litteris, quas exigenti tibi de morte avunculi mei scripsi, cupere cognoscere, quos ego Miseni relictus – id enim ingressus abruperam – non solum metus verum etiam casus pertulerim. Quamquam animus meminisse horret, incipiam.
(2) Profecto avunculo ipse reliquum tempus studiis – ideo enim remanseram – impendi; mox balineum cena somnus inquietus et brevis. (3) Praecesserat per multos dies tremor terrae, minus formidolosus, quia Campaniae solitus; illa vero nocte ita invaluit, ut non moveri omnia sed verti crederentur. (4) Irrupit cubiculum meum mater; surgebam invicem, si quiesceret excitaturus. Resedimus in area domus, quae mare a tectis modico spatio dividebat. (5) Dubito, constantiam vocare an imprudentiam debeam – agebam enim duodevicensimum annum – : posco librum Titi Livi, et quasi per otium lego atque etiam, ut coeperam, excerpo. Ecce amicus avunculi, qui nuper ad eum ex Hispania venerat, ut me et matrem sedentes, me vero etiam legentem videt, illius patientiam securitatem meam corripit. Nihilo segnius ego intentus in librum.
(6) Iam hora diei prima, et adhuc dubius et quasi languidus dies. Iam quassatis circumiacentibus tectis, quamquam in aperto loco, angusto tamen, magnus et certus ruinae metus. (7) Tum demum excedere oppido visum; sequitur vulgus attonitum, quodque in pavore simile prudentiae, alienum consilium suo praefert, ingentique agmine abeuntes premit et impellit. (8) Egressi tecta consistimus. Multa ibi miranda, multas formidines patimur. Nam vehicula, quae produci iusseramus, quamquam in planissimo campo, in contrarias partes agebantur, ac ne lapidibus quidem fulta in eodem vestigio quiescebant. (9) Praeterea mare in se resorberi et tremore terrae quasi repelli videbamus. Certe processerat litus, multaque animalia maris siccis harenis detinebat. Ab altero latere nubes atra et horrenda, ignei spiritus tortis vibratisque discursibus rupta, in longas flammarum figuras dehiscebat; fulguribus illae et similes et maiores erant. (10) Tum vero idem ille ex Hispania amicus acrius et instantius ‚Si frater‘ inquit ‚tuus, tuus avunculus vivit, vult esse vos salvos; si periit, superstites voluit. Proinde quid cessatis evadere?‘ Respondimus non commissuros nos, ut de salute illius incerti nostrae consuleremus. (11) Non moratus ultra proripit se effusoque cursu periculo aufertur. Nec multo post illa nubes descendere in terras, operire maria; cinxerat Capreas et absconderat, Miseni quod procurrit, abstulerat. (12) Tum mater orare, hortari, iubere, quoquo modo fugerem: posse enim iuvenem, se et annis et corpore gravem bene morituram, si mihi causa mortis non fuisset. Ego contra salvum me nisi una non futurum; dein manum eius amplexus addere gradum cogo. Paret aegre incusatque se, quod me moretur.
(13) Iam cinis, adhuc tamen rarus. Respicio: densa caligo tergis imminebat, quae nos torrentis modo infusa terrae sequebatur. ‚Deflectamus‘ inquam ‚dum videmus, ne in via strati comitantium turba in tenebris obteramur.‘ (14) Vix consideramus, et nox – non qualis illunis aut nubila, sed qualis in locis clausis lumine exstincto. Audires ululatus feminarum, infantum quiritatus, clamores virorum; alii parentes alii liberos alii coniuges vocibus requirebant, vocibus noscitabant; hi suum casum, illi suorum miserabantur; erant, qui metu mortis mortem precarentur. (15) Multi ad deos manus tollere, plures nusquam iam deos ullos aeternamque illam et novissimam noctem mundo interpretabantur. Nec defuerunt, qui fictis mentitisque terroribus vera pericula augerent. Aderant, qui Miseni illud ruisse illud ardere falso sed credentibus nuntiabant. (16) Paulum reluxit, quod non dies nobis, sed adventantis ignis indicium videbatur. Et ignis quidem longius substitit; tenebrae rursus cinis rursus, multus et gravis. Hunc identidem assurgentes excutiebamus; operti alioqui atque etiam oblisi pondere essemus. (17) Possem gloriari non gemitum mihi, non vocem parum fortem in tantis periculis excidisse, nisi me cum omnibus, omnia mecum perire misero, magno tamen mortalitatis solacio credidissem.
(18) Tandem illa caligo tenuata quasi in fumum nebulamve discessit; mox dies verus; sol etiam effulsit, luridus tamen qualis esse, cum deficit, solet. Occursabant trepidantibus adhuc oculis mutata omnia altoque cinere tamquam nive obducta. (19) Regressi Misenum curatis utcumque corporibus suspensam dubiamque noctem spe ac metu exegimus. Metus praevalebat; nam et tremor terrae perseverabat, et plerique lymphati terrificis vaticinationibus et sua et aliena mala ludificabantur.
(20) Nobis tamen ne tunc quidem, quamquam et expertis periculum et exspectantibus, abeundi consilium, donec de avunculo nuntius.
Haec nequaquam historia digna non scripturus leges et tibi scilicet, qui requisisti, imputabis, si digna ne epistula quidem videbuntur. Vale.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J.B. Firth
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

