Auseinandersetzung um den Viktorienaltar

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Quintus Aurelius Symmachus
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Symm.rel. 3,7-10 – Original:

7. Accipiat aeternitas vestra alia eiusdem principis facta, quae in usum dignius trahat. Nihil ille decerpsit sacrarum virginum privilegiis, decrevit nobilibus sacerdotia, Romanis caerimoniis non negavit inpensas et per omnes vias aeternae urbis laetum secutus senatum vidit placido ore delubra, legit inscripta fastigiis deorum nomina, percontatus templorum origines est, miratus est conditores cumque alias religiones ipse sequeretur, has servavit imperio.
8. Suus enim cuique mos, suus cuique ritus est. Varios custodes urbibus cultus mens divina distribuit. Ut animae nascentibus, ita populis fatales genii dividuntur. Accedit utilitas, quae maxime homini deos adserit. Nam cum ratio omnis in operto sit, unde rectius quam de memoria atque documentis rerum secundarum cognitio venit numinum? Iam si longa aetas auctoritatem religionibus faciat, servanda est tot saeculis fides et sequendi sunt nobis parentes, qui secuti sunt feliciter suos
9. Romam nunc putemus adsistere atque his vobiscum agere sermonibus: Optimi principum, patres patriae, reveremini annos meos, in quos me pius ritus adduxit! Utar caerimoniis avitis; neque enim paenitet. Vivam meo more, quia libera sum! Hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. Ad hoc ergo servata sum, ut longaeva reprehendar?
10. Videro, quale sit, quod instituendum putatur; sera tamen et contumeliosa emendatio senectutis. Ergo diis patriis, diis indigetibus pacem rogamus. Aequum est, quidquid omnes colunt, unum putari. Eadem spectamus astra, commune caelum est, idem nos mundus involvit. Quid interest, qua quisque prudentia verum requirat? Uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum. Sed haec otiosorum disputatio est. Nunc preces, non certamina offerimus.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Philip Schaff
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

7. But the divine Constantius is said to have done the same. Let us rather imitate the other actions of that Prince, who would have undertaken nothing of the kind, if any one else had committed such an error before him. For the fall of the earlier sets his successor right, and amendment results from the censure of a previous example. It was pardonable for your Grace’s ancestor in so novel a matter to fail in guarding against blame. Can the same excuse avail us if we imitate what we know to have been disapproved?
8. Will your Majesties listen to other actions of this same Prince, which you may more worthily imitate? He diminished none of the privileges of the sacred virgins, he filled the priestly offices with nobles, he did not refuse the cost of the Roman ceremonies, and following the rejoicing Senate through all the streets of the eternal city, he contentedly beheld the shrines with unmoved countenance, he read the names of the gods inscribed on the pediments, he enquired about the origin of the temples, and expressed admiration for their builders. Although he himself followed another religion, he maintained its own for the empire, for everyone has his own customs, everyone his own rites. The divine Mind has distributed different guardians and different cults to different cities. As souls are separately given to infants as they are born, so to peoples the genius of their destiny. Here comes in the proof from advantage, which most of all vouches to man for the gods. For, since our reason is wholly clouded, whence does the knowledge of the gods more rightly come to us, than from the memory and evidence of prosperity? Now if a long period gives authority to religious customs, we ought to keep faith with so many centuries, and to follow our ancestors, as they happily followed theirs.
9. Let us now suppose that Rome is present and addresses you in these words: “Excellent princes, fathers of your country, respect my years to which pious rites have brought me. Let me use the ancestral ceremonies, for I do not repent of them. Let me live after my own fashion, for I am free. This worship subdued the world to my laws, these sacred rites repelled Hannibal from the walls, and the Senones from the capitol. Have I been reserved for this, that in my old age I should be blamed? I will consider what it is thought should be set in order, but tardy and discreditable is the reformation of old age.”
10. We ask, then, for peace for the gods of our fathers and of our country. It is just that all worship should be considered as one. We look on the same stars, the sky is common, the same world surrounds us. What difference does it make by what pains each seeks the truth? We cannot attain to so great a secret by one road; but this discussion is rather for persons at ease, we offer now prayers, not conflict.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Symm.rel. 3,7-10

Leitfragen:

1) Was war die politische Ausgangslage für die Auseinandersetzung?

2) Mit welchen Punkten argumentiert Symmachus?

3) Welche Auswirkungen hatte die Auseinandersetzung?

Kommentar:

In einer Epoche, die wie kaum eine andere geprägt war von politischen und militärischen Konflikten, scheint auf den ersten Blick dem Streit um die Aufstellung des Viktorienaltars in der Curia Iulia eine relativ geringe Bedeutung zuzukommen. Und doch steht dieser Streit sinnbildlich für die Auseinandersetzung, die im Kontext des allgemeinen Erlöschens der altrömischen Traditionen zwischen den Anhängern des traditionellen römischen Staatskultes und den Christen geführt wurde. Der Altar der Siegesgöttin und ihr vergoldetes Abbild, welches einen Palmzweig und einen Lorbeerkranz in den Händen hielt, wurde bereits 29 v.Chr. von Kaiser Augustus anlässlich seines Sieges in Actium (31 v.Chr.) in der Curia geweiht. Von diesem Zeitpunkt an war es Brauch, dass die Senatoren vor jeder Sitzung im Senatsgebäude dem Standbild der geflügelten Göttin ein Opfer darbrachten. Der Altar stand damit nicht nur für den Sieg von Augustus über Antonius, sondern vielmehr allgemein für die militärische Stärke Roms und des Principats. Constantius II. ließ im Jahre 357 n.Chr. im Zuge des allgemeinen Opferverbotes als erster den Altar aus der Curia entfernen. Sein Nachfolger Julian – auch Apostata, der Abgefallene genannt – ließ den Altar 361/63 n.Chr. allerdings wieder aufstellen mit der Intention, die paganen Kulte wiederzubeleben – ein Versuch, der durch die umfassende Etablierung des Christentums zum Scheitern verurteilt war. Im Jahr 382/83 n.Chr. entfernte Gratian den Altar erneut und stellte zusätzlich dazu auch die staatliche Finanzierung des Vestakultes ein.

Als Reaktion der zum Großteil immer noch paganen Senatorenschaft Roms wurde Quintus Aurelius Symmachus in seiner Funktion als Stadtpräfekt beauftragt, sich mit einer Gesandtschaft an den Kaiser in Mailand zu wenden, um ihn davon zu überzeugen, den Altar wiederaufstellen sowie den Kulten wieder eine staatliche Förderung zukommen zulassen; zudem sollten den Priestern ihre Privilegien wieder eingeräumt werden. Der Entzug der staatlichen Grundlage der paganen Kulte, ohne die diese nicht mehr bestehen konnten, kann wohl als der wichtigste Auslöser für die Gesandtschaft gesehen werden. Der römische Senator qualifizierte sich für diese Aufgabe durch seinen hohen Bekanntheitsgrad als Redner, der ihm den Ruf eines zweiten Ciceros einbrachte. Allerdings wies ihn Gratian vor den Toren Mailands ab. Der vorliegende Quellenausschnitt stammt aus einer Bittschrift, der 3. Relatio, die er nach dem Tode Gratians verfasste und an den jungen Kaiser Valentinian richtete. In seinem Schreiben bittet Symmachus diesen darum, die Entscheidungen seines Vorgängers zurückzunehmen. Valentinian schien ihm, wohl auch aufgrund seines noch jungen Alters, beeinflussbarer als Gratian es gewesen war.

Das Schreiben ist stilistisch auf einem sehr hohen Niveau verfasst. Symmachus plädiert nicht nur für die Wichtigkeit der paganen Kulte, sondern untermauert seine Argumentation sorgfältig mit den Ideen des philosophischen Pluralismus im Sinne des Neuplatonismus und dem Konzept der inneren Gleichheit der verschiedenen Glaubensformen. Am Höhepunkt seiner Ausführungen lässt er eine Prosopopoiie der Ewigen Stadt das Wort ergreifen. Die personifizierte Roma sollte für eine Verbindung mit der glorreichen Vergangenheit des Imperiums und ein garantiert glückliches Weiterbestehen der Stadt stehen. Symmachus greift damit auf die Romidee zurück, die der Stadt eine universelle Vorrangstellung im politischen, kulturellen und religiösen Bereich zuspricht. Gleichzeitig erinnert er an die ruhmreiche Vergangenheit und greift Bilder von historisch wichtigen Erfolgen auf, die sich tief in das kollektive Gedächtnis der Römer eingebrannt hatten. Seinen Aussagen nach verdanke Rom seine ruhmreiche Vergangenheit und den Aufstieg zum caput mundi in erster Linie dem treuen Vollzug des Staatskultes und der Verehrung der traditionellen Götter.

Interessanterweise geht er nicht auf den Umkehrschluss ein, dass der „neue Glaube“ verantwortlich sei für die jüngsten Misserfolge Roms, wie dem Verlust der Schlacht bei Adrianopel – vielleicht auch, um den Kaiser nicht auf seine Niederlagen hinzuweisen. Lediglich indirekt fragt er, wer denn den Barbaren so freundlich gesinnt wäre, als dass er die Wiedererrichtung des Altars der Victoria nicht wünsche? Er macht deutlich, dass die geschichtlichen Erfahrungen und eine generelle Klugheit ein Festhalten an den traditionellen Staatskult gebieten würden. Die Bittschrift machte am Mailänder Hof durchaus Eindruck und wäre unter Umständen sogar erfolgreich gewesen, wenn sich nicht auch der Bischof von Mailand, Ambrosius, in den Streit eingemischt hätte. Seinen ersten Brief verfasste er, ohne die Bittschrift gelesen zu haben. Eindringlich warnt er den Kaiser davor, seine Pflicht als Christ und Verteidiger des Glaubens zu vernachlässigen und droht ihm indirekt sogar mit Exkommunikation.

Bei seinem zweiten Brief hingegen handelt es sich um eine argumentative Widerlegung der Bittschrift, in der er argumentiert, dass 387 v.Chr. Rom lediglich von einer Schar Gänse und nicht von dem Gott Jupiter befreit worden sei und Hannibal dieselben Götter angebetet hätte wie die Römer – die aus diesem Grund mal dem einen, mal dem anderen Vorzug gaben. Valentinian folgte schließlich der Argumentation des Erzbischofes. Im Jahr 393 n.Chr. wurden in Rom zum letzten Mal die traditionellen paganen Kultfeiern begangen. Ein Jahr später wurde der Altar schließlich endgültig aus der Curia entfernt. Das Entfernen des Altars bedeutete nicht nur eine wirkungsmächtige symbolische Niederlage für die Anhänger der paganen Kulte, sondern zeigte auch, dass in Rom ein neues Zeitalter angebrochen war, in dem die Kultausübung nicht mehr Sache des Kaisers war, er aber sehr wohl von der Kircher beeinflusst werden konnte.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Einfall der Goten und anderer Völker

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Ammianus Marcellinus
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Amm. 31,12,1-7 – Original:

1 Isdemque diebus exagitatus ratione gemina Valens, quod Lentienses conpererat superatos, quodque Sebastianus subinde scribens facta dictis exaggerabat, e Melanthiade signa commovit, aequiperare facinore quodam egregio adulescentem properans filium fratris, cuius virtutibus urebatur: ducebatque multiplices copias nec contemnendas nec segnes, quippe etiam veteranos isdem iunxerat plurimos, inter quos et honoratiores alii et Traianus recinctus est, paulo ante magister armorum. 2 Et quoniam exploratione sollicita cognitum est cogitare hostes fortibus praesidiis itinera claudere, per quae commeatus necessarii portabantur, occursum est huic conatui conpetenter, ad retinendas oportunitates angustiarum, quae prope erant, peditibus sagittariis et equitum turma citius missa. 3 Triduoque proximo cum barbari gradu incederent leni et metuentes eruptionem per devia, quindecim milibus passuum a civitate discreti stationem peterent Nicen incertum quo errore procursatoribus omnem illam multitudinis partem, quam viderant, in numero decem milium esse firmantibus, imperator procaci quodam calore perculsus isdem occurrere festinabat. 4 Proinde agmine quadrato incedens prope suburbanum Hadrianopoleos venit, ubi vallo sudibus fossaque firmato, Gratianum inpatienter operiens, Richomerem comitem domesticorum suscepit ab eodem imperatore praemissum cum litteris, ipsum quoque venturum mox indicantibus. 5 Quarum textu oratus ut praestolaretur paulisper periculorum participem, neve abruptis discriminibus temere semet committeret solum, adhibitis in consilium potestatibus variis, quid facto opus esset deliberabat. 6 Et cum Sebastiano auctore quidam protinus eundum ad certamen urgerent, Victor nomine magister equitum, Sarmata sed cunctator et cautus, eadem sentientibus multis imperii socium exspeetari eensebat, ut incrementis exercitus Gallicani adscitis opprimeretur levius tumor barbaricus flammans. 7 Vicit tamen funesta principis destinatio et adulabilis quorundam sententia regiorum, qui, ne paene iam partae victoriae ut opinabantur consors fieret Gratianus, properari cursu celeri suadebant.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J.C. Rolfe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