You say that the letter which I wrote to you at your request, describing the death of my uncle, * has made you anxious to know not only the terrors, but also the distress I suffered while I remained behind at Misenum. I had indeed started to tell you of these, but then broke off. Well, „though my mind shudders at the recollection, I will essay the task“. **
After my uncle had set out I employed the remainder of the time with my studies, for I had stayed behind for that very purpose. Afterwards I had a bath, dined, and then took a brief and restless sleep. For many days previous there had been slight shocks of earthquake, which were not particularly alarming, because they are common enough in Campania. But on that night the shocks were so intense that everything round us seemed not only to be disturbed, but to be tottering to its fall. My mother rushed into my bedchamber, just as I myself was getting up in order to arouse her if she was still sleeping. We sat down in the courtyard of the house, which was of smallish size and lay between the sea and the buildings. I don’t know whether my behaviour should be called courageous or rash – for I was only in my eighteenth year – but I called for a volume of Titus Livius, and read it, as though I were perfectly at my ease, and went on making my usual extracts. Then a friend of my uncle’s, who had but a little time before come to join him from Spain, on seeing my mother and myself sitting there and me reading, upbraided her for her patience and me for my indifference, but I paid no heed, and pored over my book.
It was now the first hour of the day, but the light was still faint and weak. The buildings all round us were beginning to totter, and, though we were in the open, the courtyard was so narrow that we were greatly afraid, and indeed sure of being overwhelmed by their fall. So that decided us to leave the town. We were followed by a distracted crowd, which, when in a panic, always prefers someone else’s judgment to its own as the most prudent course to adopt, and when we set out these people came crowding in masses upon us, and pressed and urged us forward. We came to a halt when we had passed beyond the buildings, and underwent there many wonderful experiences and terrors. For although the ground was perfectly level, the vehicles which we had ordered to be brought with us began to sway to and fro, and though they were wedged with stones, we could not keep them still in their places. Moreover, we saw the sea drawn back upon itself, and, as it were, repelled by the quaking of the earth. The shore certainly was greatly widened, and many marine creatures were stranded on the dry sands. On the other side, the black, fearsome cloud of fiery vapour burst into long, twisting, zigzag flames and gaped asunder, the flames resembling lightning flashes, only they were of greater size. Then indeed my uncle’s Spanish friend exclaimed sharply, and with an air of command, to my mother and me, „If your brother and your uncle is still alive, he will be anxious for you to save yourselves; if he is dead, I am sure he wished you to survive him. Come, why do you hesitate to quit this place?“ We replied that we could not think of looking after our own safety while we were uncertain of his. He then waited no longer, but tore away as fast as he could and got clear of danger.
Soon afterwards the cloud descended upon the earth, and covered the whole bay ; it encircled Capri and hid it from sight, and we could no longer see the promontory of Misenum. Then my mother prayed, entreated, and commanded me to fly as best I could, saying that I was young and could escape, while she was old and infirm, and would not fear to die, if only she knew that she had not been the cause of my death. I replied that I would not save myself unless I could save her too, and so, after taking tight hold of her hand, I forced her to quicken her steps. She reluctantly obeyed, accusing herself for retarding my flight. Then the ashes began to fall, but not thickly: I looked back, and a dense blackness was rolling up behind us, which spread itself over the ground and followed like a torrent. „Let us turn aside,“ I said, „while we can still see, lest we be thrown down in the road and trampled on in the darkness by the thronging crowd.“ We were considering what to do, when the blackness of night overtook us, not that of a moonless or cloudy night, but the blackness of pent-up places which never see the light. You could hear the wailing of women, the screams of little children, and the shouts of men ; some were trying to find their parents, others their children, others their wives, by calling for them and recognising them by their voices alone. Some were commiserating their own lot, others that of their relatives, while some again prayed for death in sheer terror of dying. Many were lifting up their hands to the gods, but more were declaring that now there were no more gods, and that this night would last for ever, and the end of all the world. Nor were there wanting those who added to the real perils by inventing new and false terrors, for some said that part of Misenum was in ruins and the rest in flames, and though the tale was untrue, it found ready believers.
A gleam of light now appeared, which seemed to us not so much daylight as a token of the approaching fire. The latter remained at a distance, but the darkness came on again, and the ashes once more fell thickly and heavily. We had to keep rising and shaking the latter off us, or we should have been buried by them and crushed by their weight. I might boast that not one groan or cowardly exclamation escaped my lips, despite these perils, had I not believed that I and the world were perishing together – a miserable consolation, indeed, yet one which a mortal creature finds very soothing. At length the blackness became less dense, and dissipated as it were into smoke and cloud ; then came the real light of day, and the sun shone out, but as blood-red as it appears at its setting. Our still trembling eyes saw that everything had been transformed, and covered with a deep layer of ashes, like snow. Making our way back to Misenum, we refreshed our bodies as best we could, and passed an anxious, troubled night, hovering between hope and fear. But our fears were uppermost, for the shocks of earthquake still continued, and several persons, driven frantic by dreadful prophecies, made sport of their own calamities and those of others. For our own part, though we had already passed through perils, and expected still more to come, we had no idea even then of leaving the town until we got news of my uncle.
You will not read these details, which are not up to the dignity of history, as though you were about to incorporate them in your writings, and if they seem to you to be hardly worth being made the subject of a letter, you must take the blame yourself, inasmuch as you insisted on having them. Farewell.

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Autor_in: Nathalie Klinck
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Plin.epist. 6,20

Leitfragen:

1) Wie beschreibt Plinius den Ausbruch des Vulkans?

2) Welche Charakteristika der antiken Briefschreibung werden deutlich?

3) Welche Funktion hatte die Briefschreibung in der Antike inne?

Kommentar:

Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen Brief (lat. epistula) von Plinius d.J. (ca. 62-114 n. Chr.) aus dem 1. Jh. n. Chr., in welchem er als Augenzeuge über die Begebenheiten beim Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. berichtet. Briefe wurden in der Antike in der Regel auf Holztäfelchen oder auf Papyrus verfasst und waren oftmals eine Sache des öffentlichen Lebens. Sie wurden mit Freunden, der Familie und dem Bekanntenkreis geteilt und bei verschiedenen Gelegenheiten verlesen oder sogar kopiert. Dabei ist die literarische Gattung der Briefschreibung eine schwer zu greifende, denn Briefe umfassten amtliche und öffentliche Schreiben, wie Gesetzte und offizielle Erlasse, private Korrespondenzen von Individuen untereinander, Lehr- oder Kunstbriefe, Geschäftsbriefe, Widmungsbriefe zu versendeten literarischen Werken, (Privat)Briefe, die mit der Absicht zur Publikation verfasst wurden etc. In diese letzte Kategorie fällt wahrscheinlich auch der hier dargestellte Brief. Bereits in der Antike wurden teilweise ganze Briefsammlungen ediert und herausgegeben – unter Umständen hat auch Plinius d.J. seine Briefe mit der Intention zur Veröffentlichung verfasst.

Plinius d.J. war römischer Aristokrat und durchlief eine Ämterlaufbahn im Sinne des cursus honorum. Er gibt in der Einleitung des Briefes an, dass er das Schreiben auf Nachfrage des Empfängers verfasst hätte. Es wird deutlich, dass er diesen in einem vorausgegangenen Bericht bereits über den Tod seines Onkels Plinius d.Ä. informiert hatte. Dieser kam bei dem Vulkanausbruch nahe der Stadt Pompeji ums Leben. Dabei war sein wissenschaftlicher Forschungsdrang wohl ein nicht zu unterschätzender Faktor für sein Ableben, denn er war in seiner Funktion als Naturforscher – schließlich ist der auch Verfasser der Naturalis historia bekannt – in Richtung des Vulkans aufgebrochen, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.

Plinius d.J. selbst befand sich in den Tagen kurz vor dem Ausbruch gemeinsam mit seinem Onkel und seiner Mutter in Misenum, einer Stadt, die ebenfalls am Golf von Neapel situiert war. An dem in dem Brief beschriebenen Tag verblieben seine Mutter und er in ihrer Landvilla und wurden von dort aus Zeugen der Eruption des Vulkans. Diese kündigte sich durch äußerst starke Erdbeben an, gefolgt von einer gewaltigen Aschewolke, die aus dem Krater aufstieg und von Gesteinsexplosionen durchzogen war. Diese besonders explosive Art des Vulkanausbruchs, der mit einem außerordentlich großen Ascheregen einhergeht wurde in der modernen Forschung auch bei anderen Vulkanen beobachtet und aufgrund dieser ersten schriftlichen Überlieferung als plinianische Eruption bekannt.

Plinius d.J. und seine Mutter entschlossen sich die Stadt zu verlassen, da sich der Ascheregen unaufhaltsam näherte und begann sich über das Land und die See zulegen. Deutlich wird in der Beschreibung dieser Katastrophe zum einen das Chaos, welches in der Stadt entstand, zum anderen die Schnelligkeit mit der dies passierte. Er beschreibt, dass sie so schnell von dem schweren Ascheregen eingeschlossen wurden, dass sie sich nur durch ständiges Abschütteln des vulkanischen Materials davor retten konnten, lebendig begraben zu werden. Diese Beschreibung erklärt auch die archäologischen Funde von menschlichen Überresten in Pompeji und Herkulaneum, die quasi eine Momentaufnahme der Menschen zu ihrem Todeszeitpunkt darstellen. Im Gegensatz dazu löste sich allerdings die Aschwolke über Misenum bald auf, wahrscheinlich weil der Wind drehte, und ließ eine allesüberdeckende weiße Schicht aus Asche und Menschen in Panik zurück. Plinius d.J. und seine Mutter kehrten, immer noch in Sorge um den Onkel, in die Villa zurück. Erst nach und nach werden die Ausmaße dieser Katastrophe bekannt geworden sein und auch erst nach dieser bangen Nacht werden Plinius d.J. und seine Mutter sich sicher geworden sein, dass der Onkel im Hause eines Freundes umgekommen ist.

Neben diesen historisch hoch interessanten Informationen gibt Plinius d.J. allerdings auch einen Einblick in die Typologie der antiken Briefschreibung. Diese war geprägt von diversen Stilmitteln, wie Metaphern und dem Rückgriff auf wörtliche Rede. Nicht zuletzt waren Briefe immer auch – insbesondere, dann wenn diese einem größeren Adressatenkreis dienten – ein literarisches Aushängeschild der rhetorischen Fähigkeiten des Verfassers. Der Inhalt war demnach oftmals nicht nur von einer beeindruckenden Stilistik geprägt, sondern auch immer im Bewusstsein der Selbstdarstellung des Autors verfasst. Deutlich wird dies in den verwendeten literarischen Topoi, wie sie Plinius d.J. beispielsweise im Schlusswort aufgreift.

Briefe dienten demnach nicht einfach nur als Medium der Informationsweitergabe, sondern konnten abhängig von dem jeweiligen (Brief)Genre als private oder öffentliche Korrespondenz fungieren, die oftmals vor allem der Selbstdarstellung des Verfassers diente. Es ist demnach kaum verwunderlich, dass insbesondere die Briefkorrespondenzen von antiken Autoren, wie Plinius d.J. oder Cicero, die Autoren der Frühen Neuzeit und der Renaissance beeindruckten und diese die Stilistik der Schriften nachahmten. Für die heutige Forschung sind die überlieferten Briefe ein wichtiges Zeugnis für das (alltägliche) Leben und die Gedankenwelt der Menschen in der Antike.

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Nationalgeschichtsschreibung

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Livius
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Liv.pr.1 – Original:

pr. facturusne operae pretium sim, si a primordio urbis res populi Romani perscripserim, nec satis scio nec, [2] si sciam, dicere ausim, quippe qui cum veterem tum vulgatam esse rem videam, dum novi semper scriptores aut in rebus certius aliquid allaturos se aut scribendi arte rudem vetustatem superaturos credunt. utcumque erit, [3] iuvabit tamen rerum gestarum memoriae principis terrarum populi pro virili parte et ipsum consuluisse; et si in tanta scriptorum turba mea fama in obscuro sit, nobilitate ac magnitudine eorum me, qui nomini officient meo, consoler. [4] res est praeterea et inmensi operis, ut quae supra septingentesimum annum repetatur et quae ab exiguis profecta initiis eo creverit, ut iam magnitudine laboret sua; et legentium plerisque haud dubito quin primae origines proximaque originibus minus praebitura voluptatis sint festinantibus ad haec nova, quibus iam pridem praevalentis populi vires se ipsae conficiunt; [5] ego contra hoc quoque laboris praemium petam, ut me a conspectu malorum, quae nostra tot per annos vidit aetas, tantisper certe, dum prisca illa tota mente repeto, avertam, [p. 2] omnis expers curae, quae scribentis animum etsi non flectere a vero, sollicitum tamen efficere posset.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: William Heinemann
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Übersetzung:

Whether I am likely to accomplish anything worthy of the labour, if I record the achievements of the Roman people from the foundation of the city, I do not really know, nor if I knew would I dare to avouch it; [2] perceiving as I do that the theme1 is not only old but hackneyed, through the constant succession of new historians, who believe either that in their facts they can produce more authentic information, or that in their style they will prove better than the rude attempts of the ancients. [3] Yet, however this shall be, it will be a satisfaction to have done myself as much as lies in me to commemorate the deeds of the foremost people of the world; and if in so vast a company of writers my own reputation should be obscure, my consolation would be the fame and greatness of those whose renown will throw mine into the shade. [4] Moreover, my subject involves infinite labour, seeing that it must be traced back [p. 5]above seven hundred years, and that proceeding from slender beginnings it has so increased as now to be burdened by its own magnitude; and at the same time I doubt not that to most readers the earliest origins and the period immediately succeeding them will give little pleasure, for they will be in haste to reach these modern times, in which the might of a people which has long been very powerful is working its own undoing. [5] I myself, on the contrary, shall seek in this an additional reward for my toil, that I may avert my gaze from the troubles which our age has been witnessing for so many years, so long at least as I am absorbed in the recollection of the brave [6] days of old, free from every care which, even if it could not divert the historian’s mind from the truth, might nevertheless cause it anxiety.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Liv.pr.1

Leitfragen:

1) Welche Bedeutung hatte die antike Historiographie?