1 In those same days Valens was troubled for two reasons: first, by the news that the Lentienses had been defeated; secondly, because Sebastianus wrote from time to time exaggerating his exploits. He therefore marched forth from Melanthias, being eager to do some glorious deed to equal his young nephew, whose valiant exploits consumed him with envy. He had under his command a force made up of varying elements, but one neither contemptible, nor unwarlike; for he had joined with them also a large number of veterans, among whom were other officers of high rank and Trajanus, shortly before a commander-in chief, whom he had recalled to active service. 2 And since it was learned from careful reconnoitring that the enemy were planning with strong guards to block the roads over which the necessary supplies were being brought, he tried competently to frustrate this attempt by quickly sending an infantry troop of bowmen and a squadron of cavalry, in order to secure the advantages of the narrow passes, which were near by. 3 During the next three days, when the barbarians, advancing at a slow pace and through unfrequented places, since they feared a sally, were •fifteen miles distant from the city, and were making for the station of Nice, through some mistake or other the emperor was assured by his skirmishers that all that part of the enemy’s horde which they had seen consisted of only ten p465 thousand men, and carried away by a kind of rash ardour, he determined to attack them at once. 4 Accordingly, advancing in square formation, he came to the vicinity of a suburb of Hadrianopolis, where he made a strong rampart of stakes, surrounded by a moat, and impatiently waited for Gratian; there he received Richomeres, general of the household troops, sent in advance by Gratian with a letter, in which he said that he himself also would soon be there. 5 Since the contents besought him to wait a while for the partner in his dangers, and not rashly to expose himself alone to serious perils, Valens called a council of various of his higher officers and considered what ought to be done. 6 And while some, influenced by Sebastianus, urged him to give battle at once, the man called Victor, a commander of cavalry, a Sarmatian by birth, but foresighted and careful, with the support of many others recommended that his imperial colleague be awaited, so that, strengthened by the addition of the Gallic army, he might the more easily crush the fiery over-confidence of the barbarians. 7 However, the fatal insistence of the emperor prevailed, supported by the flattering opinion of some of his courtiers, who urged him to make all haste in order that Gratian might not have a share in the victory which (as they represented) was already all but won.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Amm. 31,12,1-7

Leitfragen:

1) Was war die Ausgangslage der Auseinandersetzung?

2) Welche Gründe führt Ammian für die Niederlage an?

3) Was waren die Folgen der Niederlage?

Kommentar:

Der vorliegende Quellenausschnitt zeigt einen Auszug aus den Res Gestae des Ammianus Marcellinus (ca. 330-395 n. Chr.). Das Werk des römischen Historikers umfasst 31 Bücher, die wahrscheinlich einen Zeitraum vom Regierungsantritt Nervas (96 n. Chr.) bis zur Schlacht von Adrianopel (378 n. Chr.) behandelten. Überliefert sind allerdings nur die Beschreibungen der Jahre 353-378 n. Chr. – einige der beschriebenen Ereignisse hatte Ammian durch seine Zeit als Soldat unter Constantius II. somit selbst miterlebt. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei diesem Werk um die umfangreichste historiographische Schrift der Spätantike, die sich durchaus mit dem Werk des Tacitus vergleichen lassen kann. Inhaltlich handelt es sich um eine Mischung aus Kaiserbiographien und Reichsgeschichte. Um das stadtrömische Publikum anzusprechen, verfasste Ammian sein Werk auf Latein und nicht in seiner griechischen Muttersprache – er selbst kam aus Antiochia.

Der vorliegende Abschnitt behandelt den Zeitraum kurz vor der fatalen Entscheidung von Kaiser Valens, bei Adrianopel gegen die Goten zu ziehen. Die Ursache dieser militärischen Auseinandersetzung lässt sich grob auf die Migrationsbewegungen verschiedener germanischer Truppen in das Römische Reich zurückführen (oftmals auch als „Völkerwanderung“ bezeichnet). In diesem Kontext ersuchten auch die tervingischen Goten um Aufnahme in das Imperium, im Gegenzug waren sie bereit, Kriegsdienst für die Römer zu leisten. Dieses Anliegen wurde ihnen von römischer Seite aus gestattet, wohl auch in der Hoffnung, dadurch die eigene Armee zu stärken. Die Goten wurden aber ihrerseits stark von den Hunnen bedrängt. Dies führte dazu, dass neben den tervingischen Goten weitere Germanen die Donau überschritten und weite Teile Thrakiens – auch aufgrund einer allgemeinen Hungersnot – verwüsteten.

Nachdem die lokalen römischen Beamten die Situation nicht mehr unter Kontrolle bringen konnten, schickten sie nach Hilfe von kaiserlicher Seiter. Kaiser Valens hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch in Antiochia auf, schickte von dort aus zuerst einige Truppen und entschied sich daraufhin mit seinem eigenen Heer nach Thrakien zu kommen. Auch Gratian sicherte seine Hilfe zu und setzte sich mit seinem Heer von Westen aus ebenfalls in Richtung Thrakien in Bewegung.

Ammian beschreibt, dass Gratian in einem Brief Valens darum bittet, mit seinem Vorstoß noch zu warten, bis er einträfe. Allerdings entschied sich Valens am 9. August 378 in Erwartung eines leichten Sieges zu einem – in der Forschung oftmals als kopflos oder überstürzt charakterisierten – Vorstoß noch bevor die Hilfstruppen unter Gratian eingetroffen waren. Ammian nennt als möglichen Grund für dieses Handeln den Drang von Valens, einen ruhmriechen Sieg zu erringen, welchen er Gratian nicht gönnte. Dieser Drang nach einem militärischen Erfolg und eine falsche Einschätzung der ausgesendeten Späher werden von Ammian als Gründe für das Handeln von Valens angeführt. Zudem ließ sich der Kaiser, seiner Meinung nach, zu leicht von den „Schmeicheleien“ der ihn beratenden Höflinge beeinflussen, die sich für ein rasches Eingreifen aussprachen.

Im weiterführenden Abschnitt widmet Ammian den detaillierten Beschreibungen der militärischen Aktionen bei Adrianopel besondere Aufmerksamkeit, die sich wohl insbesondere auf seine eigene Erfahrung als Soldat zurückführen lässt. Nach einem äußerst blutigen Kampf erlitten die Römer eine verheerende Niederlage. Insgesamt fielen ca. zwei Drittel des römischen Heeres, darunter kamen auch Kaiser Valens nebst einer Vielzahl seiner Offiziere ums Leben.

Die Goten konnten erst vor den Toren Konstantinopels aufgehalten werden. Rom hatte durch diese Niederlage nicht nur einen Kaiser, sondern auch sein bewegliches kaiserliches Heer verloren, welches bis dahin als mobile Reserve an unterschiedlichen Fronten eingesetzt worden war. Dies führte dazu, dass immer mehr Kriegsverbände in das Imperium einfielen.

Nach dem Tod des Valens wurde im Jahr 379 Theodosius zum „Seniorkaiser“, zum Augustus erklärt. Er bemühte sich darum, die Situation durch einen Vertragsabschluss mit den terwingischen Goten zu lösen. Die Goten erhielten Land im römischen Thrakien und waren als foederati zur Waffenhilfe verpflichtet, allerdings waren sie ansonsten autark und handelten als halbautonome Einheiten innerhalb der römischen Armee – Theodosius schuf damit eine Art Präzedenzfall. Den Römern blieb nichts anderes übrig, als den einfallenden Germanenstämmen mehr Freiheiten zuzugestehen. Immer mehr germanische Truppen wurden in die römische Armee integriert, was zu einer Art „Barbarisierung“ des Militärs führte und prägend für diese Epoche werden sollte. Mit der in diesem Auszug beschriebenen katastrophalen Niederlage der römischen Armee gegen die Germanen bei Adrianopel beschließt Ammian sein Werk – vielleicht sogar in der Überzeugung, dass der Untergang des Römischen Reiches ebenfalls feststehe.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Christliche Nächstenliebe

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Sulpicius Severus
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Sulp.Sev.vit.Mart. 3 – Original:

Quodam itaque tempore, cum iam nihil praeter arma et simplicem militiae vestem haberet, media hieme, quae solito asperior inhorruerat, adeo ut plerosque vis algoris exstingueret, obvium habet in porta Ambianensium civitatis pauperem nudum: qui cum praetereuntes ut sui misererentur oraret omnesque miserum praeterirent, intellegit vir Deo plenus sibi illum, aliis misericordiam non praestantibus, reservari. (2) quid tamen ageret? nihil praeter chlamydem, qua indutus erat, habebat: iam enim reliqua in opus simile consumpserat. arrepto itaque ferro, quo accinctus erat, mediam dividit partemque eius pauperi tribuit, reliqua rursus induitur. interea de circumstantibus ridere nonnulli, quia deformis esse truncatus habitu videretur: multi tamen, quibus erat mens sanior, altius gemere, quod nihil simile fecissent, cum utique plus habentes vestire pauperem sine sui nuditate potuissent. (3) nocte igitur insecuta, cum se sopori dedisset, vidit Christum chlamydis suae, qua pauperem texerat, parte vestitum. intueri diligentissime Dominum vestemque, quam dederat, iubetur agnoscere. mox ad angelorum circumstantium multitudinem audit Iesum clara voce dicentem: Martinus adhuc catechumenus hic me veste contexit. (4) vere memor Dominus dictorum suorum, qui ante praedixerat: quamdiu fecistis uni ex minimis istis, mihi fecistis, se in paupere professus est fuisse vestitum: et ad confirmandum tam boni operis testimonium in eodem se habitu, quem pauper acceperat, est dignatus ostendere. (5) quo viso vir beatissimus non in gloriam est elatus humanam, sed bonitatem Dei in suo opere cognoscens, cum esset annorum duodeviginti, ad baptismum convolavit. nec tamen statim militiae renuntiavit, tribuni sui precibus evictus, cui contubernium familiare praestabat: etenim transacto tribunatus sui tempore renuntiaturum se saeculo pollicebatur. qua Martinus exspectatione suspensus per biennium fere posteaquam est baptismum consecutus, solo licet nomine, militavit.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J.Kösel
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

Einmal, er besaß schon nichts mehr als seine Waffen und ein einziges Soldatengewand, da begegnete ihm im Winter, der ungewöhnlich rauh war, so daß viele der eisigen Kälte erlagen, am Stadttor von Amiens ein notdürftig bekleideter Armer. Der flehte die Vorübergehenden um Erbarmen an. Aber alle gingen an dem Unglücklichen vorbei. Da erkannte der Mann voll des Geistes Gottes, daß jener für ihn vorbehalten sei, weil die andern kein Erbarmen übten. Doch was tun? Er trug nichts als den Soldatenmantel, den er umgeworfen, alles Übrige hatte er ja für ähnliche Zwecke verwendet. Er zog also das Schwert, mit dem er umgürtet war, schnitt den Mantel mitten durch und gab die eine Hälfte dem Armen, die andere legte er sich selbst wieder um. Da fingen manche der Umstehenden an zu lachen, weil er im halben Mantel ihnen verunstaltet vorkam. Viele aber, die mehr Einsicht besaßen, seufzten tief, daß sie es ihm nicht gleich getan und den Armen nicht bekleidet hatten, zumal sie bei ihrem Reichtum keine Blöße befürchten mußten. In der folgenden Nacht nun erschien Christus mit jenem Mantelstück, womit der Heilige den Armen bekleidet hatte, dem Martinus im Schlafe. Er wurde aufgefordert, den Herrn genau zu betrachten und das Gewand, das er verschenkt hatte, wieder zu erkennen. Dann hörte er Jesus laut zu der Engelschar, die ihn umgab, sagen: „Martinus, obwohl erst Katechumen, hat mich mit diesem Mantel bekleidet“. Eingedenk der Worte, die er einst gesprochen: „Was immer ihr einem meiner Geringsten getan, habt ihr mir getan“, erklärte der Herr, daß er im Armen das Gewand bekommen habe. Um das Zeugnis eines so guten Werkes zu bekräftigen, würdigte er sich in dem Gewände, das der Arme empfangen hatte, zu erscheinen. Trotz dieser Erscheinung verfiel der selige Mann doch nicht menschlicher Ruhmsucht, vielmehr erkannte er in seiner Tat das gütige Walten Gottes und beeilte sich, achtzehnjährig, die Taufe zu empfangen. Er entsagte jedoch dem Heeresdienst noch nicht sogleich, da er den Bitten seines Tribuns nachgab, mit dem er in vertrauter Kameradschaft zusammenlebte. Denn jener versprach, nach Ablauf seiner Dienstzeit als Tribun der Welt den Rücken zu kehren. Durch diese Zusage ließ sich Martinus bestimmen, noch ungefähr zwei Jahre lang nach seiner Taufe, freilich nur dem Namen nach, zu dienen.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Sulp.Sev.vit.Mart. 3

Leitfragen:

1) Welche Problematik entstand durch Martins Zeit als Soldat?

2) Wie werden Martins (christliche) Tugenden dargestellt?

3) Welche Rolle spielt die Mantelteilung für die Verehrung Martins?

Kommentar:

Martin von Tours kann wohl zu Recht als einer der bedeutendsten Heiligen Galliens bezeichnet werden. Der ausführliche Bericht über sein Leben und Wirken – die Vita Sancti Martini – wurde ca. 396/7 n.Chr. von einem gewissen Sulpicius Severus verfasst. Dieser war ein Zeitgenosse und Bewunderer von Martin und gibt dem Leser in seiner Vita ein vielschichtiges Bild des Heiligen, zudem vermeidet sie einen, direkten Bezug auf das Zeitgeschehen zu nehmen, was ihr einen überzeitlichen Rahmen verleiht. Wichtige Bezugspunkte der hagiographischen Schrift sind die Wunder, die Missionierung und die christliche Nächstenliebe und Tugendhaftigkeit des Mönchs und Bischofs.

Die Vita beginnt mit der Beschreibung der Herkunft und Jugend Martins, der wahrscheinlich um 316/17 n.Chr. in Sabaria (heute Ungarn) als Sohn eines Militärtribuns geboren wurde. Es folgen die Beschreibungen seines Militärdienstes und seines mönchischen Lebens bis zu seiner Wahl zum Bischof. An diese schließen sich die Aufzählungen seiner Wundertaten, wie die Zerstörung paganer Tempel und Götzenbilder sowie Episoden über Wunderheilungen und Totenerweckungen. Martin starb im Jahre 397 in Candes – von den Gläubigen bereits als Heiliger verehrt. Martin starb eines natürlichen Todes und wird als Heiliger dadurch nicht zu den Märtyrern (martyres), sondern zu den Bekennern (confessores) gezählt. Das besondere an der hagiographischen Lebensbeschreibung des Heiligen Martin ist, dass diese vor seinem Tod endet, was – wie bei jedem hagiographischem Text – dazu führt, dass man sich zwingend der Intention des Autors gewahr werden muss.

Die Episode der Mantelteilung ist die bekannteste Geschichte über den Heiligen Martin und gleichzeitig auch das am meisten vorkommende ikonographische Element in der Martinsverehrung. Die Teilung des Mantels steht dabei symbolisch für das moralische Handeln
im Sinne des Gebotes Christi: „Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan (Mt. 25,4).“ Dabei war das Bild von Martin als Soldat für das Christentum immer schon per se schwierig. Sulpicius Severus versucht ihn aus diesem Grund in dem vorliegenden Quellenabschnitt zu einem miles christi – einem Soldaten Christi – zu stilisieren. Martin wird in der vorliegenden Szene eben nicht als römischer Soldat beschrieben, sondern sein „Soldat-sein“ wird genutzt, um seine Fürsorge und Tugendhaftigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Somit vereinen sich in ihm die Gegensätze der militärischen paganen Umwelt mit der des friedvollen Christentums. Dieser Gedanke wird noch einmal in der Verwendung des „weltlichen“ Schwertes deutlich, das Martin benutzt, um seine christliche Tat der Nächstenliebe auszuführen.

Die Weiterführung Martins militärischer Dienstzeit nach seiner Taufe mit 18 Jahren entwickelte sich zu einer weiteren Problematik. Das Problem, welches dies mit sich brachte, lag darin, dass Papst Siricius (384-399 n.Chr.) all denjenigen kirchliche Ämter verwehrte, die nach ihrer Taufe noch Militärdienst leisteten. Es zeigt sich, dass diese Thematik zu dieser Zeit eine hohe Brisanz inne hatte, sodass sich vor diesem Hintergrund die Aussagen von Sulpicius Severus einordnen lassen können; Sulpicius ist in diesen Passagen der Vita besonders bemüht, ein tadelloses Bild von Martin zu zeichnen – was ihm ohne Frage auch gelingt. Er versteht es geschickt, nicht nur die christliche caritas in das militärische Leben und Handeln Martins zu integrieren, sondern auch seine Bereitschaft, sich ohne Waffen den feindlichen Truppen zu stellen, als Bereitschaft zum Martyrium zu stilisieren. Dieses Bild von Martin als Märtyrer wird nochmal in der späteren Beschreibung seines asketischen Lebens genutzt. Hier wird die Askese als unblutiges Martyrium beschrieben. Dieser selbstauferlegte Lebensstil entwickelte sich in einigen Teilen des Römischen Reiches, wie z.B. in Syrien zu Extremformen, wie den Säulenheiligen. Bei Martin war die strenge Askese auch verantwortlich dafür, dass er diverse Wunder vollbringen konnte. In der Vita wird also das Bild von Martin als tugendhafter Christ, als Märtyrer, Asket, Mönch und als Bischof gezeichnet, damit vereint der literarische Martin alle anerkannten Formen von Heiligkeit in einer Person – und das zu Lebzeiten.

Ein weiterer Grund für die hohe Popularität der Szene der Mantelteilung, obwohl auch andere prägnante Eigenschaften Martins zur Auswahl gestanden hätten – man denke an den Heiligen Martin, der sich im Gänsestall versteckte, um dem Bischofsamt zu entgehen – könnte in der ikonographisch einfachen Darstellungsmöglichkeit liegen. Die Szene lässt sich auf Siegeln, in der Malerei und der Plastik besonders gut darstellen. Besonders im Mittelalter und der Frühen Neuzeit wird verstärkt auf dieses Bild von Martin und der Mantelteilung zurückgegriffen, um auf
seine Nächstenliebe und die Nähe zum Volk zu verweisen. Noch heute ist die Szene das am meisten rezipierte Bild des Heiligen Martin – und wird vielerorts am 11. November bei St. Martins- oder Laternenumzügen wieder aufgegriffen.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Judentum und Christentum“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
Hier geht’s zum Podcast

Jüdischer Krieg

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Relief auf dem Titusbogen

Leitfragen:

1)Was ist ein Triumphbogen?

2)Was wird auf dem Relief dargestellt?

3)Wie kam es zu der dargestellten Szene?

Kommentar:

Bei dem hier dargestellten Monument handelt es sich um einen sog. Ehrenbogen, der Ende des 1. Jh. n.Chr. zu Ehren von Kaiser Titus (39 -81 n.Chr.) errichtet wurde. Der eintorige Bogen wurde aus pentelischem Marmor errichtet und ist ca. 14,5 m hoch und 13,5 m breit. Er befindet sich auf der Velia (einer Anhöhe nordöstlich des Palatins). Der Bogen findet in den überlieferten literarischen Quellen keine Erwähnung, kann allerdings aufgrund einer Inschrift an der Ostseite zweifelsfrei Kaiser Titus zugeordnet werden:

SENATUS
POPULUSQUE ROMANUS
DIVO TITO DIVI VESPASIANI F(ILIO)
VESPASIANO AUGUSTO

Der Senat
und das römische Volk (haben diesen Bogen errichtet)
dem vergöttlichten Titus Vespasianus Augustus
dem Sohn des vergöttlichten Vespasian.

Generell kann gesagt werden, dass diese Bogenmonumente nicht als Tore oder Durchgänge dienten. Sie konnten zwar in Portikenkomplexe eingebunden sein, mussten dies allerdings nicht zwingend. In keinem Falle fungierten diese Monumente als Stadt- oder Eingangstore. Triumph- respektive Ehrenbögen wurden eingedenk bestimmter Siege oder Taten für einzelne Personen errichtet. Zudem führte der damit verbundene Triumphzug in Rom durch eben diese Bogenmonumente. Der Titusbogen war im eigentlichen Sinne kein Triumphbogen mehr, sondern ein reiner Ehrenbogen, da er erst im Jahre 81 n.Chr. – 10 Jahre nach dem Tod von Kaiser Titus – errichtet wurde.
Ähnlich den Säulenmonumenten – wie z.B. der Trajanssäule – diente die Ausgestaltung der Bauwerke durch komplexe Dekorationen, wie Bildreliefs in erster Linie dazu, den Ruhm des geehrten Herrschers in vielfältigen Szenen zu erläutern. An unterschiedlichen Stellen des Titusbogens wird aus diesem Grund auf die militärischen Erfolge des Titus im Krieg über die Juden 71 n.Chr. verwiesen. Auch das hier dargestellte Relief spielt auf diesen Sieg an.

Der Konflikt zwischen Teilen der jüdischen Bevölkerung der römischen Provinz Judäa und der Hauptstadt brodelte am Ende des 1. Jh. schon länger. Nach den Wirren der Bürgerkriege des Vierkaiserjahres hatte sich schließlich 69 n.Chr. Vespasian durchgesetzt. Dieser musste sich im Jahre 70 n.Chr. allerdings zuvörderst um die Machtkonsolidierung und die Probleme im Gesamtreich kümmern, wodurch er in Rom unabkömmlich war. Aus diesem Grund stattete er seinen Sohn Titus – der auch die dynastische Nachfolge der Regierung Vespasians antreten sollte – mit dem Oberkommando gegen die jüdischen Aufständischen in Judäa aus. Anfänglich waren die Juden in der Lage gewesen, kleinere Siege für sich zu verzeichnen und die römische Besatzung damit massiv unter Druck zu setzen. Schließlich wurde die Stadt Jerusalem im Frühjahr des Jahres 70 n.Chr. von Titus eingeschlossen und letztendlich nach einer langen und blutigen Belagerung gestürmt.
Der größte Schlag für die jüdische Bevölkerung war die Zerstörung des von Herodes erbauten Jahwe-Tempels und der Abtransport seiner Reichtümer nach Rom. Dies hatte zur Folge, dass der bisher auf den Tempel ausgerichtete jüdische Opferkult zu einem Ende kam und die Jüdische Diaspora eingeleitet wurde.

Das südliche Bildrelief des Titusbogens zeigt einen Ausschnitt aus jener Prozession respektive jenem Triumphzug 71 n.Chr. anlässlich des Sieges im Jüdischen Krieg. Das Relief ist an einigen Stellen stark zerstört, zeigt allerdings deutlich ca. 14 Figuren, die sich als Gruppe in Richtung der linken Bildhälfte bewegen und dabei unterschiedliche Gegenstände tragen. Die Figuren sind allesamt männlich und aufgrund ihrer Kleidung als Römer zu identifizieren. Die gemeinsame Blickrichtung und die Komposition der Personen und Gegenstände lässt auf die Darstellung eines Triumphzuges oder einer Prozession schließen, wie sie auch auf einem Siegesmonument zu erwarten wäre – die Alternative wäre der Schlüsselmoment der militärischen Auseinandersetzung oder die Vorbereitung zu dieser.
Die Teilnehmer der Prozession tragen unterschiedliche Beutestücke aus dem Tempel in Jerusalem durch das Siegestor. Dargestellt sind hier der siebenarmige Leuchter, die Menora, sowie die Silbertrompeten. Eine zeitgenössische Beschreibung dieses Triumphzuges und der Ereignisse im Jüdischen Krieg finden wir bei Flavius Josephus (ca. 37/8 -100 n.Chr.) in seinem Werk De bello Judaico (Ios. bell. Iud. 7,3).