2) Auf welche Problematik verweist Livius?

3) Wo findet sich eine ähnliche Intention?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um das Vorwort zu dem bekannten Geschichtswerk „Ab urbe condita“ des Titus Livius (ca. 59-17 n. Chr.). Livius war ein römischer Gelehrter aus der Stadt Patavium, dem heutigen Padua. Einen Großteil seiner Ausbildung wird er auch dort absolviert haben, insbesondere, da in Rom, bedingt durch die Bürgerkriege, schwere Unruhen herrschten. Erst nach der Machtergreifung durch Augustus 27 v. Chr. und der damit einhergehenden pax Augusta wird es Livius in die Hauptstadt gezogen haben. Obwohl er dort nie ein öffentliches Amt bekleidet und damit, im Gegensatz zu Sallust oder Tacitus keinerlei politische Erfahrungen gesammelt hatte, stand er wohl in einem mehr oder weniger engen Verhältnis zum Princeps, wahrscheinlich auch aufgrund des großen Ansehens, welches Livius als Autor schon zu Lebzeiten genoss. Diese Beliebtheit spielgelt sich auch in einer bei Plinius d.J. überlieferten Anekdote wieder: „Hast Du nie davon gelesen, daß ein Mann aus Cadiz, von Namen und Ehre des Titus Livius vom Ende der Welt her angereist kam, um ihn zu sehen, und der sofort nachdem er ihn gesehen hatte, wieder nach Hause gegangen ist?“ (Plin.epist 2,3,8).

Livius umfangreiches Werk „Ab urbe condita“ – Von der Gründung der Stadt Rom“ ist seine einzige überlieferte Schrift. Das Werk behandelt einen Zeitraum von 753 v. Chr., der mythischen Gründung der Stadt, bis zur Herrschaftszeit des Augustus und endet mit dem Tode Drusus 9 v. Chr. Einiges spricht dafür, dass das Werk noch bis zum Tode des Princeps hätte weitergeführt werden sollen, dass allerdings der Gesundheitszustand von Livius dies nicht mehr zuließ. Von den ursprünglich 142 Büchern hat sich nur ungefähr ein Viertel erhalten. Einige Abschnitte konnten allerdings durch Textzeugen und Fragmente teilweise rekonstruiert werden. Die Abbildung zeigt zusätzlich eine der mittelalterlichen Handschriften aus dem 15. Jh. n. Chr.

Bereits in seiner Einleitung betont Livius die Komplexität seines Werkes und auch dass sich bereits vor ihm einige Schriftsteller, wie Quintus Fabius Pictor oder Sallust, an einer Gesamtdarstellung der Geschichte des römischen Volkes versucht hätten. Vielfach handelt es sich bei den Werken dieser frühen Historiographen allerdings nicht um historisch akkurate Darstellungen der Ereignisse, sondern vielmehr um eine mögliche Interpretation der Vergangenheit, die vor allem als literarische Werke zu verstehen sind. Im Gegensatz zur modernen Geschichtswissenschaft war diese Form der Geschichtsschreibung eben nur zum Teil um Objektivität bemüht. Dies wird besonders deutlich, wenn Livius schreibt, dass er sich von den Übeln der jüngsten Zeit (Bürgerkriege) ein Stück weit abwenden und sich lieber der Vergangenheit zu wenden möchte. Er nimmt an, dass seine Leser vor allem an den Beschreibungen der zeitgenössischen Ereignisse, die die res publica beinahe zerstört hätten, interessiert seien.

Mit diesem deutlichen Rückbezug auf die Frühzeit Roms und die Gründungsmythen der Stadt, hatte das Werk eine ähnliche Funktion wie die Aeneis des Vergil inne. Während Vergil dem „neuen“ Rom unter Augustus ein Staatsepos schuf, war das historische Werk von Livius als „Nationalgeschichtsschreibung“ gedacht, die ebenfalls geschickt die Geschichte der Stadt mit dem Schicksal des Princeps verflocht. Damit war sein Werk in erster Linie darauf ausgelegt, die römische Selbsterneuerungsideologie, die Augustus offiziell in seine Politik aufgenommen hatte, zu verbreiten.

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Sehen Sie hierzu auch den Beitrag „Vergils Aeneis als römischer Gründungsmythos“.

Kanonisierung antiker Mythologie

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Pyramus und Thisbe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ov.met. 4,145-165 – Original:

pallidiora gerens exhorruit aequoris instar,
quod tremit, exigua cum summum stringitur aura.
sed postquam remorata suos cognovit amores,
percutit indignos claro plangore lacertos
et laniata comas amplexaque corpus amatum
vulnera supplevit lacrimis fletumque cruori
miscuit et gelidis in vultibus oscula figens
„Pyrame,“ clamavit, „quis te mihi casus ademit?
Pyrame, responde! tua te carissima Thisbe
nominat; exaudi vultusque attolle iacentes!“
ad nomen Thisbes oculos a morte gravatos
Pyramus erexit visaque recondidit illa.
‚Quae postquam vestemque suam cognovit et ense
vidit ebur vacuum, „tua te manus“ inquit „amorque
perdidit, infelix! est et mihi fortis in unum
hoc manus, est et amor: dabit hic in vulnera vires.
persequar extinctum letique miserrima dicar
causa comesque tui: quique a me morte revelli
heu sola poteras, poteris nec morte revelli.
hoc tamen amborum verbis estote rogati,
o multum miseri meus illiusque parentes,
ut, quos certus amor, quos hora novissima iunxit,
conponi tumulo non invideatis eodem;
at tu quae ramis arbor miserabile corpus
nunc tegis unius, mox es tectura duorum,
signa tene caedis pullosque et luctibus aptos
semper habe fetus, gemini monimenta cruoris.“
dixit et aptato pectus mucrone sub imum
incubuit ferro, quod adhuc a caede tepebat.
vota tamen tetigere deos, tetigere parentes;
nam color in pomo est, ubi permaturuit, ater,
quodque rogis superest, una requiescit in urna.‘

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Reinhard Suchier
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Wurde sie bleicher als Buchs und schauderte ähnlich dem Meere,
Welches erbebt, wenn leicht hinstreift an dem Spiegel ein Lufthauch.
Aber sobald sie erkannt nach kurzem Verzug den Geliebten,
Schlägt sie mit hallendem Schlag die schuldlos leidenden Arme,
Rauft sich das Haar und umschlingt den teuren Leib, und die Wunde
Füllt mit Tränen sie an und mischt mit dem Blute der Zähren
Heißen Erguss und bedeckt mit Küssen das eisige Antlitz.
‚Pyramus‘, jammert sie laut, was raubte dich mir für ein Schicksal?
Pyramus, rede zu mir! Sieh, deine geliebteste Thisbe
Ruft dich. Höre mich doch und erhebe das liegende Antlitz!‘
Als sie Thisbe gesagt, schlug wieder die brechenden Augen
Pyramus auf und schloss, wie er Thisbe geschaut, sie für immer.
Jetzt gewahrt sie ihr eignes Gewand und die elfene Scheide
Ohne das Schwert. ,Dein Arm, Unglücklicher‘, ruft sie, ,und Liebe
Haben den Tod dir gebracht. Auch mir ist der Arm zu dem einen
Stark; auch mir wird Kraft zu Wunden verleihen die Liebe.
Ja, dir folg‘ ich im Tod; dann heiß‘ ich deines Verderbens
Grund und Begleiterin auch, und den allein mir entreißen
Konnte der bittere Tod, soll Tod auch nicht mir entreißen.
Um dies Einzige nur seid noch von uns beiden gebeten,
O von mir und von ihm ihr viel unglücklichen Väter:
Uns, die entschlossene Lieb‘ in der Stunde des Todes vereinte,
Uns missgönnet es nicht, beisammen zu ruhen im Grabe.
Doch du, Baum, der du jetzt die traurige Leiche des einen
Deckst mit deinem Gezweig, bald deckst du von zweien die Leichen:
Wahre die Zeichen der Tat und behalte für immer der Trauer
Ziemende dunkle Frucht als Mal zwiefältigen Mordes.‘
Sprach’s, und unter die Brust sich stemmend die Spitze des Schwertes,
Stürzte sie sich in den Stahl, der noch von dem Morde gewärmt war.
Aber es rührt‘ ihr Wunsch die Götter und rührte die Eltern.
Denn, wenn ganz sie gereift, ist schwarz an den Beeren die Farbe,
Und was die Flammen verschont, das ruht in gemeinsamer Urne.“

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ov.met. 4,145-165

Leitfragen:

1) Was ist das Besondere an den Metamorphosen Ovids?

2) Zu welcher Literaturgattung werden sie gezählt?

3) Welche Beziehung hatte Ovid zum Principat?

Kommentar:

Der vorliegende Ausschnitt stammt aus den Metamorphosen (Verwandlungen) des Publius Ovidius Naso; kurz Ovid (ca. 43 v. Chr. – 17 n. Chr.). Beschrieben wird die dramatische Geschichte um das junge Liebespaar Pyramus und Thisbe. Ovid gilt ohne Frage als einer der wichtigsten Dichter der römischen Kaiserzeit. Im Gegensatz zu anderen großen Dichtern, wie Vergil und Horaz, erlebte Ovid die Bürgerkriege nicht selbst mit, sondern wuchs in der Sicherheit des augusteischen Friedens auf. Da Ovid aus einem aristokratischen Haus stammte, ist anzunehmen, dass er eine umfassende Bildung – auch in Griechenland – erfuhr und dann eine römische Beamtenlaufbahn im Sinne des cursus honorum ausübte. Der Dichter entschied sich jedoch schnell dafür, sich aus dem politischen Alltag zurückzuziehen und sich ganz der Dichtung zu widmen. Nichtsdestoweniger wurde er im Jahre 8 n. Chr. von Augustus nach Tomi (heute Constanza), am Schwarzen Meer verbannt. Ovid selber benannte als Gründ für seine Verbannung carmen et error (Gedicht und Verfehlung), worin dieser genau lag, lässt sich heutzutage nicht mehr nachvollziehen. Ein möglicher Grund könnte in der Veröffentlichung seines Werkes Ars amatoria liegen, die dem sittenstrengen Princeps missfallen haben dürfte. Unter Umständen spielte allerdings auch die Nähe zu Iulia, der Enkelin des Augustus, eine gewisse Rolle für sein Schicksal. Ovid kehrte nie wieder nach Rom zurück und starb schließlich auch im Exil.

Ovids Metamorphosen stammen aus seiner mittleren Schaffensphase, die er noch in Rom verbrachte. Sie bestehen aus 15 Büchern, die jeweils ca. 700-900 in Hexametern verfasst, Verse beinhalten. Der Dichter fasst in seinem Werk verschiedene Erzählungen und Geschichten zusammen, die die Entstehung und die Geschichte der Welt bis zur Herrschaft Augustus beschrieben. Diese sind so angeordnet, dass es trotz der Komplexität und Vielfältigkeit der Erzählungen immer wieder zu Querverweisen kommt und damit ein mit Proömium und Epilog in sich geschlossenes Werk entsteht. Die Sage von Pyramus und Thisbe war bereits vorher weit verbreitet, allerdings von Ovid – ähnlich den Märchen der Gebrüdern Grimm – das erste Mal schriftlich festgehalten worden. Ovid legt die Erzählung einer Mänade in den Mund, die die Geschichte erzählen möchte, warum die einst weiße Maulbeere, vom Blut bespritzt, schwarz geworden ist. Inhaltlich geht es um ein junges Liebespaar in Babylon, welches in zwei benachbarten Häusern lebt. Die Möglichkeit einer Hochzeit steht durch eine Fehde zwischen den beiden Familien außer Frage. Die einzige Möglichkeit zu kommunizieren ist ein Spalt in der Grundstücksmauer.

Nachdem sich das Paar eines Tages entschließt durchzubrennen und für diese nächtliche Aktion einen Maulbeerbaum, der schneeweiße Früchte trägt, als Treffpunkt auswählt, beginnt das Drama. Thisbe trifft früher ein, muss sich allerdings vor einer Löwin verstecken. Auf der Flucht verliert sie ihr Manteltuch, welches die Löwin – aus einer Laune heraus – zerfetzt. Als Pyramus das Tier und den blutbefleckten Schal erblickte, denkt er, dass er seine Geliebte verloren habe und bringt sich selbst um. Der vorliegende Ausschnitt beschreibt diese Szene und das Auffinden des jungen Mannes durch Thisbe. Diese beschließt sich nun ebenfalls das Leben zu nehmen. Die Veränderung, auf die der Titel der Metamorphosen anspielt, findet sich in den Früchten des Maulbeerbaumes wieder. Thisbe bittet vor ihrem Tod die Götter darum, dass diese die Früchte in Gedenken an das Schicksal der beiden Liebenden dunkelrot färben sollten. Durch die Metapher des Maulbeerbaumes wird die Zugehörigkeit von Ovids Lyrik zu den Erklärungssagen deutlich; diese zielen darauf ab, die Ursprünge zum einen von Naturphänomenen, zum anderen aber auch von Kulten und Namen zu erklären; auf diese Weise gibt zum Beispiel auch die Aeneis des Vergil eine Erklärung für den Erfolg und die Macht des Römischen Reiches unter der Herrschaft des Augustus.

Die gut überlieferten lyrischen Werke Ovids wurden besonders stark im Mittelalter rezipiert und hatten damit einen großen Einfluss auf die mittelalterliche Dichtung und Kunst. Die wohl bekannteste Adaption des Inhaltes findet sich allerdings in William Shakespeares Sommernachtstraum und Romeo und Julia wieder.

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Sehen Sie hierzu auch den Beitrag „Gründung eines Nationalepos“.

Christliche Nächstenliebe

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Autor_in: Sulpicius Severus
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Sulp.Sev.vit.Mart. 3 – Original:

Quodam itaque tempore, cum iam nihil praeter arma et simplicem militiae vestem haberet, media hieme, quae solito asperior inhorruerat, adeo ut plerosque vis algoris exstingueret, obvium habet in porta Ambianensium civitatis pauperem nudum: qui cum praetereuntes ut sui misererentur oraret omnesque miserum praeterirent, intellegit vir Deo plenus sibi illum, aliis misericordiam non praestantibus, reservari. (2) quid tamen ageret? nihil praeter chlamydem, qua indutus erat, habebat: iam enim reliqua in opus simile consumpserat. arrepto itaque ferro, quo accinctus erat, mediam dividit partemque eius pauperi tribuit, reliqua rursus induitur. interea de circumstantibus ridere nonnulli, quia deformis esse truncatus habitu videretur: multi tamen, quibus erat mens sanior, altius gemere, quod nihil simile fecissent, cum utique plus habentes vestire pauperem sine sui nuditate potuissent. (3) nocte igitur insecuta, cum se sopori dedisset, vidit Christum chlamydis suae, qua pauperem texerat, parte vestitum. intueri diligentissime Dominum vestemque, quam dederat, iubetur agnoscere. mox ad angelorum circumstantium multitudinem audit Iesum clara voce dicentem: Martinus adhuc catechumenus hic me veste contexit. (4) vere memor Dominus dictorum suorum, qui ante praedixerat: quamdiu fecistis uni ex minimis istis, mihi fecistis, se in paupere professus est fuisse vestitum: et ad confirmandum tam boni operis testimonium in eodem se habitu, quem pauper acceperat, est dignatus ostendere. (5) quo viso vir beatissimus non in gloriam est elatus humanam, sed bonitatem Dei in suo opere cognoscens, cum esset annorum duodeviginti, ad baptismum convolavit. nec tamen statim militiae renuntiavit, tribuni sui precibus evictus, cui contubernium familiare praestabat: etenim transacto tribunatus sui tempore renuntiaturum se saeculo pollicebatur. qua Martinus exspectatione suspensus per biennium fere posteaquam est baptismum consecutus, solo licet nomine, militavit.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J.Kösel
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

Einmal, er besaß schon nichts mehr als seine Waffen und ein einziges Soldatengewand, da begegnete ihm im Winter, der ungewöhnlich rauh war, so daß viele der eisigen Kälte erlagen, am Stadttor von Amiens ein notdürftig bekleideter Armer. Der flehte die Vorübergehenden um Erbarmen an. Aber alle gingen an dem Unglücklichen vorbei. Da erkannte der Mann voll des Geistes Gottes, daß jener für ihn vorbehalten sei, weil die andern kein Erbarmen übten. Doch was tun? Er trug nichts als den Soldatenmantel, den er umgeworfen, alles Übrige hatte er ja für ähnliche Zwecke verwendet. Er zog also das Schwert, mit dem er umgürtet war, schnitt den Mantel mitten durch und gab die eine Hälfte dem Armen, die andere legte er sich selbst wieder um. Da fingen manche der Umstehenden an zu lachen, weil er im halben Mantel ihnen verunstaltet vorkam. Viele aber, die mehr Einsicht besaßen, seufzten tief, daß sie es ihm nicht gleich getan und den Armen nicht bekleidet hatten, zumal sie bei ihrem Reichtum keine Blöße befürchten mußten. In der folgenden Nacht nun erschien Christus mit jenem Mantelstück, womit der Heilige den Armen bekleidet hatte, dem Martinus im Schlafe. Er wurde aufgefordert, den Herrn genau zu betrachten und das Gewand, das er verschenkt hatte, wieder zu erkennen. Dann hörte er Jesus laut zu der Engelschar, die ihn umgab, sagen: „Martinus, obwohl erst Katechumen, hat mich mit diesem Mantel bekleidet“. Eingedenk der Worte, die er einst gesprochen: „Was immer ihr einem meiner Geringsten getan, habt ihr mir getan“, erklärte der Herr, daß er im Armen das Gewand bekommen habe. Um das Zeugnis eines so guten Werkes zu bekräftigen, würdigte er sich in dem Gewände, das der Arme empfangen hatte, zu erscheinen. Trotz dieser Erscheinung verfiel der selige Mann doch nicht menschlicher Ruhmsucht, vielmehr erkannte er in seiner Tat das gütige Walten Gottes und beeilte sich, achtzehnjährig, die Taufe zu empfangen. Er entsagte jedoch dem Heeresdienst noch nicht sogleich, da er den Bitten seines Tribuns nachgab, mit dem er in vertrauter Kameradschaft zusammenlebte. Denn jener versprach, nach Ablauf seiner Dienstzeit als Tribun der Welt den Rücken zu kehren. Durch diese Zusage ließ sich Martinus bestimmen, noch ungefähr zwei Jahre lang nach seiner Taufe, freilich nur dem Namen nach, zu dienen.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Sulp.Sev.vit.Mart. 3

Leitfragen:

1) Welche Problematik entstand durch Martins Zeit als Soldat?

2) Wie werden Martins (christliche) Tugenden dargestellt?

3) Welche Rolle spielt die Mantelteilung für die Verehrung Martins?

Kommentar:

Martin von Tours kann wohl zu Recht als einer der bedeutendsten Heiligen Galliens bezeichnet werden. Der ausführliche Bericht über sein Leben und Wirken – die Vita Sancti Martini – wurde ca. 396/7 n.Chr. von einem gewissen Sulpicius Severus verfasst. Dieser war ein Zeitgenosse und Bewunderer von Martin und gibt dem Leser in seiner Vita ein vielschichtiges Bild des Heiligen, zudem vermeidet sie einen, direkten Bezug auf das Zeitgeschehen zu nehmen, was ihr einen überzeitlichen Rahmen verleiht. Wichtige Bezugspunkte der hagiographischen Schrift sind die Wunder, die Missionierung und die christliche Nächstenliebe und Tugendhaftigkeit des Mönchs und Bischofs.

Die Vita beginnt mit der Beschreibung der Herkunft und Jugend Martins, der wahrscheinlich um 316/17 n.Chr. in Sabaria (heute Ungarn) als Sohn eines Militärtribuns geboren wurde. Es folgen die Beschreibungen seines Militärdienstes und seines mönchischen Lebens bis zu seiner Wahl zum Bischof. An diese schließen sich die Aufzählungen seiner Wundertaten, wie die Zerstörung paganer Tempel und Götzenbilder sowie Episoden über Wunderheilungen und Totenerweckungen. Martin starb im Jahre 397 in Candes – von den Gläubigen bereits als Heiliger verehrt. Martin starb eines natürlichen Todes und wird als Heiliger dadurch nicht zu den Märtyrern (martyres), sondern zu den Bekennern (confessores) gezählt. Das besondere an der hagiographischen Lebensbeschreibung des Heiligen Martin ist, dass diese vor seinem Tod endet, was – wie bei jedem hagiographischem Text – dazu führt, dass man sich zwingend der Intention des Autors gewahr werden muss.

Die Episode der Mantelteilung ist die bekannteste Geschichte über den Heiligen Martin und gleichzeitig auch das am meisten vorkommende ikonographische Element in der Martinsverehrung. Die Teilung des Mantels steht dabei symbolisch für das moralische Handeln
im Sinne des Gebotes Christi: „Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan (Mt. 25,4).“ Dabei war das Bild von Martin als Soldat für das Christentum immer schon per se schwierig. Sulpicius Severus versucht ihn aus diesem Grund in dem vorliegenden Quellenabschnitt zu einem miles christi – einem Soldaten Christi – zu stilisieren. Martin wird in der vorliegenden Szene eben nicht als römischer Soldat beschrieben, sondern sein „Soldat-sein“ wird genutzt, um seine Fürsorge und Tugendhaftigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Somit vereinen sich in ihm die Gegensätze der militärischen paganen Umwelt mit der des friedvollen Christentums. Dieser Gedanke wird noch einmal in der Verwendung des „weltlichen“ Schwertes deutlich, das Martin benutzt, um seine christliche Tat der Nächstenliebe auszuführen.

Die Weiterführung Martins militärischer Dienstzeit nach seiner Taufe mit 18 Jahren entwickelte sich zu einer weiteren Problematik. Das Problem, welches dies mit sich brachte, lag darin, dass Papst Siricius (384-399 n.Chr.) all denjenigen kirchliche Ämter verwehrte, die nach ihrer Taufe noch Militärdienst leisteten. Es zeigt sich, dass diese Thematik zu dieser Zeit eine hohe Brisanz inne hatte, sodass sich vor diesem Hintergrund die Aussagen von Sulpicius Severus einordnen lassen können; Sulpicius ist in diesen Passagen der Vita besonders bemüht, ein tadelloses Bild von Martin zu zeichnen – was ihm ohne Frage auch gelingt. Er versteht es geschickt, nicht nur die christliche caritas in das militärische Leben und Handeln Martins zu integrieren, sondern auch seine Bereitschaft, sich ohne Waffen den feindlichen Truppen zu stellen, als Bereitschaft zum Martyrium zu stilisieren. Dieses Bild von Martin als Märtyrer wird nochmal in der späteren Beschreibung seines asketischen Lebens genutzt. Hier wird die Askese als unblutiges Martyrium beschrieben. Dieser selbstauferlegte Lebensstil entwickelte sich in einigen Teilen des Römischen Reiches, wie z.B. in Syrien zu Extremformen, wie den Säulenheiligen. Bei Martin war die strenge Askese auch verantwortlich dafür, dass er diverse Wunder vollbringen konnte. In der Vita wird also das Bild von Martin als tugendhafter Christ, als Märtyrer, Asket, Mönch und als Bischof gezeichnet, damit vereint der literarische Martin alle anerkannten Formen von Heiligkeit in einer Person – und das zu Lebzeiten.

Ein weiterer Grund für die hohe Popularität der Szene der Mantelteilung, obwohl auch andere prägnante Eigenschaften Martins zur Auswahl gestanden hätten – man denke an den Heiligen Martin, der sich im Gänsestall versteckte, um dem Bischofsamt zu entgehen – könnte in der ikonographisch einfachen Darstellungsmöglichkeit liegen. Die Szene lässt sich auf Siegeln, in der Malerei und der Plastik besonders gut darstellen. Besonders im Mittelalter und der Frühen Neuzeit wird verstärkt auf dieses Bild von Martin und der Mantelteilung zurückgegriffen, um auf
seine Nächstenliebe und die Nähe zum Volk zu verweisen. Noch heute ist die Szene das am meisten rezipierte Bild des Heiligen Martin – und wird vielerorts am 11. November bei St. Martins- oder Laternenumzügen wieder aufgegriffen.

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Jüdischer Krieg

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Relief auf dem Titusbogen

Leitfragen:

1)Was ist ein Triumphbogen?

2)Was wird auf dem Relief dargestellt?

3)Wie kam es zu der dargestellten Szene?

Kommentar:

Bei dem hier dargestellten Monument handelt es sich um einen sog. Ehrenbogen, der Ende des 1. Jh. n.Chr. zu Ehren von Kaiser Titus (39 -81 n.Chr.) errichtet wurde. Der eintorige Bogen wurde aus pentelischem Marmor errichtet und ist ca. 14,5 m hoch und 13,5 m breit. Er befindet sich auf der Velia (einer Anhöhe nordöstlich des Palatins). Der Bogen findet in den überlieferten literarischen Quellen keine Erwähnung, kann allerdings aufgrund einer Inschrift an der Ostseite zweifelsfrei Kaiser Titus zugeordnet werden:

SENATUS
POPULUSQUE ROMANUS
DIVO TITO DIVI VESPASIANI F(ILIO)
VESPASIANO AUGUSTO

Der Senat
und das römische Volk (haben diesen Bogen errichtet)
dem vergöttlichten Titus Vespasianus Augustus
dem Sohn des vergöttlichten Vespasian.

Generell kann gesagt werden, dass diese Bogenmonumente nicht als Tore oder Durchgänge dienten. Sie konnten zwar in Portikenkomplexe eingebunden sein, mussten dies allerdings nicht zwingend. In keinem Falle fungierten diese Monumente als Stadt- oder Eingangstore. Triumph- respektive Ehrenbögen wurden eingedenk bestimmter Siege oder Taten für einzelne Personen errichtet. Zudem führte der damit verbundene Triumphzug in Rom durch eben diese Bogenmonumente. Der Titusbogen war im eigentlichen Sinne kein Triumphbogen mehr, sondern ein reiner Ehrenbogen, da er erst im Jahre 81 n.Chr. – 10 Jahre nach dem Tod von Kaiser Titus – errichtet wurde.
Ähnlich den Säulenmonumenten – wie z.B. der Trajanssäule – diente die Ausgestaltung der Bauwerke durch komplexe Dekorationen, wie Bildreliefs in erster Linie dazu, den Ruhm des geehrten Herrschers in vielfältigen Szenen zu erläutern. An unterschiedlichen Stellen des Titusbogens wird aus diesem Grund auf die militärischen Erfolge des Titus im Krieg über die Juden 71 n.Chr. verwiesen. Auch das hier dargestellte Relief spielt auf diesen Sieg an.

Der Konflikt zwischen Teilen der jüdischen Bevölkerung der römischen Provinz Judäa und der Hauptstadt brodelte am Ende des 1. Jh. schon länger. Nach den Wirren der Bürgerkriege des Vierkaiserjahres hatte sich schließlich 69 n.Chr. Vespasian durchgesetzt. Dieser musste sich im Jahre 70 n.Chr. allerdings zuvörderst um die Machtkonsolidierung und die Probleme im Gesamtreich kümmern, wodurch er in Rom unabkömmlich war. Aus diesem Grund stattete er seinen Sohn Titus – der auch die dynastische Nachfolge der Regierung Vespasians antreten sollte – mit dem Oberkommando gegen die jüdischen Aufständischen in Judäa aus. Anfänglich waren die Juden in der Lage gewesen, kleinere Siege für sich zu verzeichnen und die römische Besatzung damit massiv unter Druck zu setzen. Schließlich wurde die Stadt Jerusalem im Frühjahr des Jahres 70 n.Chr. von Titus eingeschlossen und letztendlich nach einer langen und blutigen Belagerung gestürmt.
Der größte Schlag für die jüdische Bevölkerung war die Zerstörung des von Herodes erbauten Jahwe-Tempels und der Abtransport seiner Reichtümer nach Rom. Dies hatte zur Folge, dass der bisher auf den Tempel ausgerichtete jüdische Opferkult zu einem Ende kam und die Jüdische Diaspora eingeleitet wurde.

Das südliche Bildrelief des Titusbogens zeigt einen Ausschnitt aus jener Prozession respektive jenem Triumphzug 71 n.Chr. anlässlich des Sieges im Jüdischen Krieg. Das Relief ist an einigen Stellen stark zerstört, zeigt allerdings deutlich ca. 14 Figuren, die sich als Gruppe in Richtung der linken Bildhälfte bewegen und dabei unterschiedliche Gegenstände tragen. Die Figuren sind allesamt männlich und aufgrund ihrer Kleidung als Römer zu identifizieren. Die gemeinsame Blickrichtung und die Komposition der Personen und Gegenstände lässt auf die Darstellung eines Triumphzuges oder einer Prozession schließen, wie sie auch auf einem Siegesmonument zu erwarten wäre – die Alternative wäre der Schlüsselmoment der militärischen Auseinandersetzung oder die Vorbereitung zu dieser.
Die Teilnehmer der Prozession tragen unterschiedliche Beutestücke aus dem Tempel in Jerusalem durch das Siegestor. Dargestellt sind hier der siebenarmige Leuchter, die Menora, sowie die Silbertrompeten. Eine zeitgenössische Beschreibung dieses Triumphzuges und der Ereignisse im Jüdischen Krieg finden wir bei Flavius Josephus (ca. 37/8 -100 n.Chr.) in seinem Werk De bello Judaico (Ios. bell. Iud. 7,3).

Der Titusbogen und sein Reliefschmuck sind in dem Sinne herausragend, als sie den einzigen Triumphzug auf einem Siegesmonument zeigen, der anlässlich eines Sieges über einen Aufstand in einer römischen Provinz gefeiert worden ist.
Er diente allerdings nicht nur als Ehrenmonument für diesen Sieg, sondern ist auch eine Darstellung zur Festigung der Flavischen Dynastie im Bild der Öffentlichkeit, die mit Vespasian ihren Anfang nahm, insbesondere in Abgrenzung zur Herrschaft Neros. Titus wurde der Nachfolger von Vespasian, allerdings starb er bereits nach zwei Regierungsjahren. Ihm folgte sein Bruder Domitian. Die Auswahl des Bildthemas des Reliefs stellt den siegreichen Ausgang des Konflikts durch die Darstellung des Triumphzuges in den Mittelpunkt der Betrachtung, nicht die militärische Auseinandersetzung. Daraus kann auf das Bestreben geschlossen werden, die legitime „Friedens“-Politik der Flavier in den Vordergrund zu stellen. Weitere Monumente in Rom, die direkt oder indirekt auf den Jüdischen Krieg verweisen sind der Templum Pacis (Friedenstempel), der auch die Beutestücke aus dem Jerusalemer Tempel enthielt, und das Kolosseum.

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