Der Titusbogen und sein Reliefschmuck sind in dem Sinne herausragend, als sie den einzigen Triumphzug auf einem Siegesmonument zeigen, der anlässlich eines Sieges über einen Aufstand in einer römischen Provinz gefeiert worden ist.
Er diente allerdings nicht nur als Ehrenmonument für diesen Sieg, sondern ist auch eine Darstellung zur Festigung der Flavischen Dynastie im Bild der Öffentlichkeit, die mit Vespasian ihren Anfang nahm, insbesondere in Abgrenzung zur Herrschaft Neros. Titus wurde der Nachfolger von Vespasian, allerdings starb er bereits nach zwei Regierungsjahren. Ihm folgte sein Bruder Domitian. Die Auswahl des Bildthemas des Reliefs stellt den siegreichen Ausgang des Konflikts durch die Darstellung des Triumphzuges in den Mittelpunkt der Betrachtung, nicht die militärische Auseinandersetzung. Daraus kann auf das Bestreben geschlossen werden, die legitime „Friedens“-Politik der Flavier in den Vordergrund zu stellen. Weitere Monumente in Rom, die direkt oder indirekt auf den Jüdischen Krieg verweisen sind der Templum Pacis (Friedenstempel), der auch die Beutestücke aus dem Jerusalemer Tempel enthielt, und das Kolosseum.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Judentum und Christentum“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
Hier geht’s zum Podcast

Vorgehen gegen Christen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Plinius der Jüngere
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plin.epist. 10,96-97 – Original:

Sollemne est mihi, domine, omnia de quibus dubito ad te referre. Quis enim potest melius vel cunctationem meam regere vel ignorantiam instruere? Cognitionibus de Christianis interfui numquam: ideo nescio quid et quatenus aut puniri soleat aut quaeri. [2] Nec mediocriter haesitavi, sitne aliquod discrimen aetatum, an quamlibet teneri nihil a robustioribus differant; detur paenitentiae venia, an ei, qui omnino Christianus fuit, desisse non prosit; nomen ipsum, si flagitiis careat, an flagitia cohaerentia nomini puniantur. Interim, in iis qui ad me tamquam Christiani deferebantur, hunc sum secutus modum. [3] Interrogavi ipsos an essent Christiani. Confitentes iterum ac tertio interrogavi supplicium minatus; perseverantes duci iussi. Neque enim dubitabam, qualecumque esset quod faterentur, pertinaciam certe et inflexibilem obstinationem debere puniri. [4] Fuerunt alii similis amentiae, quos, quia cives Romani erant, adnotavi in urbem remittendos.
Mox ipso tractatu, ut fieri solet, diffundente se crimine plures species inciderunt. [5] Propositus est libellus sine auctore multorum nomina continens. Qui negabant esse se Christianos aut fuisse, cum praeeunte me deos appellarent et imagini tuae, quam propter hoc iusseram cum simulacris numinum afferri, ture ac vino supplicarent, praeterea male dicerent Christo, quorum nihil cogi posse dicuntur qui sunt re vera Christiani, dimittendos putavi. [6] Alii ab indice nominati esse se Christianos dixerunt et mox negaverunt; fuisse quidem sed desisse, quidam ante triennium, quidam ante plures annos, non nemo etiam ante viginti. Hi quoque omnes et imaginem tuam deorumque simulacra venerati sunt et Christo male dixerunt. [7] Affirmabant autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante lucem convenire, carmenque Christo quasi deo dicere secum invicem seque sacramento non in scelus aliquod obstringere, sed ne furta ne latrocinia ne adulteria committerent, ne fidem fallerent, ne depositum appellati abnegarent. Quibus peractis morem sibi discedendi fuisse rursusque coeundi ad capiendum cibum, promiscuum tamen et innoxium; quod ipsum facere desisse post edictum meum, quo secundum mandata tua hetaerias esse vetueram. [8] Quo magis necessarium credidi ex duabus ancillis, quae ministrae dicebantur, quid esset veri, et per tormenta quaerere. Nihil aliud inveni quam superstitionem pravam et immodicam.
[9] Ideo dilata cognitione ad consulendum te decucurri. Visa est enim mihi res digna consultatione, maxime propter periclitantium numerum. Multi enim omnis aetatis, omnis ordinis, utriusque sexus etiam vocantur in periculum et vocabuntur. Neque civitates tantum, sed vicos etiam atque agros superstitionis istius contagio pervagata est; quae videtur sisti et corrigi posse. [10] Certe satis constat prope iam desolata templa coepisse celebrari, et sacra sollemnia diu intermissa repeti passimque venire carnem victimarum, cuius adhuc rarissimus emptor inveniebatur. Ex quo facile est opinari, quae turba hominum emendari possit, si sit paenitentiae locus.

(10,97) Actum quem debuisti, mi Secunde, in excutiendis causis eorum, qui Christiani ad te delati fuerant, secutus es. Neque enim in universum aliquid, quod quasi certam formam habeat, constitui potest. [2] Conquirendi non sunt; si deferantur et arguantur, puniendi sunt, ita tamen ut, qui negaverit se Christianum esse idque re ipsa manifestum fecerit, id est supplicando dis nostris, quamvis suspectus in praeteritum, veniam ex paenitentia impetret. Sine auctore vero propositi libelli in nullo crimine locum habere debent. Nam et pessimi exempli nec nostri saeculi est.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J.B. Firth
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

It is my custom, Sir, to refer to you in all cases where I do not feel sure, for who can better direct my doubts or inform my ignorance? I have never been present at any legal examination of the Christians, and I do not know, therefore, what are the usual penalties passed upon them, or the limits of those penalties, or how searching an inquiry should be made. I have hesitated a great deal in considering whether any distinctions should be drawn according to the ages of the accused; whether the weak should be punished as severely as the more robust; whether if they renounce their faith they should be pardoned, or whether the man who has once been a Christian should gain nothing by recanting; whether the name itself, even though otherwise innocent of crime, should be punished, or only the crimes that gather round it.
In the meantime, this is the plan which I have adopted in the case of those Christians who have been brought before me. I ask them whether they are Christians; if they say yes, then I repeat the question a second and a third time, warning them of the penalties it entails, and if they still persist, I order them to be taken away to prison. For I do not doubt that, whatever the character of the crime may be which they confess, their pertinacity and inflexible obstinacy certainly ought to be punished. * There were others who showed similar mad folly whom I reserved to be sent to Rome, as they were Roman citizens. ** Subsequently, as is usually the way, the very fact of my taking up this question led to a great increase of accusations, and a variety of cases were brought before me. A pamphlet was issued anonymously, containing the names of a number of people. Those who denied that they were or had been Christians and called upon the gods in the usual formula, reciting the words after me, those who offered incense and wine before your image, which I had given orders to be brought forward for this purpose, together with the statues of the deities – all such I considered should be discharged, especially as they cursed the name of Christ, which, it is said, those who are really Christians cannot be induced to do. Others, whose names were given me by an informer, first said that they were Christians and afterwards denied it, declaring that they had been but were so no longer, some of them having recanted many years before, and more than one so long as twenty years back. They all worshipped your image and the statues of the deities, and cursed the name of Christ. But they declared that the sum of their guilt or their error only amounted to this, that on a stated day they had been accustomed to meet before daybreak and to recite a hymn among themselves to Christ, as though he were a god, and that so far from binding themselves by oath to commit any crime, their oath was to abstain from theft, robbery, adultery, and from breach of faith, and not to deny trust money placed in their keeping when called upon to deliver it. When this ceremony was concluded, it had been their custom to depart and meet again to take food, but it was of no special character and quite harmless, and they had ceased this practice after the edict in which, in accordance with your orders, I had forbidden all secret societies. † I thought it the more necessary, therefore, to find out what truth there was in these statements by submitting two women, who were called deaconesses, to the torture, but I found nothing but a debased superstition carried to great lengths. So I postponed my examination, and immediately consulted you. The matter seems to me worthy of your consideration, especially as there are so many people involved in the danger. Many persons of all ages, and of both sexes alike, are being brought into peril of their lives by their accusers, and the process will go on. For the contagion of this superstition has spread not only through the free cities, but into the villages and the rural districts, and yet it seems to me that it can be checked and set right. It is beyond doubt that the temples, which have been almost deserted, are beginning again to be thronged with worshippers, that the sacred rites which have for a long time been allowed to lapse are now being renewed, and that the food for the sacrificial victims is once more finding a sale, whereas, up to recently, a buyer was hardly to be found. From this it is easy to infer what vast numbers of people might be reclaimed, if only they were given an opportunity of repentance.
You have adopted the proper course, my dear Pliny, in examining into the cases of those who have been denounced to you as Christians, for no hard and fast rule can be laid down to meet a question of such wide extent. The Christians are not to be hunted out ; if they are brought before you and the offence is proved, they are to be punished, but with this reservation – that if any one denies that he is a Christian and makes it clear that he is not, by offering prayers to our deities, then he is to be pardoned because of his recantation, however suspicious his past conduct may have been. * But pamphlets published anonymously must not carry any weight whatever, no matter what the charge may be, for they are not only a precedent of the very worst type, but they are not in consonance with the spirit of our age.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plin.epist. 10,96-97

Leitfragen:

1) Wie wird das Christentum von Plinius wahrgenommen?

2) Welche Reaktion zeigt Kaiser Trajan?

3) Was erfahren wir über das frühe Christentum?

Kommentar:

Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem Briefwechsel zwischen Plinius dem Jüngeren (ca. 61-114 n.Chr.) und Kaiser Trajan (ca. 53-117 n.Chr.). Plinius wendet sich hier in seiner Funktion als Statthalter der römischen Provinz Bithynien-Pontus in Kleinasien an Trajan, um in Erfahrung zu bringen, ob sein bisheriges Verhalten in Bezug auf den Umgang mit Christen beim Kaiser auf Akzeptanz stößt. Der umfassende Briefwechsel des Statthalters mit dem Kaiser ist ein herausragendes Zeugnis der Provinzialverwaltung im 2. Jh. n.Chr.

Plinius gesteht ein, dass er bisher keine Erfahrung im Umgang mit den Christen gemacht hat und wendet sich nun mit einigen grundlegenden Fragen an den Kaiser. Er fragt, ob etwa das Lebensalter oder die Bereitwilligkeit Reue zu zeigen für die Bestrafung der betroffenen Christen eine Rolle spiele. Zudem interessiert ihn, ob es reiche, einen Menschen lediglich als Christen zu benennen oder ob er mit einem konkreten Verbrechen in Verbindung gebracht werden müsse, um verurteilt werden zu können.

Diese Unsicherheit, die Plinius hier an den Tag legt, lässt sich auf die historische Ausgangslage zurückführen. Das Christentum steckte im 2. Jh. n.Chr. zwar noch in seinen „Kinderschuhen“, verbreitete sich allerdings rasch in der gesamten römischen Oikumene. Die generelle Problematik, die das Christentum aufwies, war, dass es sich nicht mit der göttlichen Verehrung des Kaisers vereinbaren ließ. Christen verweigerten das öffentliche Opfer für den Kaiser und staatliche Kulthandlungen. Aus diesem Grund ließ sich der christliche Monotheismus, trotz der generellen Toleranz, die das Römische Reich gegenüber fremden Glaubensrichtungen und Religionen – auch dem Judentum – zeigte, vom Kaiser nur schwer tolerieren. Durch diese Sonderstellung, die das Christentum für sich beanspruchte, zog es immer wieder den Unwillen einzelner Kaiser, Statthalter oder Teile der römischen Bevölkerung auf sich. Mitunter führte diese negative Grundstimmung den Christen gegenüber sogar so weit, dass sie als Sündenbock bei Katastrophen, wie z.B. Unwettern oder Erdbeben, herangezogen wurden.

Plinius entschied sich dafür, die beschuldigten Christen in einem Verhör zu befragen. Im Folgenden beschreibt er detailliert sein bisheriges Vorgehen: Er verhörte die verdächtigen Personen und stellte ihnen, unter Androhung der Todesstrafe, mehrfach die Frage, ob sie Christen seien. Bei einer wiederholten bejahenden Antwort ließ er sie hinrichten. Bei einer verneinenden Antwort und der Bereitschaft, den Göttern und einem Bild des Kaisers zu opfern und Christus zu lästern, ließ Plinius die Beschuldigten wieder frei. Lediglich im Fall von zwei Sklavinnen sah er sich gezwungen auf Foltermethoden zurückzugreifen.

Bei diesem Vorgehen wird deutlich, dass es – abgesehen von einer generellen Abneigung – in keinem Falle die Intention des Statthalters war, die Christen gezielt zu verfolgen. Zu einer reichsweiten Christenverfolgung kam es erst im Jahre 259 n.Chr. unter Kaiser Decius. Das Antwortschreiben von Kaiser Trajan macht diese Einstellung auch auf kaiserlicher Seite deutlich. Er bestätigt hierin das juristische Handeln des Statthalters und bekräftigt noch einmal nachdrücklich, dass anonymen Denunziationen nicht nachgegangen werden solle.

Anhand dieses Quellenausschnittes werden allerdings nicht nur die Maßnahmen deutlich, die gegen die Christen getroffen wurden – wie der Ablauf des Verhörs, welches sich in den nächsten Jahren nicht maßgeblich ändern sollte – sondern auch einige Eigenschaften der frühchristlichen Gemeinden. Einige der festgenommenen Personen gaben an, dass sie lediglich zusammenkamen, um an Lobgesängen teilzunehmen und sich gegenseitig zu versichern, an keinem Verbrechen teilzuhaben, außerdem nahmen sie an den Abenden gemeinsam ein Mahl ein. Zudem ist Plinius bekannt, dass Christen sich unter keinen Umständen dazu bereit erklären würden, dem Kaiser zu opfern und Christus zu lästern. Diese Standfestigkeit des Glaubens, die das Christentum von seinen Anhängern forderte und die, wie oben beschrieben, im äußersten Falle bis zum Tod führen konnte, war eines der bekanntesten Charakteristika dieses Glaubens. Christen, die sich durch diese Standhaftigkeit in einer bestimmten Situation für den Tod entschieden, wurden in der Folge von der Gemeinde als „christliche Helden“, respektive als Märtyrer und Heilige verehrt.

Plinius kommt zu dem Schluss, dass es sich, auch wenn viele Menschen in der Stadt und auf dem Land, Männer sowie Frauen diesem Glauben anhingen, um nichts weiter als einen „Irrglauben“ handelte. Der Statthalter und der Kaiser waren beide in erster Linie darum bemüht, einen öffentlichen Aufruhr zu vermeiden und insbesondere Plinius machte deutlich, dass das
Christentum lediglich als harmloser Aberglauben (superstitio) anzusehen sei, der sich mit Sicherheit durch einfache Mittel wieder eindämmen lasse. Bereits nach seinen bisherigen Maßnahmen stellte er fest, dass mehr Opferfleisch gekauft und die Tempel wieder regelmäßiger frequentiert wurden – wie sich in den Folgejahren zeigen sollte, hatten die Behörden die Situation damit maßgeblich unterschätzt.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Judentum und Christentum“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
Hier geht’s zum Podcast

Märtyrerverehrung

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Anonym (Teile wohl von Perpetua und Saturus)
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Pass. Perp. 20-21. – Original:

Puellis autem ferocissimam uaccam ideoque praeter consuetudinem conparatam diabolus prae-parauit, sexui earum etiam de bestia aemulatus. 2. itaque dispoliatae et reticulis indutae pro-ducebantur. horruit populus alteram respiciens puellam delicatam, alteram a partu recentem stillantibus mammis. 3. ita reuocatae et discinctis indutae. prior Perpetua iactata est et concidit in lumbos. 4. et ubi sedit, tunicam a latere discissam ad uelamentum femoris reduxit pudoris potius memor quam doloris. 5. dehinc acu requisita et dispersos capillos infibulauit; non enim decebat martyram sparsis capillis pati, ne in sua gloria plangere uideretur. 6. ita surrexit et elisam Felicitatem cum uidisset, accessit et manum ei tradidit et suscitauit illam. et ambae pari-ter steterunt. 7. et populi duritia deuicta, reuocatae sunt in portam Sanauiuariam. 8. illic Per-petua a quodam tunc catechumeno Rustico nomine qui ei adhaerebat, suscepta et quasi a som-no expergita (adeo in spiritu et in extasi fuerat) circumspicere coepit et stupentibus omnibus ait: Quando, inquit, producimur ad uaccam illam nescioquam? 9. et cum audisset quod iam euenerat, non prius credidit nisi quasdam notas uexationis in corpore et habitu suo recognouis-set. 10. exinde accersitum fratrem suum et illum catechumenum, adlocuta est dicens: In fide state et inuicem omnes diligite, et passionibus nostris ne scandalizemini.
[21] Item Saturus in alia porta Pudentem militem exhortabatur dicens: Ad summam, inquit, certe, sicut praesumpsi et praedixi, nullam usque adhuc bestiam sensi. et nunc de toto corde credas: ecce prodeo illo, et ab uno morsu leopardi consummor. 2. et statim in fine spectaculi leopardo obiectus de uno morsu tanto perfusus est sanguine, ut populus revertenti illi secundi baptismatis testimonium reclamauerit: Saluum lotum! saluum lotum! 3. plane utique saluus erat qui hoc modo lauerat. 4. tunc Pudenti militi, [inquit] Vale, inquit, et memento fidei et mei; et haec te non conturbent, sed confirment. 5. simulque ansulam de digito eius petiit, et uulneri suo mersam reddidit ei hereditatem, pignus relinquens illi et memoriam sanguinis. 6. exinde iam exanimis prosternitur cum ceteris ad iugulationem solito loco. 7. et cum populus illos in medio postularet, ut gladio penetranti in eorum corpore oculos suos comites homicidii adiun-gerent, ultro surrexerunt et se quo uolebat populus transtulerunt, ante iam osculati inuicem, ut martyrium per sollemnia pacis consummarent. 8. ceteri quidem inmobiles et cum silentio fer-rum receperunt: multo magis Saturus, qui et prior ascenderat, prior reddidit spiritum; nam et Perpetuam sustinebat. 9. Perpetua autem, ut aliquid doloris gustaret, inter ossa conpuncta exululauit, et errantem dexteram tirunculi gladiatoris ipsa in iugulum suum transtulit. 10. for-tasse tanta femina aliter non potuisset occidi, quae ab inmundo spiritu timebatur, nisi ipsa uoluisset.
11. O fortissimi ac beatissimi martyres! o uere uocati et electi in gloriam domini nostri Iesu Christi! quam qui magnificat et honorificat et adorat, utique et haec non minora ueteribus exempla in aedificationem Ecclesiae legere debet, ut nouae quoque uirtutes unum et eundem semper Spiritum Sanctum usque adhuc operari testificentur, et omnipotentem Deum Patrem et Filium eius Iesum Christum dominum nostrum, cui est claritas et inmensa potestas in saecula saeculorum. Amen.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Alfons Müller
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Für die Frauen aber hat der Teufel eine sehr wilde Kuh bestimmt, die gegen die Gewohnheit hierfür herbeigeschafft worden war, damit auch die Bestie desselben Geschlechtes wäre. Sie wurden also entkleidet und mit Netzen umhüllt vorgeführt. Das Volk aber schauderte, da es in der einen ein zartes Mädchen, in der anderen eine junge Mutter mit noch milchtropfenden Brüsten sah. Darum wurden sie zurückgerufen und mit losen Gewändern bekleidet. Zuerst wurde Perpetua hingeworfen und fiel auf die Lenden; sie setzte sich aufrecht und zog ihr Kleid, das an der Seite zerrissen war, zurück zur Verhüllung ihres Oberschenkels, mehr um ihre Scham als um ihren Schmerz besorgt. Darauf flocht sie mit einer Nadel ihre Haare in einen Bund zusammen; denn es war ungeziemend, daß eine Märtyrin mit fliegenden Haaren litt, damit es nicht schien, als ob sie bei ihrer Verherrlichung trauere. So stand sie auf, und als sie die Felizitas am Boden liegend sah, trat sie zu ihr hinzu, reichte ihr die Hand und hob sie auf. Nun standen beide da und wurden, da die Grausamkeit des Volkes besiegt war, zum sanavi-varischen Tore zurückgebracht. Dort wurde Perpetua von einem gewissen Rustikus, der da-mals noch Katechumene war und ihr anhing, aufgenommen; wie vom Schlafe erwacht – so sehr war sie im Geiste und in Verzückung gewesen – fing sie an, sich umzusehen und sagte zum Staunen aller: Wann werden wir denn jener, ich weiß nicht welcher, Kuh vorgeworfen werden? Als sie dann hörte, daß es schon geschehen war, glaubte sie es nicht eher, als bis sie einzelne Merkmale des überstandenen Leidens an ihrem Leibe und an ihrer Kleidung erkannte. Darauf ließ sie ihren Bruder kommen und redete ihn und den Katechumenen also an: Stehet fest im Glauben, liebet einander und nehmt an unseren Leiden keinen Anstoß! […] Die übri-gen empfingen regungslos und lautlos den Todesstoß, am meisten Satyrus; er, der zuerst die Leiter hinaufgestiegen war, gab auch zuerst den Geist auf und erwartete die Perpetua. Perpe-tua aber, um doch auch etwas von Schmerzen zu kosten, schrie auf, als sie zwischen die Rip-pen getroffen wurde, und führte die schwankende Hand des noch unerfahrenen Gladiators zu ihrer Kehle. Vielleicht hätte eine solche Frau anders nicht getötet werden können, da sie von dem unreinen Geiste gefürchtet wurde, wenn sie nicht selbst gewollt hätte.
O heldenmütige und hochheilige Märtyrer! O wahrhaft Berufene und Auserwählte zur Herr-lichkeit unseres Herrn Jesu Christi! Wer diese verherrlicht, ehrt und anbetet, der muß ohne Zweifel auch solche Beispiele, die den alten nicht nachstehen, zur Erbauung der Kirche lesen, damit auch die neuen Wunderkräfte dafür Zeugnis ablegen, daß ein und derselbe Geist bis jetzt noch fortwirkt und Gott der allmächtige Vater und sein Sohn Jesus Christus unser Herr, dem Ehre sei und unermeßliche Macht in alle Ewigkeit. Amen.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Pass. Perp. 20-21.

Leitfragen:

1) Welches Bild wird in der Passio von Perpetua als Märtyrerin gezeichnet?

2) Welche Rolle nimmt das tugendhafte Handeln von Perpetua ein?

3) Mit welcher Intention wurde die Passio verfasst?

Kommentar:

Bei der Passio Perpetuae et Felicitatis handelt es sich um einen der ersten lateinischen Märty-rerberichte aus Nordafrika. Inhaltlich steht die junge Frau Perpetua, die aus einer angesehenen Familie stammte, verheiratet war und ein Kind im Säuglingsalter hatte, im Mittelpunkt der Erzählung. Sie wurde verhaftet, weil sie sich zusammen mit ihrer Sklavin auf die Taufe vor-breitete. Bei ihrer Verhaftung wurde sie zudem von weiteren Katechumenen (Taufanwärtern) begleitet, die sich ebenfalls offen zum Christentum bekannten und sich weigerten, öffentlich für den Kaiser zu opfern. Neben ihrer schwangeren Sklavin Felicitas waren das die Christen Revocatus, Saturninus, Secundulus und der Presbyter Saturus. Die Gesamte Gruppe wurde zum Tode verurteilt und sollte bei Spielen anlässlich des kaiserlichen Geburtstages am 7. März 203 n. Chr. in der Arena von Karthago den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen werden. Die Erzählung setzt in medias res mit der eigenhändigen Beschreibung der Ereignisse von Perpe-tua ein; im Mittelpunkt ihrer Ausführungen stehen vor allem die Ängste um ihr Kind und die Auseinandersetzungen mit ihrem Vater, der sie wiederholt bittet, sich vom Christentum abzu-wenden, was sie jedes Mal konsequent verweigert. Daran schließen sich die Beschreibungen ihrer Visionen oder Traumbilder an und die einer weiteren Vision, des Presbyters Saturus – die er ebenfalls eigenhändig verfasst hatte. Diese Texte wurden kurz nach dem Martyrium von einem anonymen Autor – wahrscheinlich ein Zeitgenosse Tertullians – eingeleitet, redigiert und um die Beschreibung der Ereignisse in der Arena ergänzt. Damit werden in dieser Quelle au-tobiographische Passagen mit einer Einleitung und einem Kommentar des Herausgebers kom-biniert.
In dem vorliegenden Textausschnitt wird ein Bild von Perpetua als furchtlose und selbstbe-wusste Christin gezeichnet, die aufgrund ihrer Ergriffenheit durch den Heiligen Geist erst in der Lage war das Martyrium – das freiwillige Erleiden oder Ertragen des Todes um des Glau-bens an Christus oder einer anderen tugendhaften Handlung willen, die auf Gott zurückzufüh-ren ist – zu erleiden. Sie erfüllt eine Vorbildfunktion, indem sie durch ihr Verhalten in der Arena Tugenden, wie Keuschheit, Tugendhaftigkeit, Selbstlosigkeit und christliche Nächsten-liebe vermittelt. Damit stand sie bei ihrem Martyrium am Ende einer Entwicklung von der Tochter zur Ehefrau und Mutter hin zur Märtyrerin und Heiligen, die sich von allem Säkula-rem abgesagt hatte. Alle weiteren in der Passio beschrieben Charaktere – auch Felicitas – ste-hen im Schatten der jungen Frau. Perpetua gibt den Anwesenden nicht nur durch ihr tugend-haftes und selbstbewusstes Verhalten in der Arena ein Vorbild, sondern vielmehr gibt sie ganz konkrete Handlungsanweisungen an ihren Bruder und damit an die übrigen Christen der kar-thagischen Gemeinde. Dieses „gottgegebene“ Charisma wurde von den anderen Gruppenmit-gliedern anerkannt und deutlich gemacht durch die Beschreibung ihres – geradezu selbstbe-stimmten – Todes, der im starken Kontrast zu ihrer weltlichen Verurteilung steht.
Mit dem Beginn des 4. Jh. n.Chr. und nach der Beendigung der Christenverfolgungen wurden Märtyrer, wie Perpetua, von den Gläubigen als christliche Heilige verehrt. Zu diesem Zeit-punkt wurde in Karthago eine große Bestattungsbasilika über den Gräbern von Perpetua und Felicitas errichtet. Hier wurde die Passio während der Eucharistiefeiern anlässlich ihres Ge-denktages vor der Gemeinde verlesen und die Anwesenden dadurch zum Mit- und Nacherle-ben der vorgetragenen Berichte aufgefordert. Das Grab und der damit einhergehende Toten-kult waren der Ausgangspunkt der Heiligenverehrung. Diese Kultstätten wurden als Orte der fortdauernden Präsenz der Heiligen auf Erden und im Himmel verstanden und von den Gläu-bigen auch als „Pilgerstätten“ aufgesucht. Die Hochschätzung, die den Märtyrern für ihre Ta-ten und ihrer Glaubensstärke zu Lebzeiten angerechnet wurde, übertrug sich auf ihre Gebeine und vielfach auch auf Gegenstände, die in engem Kontakt mit den Personen gestanden hat-ten. Diese sog. Reliquien wurden von den christlichen Gemeindemitgliedern verehrt – und nicht zuletzt im großen Umfang im gesamten Römischen Reich gehandelt. Dabei wirkte das Wissen um die geographische und physische Nähe zu den zentralen Figuren ebenfalls in be-deutendem Maße identitätsstiftend für die Gemeinde und die Stadt. Diese Nähe wurde auf textlicher Ebene durch Märtyrerberichte, Predigten etc. und auf architektonischer Ebene durch die Ausgestaltung der Kultbauten zusätzlich künstlich hergestellt und inszeniert. Dies und die Tatsache, dass hagiographische Schriften immer auch als literarische Texte verstanden werden müssen, die bestimmte Topoi, wie Visionen oder die Anerkennung des christlichen Handelns durch die pagane Umwelt aufgreifen, machen diese Quellengattung so außergewöhnlich. Die Passio wurde in erster Linie mit der Intention verfasst, die Beschreibungen über die Gescheh-nisse um und während des Martyriums von Perpetua und ihrer Gruppe zu kanonisieren und damit in die kirchliche Liturgie zu integrieren – mit Erfolg, denn auch Augustinus erwähnt die bewegte Stimmung, die bei der Verlesung der Passio Perpetuae et Felicitatis unter den Gemeindemitgliedern herrschte.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Judentum und Christentum“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
Hier geht’s zum Podcast

Bar Kochba Aufstand

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Eusebius von Caesarea
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Euseb. hist. eccl. 4,6 – Original:

Καὶ δῆτα τῆς Ἰουδαίων ἀποστασίας αὖθις εἰς μέγα καὶ πολὺ προελθούσης, Ῥοῦφος ἐπάρχων τῆς Ἰουδαίας, στρατιωτικῆς αὐτῶι συμμαχίας ὑπὸ βασιλέως πεμφθείσης, ταῖς ἀπονοίαις αὐτῶν ἀφειδῶς χρώμενος ἐπεξήιει, μυριάδας ἀθρόως ἀνδρῶν ὁμοῦ καὶ παίδων καὶ γυναικῶν διαφθείρων πολέμου τε νόμωι [4.6.2] τὰς χώρας αὐτῶν ἐξανδραποδιζόμενος. ἐστρατήγει δὲ τότε Ἰουδαίων Βαρχωχεβας ὄνομα, ὃ δὴ ἀστέρα δηλοῖ, τὰ μὲν ἄλλα φονικὸς καὶ ληιστρικός τις ἀνήρ, ἐπὶ δὲ τῆι προσηγορίαι, οἷα ἐπ‘ ἀνδραπόδων, ὡς δὴ ἐξ οὐρανοῦ φωστὴρ αὐτοῖς κατεληλυ[4.6.3]θὼς κακουμένοις τε ἐπιλάμψαι τερατευόμενος. ἀκμάσαντος δὲ τοῦ πολέμου ἔτους ὀκτωκαιδεκάτου τῆς ἡγεμονίας κατὰ Βηθθηρα πολίχνη τις ἦν ὀχυρωτάτη, τῶν Ἱεροσολύμων οὐ σφόδρα πόρρω διεστῶσα τῆς τε ἔξωθεν πολιορκίας χρονίου γενομένης λιμῶι τε καὶ δίψει τῶν νεωτεροποιῶν εἰς ἔσχατον ὀλέθρου περιελαθέντων καὶ τοῦ τῆς ἀπονοίας αὐτοῖς αἰτίου τὴν ἀξίαν ἐκτίσαντος δίκην, τὸ πᾶν ἔθνος ἐξ ἐκείνου καὶ τῆς περὶ τὰ Ἱεροσόλυμα γῆς πάμπαν ἐπιβαίνειν εἴργεται νόμου δόγματι καὶ διατάξεσιν Ἁδριανοῦ, ὡς ἂν μηδ‘ ἐξ ἀπόπτου θεωροῖεν τὸ πατρῶιον ἔδαφος, ἐγκελευσαμένου· Ἀρίστων ὁ Πελλαῖος ἱστορεῖ. [4.6.4] οὕτω δὴ τῆς πόλεως εἰς ἐρημίαν τοῦ Ἰουδαίων ἔθνους παντελῆ τε φθορὰν τῶν πάλαι οἰκητόρων ἐλθούσης ἐξ ἀλλοφύλου τε γένους συνοικισθείσης, ἡ μετέπειτα συστᾶσα Ῥωμαϊκὴ πόλις τὴν ἐπωνυμίαν ἀμείψασα, εἰς τὴν τοῦ κρατοῦντος Αἰλίου Ἁδριανοῦ τιμὴν Αἰλία προσαγορεύεται. καὶ δὴ τῆς αὐτόθι ἐκκλησίας ἐξ ἐθνῶν συγκροτηθείσης, πρῶτος μετὰ τοὺς ἐκ περιτομῆς ἐπισκόπους τὴν τῶν ἐκεῖσε λειτουργίαν ἐγχειρίζεται Μάρκος.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Philipp Häuser
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Als sich die Abfallsbewegung der Juden von neuem gewaltig ausdehnte, trat Rufus, der Statthalter von Judäa, nachdem ihm der Kaiser militärische Verstärkung geschickt hatte, in rücksichtsloser Ausnützung ihres törichten Gebarens dagegen auf, indem er auf einmal Tausende von Männern, Kindern und Frauen vernichtete und ihren Grundbesitz nach dem Kriegsrecht einzog. Führer der Juden war ein Mann namens Barkochba, was „Stern“ bedeutet. Er war zwar eine Mörder- und Räubernatur, aber durch die Kraft seines Namens beherrschte er die Juden wie Sklaven; denn er gab vor, in ihm wäre das himmlische Licht gekommen, das den Bedrängten Erleuchtung brächte. Als im 18. Jahre der kaiserlichen Regierung der Kampf gegen Beth-ther, eine kleine, stark befestigte, nicht weit von Jerusalem entfernte Stadt, seinen Höhepunkt erreicht, sich die Belagerung immer mehr in die Länge gezogen, Hunger und Durst die Aufständischen in äußerste Not gebracht hatte und der Urheber des Wahnsinnes in verdienter Weise bestraft worden war, wurde durch Gesetzesbestimmung und durch Verordnungen Hadrians dem gesamten Volke verboten, das Gebiet um Jerusalem von nun ab überhaupt noch zu betreten. Nach der Weisung Hadrians sollten die Juden den heimatlichen Boden nicht einmal mehr aus der Ferne sehen. So berichtet Ariston von Pella. Nachdem auf solche Weise die Stadt vom jüdischen Volke entblößt und der alten Einwohner vollständig beraubt worden war und Fremde sie bevölkert hatten, änderte die nun erstandene römische Stadt ihren Namen und nannte sich zu Ehren des Kaisers Aelius Hadrianus Aelia Capitolina.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Euseb. hist. eccl. 4,6

Leitfragen:

1) Welchen Ursprung hatte der Konflikt?

2) Wie stellt Eusebius die Juden dar?

3) Welche Folgen hatte die Niederschlagung des Bar Kochba-Aufstandes?

Kommentar:

Eusebius von Caesarea war ein christlicher Theologe und Geschichtsschreiber des 4. Jh. n.Chr. Als Schüler des Origenes hat er viele theologische und philologische Werke verfasst, unter anderem Abhandlungen gegen pagane und jüdische Gegner des Christentums. Eines seiner Hauptwerke ist die Historia ecclesiastica – die Kirchengeschichte. In 10 Büchern zeichnete er in diesem Werk ein Bild von den Ursprüngen der christlichen Kirche bis zu den zeitgenössischen Ereignissen während der Regierungszeit Konstantins des Großen im 4. Jh. n.Chr.

Der vorliegende Quellenausschnitt beschreibt die Begebenheiten, die sich während des Jüdischen Aufstandes, dem sog. Bar Kochba Aufstand (132-135 n.Chr.) in der römischen Provinz Judäa zutrugen. Diesem Aufstand gingen bereits einige Jahre vorher der jüdische Krieg (66-73 n.Chr.) und der Diasporaaufstand (115-117 n.Chr.) voraus. Die genauen Ursprünge dieses Konflikts können aufgrund der ungenauen Quellenlage nicht mit endgültiger Sicherheit rekonstruiert werden. In der Forschung wird vielfach angenommen, dass der Wiederaufbau Jerusalems als römische colonia Aelia Capitolina unter Kaiser Hadrian als Auslöser für den Konflikt gesehen werden kann – ob ein Gesetz gegen ein allgemeines Beschneidungsverbot ggf. ein weiterer Auslöser war, ist dagegen aufgrund der Quellenlage kritisch zu sehen.

Geographisch konzentrierte sich der Aufstand auf das judäische Bergland, den unteren Jordangraben und die wasserreiche Oase En Gedi am Toten Meer. Zu Beginn des Aufstandes verzeichnete die jüdische Seite erhebliche Erfolge, was dazu führte, dass die Römer dazu gezwungen waren, mit einem großen militärischen Aufgebot die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich wendete sich das Blatt und die Aufständischen wurden von den römischen Truppen in die Bergfestung Bether zurückgedrängt und ausgehungert. Während dieser
Belagerung starb auch der jüdische Anführer Bar Kochba (Simon Bar Kosiba), was den Römern schließlich den Sieg brachte.

In der vorliegenden Beschreibung der Geschehnisse von Eusebius lässt sich eine Eigenart des Apologeten greifen; durch die zeitliche Differenz geht Eusebius von einem Christentum aus, welches sich in der Gesellschaft bereits fest etabliert hatte und stellt die restlichen paganen oder jüdischen Teile, der Oikumene, im Kontrast zum Christentum als vom Niedergang gekennzeichnet, dar. Damit folgt er einem Dualismus – einer Schwarz-Weiß-Malerei, die bezeichnend für seine gesamte Kirchengeschichte ist.

In diesem Sinne stellt er das Handeln keiner der beiden Parteien – weder das des römischen Statthalters, noch das der Juden – als besonders positiv dar. Er charakterisiert den römischen Statthalter als grausamen Menschen, der Männer, Frauen und Kinder tötet und deren Besitztümer einzog. Interessanterweise bezeichnet er den römischen Sieg trotz dessen als verdient. Auf jüdischer Seite kommentiert er das Auflehnen der jüdischen Aufständischen gegen den Statthalter und für ihren Glauben nicht weiter. Was dagegen in seinen Fokus gerät, ist, dass die Juden einem Mann wie Sklaven folgen und diesen als Messias verehren. Sie weisen damit ein Verhalten auf, welches Eusebius offenkundig ablehnt. Dieses messianische Ziel der Erlösung bezeugen auch diverse Münzfunde dieser Zeit.

Als Folge des Aufstandes – neben großen Opferzahlen auf beiden Seiten – wurde die Provinz Judäa in Palästina umbenannt und zudem mit zwei Legionen belegt. Des Weiteren wurde den Juden der Aufenthalt in Jerusalem untersagt. Der Tempel in Jerusalem, der als kultischer Brennpunkt des gesamten Glaubens gedient hatte, war unwiederbringlich zerstört und damit auch die messianische Idee einer Erneuerung des jüdischen Staates endgültig vernichtet. Der jüdische Glaube organisierte sich als Folge dessen in der Synagoge. Damit führte der Aufstand auch zur Vertreibung des jüdischen Volkes aus seinem Heimatland und seiner Zerstreuung im Römischen Reich.

Nicht vergessen werden darf bei der Analyse dieser Quellenpassage, dass Eusebius kein Zeitgenosse der beschriebenen Ereignisse war und das Beschriebene mit einer bestimmten Intention – der Heraushebung und Legitimation des Christentums – niedergeschrieben hat und es auch diesem Grund mit einer gewissen Vorsicht genossen werden muss.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Judentum und Christentum“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
Hier geht’s zum Podcast

Tetrarchie

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Tetrarchengruppe Venedig

Leitfragen:

1.) Was zeichnet die Tetrarchie als Herrschaftsform aus?

2.) Welche Charakteristika der Tetrarchie sollen mit der Statue herausgestellt werden?

3.) Welche Vorteile bot diese Herrschaftsform?

Kommentar:

Als Tetrarchie wird eine im Jahr 293 n.Chr. unter Kaiser Diocletian eingeführte Herrschaftsform bezeichnet, die den Principat ablöste. Der Begriff leitet sich vom griechischen τετραρχία ab und bedeutet so viel wie „Viererherrschaft“. Diese sah vor, dass vier Herrscher die Macht im Imperium Romanum unter sich aufteilten; zwei davon als Augusti („Seniorkaiser“) und zwei als Caesaren („Juniorkaiser“). Diocletian versuchte durch diese Umstrukturierung des Herrschaftssystems die innere und äußere Stabilität des Reiches wiederherzustellen. Das Imperium hatte während der sog. „Reichskrise des 3. Jahrhunderts“ immer wieder mit Unruhen und Aufständen zu kämpfen gehabt, die letztendlich auch zu diversen Usurpationen führten. Insbesondere zwischen 235 und 285 n.Chr. wurden mehrfach erfolgreiche Feldherren von ihren Soldaten zu Kaisern ausgerufen – Diocletian selbst setzte sich als letzter der sog. Soldatenkaiser durch. Allerdings war diese Zeit nicht nur innenpolitisch von Instabilität geprägt, auch an den Reichsgrenzen kam es zu Problemen. Die Germanen bedrohten das Imperium an Rhein und Donau und die Sassaniden von Osten her.

Das Konzept, welches hinter der Idee der Tetrarchie steckt, lässt sich besonders deutlich anhand der venezianischen Tetrarchengruppe festmachen. Diese Gruppe wurde im Jahr 1204 von Konstantinopel nach Venedig gebracht und befindet sich heute in der Basilica di San Marco, dem Markusdom. Es handelt sich um eine Darstellung von vier männlichen Figuren, die paarweise angeordnet sind. Die Figuren sind ca. 1,30 m hoch und als Vollrelief aus rötlichem Porphyr gearbeitet, lediglich die Rückseiten der Figuren gehen in die Wand oder Säule hinein. Die Paare zeigen jeweils zwei nahezu identisch dargestellte Männer, die einander mit einer Hand umarmen und mit der anderen ihr Schwert berühren. Alle vier zeichnen sich durch eine typisch römische Militärtracht aus; über der langen Tunika tragen sie einen Brustpanzer und das Paludamentum, den Militärmantel. Zudem tragen sie eine runde Kopfbedeckung und halboffene Schuhe, deren Riemen sich über dem Spann der Füße kreuzen.

Bei den dargestellten Männern handelt es sich um die Tetrarchen Diocletian, Maximianus, Constantius Chlorus und Galerius, die jeweils zusammen als ein Augustus und ein Caesar stehen. Eine genaue Unterscheidung der Kaiser anhand kleinerer Merkmale, wie den strengen Gesichtszügen des angeblichen Galerius, wird gelegentlich versucht, lässt sich allerdings nicht zufriedenstellend belegen.

Das System der Tetrarchie entwickelte sich nicht über Nacht. Im Jahr 285 ernannte Diocletian zuerst seinen Freund Maximianus mit dem Titel Caesar zum Mitregenten, der ihm allerdings formal untergeordnet war. Bereits ein Jahr später wurde Maximianus ebenfalls zum Augustus erhoben und 293 erfolgte die Ernennung zweier Caesaren: Constantius Chlorus und Galerius. Ab diesem Zeitpunkt teilte sich dieses Kollegium die Macht im Römischen Reich; Maximianus war für Westrom verantwortlich, abgesehen von den gallischen und britannischen Provinzen, für die Constantius Chlorus zuständig war. Die anderen beiden Regenten waren für den Ostteil des Reiches verantwortlich. Die gemeinsame Teilhabe an der Machtausübung im Reich wird im Relief auch durch die Abkehr von der individuellen Darstellung der persönlichen Physiognomie zu einer entindividualisierten Darstellung deutlich. Das Bildnis steht damit im starken Gegensatz zu den vorherigen Kaiserdarstellungen, wie der idealisierten Darstellung des Augustus, des ungeschminkt realistischen Portraits im Stile Vespasians oder der stark individualisierten Darstellung Caracallas. Damit steht das Bildnis gleichzeitig am Anfang einer fast vollständig entindividualisierten Darstellungsweise, die typisch für die Spätantike werden sollte.

Anders als das Relief der Kaiser es vermuten lassen würde, war die Hierarchie innerhalb dieses Kaisertums streng aufgeteilt. Dies wird auch in der Titulatur durch die Beinamen Iovius (für Jupiter) und Herculius (für Hercules) deutlich. Auch wenn z.B. Gesetzte offiziell von allen vier Kaisern erlassen wurden, wurde die Vorrangstellung von Diocletian während seiner gesamten Herrschaftszeit niemals angezweifelt. Die Verbindungen unter den Kaisern wurden – wie es in der römischen Politik gängig war – durch Heiraten besiegelt. Die Caesaren wurden zudem von den Augusti adoptiert. Die Nachfolgeregelung erfolgte damit nicht direkt dynastisch, sondern durch das Nachrücken der vorher ausgewählten Caesaren auf die Positionen der Augusti. Die Vorteile, die dieses Herrschaftssystem mit sich brachte, liegen auf der Hand: durch die beständige Loyalität großer Teile der Truppen, die allen vier Regenten zukam, konnte die Gefahr von Usurpation, die die Krise des 3. Jahrhunderts so stark geprägt hatte, vermindert werden. Andersherum stand ein potentieller Usurpator immer gleich drei weiteren Kontrahenten mit militärischem und politischem Rückhalt gegenüber, wenn er einen der amtierenden Machthaber umbrachte. Außerdem war beim Tode einer der Augusti der Nachfolgende Caesar bereits mit der Reichsführung vertraut.

Zudem konnten die Kaiser das Reich durch die Aufteilung der Herrschaftsgebiete flexibler verwalten. So war es einem Kaiser möglich, einem Aufstand innerhalb der Reichsgrenzen niederzuschlagen, während die anderen weiterhin die Außengrenzen sicherten. Damit brachte diese Form der Herrschaft dem Reich in erster Linie wieder Beständigkeit und Stabilität. Dies galt allerdings nicht für die Tetrarchie selbst. Bereits mit dem Rücktritt von Diocletian im Jahr 304 zerfiel das stark auf seine Person hin ausgerichtete System. Schließlich setzte sich mit der Ausrufung Konstantins zum Kaiser der in der römischen Gesellschaft tief verankerte dynastische Gedanke wieder durch. Die Eintracht der vier Kaiser, wie sie in der venezianischen Porphyrgruppe dargestellt wurde, blieb demnach in den Folgejahren nicht erhalten, aber es hielten sich viele der administrativen Neuerungen der Tetrarchen. Am wichtigsten war die Idee des Mehrkaisertums, die eine grundsätzliche Einteilung in ein Ost- und Weströmisches Reich zur Folge hatte, aber auch die Verkleinerungen der Provinzen und die Abwendung von Rom als Mittelpunkt des Reiches gehören zu diesen Veränderungen. Zudem wurde die militärische Verwaltung von der zivilen getrennt und stärker zentralisiert und bürokratisiert.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Diokletian, Konstantin und die konstantinische Dynastie“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Mailänder Vereinbarung

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Laktanz
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Lact. mort. pers. 48 – Original

[1] Licinius vero accepta exercitus parte ac distributa traiecit exercitum in Bithyniam paucis post pugnam diebus et Nicomediam ingressus gratiam deo, cuius auxilio vicerat, retulit ac die Iduum Iuniarum Constantino atque ipso ter consulibus de resituenda ecclesia huius modi litteras ad praesidem datas proponi iussit:
[2] «Cum feliciter tam ego [quam] Constantinus Augustus quam etiam ego Licinius Augustus apud Mediolanum cinvenissemus atque universa quae ad commoda et securitatem publicam pertinerent, in tractatu haberemus, haec inter cetera quae videbamus pluribus hominibus profutura, vel in primis ordinanda esse credidimus, quibus divinitatis reverentia continebatur, ut daremus et Christianis et omnibus liberam potestatem sequendi religionem quam quisque voluisset, quod quicquid ‹est› divinitatis in sede caelesti. Nobis atque omnibus qui sub potestate nostra sunt constituti, placatum ac propitium possit existere. [3] Itaque hoc consilium salubri ac reticissi ma ratione ineundum esse credidimus, ut nulli omnino facultatem abnegendam putaremus, qui vel observationi Christianorum vel ei religioni mentem suam dederet quam ipse sibi aptissimam esse sentiret, ut possit nobis summa divinitas, cuius religioni liberis mentibus obsequimur, in omnibus solitum favorem suum benivolentiamque praestare. [4] Quare scire dicationem tuam convenit placuisse nobis, ut amotis omnibus omnino condicionibus quae prius scriptis ad officium tuum datis super Christianorum nomine ‹continebantur, et quae prorsus sinistra et a nostra clementia aliena esse› videbantur, ‹ea removeantur. Et› nunc libere ac simpliciter unus quisque eorum, qui eandem observandae religionis Christianorum gerunt voluntatem. Citra ullam inquietudinem ac molestiam sui id ipsum observare contendant. [5] Quae sollicitudini tuae plenissime significanda esse credidimus, quo scires nos liberam atque absolutam colendae religionis suae facultatem isdem Christianis dedisse. [6] Quod cum isdem a nobis indultum esse pervideas, intellegit dicatio tua etiam aliis religionis suae vel observantiae potestatem similiter apertam et liberam pro quiete temporis nostri ‹esse› concessam, ut in colendo quod quisque delegerit, habeat liberam facultatem. ‹Quod a nobis factum est. Ut neque cuiquam› honori neque cuiquam religioni ‹detrac tum› aliquid a nobis ‹videatur›. [7] Atque hoc insuper in persona Christianorum statuendum esse censuimus, quod, si eadem loca, ad quae antea convenire consuerant, de quibus etiam datis ad officium tuum litteris certa antehac forma fuerat comprehensa. Priore tempore aliqui vel a fisco nostro vel ab alio quocumque videntur esse mercati, eadem Christianis sine pecunia et sine ulla pretii petitione, postposita omni frustratione atque ambiguitate restituant; qui etiam dono fuerunt consecuti, eadem similiter isdem Christianis quantocius reddant, etiam vel hi qui emerunt vel qui dono fuerunt consecuti, si petiverint de nostra benivolentia aliquid, vicarium postulent, quo et ipsis per nostram clementiam consulatur. Quae omnia corpori Christianorum protinus per intercessionem tuam ac sine mora tradi oportebit. [9] Et quoniam idem Christiani non [in] ea loca tantum ad quae convenire consuerunt, sed alia etiam habuisse noscuntur ad ius corporis eorum id est ecclesiarum, non hominum singulorum, pertinentia, ea omnia lege quam superius comprehendimus, citra ullam prorsus ambiguitatem vel controversiam isdem Christianis id est corpori et conventiculis eorum reddi iubebis, supra dicta scilicet ratione servata, ut ii qui eadem sine pretio sicut diximus restituant, indemnitatem de nostra benivolentia sperent. [10] In quibus omni bus supra dicto corpori Christianorum intercessionem tuam efficacissimam exhibere debebis, ut praeceptum nostrum quantocius compleatur, quo etiam in hoc per clementiam nostram quieti publicae consulatur. [11] Hactenus fiet, ut, sicut superius comprehensum est, divinus iuxta nos favor, quem in tantis sumus rebus experti, per omne tempus prospere successibus nostris cum beatitudine publica perseveret. [12] Ut autem huius sanctionis ‹et› benivolentiae nostrae forma ad omnium possit pervenire notitiam, prolata programmate tuo haec scripta et ubique proponere et ad omnium scientiam te perferre conveniet, ut huius nostrae benivolentiae [nostrae] sanctio latere non possit.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Aloys Hartl
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Licinius verteilte den Teil des Heeres, der sich ihm ergeben hatte, unter seine Mannschaft, setzte dann mit dem Heere wenige Tage nach der Schlacht nach Bithynien über und hielt seinen Einzug in Nikomedien. Hier erstattete er Gott, durch dessen Beistand er gesiegt hatte, den schuldigen Dank und ließ am Tage der Iden des Juni (13. Juni 313) unter dem dritten Konsulate des Konstantin und Licinius folgendes Edikt an die Statthalter über die Wiederherstellung der Kirche öffentlich anschlagen:
„Nachdem wir, sowohl ich Konstantinus Augustus, als auch ich Licinius Augustus glücklich zu Mailand uns eingefunden hatten und alle Angelegenheiten der öffentlichen Wohlfahrt und Sicherheit in Beratung nahmen, so glaubten wir unter den übrigen Anordnungen, von denen wir uns Nutzen für die Gesamtheit versprachen, vor allem die Dinge ordnen zu müssen, auf denen die Verehrung der Gottheit beruht, und zwar in der Art, daß wir sowohl den Christen wie auch allen übrigen freie Befugnis gewährten, der Religion sich anzuschließen, die jeder sich wählen würde, auf daß alles, was von göttlicher Wesenheit auf himmlischem Sitze thront, uns und allen, die unter unserer Herrschaft stehen, gnädig und gewogen sein möge. Und so glaubten wir in heilsamer und vernünftiger Erwägung den Entschluß fassen zu müssen, durchaus keinem die Erlaubnis zu versagen, der entweder der Religionsübung der Christen oder jener Religion sich zuwenden wollte, die er für sich als die geeignetste erachtete, auf daß die höchste Gottheit, deren Verehrung wir aus freiem Herzen ergeben sind, uns in allem die gewohnte Huld und Gnade erweisen könne. Es mag daher deine Ergebenheit wissen, daß es uns gefallen hat, die Bestimmungen, die in den früheren Erlassen an deine Dienstbeflissenheit über den Namen der Christen enthalten waren und die als durchaus ungünstig und unserer Milde widersprechend erschienen, alle ohne Ausnahme aufzuheben, so daß jetzt frei und unbehindert jeder, der die Religion der Christen zu beobachten geneigt ist, ohne alle Beunruhigung und Belästigung dieser Beobachtung obliegen mag. Und dies glauben wir deiner Besorgtheit ausführlichst zur Kenntnis bringen zu sollen, damit du wissest, daß wir freie und unbeschränkte Ausübung ihrer Religion den nämlichen Christen gewährt haben. Und indem du deutlich ersiehst, daß wir dieses den Christen gestattet haben, so erkennt deine Ergebenheit, daß wir auch den übrigen eine ähnlich offene und uneingeschränkte Ermächtigung zur Ausübung ihrer Religion im Interesse der Ruhe unserer Zeit eingeräumt haben, so daß jeder in der Verehrung dessen, was er sich erwählt hat, ungehinderte Freiheit hat. Und dies ist von uns geschehen, damit keine Art von Gottesverehrung und keine Religion durch uns irgendwelchen Abbruch erfahre. Und überdies haben wir bezüglich der Gesamtheit der Christen folgendes zu bestimmen für gut befunden: Wer etwa solche Stätten, an denen die Christen früher zusammenzukommen pflegten — über welche auch in den früheren Schreiben an deine Dienstbeflissenheit besondere Anweisungen enthalten waren —, in früherer Zeit von unserem Schatze oder sonst von irgend jemand käuflich erworben hat, der muß dieselben ohne Kaufpreis und ohne irgendwelche Entschädigung mit Ausschluß aller Hintanhaltung und Umständlichkeit zurückerstatten. Und wer solche Stätten zum Geschenke erhalten hat, muß sie ebenfalls den nämlichen Christen in kürzester Bälde zurückgeben; und sowohl Käufer als Beschenkte mögen sich, wenn sie etwas von unserer Wohlgeneigtheit erhoffen, an unseren Stellvertreter wenden, damit auch für sie durch unsere Milde gesorgt werde. Und dies alles muß der Körperschaft der Christen durch deine Vermittlung unverweilt und unverzüglich übergeben werden. Und nachdem die nämlichen Christen nicht bloß die Stätten, an denen sie sich zum Gottesdienst zu versammeln pflegten, sondern auch noch anderes zum Eigentum hatten, das zum Recht ihrer Körperschaft, das heißt der Kirchen, nicht einzelner Menschen, gehörte, so wirst du all dieses nach dem Gesetz, das wir oben dargelegt haben, ohne jegliche Ausflucht und Widerrede denselben Christen, das heißt der Körperschaft und den Versammlungsstätten der Christen zurückgeben lassen unter Einhaltung der vorher erwähnten Rücksichtnahme, daß jene, welche dieselben ohne Entgelt zurückerstatten, Schadloshaltung von unserem Wohlwollen erwarten dürfen. In all diesen Dingen wirst du der erwähnten Körperschaft der Christen deine wirksamste Vermittlung angedeihen lassen, damit unsere Vorschrift je eher desto lieber zur Ausführung komme, auf daß auch hierin durch unsere Milde für die öffentliche Ruhe gesorgt werde. Auf diese Art wird es geschehen, daß, wie wir bereits oben angeführt haben, die göttliche Hulderweisung gegen uns, die wir in Dingen von höchster Wichtigkeit erfahren haben, für alle Zeit glücklich bei unseren Unternehmungen zur allgemeinen Glückseligkeit verbleibe. Damit aber der Wortlaut dieser unserer gnädigen Verordnung allen zur Kenntnis gelangen kann, so wirst du dieses Schreiben durch öffentlichen Anschlag überall bekannt machen und zur Wissenschaft aller gelangen lassen, damit die Anordnung unseres Wohlwollens niemand unbekannt bleiben kann.“

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Lact. mort. pers. 48

Leitfragen

1) Was war die politische Ausgangslage für das Edikt?

2) Um was für eine Textgattung handelt es sich?

3) Welche Veränderungen ergaben sich für das Christentum?

Kommentar:

Das sog. Edikt von Mailand (auch Toleranzedikt oder Mailänder Vereinbarung) wird oftmals als eines der Schlüsselereignisse für den Aufstieg des Christentums genannt. Hierbei handelt es sich um eine Vereinbarung, die im Jahr 313 n.Chr. zwischen dem weströmischen Kaiser Constantin (später Constantin der Große) und dem oströmischen Kaiser Licinius getroffen wurde und den Bewohnern des Römischen Reichs eine freie Religionsausübung zugestand. Damit stand das Edikt von Mailand am Ende einer Reihe konfliktreicher Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Rom. Die Tetrarchie, die Diocletian geschaffen hatte, war zerfallen und Constantin hatte alle seine Rivalen ausgeschaltet, zuletzt Maxentius, der von ihm 312 n.Chr. in der berühmten Schlacht an der Milvischen Brücke geschlagen wurde. Im Vorfeld zu dieser entscheidenden Schlacht soll Constantin auch die Vision gehabt haben, die besagte, dass er im Zeichen Gottes (caeleste signum dei) mit dem Chi-Rho – dem Christogramm – auf den Schilden siegen werde (Siehe: Kommentar zu Konstantins Vision bei Laktanz). Kaiser Constantin im Westen und Licinius im Osten teilten sich anfänglich die Macht, besiegelt durch die Verheiratung von Licinius mit der Schwester Constantins. In den Folgejahren kam es allerdings auch zwischen diesen beiden Herrschern zu Spannungen, die erst 324 in der Schlacht bei Adrianopel ihr Ende fanden und Constantin als Alleinherrscher über das Römische Reich zurückließen.
Die moderne Bezeichnung als „Edikt“ ist hierbei allerdings irreführend, denn es handelte sich bei dieser Absprache nicht um einen offiziellen Erlass und schon gar nicht um ein „Toleranz“-Edikt. Inhaltlich baut der Text des Edikts von Mailand auf dem Edikt von Galerius aus dem Jahre 311 auf, in dem das Christentum bereits zur religio licita – gleichberechtigten und anerkannten Religion – erklärt wurde. Galerius gewährte den Christen durch sein Edikt eine freie Ausübung ihres Glaubens – zumindest solange sie durch diese die öffentliche Ordnung nicht störten – und gestand damit gleichzeitig das offizielle Scheitern der Christenverfolgungen ein. Im Gegensatz dazu geht das Edikt von Mailand eher auf Gleichstellung und Wiedergutmachung ein. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Zurückerstattung von Grundbesitz an die Kirche, der während der Verfolgungen vielerorts privatisiert und verkauft worden war. Außerdem soll die Kirchengemeinschaft für die Schäden, die sie während der Verfolgungen zwischen 303 und 311 n.Chr. erlitten hatte, entschädigt werden. Durch diese Vereinbarung wird das Christentum also den übrigen Kulten auch rechtlich gleichgestellt.
Beide Edikte werden bei Laktanz, in seinem Werk de mortibus persecutorum – über die Todesarten der Christenverfolger überliefert, außerdem in der griechischen Übersetzung in der Kirchengeschichte des Eusebius. Der christliche Apologet Laktanz beschreibt in seinem Werk die Lebens- und vor allem Leidens- und Todesgeschichten von zehn römischen Kaisern, die sich während der Christenverfolgungen besonders hervorgetan hatten. Dabei muss bedacht werden, dass das Werk mit der Intention verfasst wurde, den Aufstieg des Christentums zu rechtfertigen, demnach ist es z.T. stark „propagandistisch“ gefärbt und die beschriebenen Herrschaftsjahre der Kaiser werden oftmals in einem denkbar schlechten Licht dargestellt.
Obwohl das Christentum durch das Edikt ungleich bessergestellt und rechtlich anerkannt wurde, im großen Umfang seinen Grundbesitz zurückerhielt und die präferierte Religion des Kaisers war, wurde es zu diesem Zeitpunkt keinesfalls Staatsreligion. Constantin favorisierte das Christentum stets, was sich durch seine rege Kirchenbautätigkeit oder die Einberufung des ersten Konzils in Nicäa zur Klärung von Schismen und innerkirchlichen Fragen nachweisen lässt. Zur Staatsreligion wurde das Christentum allerdings erst im Jahr 380 n.Chr. durch Kaiser Theodosius erhoben. Nichtsdestoweniger markiert das Edikt von Mailand ohne Frage den Beginn für den Aufstieg des Christentums auf seinem Weg zur Staatsreligion.

Text zum downloaden

 

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Die Entwicklung des Christentums“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast