06 – Der Untergang der Römischen Republik

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Römische Geschichte I: Die Republik

06 – Der Untergang der Römischen Republik

Im letzten Podcast haben wir davon gehandelt, wie das erste Triumvirat die politischen Machtverhältnisse in Rom verschob, weg von der Senatsherrschaft hin zu einer Militärdiktatur, ausgeübt von drei Männern. Durch den Gallischen Krieg war Caesar nun an Macht und Prestige Pompeius ebenbürtig. Es war offenkundig, dass sie um die Macht konkurrieren würden.
Offiziell ging es darum, wie Caesar nach dem Ablauf seine Kommandos in Gallien seine Machtposition behalten können würde. Er war nicht bereit, seine Armee aufzulösen und als Privatmann nach Rom zu kommen, denn dann hätten ihm Anklagen gedroht. Es begann ein diplomatisches und juristisches Tauziehen um prozedurale Fragen. Am Ende schafft es Caesar, die Schuld am Ausbruch des Bürgerkrieges der Senatspartei zuzuweisen. Als er den Rubicon überschritt und auf Rom marschierte, war Pompeius schlechter gerüstet als Caesar. Die Republikaner um Pompeius waren sofort in der Defensive und flohen nach Griechenland. Caesar wandte sich zuerst nach Spanien und schaltete dort Legionen des Pompeius aus, um dann den Rücken für den Kampf im Osten frei zu haben. Im Sommer 48 besiegt er Pompeius in der Schlacht von Pharsalos. Pompeius flieht nach Ägypten und wird dort von Ptolemaios XIII. ermordet. Damit ist die Senatspartei aber immer noch nicht geschlagen.
Im Alexandrinischen Krieg, in dessen Verlauf auch die berühmte Bibliothek von Alexandria abbrannte, sicherte sich Caesar Ägypten und wandte sich dann nach Asien, wo er im Jahre 47 Pharnakes, den Sohn des Mithridates, in der Schlacht von Zela in Pontos besiegte. Mittlerweile hatte Metellus Scipio eine neue optimatische Streitmacht in Africa aufgestellt. In der Schlacht von Thapsus besiegte Caesar die Republikaner, Africa Nova wurde als neue Provinz eingerichtet, deren erster Statthalter der spätere Historiker Sallust wurde.
Nach der Schlacht von Munda in Spanien gegen Gnaeus Pompeius, den Sohn des Magus, und Titus Labienus, war Caesar der Herr der Welt und nannte sich Befreier, liberator. Caesars Ehrungen überstiegen nun alle Maßen, im Jahre 45 erklärte er sich zum dictator perpetuus; im Prinzip war das die offizielle Einführung der Monarchie. Seine Statue wurde auf dem Kapitol neben den Statuen der legendären Könige der Frühzeit aufgestellt. Es war klar, dass diese Selbstverherrlichung nicht von allen Kreisen positiv gesehen wurde.
Caesar hatte das alte Spiel der Aristokraten um die Macht monopolisiert, ihre libertas, d.h. ihre Freiheit, im freien Kräfteringen miteinander auszuloten, wem die höchsten Würden zukamen, an sich gerissen. Spätestens mit Caesars Stellung als Alleinherrscher war diese libertas zum Erliegen gekommen, die alten republikanischen Spielregeln des Machterwerbs und Machterhalts waren außer Kraft gesetzt. Das wollten und konnten konservativ gesinnte republikanische Kreise nicht hinnehmen. Eine Verschwörung gegen Caesar brauchte sich zusammen. Anders als später Octavian, hat Caesar zu wenig auf die Meinungen innerhalb der Senatsaristokratie geachtet, verstand er es nicht, seine überragende Stellung mit der Republik zu versöhnen. Es sieht nicht so aus, als ob Caesar hier ein Konzept gehabt hätte, eine Vision davon, wie er dauerhaft seine Stellung absichern und legitimieren können würde. Cicero bat ihn inständig, sich nun um die Innenpolitik zu kümmern, eine funktionsfähige Reichsverwaltung aufzubauen, idealiter die Republik wieder herzustellen. Doch Caesar fühlte sich innenpolitisch nicht auf gewohntem Terrain. Seine Welt war die des Krieges und des Militärs, dort fühlte er sich zu Hause, hier lagen seine Stärken als brillanter Stratege und Organisator von groß angelegten Feldzügen. So verwundert es nicht, dass Caesar mit seiner Stellung in Rom wenig anzufangen wusste und einen großen Partherfeldzug plante, um die Niederlage des Crassus zu rächen und die römischen Feldzeichen zurückzuholen.
In der älteren Forschung gab es eine lebhafte Diskussion um die Frage, ob Caesar nun ein Staatsmann gewesen sei (so Matthias Gelzer) oder ob ihm diese Bezeichnung nicht zukomme (so Hermann Strasburger). Christian Meier hat für die paradoxe Situation, in der sich Caesar nach seinem Sieg befand, ein, wie ich meine, treffendes Oxymoron gefunden: Er spricht von der „Ohnmacht des allmächtigen Diktators Caesar“. Kurz vor seinem Aufbruch nach Osten wurde Caesar an den Iden des März 44 v. Chr. von ca. dreißig Verschwörern ermordet. Doch ihre Rechnung ging nicht auf: Das Attentat stellte die Republik nicht etwa wieder her, sondern hinterließ ein Machtvakuum, längst waren die staatlichen Strukturen monarchisch geprägt. Caesar war beim Volk beliebt und v.a. bei seinen Soldaten und seinem Freund Marcus Antonius. So waren die Verschwörer sofort in der Defensive und mussten aus der Stadt fliehen. Immerhin erreichte man im Senat einen Kompromiss: Alle Amtshandlungen Caesars behielten ihre Gültigkeit, das bedeutete de facto einen Verzicht der Attentäter auf ihre Ziele. Andererseits galt nun eine Amnestie für die Mörder. Doch die Verhältnisse waren kompliziert: Marcus Antonius, der Konsul des Jahres 44, brachte den Nachlass Caesars an sich. Gleichzeitig erhob der neunzehnjährige Caius Octavius, den Caesar adoptiert hatte, Anspruch auf das Erbe. Sofort stand er in Rivalität zu Antonius. Diese Grundrivalität (zwei Erben waren einer zu viel) bestand immer fort und sollte erst in der Schlacht von Actium ihre Auflösung finden.
Zwischenzeitlich kooperierten die beiden jedoch, um sich gemeinsam an den Caesarmördern zu rächen. Generell verstand es Octavian immer, aus opportunistischen Gründen die Seiten zu wechseln. Er hatte in der komplizierten Situation von 44 die Wahl, entweder gleich in die offene Rivalität zu Antonius zu treten, dann brauchte er jedoch die Hilfe des Senats, oder zuerst mit Antonius gemeinsame Sache gegen die Caesarmörder zu machen, dann wäre er aber nur der Juniorpartner des Antonius gewesen.
Octavian verfügte mit seinen 19 Jahren über keinerlei militärische Erfahrung, seine Stellung musste erst legitimiert werden, und das konnte nur durch und über den Senat geschehen. Seinen großen Förderer und Fürsprecher fand er in Cicero, der glaubte, ihn gegen Antonius und somit für die Republik aufbauen zu können, eine gründliche Fehleinschätzung des erfahrenen Politikers. Durch einen Provinztausch wollte Antonius Norditalien in Besitz nehmen, doch der Statthalter der Gallia Cisalpina, Decimus Iunius Brutus, einer der Verschwörer, weigerte sich, die Provinz an Antonius herauszugeben. Antonius marschierte nach Norden und belagerte Brutus in Mutina, wieder war also ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die beiden Konsuln, Hirtius und Pansa, sowie Octavian bekamen den Auftrag, den Belagerungsring um Mutina zu sprengen und so Decimus Iunius Brutus zu entsetzen. Dies gelang, doch beide Konsuln fielen in der Schlacht, und Octavian ließ Antonius fliehen, sein Seitenwechsel deutete sich hier bereits an. Octavian fordert nun sogleich, gegen alle Regeln der Verfassung, den Konsulat für sich. Der Senat lehnte ab und Octavian marschierte auf Rom und besetzte es. Mit der Hand am Schwertknauf erzwang er sich das höchste Amt im Staat. Es war nun klar, dass dieser junge Mann sich von niemandem würde kontrollieren lassen. Der Seitenwechsel vollzog sich nun rasch: Eine lex Pedia ächtete die Caesarmörder in ihrer Abwesenheit, Antonius vereinigte sich im Westen mit den Heeren des Marcus Aemilius Lepidus, Lucius Munatius Plancus sowie Caius Asinius Pollio. Der gesamte Westen war somit in der Hand der Caesarianer.
Lepidus vermittelte zwischen Antonius und Octavian und die drei Männer kamen schnell überein: In Bononia wurde im November 43 das Zweite Triumvirat besiegelt, für fünf Jahre. Die Militärdiktatur wurde gesetzlich abgesichert durch eine lex Titia, anders als das Erste Triumvirat, das nur eine private coitio war, ein privates Zusammengehen dreier führender Männer. Die drei Männer teilten sich das Reich in Interessenssphären auf: Octavian war hier eindeutig nur Juniorpartner, er bekam Africa, Sizilien, Sardinien und Korsika. Antonius ging als der Stärkste aus dieser Vereinbarung hervor. Man beschloss nun den gemeinsamen Krieg gegen die Caesarmörder sowie Rache an den politischen Feinden. Zum zweiten Mal in der römischen Geschichte wurden Proskriptionslisten erstellt: 300 Senatoren sowie 2000 Ritter fanden den Tod, damit war die alte Aristokratie physisch vernichtet. Ganz oben auf der Liste muss Cicero gestanden haben, der Erz-Republikaner, der Antonius in den Philippischen Reden so vehement geschmäht und verunglimpft hatte. Octavian tat nichts, um seinen alten Gönner und Förderer zu retten. Cicero hatte sich zeit seines Lebens als Bewahrer der Republik verstanden, gegen Ende seines Lebens sich gar als Verkörperung der Republik gesehen. Seine Ermordung führt vor Augen, dass er mit dieser sehr selbstbewussten Einschätzung seiner selbst nicht ganz Unrecht hatte. Mit ihm war ein großer Mahner und Befürworter der Republik für immer verstummt.
Im Herbst 42 suchten Caesarianer und Republikaner die Entscheidung im Osten. In der Doppelschlacht von Philippi verloren die Republikaner, Cassius und Brutus begingen Selbstmord. Damit war die Rache für Caesar erfüllt, aber noch keineswegs bedeutete dies das Ende des Bürgerkrieges. Nach Erledigung der gemeinsamen Aufgabe wuchs nun die Rivalität zwischen Antonius und Octavian wieder ungebremst. Antonius sicherte die Herrschaft der Triumvirn im Osten, wo er als neuer Dionysos begrüßt wurde, während Octavian im Westen große Probleme bei der Veteranenversorgung hatte und sich sehr unbeliebt machte. Lucius Antonius, der Bruder des Triumvirn, zettelte sogar einen Krieg gegen Octavian an, den Perusinischen Krieg um Perugia. Octavian nahm die Stadt ein, übte aus politischen Gründen jedoch Rücksicht und schob Lucius Antonius nach Spanien ab.
Ein weiteres Problem stellte Sextus Pompeius auf Sizilien dar, der Sohn des Magnus, der im westlichen Mittelmeer geradezu eine Seeherrschaft etabliert hatte und durch das Kappen der Getreidelieferungen nach Rom empfindlichen Druck auf Octavian ausüben konnte. In mehreren Verträgen suchte Octavian nun die gegensätzlichen Interessen auszutarieren:
Im Vertrag von Brundisium (40) kam es zu einem Ausgleich zwischen Octavian und Antonius. Antonius bekommt den gesamten Osten, Octavian den Westen, Lepidus erhält Africa als Abfindung. Italien steht allen Triumvirn für Rekrutierungen offen. Der Vertrag wird noch durch eine Eheschließung bekräftigt: Antonius, dessen Frau Fulvia mittlerweile gestorben war, heiratete Octavia, die Schwester Octavians.
Im Jahre 39 wurde ein Vertrag mit Sextus Pompeius geschlossen, der Vertrag von Misenum, der Italien in Jubel versetzte, denn dadurch schien eine militärische Auseinandersetzung abgewendet: Sextus Pompeius garantiert nun Getreide aus Sizilien für Rom, dafür hat er weiterhin das Kommando über die Inseln. Er verpflichtet sich, keine weiteren flüchtigen Sklaven mehr aufzunehmen, dafür erkennen die Triumvirn die Sklaven in seiner Flotte als frei an. Proskribierte, die sich bei Pompeius befanden, durften zurückkehren und konnten ein Viertel ihres Vermögens wieder erlangen.
Als Antonius für seinen Partherfeldzug Truppen brauchte (er wollte nun den Feldzug endlich umsetzen, zu dem Caesar nicht mehr gekommen war), mussten sich die die Triumvirn wieder verständigen. Im Vertrag von Tarent wurde 37 v. Chr. das Triumvirat verlängert. Antonius wurden 20.000 Soldaten aus Italien zugesagt, Octavian im Gegenzug 120 Kriegsschiffe aus Antonius‘ Flotte.
Sextus Pompeius, der den Vertrag von Misenum gebrochen hatte und wieder Druck auf Italien ausübte, konnte vom Freund des Augustus, Marcus Vipsanius Agrippa, in der Schlacht von Mylae und Naulochos geschlagen werden. Im Kontext dieser Auseinandersetzungen machte sich Lepidus selbständig und beanspruchte Sizilien für sich. Octavian konnte jedoch seine Soldaten gewinnen und so legte Lepidus, isoliert, seine triumvirale Gewalt nieder. Lepidus wurde mit dem Oberpontifikat abgespeist; Octavian nahm nun, ganz unerwartet, Africa in Besitz, ein gewaltiger Machtzuwachs und Prestigegewinn. Octavian und Marcus Antonius waren nun die alleinigen Kontrahenten. Octavian arbeite von jetzt an geschickt propagandistisch auf die finale Auseinandersetzung zu, wobei ihm Antonius diese Aufgabe aber auch leicht machte. Aufgrund seines Verhältnisses zu Cleopatra hatte sich das Verhältnis zu Octavian merklich abgekühlt, schließlich hatte Antonius seine Ehefrau Octavia betrogen. Mit Cleopatra hatte Antonius sogar drei Kinder, die Zwillinge Alexander Helios und Cleopatra Selene und dann noch Ptolemaios Philadelphos. Antonius schenkte Cleopatra und den gemeinsamen Kindern Syria Coele, Phönikien, Zypern und Teile von Kilikien. Statt der 20.000 Soldaten stellte Octavian Antonius nur 2000 zur Verfügung. Octavia sollte sie ihm persönlich übergeben, doch Antonius lehnte das Treffen mit Octavia ab, ein schwerer familiärer und auch politischer Affront.
Es kam zu einer weiteren Brüskierung des römischen Staates: Antonius feierte nach einem Armenienfeldzug einen Triumph in Alexandria, bei dem er als Neuer Dionysos, Cleopatra als Neue Isis auftraten; auch mythologisch wurde also ihre enge Verbindung unterstrichen. In den Jahren 33/32 mobilisierte Octavian die öffentliche Meinung gegen Antonius. Dem angeblich orientalischen und dekadenten Antonius setzte er eine italisch-nationale Propaganda entgegen, die ganz auf die konservativen, altrömischen Werte setzte. Die Fronten verhärteten sich, 300 Senatoren gingen nach Ephesos, der Ausbruch eines weiteren Bürgerkrieges stand unmittelbar bevor. Als Antonius einen Scheidebrief an Octavia schickte, ließ Octavian das Testament des Antonius erbrechen, das bei den Vestalinnen hinterlegt war, und im Senat verlesen. Wir wissen nicht, ob das wirklich das Testament des Antonius war oder ein von Octavian fabrizierter Text, aber er hat seine Wirkung nicht verfehlt: Antonius wollte in Alexandria beigesetzt werden, gewaltige Zuwendungen an Cleopatra und die gemeinsamen Kinder waren vorgesehen. Daraufhin wurde Cleopatra, wohlgemerkt nicht Antonius, der Krieg erklärt. Der weitere Verlauf der Geschichte ist wohlbekannt. Octavian ließ die Bevölkerung Italiens und der Westprovinzen einen Eid auf sich schwören. Dieser consensus universorum, ein Begriff, den Cicero geprägt hatte, war fortan Octavians Herrschaftslegitimation. Antonius tat es ihm im Osten gleich.
Nach der verlorenen Schlacht von Actium, dem Selbstmord der Cleopatra und des Antonius und der Eroberung Ägyptens durch Octavian, kannte die Welt nur noch einen Herrscher: Octavian, der sich ab 27 v. Chr. Augustus nennen würde. Die Republik war damit zu Ende.

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05 – Sulla und das Zeitalter der Bürgerkriege

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Römische Geschichte I: Die Republik

05 – Sulla und das Zeitalter der Bürgerkriege

Im letzten Podcast haben wir von den gescheiterten Reformen der Gracchen gehört. In Rom herrschte dadurch Reformstau. Die Probleme verschlimmerten sich dadurch zusehends, die Stimmung wurde immer explosiver. Außenpolitische Bedrohungen taten das Ihrige, das System der Republik immer mehr zu destabilisieren. Der Krieg gegen König Jugurtha von Numidien in den Jahren 111-105 drohte zum Debakel zu werden.
Einmal mehr offenbarte sich nach den schweren Kämpfen um Numantia die Unfähigkeit der römischen Führungsschicht. Marius gelang es schließlich, Jugurtha niederzuwerfen, dem jungen Sulla gelang seine Auslieferung.
Parallel zu den Kämpfen in Nordafrika braute sich im Norden eine große Gefahr zusammen. Die Germanenstämme der Kimbern und Teutonen schlugen 113 ein römisches Heer in Noricum, besiegten 109 ein konsularisches Heer an der Rhône und vernichteten 105 bei Arausio, dem heutigen Orange, zwei konsularische Heere. Damit lag Italien offen, in Rom brach eine Angstpsychose aus. Doch da die Germanen nach Spanien weiterzogen, gewann Rom Zeit. Marius führte eine grundlegende Heeresreform durch und es gelang ihm, die Germanen in zwei Schlachten getrennt zu schlagen. Die Heeresreform des Marius ist insofern grundlegend, als ihre sozialpolitischen Folgen die kommenden Jahrzehnte entscheidend prägten und die Krise militarisierten. Da der italische Bauernstand geschwächt war und sich aus dieser Schicht nicht mehr genügend Soldaten rekrutieren ließen, öffnete Marius das Heer denen, die gar nichts hatten außer ihren Nachkommen, den Proletariern, und rüstete sie auf Staatskosten aus. Tausende von Freiwilligen strömten nun zu den Waffen; damit war aber das römische Heer kein Milizheer mehr. Der Feldherr rückte für die Soldaten in die Position eines Patrons ein, der für ihr Wohlergehen verantwortlich war. In anderen Worten, die Feldherren gewannen nun eine immense, bewaffnete Klientel, die durchaus auch für eigene Zwecke einsetzbar war. Infolge dieser Reform proletarisierte und professionalisierte sich das Heer, aber es politisierte sich auch. Die Heeresklientel der Späten Republik diente schließlich nur noch den politischen Zielen ihres Patrons, nicht mehr dem Abstraktum Republik. Der Besitzerwerb dieser Soldaten erfolgte durch Sold, Beute und Landzuweisungen als Veteran, für alle drei Säulen war der Feldherr verantwortlich.
Wir könnten sagen, dass die Notwendigkeit der Bewältigung von umfassenden Herrschaftsaufgaben und natürlich auch der Reformstau das Milizwesen zerstört hatte, und die veränderte Heeresstruktur ihrerseits zum Untergang der Republik nicht unwesentlich beitrug. Die politisierenden Heerführer militarisierten mit der ihnen treu ergebenen Heeresklientel die Innenpolitik, das Zeitalter der Bürgerkriege war angebrochen.
Konkret rüstete Marius alle Soldaten gleich aus und schaffte damit die Dreitreffenordnung ab. Um den germanischen Haufen standhalten zu können, fasste er die beweglichen Manipel zu einer neuen taktischen Einheit zusammen, der Kohorte, damit war nun das römische Aufgebot so beweglich wie zuvor, aber gleichzeitig auch stärker aufgestellt. Caesar sollte die Kohortenstruktur dann zur Vollendung führen. Marius unterwarf seine Soldaten einem eisernen Drill und kümmerte sich persönlich um alles. Damit wurde er zu einer charismatischen Identifikationsfigur, der in der Folgezeit entscheidende Siege gelangen.
Mit den außenpolitischen Erfolgen waren die innenpolitischen Probleme jedoch keineswegs beseitigt. Lucius Appuleius Saturninus spielte als Volkstribun in den Jahren nach 100 eine höchst zweifelhafte Rolle. Einerseits war Marius bei der Veteranenversorgung auf ihn angewiesen, andererseits billigte selbst Marius die rabiaten Methoden des Volkstribunen nicht. Schließlich erließ der Senat ein senatus consultum ultimum, sprach also den Staatsnotstand aus, und Saturninus wurde getötet. Marius‘ Ruf war damit schwer beschädigt, es folgten Jahre der konservativen Reaktion.
Marcus Livius Drusus war schließlich ein Hoffnungsträger, dem man aufgrund seiner familiären Herkunft zutraute, die tiefe Kluft zwischen Optimaten und Popularen zu überwinden. Sein Vater war 122 gegen Caius Gracchus vorgegangen, er selbst begann seine Karriere als gemäßigter Optimat, wurde dann jedoch Popular und versuchte die Probleme umfassend zu lösen, insbesondere plädierte er für das römische Bürgerrecht für alle Italiker. Als er jedoch 91 v. Chr. einem geheimen Mordanschlag zum Opfer fiel, waren alle Hoffnungen begraben; das Attentat war das Fanal für das Ausbrechen des Bundesgenossenkrieges 91-89 v. Chr. Ursprünglich war es den Bundesgenossen um die Erringung des römischen Bürgerrechts gegangen, doch als dies über Jahrzehnte ein bloßer Wunschtraum blieb, wandten sie sich tief frustriert einem anderen Ziel zu, der Gründung eines Staates der Italiker, unabhängig von Rom. Sogar eine Hauptstadt erkor man sich, Corfinium. In Analogie zum römischen Senat gründete man einen italischen Senat von 500 Mitgliedern, man wählte zwei Oberbeamte und 12 Prätoren. Sogar eigene Münzen wurden geprägt mit dem Kopf der Italia mit oskischer Beischrift. Der Krieg wurde mit äußerster Erbitterung geführt, offenbar gab es fanatische Kräfte, die ihn schon seit geraumer Zeit vorbereitet hatten. Gefährlich war natürlich auch, dass die Bundesgenossen die römische Kampfweise ja bestens kannten, sie kämpften selbst wie die Römer. Diese mussten anfangs empfindliche Niederlagen einstecken. Gnaeus Pompeius Strabo gelang es schließlich Asculum einzunehmen.
Aber auch gesetzgeberisch kamen die Römer den Aufständischen entgegen und spalteten sie geschickt auf. Die lex Iulia de civitate sociis danda verlieh allen Latinern und Bundesgenossen, die nicht gegen Rom kämpften, das römische Bürgerrecht. Ein Jahr später ermöglichte die lex Plautia Papiria allen freien Bundesgenossen bis zum Po Bürger zu werden, sofern sie innerhalb von 60 Tagen die Waffen niederlegten. Dieses Gesetz hatte durchschlagenden Erfolg, die Kämpfe flauten hierauf rasch ab. Im gleichen Jahr ergänzte eine lex Pompeia noch diese Italikergesetzgebung, alle Bundesgenossen nördlich des Po bekamen nun das latinische Recht, das ius Latii. D.h. wer ein politisches Amt in einer Stadt bekleidete, wurde automatisch römischer Bürger. Politisches Engagement lohnte sich also ganz konkret.
Das vielschichtige Bundesgenossensystem war damit entscheidend nivelliert. Von nun an sprach man, wenn man von den italischen Gemeinden sprach, nur noch von municipia et coloniae. Das politische Leben zentralisierte sich nun noch mehr in Rom, das Staatsgebiet der urbs war mit dem Gebiet Italiens bis zum Po identisch geworden. Und obwohl die meisten Neubürger ihre politischen Rechte in der Hauptstadt nicht ausüben konnten, entstand ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl der Vollbürger der italischen Halbinsel.
Im Jahre 88 war Sulla zum Konsul gewählt worden, da erreichte Rom eine schockierende Nachricht: Mithridates VI. Eupator von Pontos hatte an einem Tag angeblich 80.000 Römer und Italiker in Kleinasien ermorden lassen. Sulla erhielt den Oberbefehl gegen Mithridates, doch war diese Entscheidung nicht unumstritten. Der Volkstribun Publius Sulpicius Rufus drängte Sulla in Straßenkämpfen aus der Stadt und brachte den Oberbefehl für Marius durch. Daraufhin sammelte Sulla seine Truppen und marschierte von Nola aus mit vier Legionen auf Rom. Zum ersten Mal in der Geschichte Roms marschierte also ein römischer Feldherr mit feindlicher Absicht auf Rom. Damit war ganz offenbar, dass eine Berufsarmee auch gegen den Staat einsetzbar war. Sulla brach den Widerstand rasch. Rufus wurde auf der Flucht getötet, Marius floh nach Afrika.
Da Sulla rasch gegen Mithridates ziehen wollte, nahm er sich nur wenig Zeit für die Innenpolitik. Er hob aber die sulpicischen Gesetze auf und ließ Lucius Cornelius Cinna, den Konsul für 87, der ihm suspekt war, einen feierlichen Eid schwören, dass er in seiner Abwesenheit nichts gegen den neuen Kurs unternehmen würde. Von 87-84 ging Sulla in den Osten. Seine Kämpfe gegen Mithridates und die Eroberung Athens müssen hier außen vor bleiben. Konzentrieren wir uns auf die weitere Entwicklung in Rom und Italien.
Sobald Sulla außer Landes war, erklärte Cinna ihn zum Staatsfeind und beging Greueltaten an den Optimaten. Bis 84 beherrschte Cinna Rom, was für die Konservativen eine Schreckensherrschaft darstellte. Für die Massen stellte sich seine Regentschaft wohl positiver dar: Es gab einen großzügigen Schuldenerlass, die Währung stabilisierte sich, die Neubürger wurden auf alle 35 Tribus verteilt. Als Sulla 83 v. Chr. in Italien landete, kam es zum offenen Bürgerkrieg. Cinna wurde bei einer Meuterei von seinen eigenen Leuten getötet.
Für Etrusker und Samniten war dieser Bürgerkrieg eine Neuauflage des Bundesgenossenkrieges. Im Jahre 82 kam es zur Entscheidungsschlacht an der Porta Collina gegen die Samniten, die Sulla quasi vollständig vernichtete. Für die Jahre 82 und 81 war Rom ohne Konsuln; wir sehen also, wie sehr die Verfassung durch die Ereignisse in Mitleidenschaft gezogen war. In dieser Situation schuf sich Sulla eine Ausnahmemagistratur auf unbeschränkte Zeit zur Neuordnung des Staates. Er nennt sich nun dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae. Grundlage ist nicht mehr der Senat, sondern der angebliche consensus universorum, ein interessantes Konzept, dessen sich auch Augustus bedienen wird. Diese neue Form der Diktatur ist sozusagen das innerstaatliche Gegenstück zur alten Diktatur bei äußeren Notlagen.
Zu Sullas Maßnahmen: Zunächst systematisierte Sulla die Rache an seinen politischen Gegnern in einem bis dahin unbekanntem Ausmaße. Tausende von unliebsamen Personen wurden auf die berüchtigten Proskriptionslisten gesetzt, also für vogelfrei erklärt. Sie durften ungestraft getötet werden, ihr Eigentum fiel an den Staat, sprich an die Günstlinge Sullas. Gegen „populare“ Städte wurde brutal vorgegangen, sie mussten Land für Sullas Veteranen bereitstellen. In den leges Corneliae ordnete Sulla den Staat in seinem Sinn neu. Die Zahl der Senatoren wurde durch die Aufnahme von Rittern von 300 auf 600 erhöht, damit die Bedeutung des Ritterstandes weiter geschwächt. Das Volkstribunat wurde stark beschnitten, insbesondere durfte ein gewesener Volkstribun kein weiteres Amt mehr bekleiden, was das Volkstribunat für ehrgeizige junge Männer völlig unattraktiv machte. Nur die Zenturiatskomitien dürfen noch über Gesetzesanträge entscheiden, nachdem sie der Senat genehmigt hatte; die Gesetzgebung war also ganz beim Senat monopolisiert, ebenso wie die Rechtsprechung. Sechs ständige Gerichtshöfe wurden eingerichtet, der cursus honorum festgelegt: Nach Bekleidung der Quästur erfolgt automatisch die Aufnahme in den Senat. Die Zahl der Prätoren erhöht sich von sechs auf acht. Damit geht eine Neuregelung der Provinzialverwaltung einher, die sogenannte lex Cornelia de provinciis ordinandis, die von einigen Althistorikern als unhistorisch eingeschätzt wird. Demnach werden die zehn Provinzen nun von den zehn Promagistraten verwaltet, also von zwei Proconsules und acht Proprätores. Was also ein Provisorium gewesen war, wird zur Dauereinrichtung. Nach dem Dienstjahr in Rom gehen die Magistrate nun als Statthalter in die Provinzen. Italien wird entmilitarisiert, Statthalter dürfen nur in ihrer eigenen Provinz Krieg führen. Damit versucht Sulla einen erneuten Bürgerkrieg zu verhindern. Größere Aufgaben, die provinzüberschreitendes Handeln erfordert hätten, konnten aber damit nicht bewältigt werden. D.h. auch die sullanische Ordnung trug dazu bei, dass der Staat immer wieder außerordentliche Kommanden verleihen musste und genau die unterhöhlten die Verfassung der Republik immer mehr. Um als zweiter Romulus zu gelten, erweitert Sulla das Pomerium. Auch den Jupitertempel baut er neu. Obwohl die konservativsten Regelungen bald nach seinem Tod rückgängig gemacht wurden, insbesondere wurde das Volkstribunat wiederhegestellt, blieben die meisten seiner Maßnahmen bis in die Kaiserzeit hinein in Kraft. Im Jahre 79 legte Sulla seine Diktatur aus freien Stücken nieder, die Gründe kennen wir nicht. Selbst den Zeitgenossen blieb er ein Rätsel.
Bei aller Brutalität kann man ihm eine gewisse gestalterische Kraft nicht absprechen. Es bleibt jedoch das Paradoxon, dass Sulla mit brachialer Gewalt Ordnung stiften wollte. Er verstand Gewalt als Mittel zum Zweck, um mit ihr eine bessere, d.h. konservativere Ordnung zu schaffen.
Die Entwicklung bis in die 50er Jahre soll hier nur in ganz groben Strichen nachgezeichnet werden. Die sullanische Ordnung erwies sich in ihren konservativsten Teilen als künstlich, das Rad der Geschichte konnte nicht mehr zurückgedreht werden. Als Pompeius und Crassus im Jahre 70 Konsuln waren, herrschte ein popularer Wind; in die sullanische Ordnung wurden Breschen geschlagen. Pompeius hatte sich seine Sporen im Krieg gegen Sertorius in Spanien verdient, 77-72 v. Chr.. Sertorius war ein römischer Offizier und Cinna-Anhänger, der 88 an der Wahl zum Volkstribunat gescheitert war. Als Prätor der Hispania Citerior baute er gute Beziehungen zu den Einheimischen auf und ab 80 fungierte er als Anführer der Lusitaner gegen die sullanische Verwaltung. Bald fanden sich viele Populare, Cinna-Anhänger und Marianer bei ihm ein. Wir sehen hier eine interessante Entwicklung: Konfliktfelder beginnen sich zu überlappen. Unmut in den Provinzen konnte mit innenpolitischen Kämpfen verknüpft werden. Letzten Endes wurde Sertorius von Perperna ermordet, dieser von Pompeius besiegt, im Grunde gab es doch eine Interessendivergenz zwischen Keltiberern und den römischen Anhängern des Sertorius.
In den Jahren 73-71 gelang es Crassus und Pompeius den Spartacus-Aufstand niederzuschlagen. Nie vorher und nie nachher lehnten sich so viele Sklaven und Arme gegen die römische Herrschaft auf. Wieder siegten die konservativen Kräfte.
Pompeius hatte sich immer wieder als fähiger Stratege erwiesen, ihm traute man große Dinge zu, auch im Jahre 67 den Kampf gegen die Seeräuberplage. Trotz Bedenken des Senates bekam Pompeius mit der lex Gabinia von 67 ein außerordentliches Kommando, mit dem er es schaffte, in angeblich 40 Tagen das Mittelmeer von den Seeräubern zu befreien. Das ist natürlich pompeianische Propaganda, Seeräuber gab es auch in der Kaiserzeit, gemeint ist wohl, dass er viele Piratennester an den Küsten niederbrennen konnte. So ausgewiesen, war Pompeius zu noch höherem berufen: Die lex Manilia, für die Cicero ausdrücklich plädierte, vertraute Pompeius den Krieg gegen Mithridates an, der immer noch nicht geschlagen war. In den Jahren 66 bis 62 operierte Pompeius im Osten, er war nun am Zenit seiner Macht und wuchs über die Beschränkungen der Republik hinaus. Er besiegte Mithridates und ordnete den Osten quasi neu. Syria und „Bithynia und Pontos“ wurden als zwei neue Provinzen eingerichtet. Im Falle des Pompeius sehen wir das Dilemma der Republik ganz deutlich: Sie war auf fähige Männer wie Pompeius angewiesen; ohne die außerordentlichen Kommandos waren die Dinge nicht mehr zu regeln, andererseits wuchsen diese Militärpotentaten gerade durch diese irregulären Kommandos aus der Republik hinaus und gebärdeten sich immer monarchischer. In Anlehnung an Alexander den Großen nannte er sich schließlich Pompeius Magnus, der Große, er fühlte sich außer- oder überhalb der Verfassung. Umso härter war die Konfrontation mit der Realität bei seiner Rückkehr.
In Rom war Pompeius eben kein Monarch, die Optimaten verwehrten ihm die Ratifizierung seiner Neuordnung im Osten und insbesondere die Versorgung seiner Veteranen mit Land. Diese Obstruktionspolitik von Seiten des Senats war alles andere als klug, drängte sie doch Pompeius dazu, sich andere Partner zu suchen, jenseits des Senats. Die Gründung des Ersten Triumvirats 60 v. Chr., bestehend aus Pompeius, Crassus und dem aufsteigenden Caesar, änderte das Kräftefeld der Politik. Mit vereinten Kräften konnten sie nun ihre Politik ungeniert am Senat vorbei machen, eine Zäsur, denn damit wurde deutlich, dass die Republik nicht mehr funktionierte. Zudem hatte sich ein Wandel im politischen Kraftfeld vollzogen: Früher waren außerordentliche Kommanden objektiv notwendig und hatten eine Wirkung auf die Innenpolitik, also einen sekundären Effekt (so bei Pompeius), jetzt drehte sich die Dynamik um: Um sich innenpolitisch aufzubauen, d.h. um sich eine starke Heeresklientel zu schaffen, brauchte man ein außerordentliches Kommando, es musste also eines künstlich, ohne Not, geschaffen werden, aus einer innenpolitischen Dynamik heraus. Im Prinzip war die alte populare Thematik bedeutungslos geworden, es gab nur noch ihre Fassade, ein Argumentationsmuster gegen innenpolitische Gegner, Optimaten, die noch an der überkommenen, aber sich allmählich auflösenden Ordnung festhielten.
Überspitzt könnte man also sagen: Caesars Kommando in Gallien, das er nach seinem Konsulat 59 v. Chr. durch die lex Vatinia bekam und das den Gallischen Krieg auslöste, war nur dazu gedacht, seine innenpolitische Stellung zu erhöhen. Nach dem Gallischen Krieg, der aus Caesars Sicht wohl nur Mittel zum Zweck war, hatte er also eine Machtstellung erreicht, die ihn auf einen Rang mit Pompeius hob, mit dem er nun in ein Kräftemessen eintreten konnte. Das Zeitalter der Bürgerkriege hatte begonnen.

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Quellen-Hinweise
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04 – Das Ausgreifen nach Osten, der Ausbruch der Krise, das Zeitalter der Gracchen

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04 – Das Ausgreifen nach Osten, der Ausbruch der Krise, das Zeitalter der Gracchen

Im letzten Podcast haben wir von der Expansion Roms im Westen gehandelt. Wir wollen uns heute dem Ausgreifen Roms nach Osten zuwenden, aber auch die Folgen in den Blick nehmen. Es wird deutlich werden, dass die ständigen Kriege in West und Ost nicht ohne verheerende Wirkungen im Inneren waren. Es ist kein Zufall, dass im Jahre des Sieges über Numantia (133 v. Chr.) Tiberius Gracchus als Volkstribun energische Reformen fordert; die Krise der Römischen Republik ist damit für jeden offenkundig geworden. Aber der Reihe nach: Auch dem Eingreifen Roms im Osten lag kein bewusster Plan zugrunde. Wie so oft zuvor, ließ sich Rom in Verwicklungen hineinziehen. Um 200 befand sich das Ptolemäerreich in der Krise. Ptolemaios V. Epiphanes war noch minderjährig, innere Wirren beutelten Ägypten. Die Folge war, dass die beiden anderen hellenistischen Großreiche, die Seleukiden und die Antigoniden die Chance sofort erkannten und zugriffen. Vielleicht sprachen sich Antiochos III. und Philipp V. sogar in einem Geheimvertrag ab. Wie dem auch immer sei, sie fielen über die ptolemäischen Außenbesitzungen an den Dardanellen, in der Ägäis, in Kleinasien und Syrien hier. Leidtragende waren aber auch die Mittelstaaten Pergamon und Rhodos. Diese beiden Mächte fühlten sich zunehmend bedroht und informierten den Senat in Rom. Dieser befürchtete eine große Koalition gegen Rom, und gegenüber Philipp V. war man sowieso misstrauisch. Sein Verhalten im Zweiten Illyrischen und v.a. während des Zweiten Punischen Krieges hatte man niemals vergessen. Die genauen Ursachen für den Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges (er brach im Jahre 200 aus), so kurz nach dem Ende des Hannibalkrieges, sind nach wie vor umstritten. Nach anfänglichen gescheiterten Aktionen gelang es Titus Quinctius Flamininus 197 v. Chr., in der Schlacht von Kynoskephalai Philipp zu besiegen.
Flamininus bediente sich der alten hellenistischen Propaganda und erklärte die griechischen Städte an den Isthmischen Spielen von 196 für frei, d.h. von der Oberhoheit der Makedonen befreit. Bis 194 ordnet Flaminius die griechischen Verhältnisse, dann zieht er sich zurück. Die Römer wollen die Dinge natürlich in ihrem Sinne beeinflussen, doch denken sie noch nicht daran, eine formelle Herrschaft im Osten zu errichten. Nicht alle Griechen waren mit dem Ergebnis zufrieden: Die Ätoler beispielsweise waren enttäuscht, dass Makedonien immer noch existierte. Sie wandten sich nun an den Seleukiden Antiochos III., damit er für die Freiheit der Griechen gegenüber Rom eintrete, und dadurch braute sich bereits der nächste Konflikt zusammen. Antiochos hatte ab 212 massiv im Osten expandiert. Er träumte von der Wiedererrichtung des Alexanderreiches. Als Makedonien im Zweiten Römisch-Makedonischen Krieg zusammenbrach, witterte er sofort die Chance, in dieses Machtvakuum hineinzustoßen.
Die Einladung der Ätoler und anderer Griechen, sie gegen Rom zu unterstützen, kam ihm also sehr gelegen. 192 setzte er nach Griechenland über und löste so den Antiochos-Krieg aus, der also eine Folge des Krieges Roms gegen Makedonien war. Antiochos hatte sich verschätzt. Er hatte es den Römern wohl nicht zugetraut, länger im Osten agieren zu können. 190 überschritten die Römer zum ersten Mal den Hellespont und schlugen Antiochos vernichtend bei Magnesia am Mäander. Damit war Rom nun faktisch Herrin über die Ökumene, die damals bekannte Welt. Im Frieden von Apameia 188 wurde die Macht des Antiochos gebrochen, die Mittelstaaten Rhodos und Pergamon aufgebaut, um ein Gleichgewicht im Osten zu erhalten. Das Makedonen- und Seleukidenreich waren nun von Rom abhängig, das Ptolemäerreich war nach wie vor labil. Damit war die alte hellenistische Ordnung zerstört. Die neue Ordnung, die auf den Mittelstaaten als Parteigänger Roms beruhte, war künstlich.
Rom reagierte indirekt über Senatsgesandtschaften und Parteigänger in den Städten, das Denunziantentum blühte, ein Klima der Angst und der Unsicherheit griff um sich. Allmählich wurde den Griechen ihre Lage bewusst. Das Ansehen der Römer, denen sie vorher wohl zugetraut hatten, sie von den Makedonen zu befreien, sank; man empfand allmählich Mitleid mit den von Rom Geschlagenen. Als Perseus, der Sohn Philipps V., 179 die Thronfolge antrat, trug ihn eine Woge der Sympathie. Um eine gewisse anti-römische Stimmung zu erzeugen, erließ er eine Amnestie und einen Schuldenerlass. Delphi, die Seleukiden, ja sogar Rhodos und Pergamon brachten ihm Sympathie entgegen. 178 heiratete er Laodike, eine Tochter des Seleukos IV.. Auf die Römer wirkte diese Hochzeit wie ein Zusammengehen des besiegten Makedonen- mit dem besiegten Seleukidenreich. Obwohl Perseus nichts gegen Rom unternahm, nahmen die Römer Perseus als Bedrohung wahr.
Eumenes von Pergamon besann sich dann doch auf seine Verpflichtung gegenüber Rom und denunzierte Perseus. Obwohl also kein Kriegsgrund vorlag, kam es 171 zum Ausbruch des Dritten Makedonischen Krieges, den Lucius Aemilius Paullus 168 in der Schlacht von Pydna für Rom gewann. Rom war neurotisch geworden und fühlte sich von den unterworfenen Völkern immer mehr eingekreist und bedroht, obgleich dies ja nicht den Tatsachen entsprach. Nur so erklären sich die harten Maßnahmen der Römer bei Kriegsende. Makedonien wird in vier Teile zerschlagen, in Epirus werden 70 Städte geplündert. Das zeitweise perseusfreundliche Rhodos verliert Lykien und Karien und muss hinnehmen, dass Delos zum Freihandelshafen wird, ein Schlag, von dem sich die Handelsmacht Rhodos nie mehr erholen würde. Überall finden Säuberungsaktionen statt. Danach ist der griechisch-kleinasiatische Raum keine selbständige politische Größe mehr, es war offenbar Roms Ziel, die Verhältnisse dauerhaft zu destabilisieren.
146 verweigert der Achäische Bund Rom die Gefolgschaft, der Aufstand trägt auch eine soziale Note. Wieder reagiert Rom mit äußerster Härte und Brutalität: L. Mummius zerstört Korinth (im selben Jahr wird ja auch Karthago zerstört), Korinth wird geplündert, viele Kunstschätze nach Rom gebracht, der Achäische Bund wird aufgelöst, Griechenland wird nun vom Statthalter Makedoniens aus mitverwaltet. Mitte des zweiten Jahrhunderts ist Rom damit Herrin des gesamten Mittelmeerraumes.
Doch was war gewonnen? Die Rückwirkungen auf die Mehrzahl der Bevölkerung waren alles andere als positiv. Die dauernden Kriege hatten tiefe Wunden geschlagen. Das römische Heer war ein Milizheer. Die Bauern, die jahrelang in der Armee dienten, konnten nach ihrer Heimkehr, sofern sie überhaupt überlebten, ihre Felder kaum mehr bestellen. Reiche Senatoren wurden immer reicher und kauften den Kleinbauern ihre Höfe oft zu einem Spottpreis ab. Die Folge war die Proletarisierung der Bauern auf der einen Seite und die Herausbildung großer Latifundien auf der anderen Seite, die die Großgrundbesitzer von Heerscharen von Sklaven bewirtschaften ließen. Durch die unablässigen Eroberungskriege standen Sklaven v.a. aus dem Osten massenhaft zur Verfügung. Ihre billige Arbeitskraft verdrängte die Bauern oftmals sogar als Tagelöhner. Die vielen Bauern, die alles verloren hatten, strömten nach Rom und bildeten dort ein Unruhepotential. Sie waren immer weniger bereit, auf den weit entfernten Schlachtfeldern für Rom zu bluten. Im Kontext der enormen Schwierigkeiten, mit denen Rom vor Numantia zu kämpfen hatte, hören wir von Rekrutierungsschwierigkeiten. Die ersten Intellektuellen wurden nachdenklich. Um die Armee aufrechterhalten zu können, bedurfte es eines kräftigen Bauernstandes. Er musste also wieder gefördert werden, sofern man nicht auf ein anders militärisches System umsteigen wollte.
Die folgenden Jahrzehnte wurden von der politischen Auseinandersetzung darüber beherrscht, ob man den Bauern nun entgegenkommen sollte oder nicht. Gerade die konservativen Hardliner waren strikt dagegen, machten aber auch keine Alternativvorschläge, wie die militärische Schlagkraft Roms ohne grundlegende Reformen erhalten bleiben könnte. Rom war politisch in eine Sackgasse geraten. Es hatten sich fünf Hauptkonfliktfelder herausgebildet, die zum Teil parallel liefen, sich aber natürlich gegenseitig verstärkten:
Durch die zunehmenden Erfolge einzelner herausragender Familien, wie der Scipionen, knirschte es innerhalb der Nobilität. Es kam zu Macht- und Verteilungskämpfen. Zweitens versuchte sich die Nobilität gegenüber Aufsteigern im Senat, den sogenannten homines novi, abzugrenzen. Generell gilt, dass sich die Krise durch mangelnde soziale Mobilität verschärfte. Ein drittes Konfliktfeld zeichnete sich ab zwischen der alten Oligarchie und Neureichen aus dem Ritterstand, die sich in der Gracchenzeit immer mehr politisierten. Zwischen den Herrschenden in Rom und den italischen Verbündeten taten sich Abgründe auf. Die Forderungen der Bündner nach mehr Teilhabe prallten jahrzehntelang an der Mehrzahl der Senatoren ab, was zu enormer Frustration auf Seiten der socii führte. Und schließlich war das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven niemals vorher und später so schlecht wie während der Hohen Republik, eben weil Sklaven aufgrund ihres billigen Preises schamlos ausgebeutet werden konnten.
Die Verelendung des römischen Bauerntums und die Unterdrückung der Bevölkerung in den Provinzen waren zusätzlicher Konfliktstoff. Die Krise verschärfte sich durch weitere destabilisierende Faktoren: Die mangelnde soziale Mobilität wurde bereits erwähnt. Es gab ein Stadt-Land-Gefälle. Die Mängel im Herrschaftssystem, das für einen Stadtstaat entworfen worden war, waren nicht mehr zu übersehen. Die Römer hatten nun ein Weltreich ohne Verwaltung!
Der griechische Einfluss auf persönlicher und gesamtgesellschaftlicher Ebene unterminierte das alte Normen- und Wertesystem. Die Krise wurde von den Zeitgenossen nicht primär als eine politische angesehen, wie wir das heute tun, sondern in den Deutungsparametern der moralisierenden Geschichtsschreibung als Dekadenz, als moralischer Verfall gedeutet. Die Kurzsichtigkeit vieler Politiker tat ein Übriges, um die Krise immer wieder eskalieren zu lassen. Aus der Furcht vor Reformen klammerten sie sich an eine unproduktive Obstruktionspolitik, die nur die eigenen Pfründe zu bewahren helfen sollte. Alte Gesetze, wie die gegen den Luxus oder das Gesetz zum Mindestalter bei Ämtern, wurden nicht mehr beachtet. Am Ende wurde in blutigen Bürgerkriegen der Monarchie der Weg geebnet, der Rahmen der Republik, der dem Reich offenbar nicht mehr angemessen war, wurde vernichtet; das Sozialsystem blieb jedoch bestehen, der Beweis dafür, dass es sich im Kern um eine politische Krise handelte, die natürlich viele soziale Komponenten beinhaltete.
Die oben genannten Konfliktfelder entluden sich blutig in vier Hauptkonflikten: Sklavenkriege suchten die Republik ab den 190ern heim. Der Widerstand der geschundenen Provinzialen führte zu massiven Aufständen gegen Rom. Die Italiker führten schließlich den sogenannten Bundesgenossenkrieg (91-89 v. Chr.), der die Landkarte Italiens noch einmal entscheidend veränderte. Der Hauptkonflikt innerhalb des römischen Bürgertums fand zwischen den konservativen Optimaten und den Popularen statt, ebenfalls Aristokraten, die allerdings Politik über die Volksversammlungen, also am Senat vorbei, betrieben. Seit den 80ern des ersten Jahrhunderts ging es dann nicht mehr um die Stärkung des italischen Bauerntums, sondern nur noch um die Macht zwischen Militärpotentaten.
Nach der Eroberung Korinths und Karthagos 146, der Einnahme Numantias unter hohen Verlusten 133 und vorausgegangenen Sklavenkriegen spitzte sich die Lage in den 130ern gefährlich zu. Als Tiberius Sempronius Gracchus 133 Volkstribun wurde, nahm er sich vor, Reformen durchzuführen, die er umsichtig plante. Die alte Bestimmung, nach der niemand mehr als 500 iugera (125 ha) vom ager publicus in Besitz haben dürfte, mit 250 mehr für max. zwei erwachsene Söhne, wurde wieder eingeschärft. Der darüber hinausgehende Mehrbesitz fiel zurück an den Senat, allerdings mit einer Entschädigungszahlung für die, die Grund abgeben mussten. Das zur Verfügung stehende Staatsland wurde dann zu dreißig iugera an mittellose Bürger verteilt und zwar als unveräußerlicher Besitz in Erbpacht. Eine Ackerkommission, der beide Gracchen und Appius Claudius Pulcher angehörten, organisierte die Reform, die auf stärksten Widerstand im Senat stieß.
Dabei war das Ziel nicht revolutionär, die Stärkung des italischen Bauernstandes, um die Rekrutierungsbasis zu erhalten. Aber die Methode, über die Volksversammlung zu gehen, war revolutionär. Die Dinge schaukelten sich hoch. Ein Optimat, Marcus Octavius, legte als Volkstribun sein Veto gegen den Kollegen ein. Daraufhin verbot Tiberius Gracchus allen Magistraten bis zur Abstimmung die Amtsführung und strich die Klausel über die Entschädigung der Großgrundbesitzer, woraufhin diese Trauerkleidung anlegten.
Alle 35 Tribus stimmten für die Amtsenthebung des Marcus Octavius, was illegal war, denn Volkstribunen waren ja sakrosankt. Die lex Sempronia agraria ging aber durch und Zehntausende wurden mit Land versorgt. Weitere Gesetzesvorhaben scheiterten jedoch, Tiberius hatte Angst, nach seiner Amtszeit angeklagt und verurteilt zu werden, weswegen er, auch illegalerweise, seine Widerwahl für das Jahr 132 betrieb. Damit war das Prinzip der Annuität verletzt. Die Optimaten warfen Tiberius nun das Streben nach der Königswürde vor. Bei der Wiederwahl kam es zu Gewalt, ein senatus connsultum ultimum, also der Staatsnotstand, wurde ausgerufen, Tiberius und 300 seiner Anhänger wurden getötet.
Zehn Jahre später wurde sein Bruder Caius Gracchus Volkstribun. Er war noch überzeugter als sein Bruder, dass die Macht der konservativen Senatoren gebrochen werden musste, um Reformen zum Durchbruch zu verhelfen. Sein Instrument hierzu waren die leges frumentariae und die Rittergesetze, Gesetze, die den Rittern eine Teilhabe an den Gerichten als Geschworene sicherten. Es ist interessant, dass nur diese Mittel zum Zweck erhalten bleiben sollte, nicht aber das Reformwerk des Caius, das nach seinem Tod demontiert wurde. Das Richteramt und die Vergabe der Steuerpacht an die Ritter machten diese zur zweiten staatstragenden Schicht neben den Senatoren. Mit populären Maßnahmen für die plebs, dem Bau von Speichern, Straßenbau in ganz Italien und dem Verbot der Aushebung unter Siebzehnjähriger betrieb er seine Wiederwahl für 122. Sein Vorhaben jedoch, die Kolonisationstätigkeit wiederzubeleben, indem er eine Kolonie auf dem Boden des zerstörten Karthago plante, schaffte böses Blut. Er unterschätzte das italozentrische Denken vieler Bauern, v.a. aber wurde die Beteiligung von Italikern abgelehnt. Die Optimaten versuchten nun, Caius mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und lancierten über Marcus Livius Drusus ebenfalls volksfreundliche Projekte, auf die wiederum Caius reagierte. Seine weitgehenden Vorschläge, den Latinern das volle Bürgerrecht zu geben und den Bundesgenossen zu erlauben, an den Abstimmungen in Rom teilzunehmen, ihnen also faktisch das latinische Recht zu geben, entfremdeten Caius von der plebs wie von den Rittern. Hätte man zu diesem Zeitpunkt noch auf Caius Gracchus gehört, wäre der spätere Bundesgenossenkrieg wohl noch vermeidbar gewesen. Caius wurde für das dritte Tribunatsjahr nicht wiedergewählt, damit war er politisch gescheitert.
Als der Konsul Lucius Opimius schließlich daran ging, die Reformen von 123/22 zu demontieren, griff Caius zu einer symbolträchtigen Aktion: Er besetzte den Aventin, den heiligen Hügel der plebs, woraufhin wieder der Staatsnotstand ausgerufen wurde. Caius beging Selbstmord, 250 seiner Anhänger wurden getötet, mehr als dreitausend Menschen kamen bei den Säuberungsaktionen ums Leben. Als schließlich Ruhe herrschten, errichteten die Nobiles einen Concordia-Tempel!
Die Folgen waren verheerend: 111 schaffte eine neue lex agraria die Pachtzinsregelung ab, das Land wurde damit in volles Privateigentum umgewandelt und konnte somit wieder von den Großgrundbesitzern aufgekauft werden. Das Hauptziel des Reformprogramms war damit gescheitert. In der Bundesgenossenfrage hatte sich gar nichts bewegt. Immer mehr geriet der Kampf zwischen Optimaten und Popularen zum reinen Machtkampf zwischen Aristokraten, die sich lediglich auf unterschiedliche Machtbasen stützten. Auf popularer Seite geriet der Bezug auf die Ständekämpfe zur Romantik. Das Volk wurde von den Aristokraten nur instrumentalisiert.
Von den Gracchen blieben nur ihre Instrumente übrig, die Getreide- und die Rittergesetze. Ritter hatte es natürlich schon vor den Gracchen gegeben, doch dadurch, dass sie nun in den Geschworenengerichten zu einer staatstragenden Schicht wurden, entwickelten sie erst ein bleibendes Standesbewusstsein, ein wichtiges, wenn auch nicht intendiertes Vermächtnis der Gracchen.
Und die Gracchenzeit hatte noch gravierendere Folgen: Gewalt in der Innenpolitik war zu einem probaten Mittel geworden, politische Kämpfe auszutragen. Vor Mord und Totschlag wurde fortan bei der Verfolgung der eigenen Ziele nicht mehr zurückgeschreckt. Die Konflikte zwischen Optimaten und Popularen eskalierten in den folgenden Jahrzehnten zu Bürgerkriegen, die erst Octavian beenden sollte.

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03 – Die Unterwerfung Italiens, das Ausgreifen nach Westen

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Werner Rieß
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Römische Geschichte I: Die Republik

03 – Die Unterwerfung Italiens, das Ausgreifen nach Westen

Ein wesentliches Merkmal der Römischen Republik ist das ungeheure Ausgreifen Roms, zuerst in Italien, dann sogar in den gesamten Mittelmeerraum. Diese Geschichte der Expansion kann hier nur in den allergröbsten Umrissen nachgezeichnet werden, v.a. geht es mir jedoch um eine Bewertung dieser Vorgänge, was die Ursachen für diese fortlaufende Expansion waren, wie sie überhaupt erst möglich wurde und was dies für Rom und die unterworfenen Völker eigentlich bedeutete. Bis zur Eroberung Süditaliens können wir grob drei Phasen unterscheiden, 1. bis zur Kelteninvasion von 387, die zweite Phase bis zur Unterwerfung Latiums 338 und schließlich bis zur Unterwerfung Süditaliens 264.
Um diese gewaltige Expansion zu erklären, wurden viele Theorien vorgebracht. Im Wesentlichen kann man drei Argumentationslinien ausmachen, die ihrerseits wieder viele Verästelungen aufweisen.
Die Römer selbst waren überzeugt, dass sie nur reagierten und sich verteidigten, dass also die Sicherheitspolitik notwendigerweise eine immer weitere Ausdehnung des Herrschaftsgebietes nach sich zog. Man könnte also von einem defensiven Imperialismus sprechen. Natürlich fehlt es nicht an Stimmen moderner Forscher, die sehr wohl von einer planmäßigen Expansion ausgehen und den Römern intentionales Handeln unterstellen. Ein dritter Erklärungsversuch bezieht die innenpolitischen Verhältnisse mit ein: Die Ständekämpfe machten immer wieder Landverteilungen notwendig, und die römische Oberschicht glaubte wohl, die sozialen Probleme am besten durch Expansion, also auf Kosten Dritter, lösen zu können. Die Expansion würde sich also nach dieser Theorie aus einer innenpolitischen Dynamik heraus begründen. Der Begriff des Sozialimperialismus, der aus der Imperialismus-Forschung stammt und dort das 19. Jh. charakterisiert, würde dann also angewandt werden können.
Wie dem auch immer sei, ein so komplexes Phänomen wie die römische Expansion lässt sich auf keinen Fall monokausal erklären. Natürlich hatten die Römer zu Beginn nicht vor Augen, das gesamte Mittelmeergebiet zu beherrschen. Planmäßig war jedoch ihr Vorgehen gegen die immer neuen Nachbarn, wenn ihre Interessen in irgendeiner Weise bedroht zu sein schienen. Dass die Römer oft reagierten und auch aus innenpolitischen Impulsen heraus handelten, wird man nicht leugnen können. Alle Theorien haben also etwas für sich. Nur in der Kombination der verschiedenen Erklärungsansätze wird man der Erklärung der römischen Expansion ein Stück näher kommen können.
Das 5. Jh. war von Kämpfen um Veji und von Kämpfen Roms gegen die Latiner und sabellisch-oskischen Stämmen geprägt, die von den Apenninen immer wieder in die fruchtbaren Ebenen Kampaniens und Latiums hinunterdrängten. Insgesamt sehen wir jedoch bis zu den Kelteneinfällen eine erste Konsolidierung des römischen Machtbereichs.
Gehen wir ganz kurz auf die Latiner, die Kelten, die Samniten und die Etrusker ein und schließlich den Krieg gegen Tarent und König Pyrrhos von Epirus. Damit sind wir dann kurz vor dem Ausbruch des ersten Punischen Krieges angelangt. Um den Erfolg der Römer in den Punischen Kriegen zu verstehen, müssen wir uns auch den Umgang der Römer mit den Unterworfenen vergegenwärtigen und die Grundzüge des Bundesgenossensystems skizzieren.
Mit den Latinern ist Rom in einem frühen Vertrag, dem sogenannten Foedus Cassianum verbunden, der traditionellerweise auf 493 datiert wird; andere Datierungen sind jedoch möglich. Allmählich kommt es zu Konflikten, die im Latinerkrieg 340-338 eskalieren. Rom gewinnt diesen Krieg und verdreifacht dadurch sein Gebiet. Die Latiner werden integriert, dadurch verdoppelt sich das Wehrpotential Roms. Einige Latinerstädte behalten ihren selbständigen Status, die meisten jedoch werden voll in das römische Staatsgebiet integriert. Somit hat Rom nun, anders als die meisten griechischen Stadtstaaten, ein Territorium mit zahlreichen kleineren städtischen Siedlungen.
Die Kelten dringen zu Beginn des vierten Jahrhunderts in die Poebene vor. König Brennus kann die Römer in der Schlacht an der Allia 387 entscheidend schlagen; für die Römer war das ein Trauma bis in die Tage Caesars. Die Gallier nahmen nicht nur die Poebene in Besitz, sondern zerstörten Rom bis auf das Kapitol. Camillus konnte die Invasoren jedoch auf dem Boden der zerstörten Stadt schlagen und die Übersiedlung der Römer nach Veji verhindern. Nach weiteren Vorstößen der Gallier nach 360 sicherten sich die Römer durch einen Vertrag ab. 283 schlugen die Römer Kelten und Etrusker am Vadimonischen See, Dentatus eroberte das Gebiet der Senonen an der Adria und richtete den ager Gallicus als Pufferzone zwischen dem römischen Italien und dem keltischen Oberitalien ein.
Bzgl. der Samniten unterscheidet die Annalistik drei Kriege, 343-341, 326-304 und schließlich 298-290 den Dritten Samnitenkrieg, der auch als Italischer Krieg bezeichnet wird. Vor allem der Zweite Samnitenkrieg (326-304) ist nicht nur aufgrund seiner Dauer wichtig. Die Römer erlitten 321 eine demütigende Niederlage bei Caudium. Das Heer beider Konsuln wurde unter das Joch, das sogenannte Kaudinische Joch geschickt, eine Schmach, die die Römer nie vergaßen. Da die starre Phalanx der Römer im unwegsamen Berggelände Schwierigkeiten hatte, kam es zu einer folgenreichen Heeresreform. Die Römer gaben die Phalanx auf und führten die Drei-Treffen-Ordnung ein (hastati, principes, triarii), übernahmen den samnitischen Wurfspeer, das pilum, als Angriffswaffe und führten die lockere Manipel-Ordnung ein. 30 Manipel bildeten fortan eine Legion. Mit dieser neuen Militärordnung gelang es den Römern schließlich, die Samniten niederzuringen. Große Gebiete Samniums wurden annektiert, Samnium wurde durch römische Koloniegründungen von drei Seiten eingeklammert. Nach dem Dritten Samnitenkrieg, in dem auch die Sabiner unterworfen wurden, waren die Samniten heerespflichtige Bundesgenossen. Rom war nun durch das Festungsnetz und das Bundesgenossensystem unbestrittene Hegemonialmacht in Mittelitalien. Als die Samniten sich König Pyrrhos von Epirus anschlossen, schloss Rom ein Bündnis mit Karthago, um dieser Gefahr Herr zu werden. Nach dem Sieg über Pyrrhos wurde der samnitische Bund endgültig aufgelöst, Vertragsschlüsse mit Rom wurden aufoktroyiert, die Samniten mussten ein Drittel ihres Gebietes abtreten. Die Römer sicherten das Gebiet durch Straßenbau und Koloniegründungen, an erster Stelle ist hier Beneventum zu nennen.
Die Kämpfe gegen die Etrusker ziehen sich von 477 bis 264 hin. Die gens Fabia unternahm 477 einen Privatkrieg gegen Veji und wurde praktisch vernichtet. Die Fabier mussten einsehen, dass die Zeit der Privatfehden ohne das römische Hauptaufgebot vorbei war. 474 verloren die Etrusker schwer gegen Hieron I. von Syrakus in der Seeschlacht von Cumae, worauf sie ihren Einfluss in Kampanien und Latium einbüßten. Mit Rom schlossen sie daher einen Waffenstillstand. In einem zehnjährigen Entscheidungskampf (406-396) rang Rom schließlich den alten Rivalen Veji nieder. Weitere Kriege folgten, insbesondere schlossen sich die Etrusker in den Samnitenkriegen gerne den Samniten an. 310 und 283 wurden die Etrusker von den Römern am Vadimonischen See geschlagen. 264 schließlich gelang es den Römern, Volsinii Veteres, das heutige Orvieto, zu zerstören und damit das religiöse Zentrum der Etrusker.
Noch während dieser Kämpfe braute sich in Unteritalien eine Gefahr zusammen. Tarent hatte 282 v. Chr. römische Schiffe vor der Küste versenkt, die allerdings vertragswidrig im Golf von Tarent gekreuzt waren. Zudem griff Tarent Thurii an, zwang die dortige römische Besatzung zur Kapitulation und behandelte römische Gesandte schimpflich. Erschwerend kam hinzu, dass König Pyrrhos von Epirus, der wenig Aussichten auf den makedonischen Königsthron hatte, als Sachwalter der Griechen in Unteritalien auftrat. In einer ersten Schlacht bei Heraclea 280 gelang ihm mit seinen Kriegselefanten ein Sieg über die Römer. Die Folge war, dass Samniten, Lukaner und Bruttier von Rom abfielen, aber die ganz große Abfallbewegung blieb aus.
Wie später im Krieg gegen Hannibal, bewährte sich das römische Festungs- und Bundesgenossensystem. Nach der Schlacht von Asculum, in der Pyrrhos einen verlustreichen Sieg errang (Pyrrhos-Sieg), und der unentschiedenen Schlacht von Beneventum kehrte Pyrrhos nach Epirus zurück. Ein epirotischer Kommandant übergab Tarent an die Römer, damit war Rom nun auch Herrin über Süditalien, die Magna Graecia wurde in das römische Herrschaftssystem eingegliedert, die griechischen Städte als socii navales zur Gestellung von Schiffen verpflichtet. Somit war Rom von einem Tag auf den anderen auch Seemacht. In dieser neuen Stellung als Hegemonialmacht über Süditalien war Rom nun aber auch für die Probleme der Griechenstädte verantwortlich und d.h. Rom musste sich auch irgendwann mit Karthago auseinandersetzen, das in Westsizilien präsent war.
Bevor wir jedoch auf die Punischen Krieg eingehen, müssen wir in aller Kürze das Römische Bundesgenossensystem skizzieren, das nicht nur Folge der Expansion war, sondern deren Ergebnis auch herrschaftspolitisch absicherte. Dabei war das Bundesgenossensystem keine Ordnung, die künstlich auf dem Reißbrett in überlegter Planung entstanden wäre. Die Römer waren Pragmatiker und verschriftlichten den Umgang mit ihren Bündnern kaum. Jede Stadt wurde, je nachdem wie sie in den Kriegen zu Rom stand, unterschiedlich behandelt. Ein Flickenteppich mit sehr diversen Verhältnissen der Landstädte zu Rom entstand organisch, aus der jeweiligen Situation heraus.
Nun kurz zu den verschiedenen Statusgruppen, von oben nach unten. Römische Bürger, cives Romani, waren außerhalb Roms drei Gruppen: In der Frühzeit beteiligten sich nur Bürger an Koloniegründungen; diese Siedler blieben römische Bürger und erhielten eine begrenzte Selbstverwaltung. Im vierten und dritten Jahrhundert wurden diese Siedlungen ausschließlich an der Küste gegründet, wie etwa Antium oder Ostia. Sie hießen daher entweder coloniae civium Romanorum oder coloniae maritimae.
Dann gab es die municipia, Gemeinden der jeweiligen ortsansässigen Bevölkerung mit vollem römischen Bürgerrecht und kommunaler Selbstverwaltung, sie waren voll integriert. Die dritte Stufe waren die civitates sine suffragio, wie Caere und Capua. Die Einwohner dieser Gemeinden hatten das römische Bürgerrecht außer dem Recht, an der Wahl römischer Magistrate mitzuwirken, sie waren also auch nicht Teil der Tribusordnung. Diese civitates genossen volle innere Autonomie, mussten allerdings Soldaten stellen. Diese Halbbürgergemeinden, wie Mommsen sie etwas missverständlich bezeichnete, trugen durch diese Teilintegration wesentlich zur Romanisierung Italiens bei. Die meisten waren bis zum zweiten Jahrhundert voll in den römischen Bürgerverband integriert. Am Ende der Republik gab es also nur noch coloniae und municipia.
Gehen wir nun zu den Latinern: Hier unterscheidet man die prisci Latini, also die alten Latiner, d.h. die nach dem Latinerkrieg selbständig gebliebenen Städte, von den berühmten coloniae Latinae, die auf ehemals feindlichem Territorium gegründet wurden. Römer, die dorthin zogen, verloren zwar ihr römisches Bürgerrecht und bekamen das der latinischen Kolonie, das das Heirats- und Handelsrecht mit Rom einschloss, genossen dafür aber volle innere Souveränität. Bei einer Übersiedlung nach Rom lebte das römische Bürgerrecht wieder auf. Diese latinischen Kolonien hatten oftmals festungsartigen Charakter, sie zernierten z. B. Samnium. Livius bezeichnet sie auch als propugnacula, als Bollwerke Roms in Italien. Da diese Städte autonom waren und eigene Verfassungsorgane hatten, waren sie im Notfall rasch handlungsfähig. Die latinischen Kolonien, die ganz wesentlich zur Romanisierung Italiens beitrugen, waren also nicht historisch gewachsen, sondern eine künstliche Konstruktion, die die Idee des antiken Stadtstaates zugunsten der Idee der territorialen Herrschaft sprengte. Man war nun nicht mehr Bürger einer bestimmten Stadt, sondern Träger eines bestimmten Typus von Bürgerrecht. Die Rechtstellung war abstrakt und hob die städtische Individualität auf. Diese coloniae Latinae waren nicht nur wegen ihrer exponierten Lage im Feindesland auf Gedeih und Verderb mit Rom verbunden; auch in ihrem ganzen Charakter und dem Gefühl ihre Bewohner nach waren sie zu Rom gehörig.
Ganz unten standen die Bundesgenossen, die socii, deren Territorium fünf Sechstel Italiens ausmachte. Nominell behielten sie ihre Souveränität, insbesondere auch ihr eigenes Bürgerrecht und ihre Selbstverwaltung, allerdings waren sie Rom gegenüber zur Truppenstellung verpflichtet und verloren damit ihre außenpolitische Unabhängigkeit. Die Gemeinden der Bundesgenossen waren in bilateralen Verträgen, die immer anders aussehen konnten, an Rom gebunden.
Das Bundesgenossensystem war ein einmaliges Konstrukt und ein hoch kompliziertes Geflecht. Es gab keinen Bundeswillen, der in einer Bundesorganisation seinen Ausdruck hätte finden können. Rom war stets Vormacht, nicht Partner, die Verbündeten damit Abhängige. Die bilateralen Verträge mit Rom waren unauflöslich. Abgefallene wurden von Rom hart bestraft. Nach dem Prinzip divide et impera, teile und herrsche, hatten die Römer ein fast perfektes Herrschaftsinstrument zur Verfügung. Mit sechs Millionen Menschen war das römische Bundesgenossensystem im Mittelmeerraum ein unvergleichlicher Machtfaktor. Damit war vorgezeichnet, dass Rom in der Lage sein würde, schließlich die ganze damals bekannte Welt zu beherrschen. Aber noch ein anderer Faktor ist wichtig:
Durch seine Herrschaftsorganisation bringt Rom seine Kultur und Zivilisation nach ganz Italien. Rom wird zum Vorbild der italischen Eliten, der Magistratsordnung und auch der Landwirtschaft. Die alten Gegensätze der verschiedenen Stämme verloren zunehmend an Bedeutung. Man spricht auch von der Munizipalisierung Italiens unter der Römischen Republik. Wir stehen zeitlich nun am Ende des Pyrrhos-Krieges und vor dem Ausbruch des Ersten Punischen Krieges.
Es mutet seltsam an, dass sich die Römer nur wenige Jahre nach dem verlustreichen Sieg über Pyrrhos auf das nächste außenpolitische Abenteuer einließen. Das kann nur bedeuten, dass sie ihr Engagement auf Sizilien für die sogenannten Mamertiner, kampanische Söldner oskischer Herkunft, als zeitlich begrenzte Aktion angesehen haben müssen. In was für ein Wespennest sie in Sizilien hineinstechen würden, und welch zähes Ringen mit Karthago die Folge sein würde, konnten sie wohl nicht abschätzen.
Da die Ereignisgeschichte der drei Punischen Kriege sehr gut bekannt ist, möchte ich hier nur auf die Bedeutung der jeweiligen römischen Siege eingehen. Im Ersten Punischen Krieg (264-241) wird Rom notgedrungenerweise zur Seemacht. Karthago muss gemäß dem Lutatius-Vertrag große Kriegskontributionen leisten, alle Gefangenen ausliefern und die Liparischen und Ägatischen Inseln räumen. 237 besetzen die Römer Sardinien, weil sie karthagische Söldner nicht in ihrem Vorfeld dulden wollten und richteten Sardinien und Korsika 227 als Provinz ein. Das Gleiche passiert auch mit Sizilien. Damit ist Rom Herrin über das Tyrrhenische Meer. Um den Verlust des Krieges auszugleichen, expandieren die Karthager unter der Familie der Barkiden, der auch Hannibal angehören sollte, verstärkt in Spanien. Die Römer betrachteten diese Machtausdehnung der Karthager mit Argwohn und hatten wohl insbesondere Angst, dass sich die karthagische Einflusssphäre immer mehr an Südgallien heranschob. Damit hätte für die Karthager die Möglichkeit bestanden, sich mit den Kelten gegen Rom zu verbünden.
Die Gründe für den Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges sind in der Forschung aufgrund der Sagunt- und Ebrofrage höchst umstritten. Der Verlauf des Hannibal-Krieges ist gut bekannt. Es kann nur spekuliert werden, warum Hannibal nach der vernichtenden Niederlage der Römer bei Cannae nicht auf Rom direkt marschierte. Er überschätzte wohl das noch zur Verfügung stehende Abwehrpotential der Römer. Nur aufgrund des vorhin skizzierten Bundesgenossensystems konnte sich Rom schließlich mit größter Mühe durchsetzen, Hannibal zum Abzug aus Italien zwingen und die Karthager in der Schlacht von Zama 202 besiegen. Der Frieden, den Rom Karthago diktierte, stellte die karthagische Souveränität in Frage und legte somit die Grundlage für den Dritten Punischen Krieg. Karthago musste auf alle Besitzungen außerhalb Afrikas verzichten. Das größte historische Ergebnis des Zweiten Punischen Krieges ist sicher, dass die Römer nun voll auf Spanien zugreifen konnten. Und obwohl es dort massive Probleme bis Augustus gab, beginnt hier doch die frühe und intensive Romanisierung Spaniens. Die Karthager müssen des Weiteren ein vergrößertes numidisches Reich unter König Massinissa dulden, der als Aufpasser der Römer vor Ort fungiert. Sie müssen ihre ganze Flotte bis auf 10 Schiffe ausliefern, eine Schmach für die einstmals so stolze Handelsnation. Eine gewaltige Kriegskontribution muss gezahlt werden, dazu müssen 100 vornehme Geiseln gestellt werden. Jede Kriegführung außerhalb Afrikas wird Karthago verboten, innerhalb Afrikas wird sie von der Zustimmung der Römer abhängig gemacht. Ab ca. 150 wehrt sich Karthago gegen diese aufoktroyierten Bestimmungen. Rom sieht den Friedensvertrag von 201 verletzt und erklärt nur zu gerne den Krieg. Die Karthager sind fast zu allem bereit, um den Frieden zu bewahren, sogar einer Entwaffnung hätten sie offenbar zugestimmt. Doch der römischen Aufforderung, die Stadt aufzugeben und landeinwärts zu siedeln, konnten sie nicht Folge leisten. Es entspann sich ein mehrjähriger Verzweiflungs- und Existenzkampf. Scipio Aemilianus, der 133 auch noch über Numantia in Spanien siegen sollte, erobert 146 Karthago und macht die Stadt dem Erdboden gleich.
Parallel zu dieser Entwicklung im Westen, wurde Rom auch immer aktiver im Osten. Diese Expansion im Osten wird Gegenstand des nächsten Podcasts sein. Es wird auch deutlich werden, dass die ständigen Kriege in West und Ost nicht ohne verheerende Wirkungen im Inneren waren. Es ist kein Zufall, dass im Jahre des Sieges über Numantia (133 v. Chr.) Tiberius Gracchus als Volkstribun energische Reformen fordert; die Krise der Römischen Republik ist damit für jeden offenkundig geworden.

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02 – Das Zeitalter der Ständekämpfe

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Römische Geschichte I: Die Republik

02 – Das Zeitalter der Ständekämpfe

Nach der Beseitigung der Königsherrschaft standen sich zwei große soziale Gruppen antagonistisch gegenüber: Die reichen Patrizier, die bereits begannen, sich zu einer Art Kaste abzuschließen und die Plebejer, die in ökonomischer, sozialer und politischer Hinsicht von den Patriziern abhängig waren. Dabei waren die Plebejer durchaus eine sehr heterogene Gruppe. Die Armen unter ihnen forderten einen weitgehenden Schuldenerlass, insbesondere die Abschaffung der Schuldknechtschaft, zudem eine Neuverteilung des Landes und mehr Rechtssicherheit, weil die Patrizier offenbar die mündlich tradierten Gesetze in ihrer Funktion als Richter zu ihren Gunsten auslegten. Die reicheren Plebejer hatten andere Ziele: Durch die Einführung der Kampfweise der Phalanx hatten sie als schwerbewaffnete Fußsoldaten nun die Hauptlast im Krieg zu tragen. Dies stärkte ihr Selbstbewusstsein und sie strebten nach mehr politischer Partizipation, um beispielsweise über Krieg und Frieden mitentscheiden zu können. Als die Notlage durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren immer unerträglicher wurde, solidarisierten sich die verschiedenen Interessensgruppen der Plebejer zu Beginn des fünften Jahrhunderts und konnten sich auf ein konzertiertes Vorgehen gegen die Patrizier verständigen. Durch Machteinbußen in Latium nach dem Rückzug der Etrusker muss die Verschuldung zugenommen haben. Das demographische Wachstum führte dazu, dass es immer mehr grundbesitzlose Menschen gab. Die Erbteilung tat ein Übriges, um die Lebensgrundlage vieler Menschen weiter zu unterminieren. Die wirtschaftliche Ausbeutung durch die Patrizier, die als Kreditgeber auftragen, ist ein wichtiger Faktor, ebenso wie ihre ungerechte Rechtsprechung. Wenn Bauern nach Missernten geliehenes Kapital nicht mehr zurückzahlen konnten und immer weiter in den Strudel der Verschuldung hineingezogen wurden, drohte die Schuldknechtschaft, also die Versklavung des bankrotten Schuldners, eine Entwicklung, die wir in ganz ähnlicher Weise im Griechenland der archaischen Zeit kennengelernt hatten. Die Plebejer waren jedoch keine Revolutionäre; in ihrer Mehrheit waren sie für Reformen, nicht für einen grundlegenden Umsturz. Doch die Patrizier zeigten sich nicht kompromissbereit. Der Kampf begann, als günstige Faktoren zusammenkamen: Nach der Vertreibung des letzten etruskischen Königs hatte Rom auch die etruskische Schirmherrschaft verloren und war auswärtigen Feinden ausgesetzt, denen man nun selbst Herr werden musste, wie etwa den Einwohnern von Veji oder den Volskern und Äquern. Die Plebejer wussten sehr wohl, dass die Patrizier in diesen Abwehrkämpfen auf sie angewiesen waren, sie bildeten ja schließlich das Rückgrat der Infanterie. Eine Art Generalstreik, der legendäre Auszug der Plebs aus der Stadt Rom auf den nahe gelegenen Hügel Aventin 494 v. Chr., bildete als secessio plebis das Fanal für den Beginn der Ständekämpfe.
Bevor ich versuchen werde, den Verlauf der Ständekämpfe in Grundzügen nachzuzeichnen, möchte ich kurz auf ihre Bedeutung für die römische Republik eingehen und auf eine mögliche Gliederung dieser langen Epoche in verschiedene Phasen. Das politische Produkt der Ständekämpfe sozusagen war die ungeschriebene Verfassung der römischen Republik, die um ca. 300 v. Chr. voll ausgebildet war. Sie sollte sich in den Samnitenkriegen und in den Punischen Kriegen bestens bewähren. Unter Erweiterungen und Modifizierungen sollte sie bis zu Caesars Diktatur im Wesentlichen in Kraft bleiben.
Sozialpolitisch ist die Genese der Nobilität von Bedeutung, einer neuen Elite innerhalb des Senats, die aus den Patriziern und den führenden Kreisen der Plebejer zusammenwuchs. Diese Herrschaftselite ist von Matthias Gelzer eindringlich beschrieben worden. Sie bestimmte die Geschicke der Republik ganz wesentlich.
Grob einteilen lässt sich diese Epoche in zwei distinkte Phasen. Eine erste Phase bildet das fünfte und das erste Drittel des vierten Jahrhunderts, wo sich scharfe Fronten herausbildeten und sich ein Zweiständestaat ausbildete. In der zweiten Phase, den 60ern des vierten Jahrhunderts und dem Anfang des dritten Jahrhunderts, kam es zu einem Ausgleich der Führungsgruppen der Plebejer und der Patrizier, die neue Elite der Nobilität entstand. In diesem komplexen Prozess löste sich das archaische Sozialgefüge auf; es kam zu einer Differenzierung, ein neues Gesellschaftsgefüge entstand. Das Volk war nicht mehr unmündig, die formalen Standesgrenzen waren aufgehoben, ohne aber einer egalitären Gesellschaft den Weg zu ebnen.
Gründe für den Erfolg der Plebejer waren ihr entschlossenes, gemeinsames Handeln sowie die Kompromissbereitschaft des Adels unter außenpolitischem Druck. Ein Wort zur Außenpolitik an dieser Stelle: Sozialer Wandel ist hier untrennbar mit einer offensiven Außenpolitik verbunden. Offenbar lag es im Interesse aller, soziale und innenpolitische Probleme durch Expansion, also auf Kosten Dritter, zu bewältigen, was die Probleme jedoch nicht löste, sondern nur verschob. Der Begriff des Sozialimperialismus, der für das 19. Jh. entwickelt wurde, ist hier durchaus anwendbar. Die gentilizischen Bindungen sind nun nicht mehr das entscheidende Gliederungsprinzip der Gesellschaft, die Unterscheidung Patrizier – Plebejer nicht mehr die Grundlage der Sozialordnung.
Das dichotomische Zwei Stände-System wurde von einem neuen, differenzierteren sozialen Modell abgelöst. Und dieses Sozialmodell wurde durch die Expansion auf Millionen von Menschen in Italien und schließlich im ganzen Römischen Reich übertragen. Die höchst heterogenen Gruppen wurden in einer aristokratischen Sozialordnung mit begrenzten Aufstiegsmöglichkeiten zusammengehalten. Es kam dabei nicht zu einer Demokratisierung, weil 1. das Klientelwesen intakt blieb und
2. die reichen Plebejer nie die Adelsherrschaft abschaffen wollten, sondern eben nach einer Beteiligung strebten. Die neuen Gegensätze, die sich nun herausbildeten, sollten die Geschichte der Republik entscheidend prägen, die Dichotomie zwischen einer dünnen herrschenden Schicht und immer neuen proletarischen Gruppen, die Dichotomie zwischen Römern und unterdrückten Verbündeten und die Dichotomie zwischen Herren und immer mehr Sklaven, eine Spannung, die sich schließlich in den Sklavenaufständen der Späten Republik entlud.
Nun aber zu den wichtigsten Ereignissen in aller Kürze. In der ersten secessio plebis, legendäres Datum ist 494, richteten die Plebejer eine eigene Versammlung ein, das concilium plebis, dessen Beschlüsse mit der Zeit Gesetzescharakter annehmen sollten. Außerdem wählte die plebs nun zwei Volkstribunen und zwei plebejische Ädilen, Magistrate, die ihre Interessen vertreten sollten. Insbesondere die Volkstribunen sind von besonderer Bedeutung. Sie werden vom Volk für unantastbar, für sakrosankt erklärt, um sie vor Übergriffen der Patrizier zu schützen. Sie werden außerdem mit dem ius intercessionis und dem ius auxilii ausgestattet, also mit dem Recht, einzuschreiten, wenn ein Plebejer Repressalien von Seiten der Patrizier ausgesetzt war, und ihm Hilfe zu bringen. Ebenso bekamen die Volkstribunen das Vetorecht, also das Recht, Beschlüsse des Senats blockieren zu können. Allerdings wird es gedauert haben, bis die Patrizier diese Kompetenzen der neuen Magistrate überhaupt anerkannten.
Weitere Meilensteine auf dem Weg der Emanzipation der Plebejer sind das Zwölftafelgesetz von vielleicht 450 v. Chr. (die Datierungen gehen hier weit auseinander) und die lex Canuleia von 445 v. Chr., die das conubium, also das Recht zur Eheschließung zwischen Patriziern und Plebejern festschrieb. In der Zwölftafelgesetzgebung wurden das geltende Privat-, Straf- und Sakralrecht aufgezeichnet.
Diese Gesetze zeugen von einer einfachen agrarischen Gesellschaft. Inwiefern unteritalische Griechen bei dieser Niederschrift der Gesetze Hilfe leisteten, lässt sich nicht sagen. Das Zwölftafelrecht unterscheidet zwischen Besitzenden und Proletariern, d.h. das Vermögen wurde als Kriterium der sozialen Schichtung berücksichtigt. Die Plebejer werden hier nicht aufgewertet, erlangen aber zumindest durch die Verschriftlichung mehr Rechtssicherheit. Das Nachbarrecht sowie das Schuldrecht werden geregelt, die Testierfreiheit festgeschrieben. Der nächtliche Erntediebstahl, Brandstiftung, Mord und falsches Zeugnis ablegen, sind Kapitalverbrechen. Der Patron, der seine Pflichten gegenüber den Klienten vernachlässigt, wird geächtet. Bei Leichenbegängnissen gibt es Aufwandsbeschränkungen. Jeder Bürger hat Anrecht auf einen Verteidiger. Prinzipien, die wir noch heute kennen, werden hier erstmals formuliert: nulla poena sine lege oder auch nulla quaestio sine auctore.
445 ermöglicht die lex Canuleia das conubium, also die Eheschließung zwischen Patriziern und Plebejern. Eine wichtige privatrechtliche Schranke war damit beseitigt. Die reichen Plebejer konnten nun endlich in Patrizierfamilien einheiraten. Das Resultat war das Verschmelzen der Patrizier mit den führenden plebejischen Familien und damit die Herausbildung der Nobilität. 409 ist übrigens der erste Plebejer in der Quästur bezeugt, bezeichnenderweise im niedrigsten senatorischen Amt.
Um etwa 400 beschleunigen sich die Dinge, der Ständekampf gewinnt an Schärfe. Das weitere Bevölkerungswachstum sowie der Keltensturm bringen das römische Sozialgefüge massiv in Bedrängnis. Die Oberschicht der Plebejer will nun, nachdem sie schon durch conubium mit den Patriziern verbunden war, endlich eine Beteiligung an der Staatsleitung. Die Niederlage der Römer gegen die Gallier in der Schlacht an der Allia 387 v. Chr. hatte die ganze Schwäche des patrizischen Staates allen deutlich vor Augen geführt.
Die Masse will eine Begrenzung der Okkupationsrechte der Patrizier, die Unterschicht plädiert nach wie vor für einen Schuldenerlass. Schließlich vermitteln Caius Licinius Stolo und Lucius Sextius Lateranus einen Kompromiss, die sogenannten leges Liciniae Sextiae von 367 v. Chr. Sie begründen in den Worten Bleickens die Konsulatsverfassung. Statt sechs Konsulartribunen stehen nun zwei Konsuln an der Spitze des Staates, von denen einer ein Plebejer sein muss. Die Plebejer können sich nun auch um die Diktatur und Zensur bewerben, d.h. sie haben nun den Aufstieg in die höchsten Staatsämter geschafft. Die comitia centuriata, also die Heeresversammlung, wählt nun die Konsuln, Prätoren und Zensoren, ebenso die sechs Militärtribunen. Die Zenturiatskomitien entscheiden auch über Krieg und Frieden. Die Okkupationsgrenze wird auf 500 iugera, etwa 125 ha festgesetzt, eine Bestimmung, die allerdings nicht in die Tat umgesetzt wurde. Zu einem Schuldenerlass kommt es noch nicht, nur die Zinsen werden erlassen, d.h. es handelt sich bei den Licinisch-Sextischen Gesetzen zwar um einen politischen, aber noch nicht um einen ökonomisch-sozialen Neubeginn. Der cursus honorum, die Ämterlaufbahn der Republik, steht nun fest, die Plebejer haben Zugang zu allen Ämtern. Und bis 337 dringen sie tatsächlich in alle Ämter vor. Mit Abschluss der Samnitenkriege hatte sich nicht nur diese Verfassung voll ausgebildet, sondern sich auch die Nobilität als Amtsadel und neue Oberschicht fest etabliert.
Weitere Gesetze folgen: Die lex Publilia von 339 zeigt, dass sich die Patrizier das Heft nicht ganz aus der Hand nehmen lassen: Gesetze benötigen auch die Zustimmung des Senats, die patrum auctoritas. Allerdings müssen sie Bedenken gegen Gesetzesvorhaben schon vor der Abstimmung äußern. Die lex Poetelia Papiria von 326 dehnt die Wehrpflicht auch auf die ganz Mittellosen aus; diese Plebejer werden nun auch in die comitia centuriata aufgenommen, das ist ein Schritt zur vollen Integration der plebs in die res publica. Nun wird die Schuldknechtschaft endlich abgeschafft. Livius spricht von einem Neubeginn der Freiheit. In der Praxis zeigte diese Maßnahme keine große Wirkung mehr, vielleicht war es nur noch selten zur Versklavung von Schuldnern gekommen. Allmählich stellten die Großgrundbesitzer ohnehin auf die Sklavenwirtschaft um. Die lex Ovinia von 312 schreibt den Zensoren nun explizit die Formierung des Senats aus den Besten beider Stände vor. Den plebejischen Senatoren, den conscripti (den Dazugeschriebenen), wird nun das Stimmrecht eingeräumt, patrizische und plebejische Senatoren sind damit gleichgestellt. Das ius Flavianum von 304 schreibt die einheitliche Behandlung eines jeden Bürgers vor Gericht vor. Die lex Ogulnia von 300 öffnet nun auch die höchsten Priesterkollegien der pontifices und der augures den Plebejern.
Nach Erreichen der vollen politischen Partizipation verlagern sich die Ständekämpfe auf die wirtschaftliche und die soziale Seite. Das Problem der Verschuldung wurde immer drängender. Der juristische Bereich ist zuerst Gegenstand von Neuregelungen: Die lex Valeria de provocatione von 300 v. Chr. stuft das Vorgehen eines Magistrates gegen Leib und Leben eines Bürgers ohne Gerichtsverfahren, also die Verhängung der Kapitalstrafe ohne ordentliches Gerichtsverfahren, als Unrecht ein. Jeder Bürger hat nun das Recht, an die Zenturiatskomitien zu appellieren (provocatio ad populum). Nicht mehr die obersten Magistrate sind für eine Anklage zuständig, sondern Tribunen und Ädile klagen nun vor der Volksversammlung an.
Die Ständekämpfe werden 287 v. Chr. durch die lex Hortensia abgeschlossen, eine „Generalbereinigung“, wie Alfred Heuss sie nennt. Die Beschlüsse des concilium plebis erhalten nun volle Gesetzeskraft, wie die Beschlüsse der Kuriats- oder Zenturiatskomitien. Damit wird das concilium plebis enorm aufgewertet und zu einer regulären Volksversammlung. Die Volkstribunen erhalten Zutritt zum Senat, werden also ein reguläres Amt, Teil der Ämterlaufbahn und damit voll anerkannt. In der Regel bekleiden auch später noch nur plebejische Familien der Senatsaristokratie das Amt des Volkstribunats. Nun kommt es endlich zu der seit langem geforderten Schuldentilgung. Die Tribuseinteilung übernehmen die Zensoren.
Damit sind mit der lex Hortensia die beinahe 200 Jahre währenden Ständekämpfe abgeschlossen, und das römische Gemeinwesen auf eine solide Grundlage gestellt, die es den Römern erlauben sollte, auch in der Zukunft allen Herausforderungen gewachsen zu sein.

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01 – Das frühe Rom und die Etrusker

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Römische Geschichte I: Die Republik

01 – Das frühe Rom und die Etrusker

Die Geschichte des frühen Roms ist ohne die Etrusker nicht zu verstehen, denn die Stadtwerdung Roms vollzieht sich ganz innerhalb der etruskischen Kultur. Wir werden uns deshalb im heutigen Podcast ein wenig mit diesem in vielerlei Hinsicht immer noch rätselhaften Volk beschäftigen, um die Grundlagen für die Beschäftigung mit der frühen Geschichte Roms zu schaffen. Die Etrusker sind ein vor-indoeuropäisches Volk, weswegen wir von ihrer Sprache nur wenig verstehen. Andere vorindogermanische Gruppen auf der Apenninenhalbinsel waren die Ligurer im Norden und die Sikaner auf Sizilien, ebenso die Terramare Kultur in Norditalien, die wir etwa von 1600 bis 1200 greifen können.
Ab 1000 werden für uns indoeuropäische Gruppen greifbar, deren Wanderzüge in der Forschung hoch umstritten sind. Anhand ihrer Sprache unterscheidet man drei Großgruppen, die latino-faliskische, die am Unterlauf des Tiber siedelte, die umbrisch-sabellische bzw. oskisch-umbrische Gruppe, zu denen auch die Samniten gehören sollten, in den Bergen sowie die Illyrer entlang der Adria. Während im Süden der italischen Halbinsel ab dem 8. Jh. Griechen in Folge der Großen griechischen Kolonisation siedelten, greifen wir die Etrusker ab dem 7. Jh. zwischen Arno und Po. In einem letzten Einwanderungsschub kamen die Kelten, die sich an der Wende vom 5. zum 4. Jh. in Norditalien ansiedelten.
Obwohl nun die Etrusker vorindoeuropäischen Ursprungs sind, ist ihre Herkunft noch immer ungeklärt. Es ist nämlich ganz und gar nicht klar, ob sie tatsächlich autochthon, also einheimisch in Italien sind. Befürworter dieser These sehen eine Kontinuität von der Villanova Kultur (12.-7. Jh. v. Chr.) zu den Etruskern, insbesondere was die Bestattung anbelangt. Eine andere These geht von einer Einwanderung aus dem Osten aus, eine Theorie, die sich auf Herodot stützt, der die Herkunft der Etrusker in Lydien sieht. Ihr plötzliches Auftreten in Italien, ihre Siedlungsweise in Städten sowie die Verwendung der Mantik, Techniken der Zukunftsschau, sprechen für diese herodoteische These. Eine dritte Theorie bildet sozusagen einen Kompromiss aus den beiden vorhergehenden: Die Etrusker seien in einer Ethnogenese entstanden. Zugezogene aus dem Osten hätten sich mit einem einheimischen Substrat verbunden und etwas Neues hervorgebracht. Die Etrusker sind fähige Leute, sehr aktiv im Erzbergbau, aber auch im Handwerk und im Handel, selbstverständlich treiben sie auch Piraterie. Ihre Kultur ist sehr expressiv und griechenabhängig. Oft kann man bei den wunderbaren Vasenmalereien und den Fresken in den Tumuli-Gräbern nicht sagen, ob etruskische oder griechische Meister am Werk waren.
Schon bald expandieren die Etrusker nach Norden in die oberitalische Tiefebene hinein und nach Süden, ins spätere Latium und Kampanien, was natürlich zu Auseinandersetzungen mit den dort ansässigen Griechen führte. Sinnvollerweise verbündeten sich die Etrusker mit den Karthagern und konnten daher die griechischen Phokäer in der Seeschlacht von Alalia vor der Ostküste Korsikas besiegen (um 540 v. Chr.). Offenbar planten die Etrusker, die Griechen ganz aus Kampanien zu vertreiben, was allerdings nicht gelingen sollte. Gegen Kyme erlitten die Etrusker 474 eine so schwere Niederlage, dass eine Art Machtvakuum in Mittelitalien entstand, von dem die Osker im Binnenland und die Latiner am Unterlauf des Tiber profitierten. Die Etrusker verloren allmählich ihre Vormachtstellung in Kampanien und Latium und damit auch ihre Dominanz über die latinischen Ansiedlungen im späteren Rom.
Der dortige etruskische König wurde entweder gestürzt, was die Sage von Tarquinius Superbus bewahrt hat, oder aber langsam entmachtet. Der einheimische Adel übernahm die Herrschaft, und damit sind wir auch schon mittendrin in der römischen Frühgeschichte, die wir nun nicht mythologisch, sondern auf der Basis der archäologischen Befunde nachskizzieren wollen.
Nach wie vor ist es umstritten, ob die Dörfer auf den Hügeln allmählich zusammenwuchsen oder sich in einem Synoikismos vereinten, also in einem formellen Gründungsakt. Klar ist jedoch, dass sich aufgrund der günstigen geopolitischen Lage Menschen ab dem 13. Jh., also in der mittleren Bronzezeit, an den Aventin-Höhlen und an der Tiberfurt ansiedelten. Der Übergang wurde noch zusätzlich durch die Tiberinsel erleichtert, ideale Bedingungen also für die Salzstraße von Etrurien nach Kampanien. Die frühesten Funde stammen vom Forum Boarium, unter der Kirche S. Omobono und vom Südhang des Kapitols. Im 10. Jh. sind wir am Ende der Bronzezeit; eine Siedlung am Forum Romanum ist greifbar. Wir sehen dort Urnen-, aber auch Körperbestattung. In der Eisenzeit, ab dem 9. Jh., sind der Palatin und der Quirinal besiedelt, ab dem 8. Jh. der Esquilin, es gibt nun auch einen Hafen an der Tiberfurt. Im 6. Jh. ist Rom eindeutig eine wohlgeordnete Stadt etruskischen Zuschnitts. Die Siedlungen auf den Hügeln sind nun vereint.
Lange Zeit ging man davon aus, dass zwei Kulturkreise in Rom zusammenwuchsen, zum einen wegen des Doppelcharakters mancher archaischer religiöser Institutionen, wie die der Priesterschaften der Salii Palatini und der Salii Collini, zum anderen schienen archäologische Befunde diese distinkten Kulturkreise zu bestätigen: Man fand Brandgräberleute auf dem Palatin und dem Caelius, die man für Latiner hielt, und Bestattungsgräberleute auf dem Esquilin, dem Quirinal und dem Viminal, die als Osker, Sabeller und Sabiner firmierten. Neuere Forschungen liefern jedoch ein differenziertes und komplizierteres Bild und brachten diese alte These zum Einsturz.
Klar ist jedoch, welche Gruppen auch immer in Rom siedelten, dass sie stark von der etruskischen Kultur beeinflusst waren. Die Stadtwerdung selbst ist ohne die Etrusker nicht denkbar, die spätestens seit dem 7. Jh. urbane Strukturen kannten. Die Etrusker brachten den Römern die Schrift, wohl nicht die Griechen direkt, d.h. die Etrusker dienten auch hier als Transmissionsriemen für die Weitergabe griechischer Kulturtechniken an die Römer. Das dreigliedrige römische Namenssystem (praenomen, nomen gentile, cognomen) geht auf die etruskische Nomenklatur zurück. Die Herrschaftsinsignien der römischen Magistrate, wie Purpurtoga, Purpurmantel, Schnabelschuhe, goldener Kranz, sella curulis (Elfenbeinsessel) sowie die Liktoren mit ihren fasces (Rutenbündel) sind etruskischer Herkunft. Die Gladiatorenkämpfe stammen aus etruskischen Begräbnisritualen. Die Etrusker waren Meister der Mantik, d.h. der Zeichendeutung zum Zweck der Weissagung. Kern der disciplina etrusca war die Eingeweide- v.a. die Leberschau. Diese Spezialisten waren die haruspices. Andere Deuter widmeten sich der Deutung des Vogelflugs, dem auspicium. Auch aus Blitz und Donner meinte man, Aussagen über die Zukunft herleiten zu können(ars fulguratoria).
Auch in den Institutionen lehnen sich die Römer an etruskische Strukturen an: Die gentilizische Kurieneinteilung, die vorerst gentilizische Einteilung in drei Tribus, die die etruskischen Namen Tities, Ramnes und Luceres tragen. Der Senat und das Wahlkönigtum waren schon etruskische Verfassungseinrichtungen.
Wichtige Maßnahmen der Frühzeit schreiben sogar die späteren römischen Historiker legendären etruskischen Königen zu. So habe Tarquinius Priscus das Pomerium, d.h. die heilige Grenze um Rom gezogen. Er habe zusätzlich zu den gentilizischen Kurien vier lokale Tribus eingerichtet, die Suburana oder Sucusana, die Esquilina, sowie die Collina und Palatina. Auf diesen lokalen Tribus, die vermehrt werden, wird später ein Teil des römischen Wahlsystems aufbauen. Priscus soll außerdem einen Abwasserkanal, also eine cloaca gebaut und den Bau der Regia/Curia begonnen haben. Sein Nachfolger Servius Tullius soll die sogenannte servianische Mauer gebaut haben, eine Stadtmauer, die Archäologen heute ins frühe vierte vorchristliche Jahrhundert datieren. Interessant ist aber, dass die späteren römischen Historiographen diese Stadtmauer als urbanes Symbol einem legendären Etruskerkönig attribuierten. Der Sage nach soll er auch eine Schatzung der Bürger durchgeführt und die Zenturiatskomitien eingeführt haben, die man wohl eher in das Zeitalter der Ständekämpfe datiert. Vielleicht hat er und nicht schon Tarquinius Priscus die Regioneneinteilung der Tribus aufs Land übertragen. Der letzte etruskische König über Rom, der berühmt-berüchtigte Tarquinius Superbus, soll den Jupitertempel auf dem Kapitol weitergebaut, wenn nicht vollendet haben.
Die archaische Sozialstruktur der Römer ist ganz etruskisch geprägt. Die Rolle der gentes, der Geschlechter, bestehend aus mehreren Familien gleicher Abstammung, im weiteren Sinne auch mit ihren Klienten, war entscheidend. Die größere gentilizische Einheit war die curia. Es hat wohl ursprünglich 30 Kurien gegeben. Je zehn Kurien bildeten eine Tribus, also einen gentilizischen Personenverband, der zunächst auch militärische Bedeutung hatte. Die etruskischen Namen dieser drei Tribus kennen wir bereits, Ramnes, Tities, Luceres. Das können drei Gentilnamen sein oder aber auch drei Gruppen bezeichnen, etwa Sabiner, Etrusker und Latiner, aber das wissen wir nicht. Die 30 Kurien kamen zweimal pro Jahr auf dem Comitium, dem Volksversammlungsplatz zusammen. Wir sprechen von den comitia curiata, der ältesten Art der Volksversammlung. Die 30 curiae waren wiederum auf die drei ursprünglichen Tribus verteilt, jede Tribus beinhaltete also zehn Kurien.
An der Spitze der Gesellschaft stand ein Geburts- und Grundbesitzeradel, die sogenannten Patrizier, die auch die Reiter stellten, die equites. Ihnen waren mehr oder weniger abhängige Bauern als Klienten zugeordnet, die Plebejer. In diesem Klientelverhältnis fungierte der Patrizier als patronus, der die Interessen des Klienten z. B. auch vor Gericht vertreten musste. Ab den Ständekämpfen schließen sich die Plebejer zu einem Stand ab, was bei den Patriziern schon früher der Fall gewesen sein muss. Ab dem 5. Jh., also zur Zeit der Ständekämpfe, wurden die oben erwähnten ersten vier regionalen Tribus geschaffen, städtische Bezirke, die 241 v. Chr. ihre endgültige Zahl, 35, erreichen sollten. Jeder römische Bürger wurde dann in eine dieser 35 Wahlkörperschaften eingeschrieben. Die Macht des Familienvaters, die patria potestas, erstreckte sich nicht nur auf seine Frau, seine Kinder und seine Sklaven, sondern sogar noch auf die verheirateten erwachsenen Söhne und deren Ehefrauen (anders als im klassischen Athen).
Zusammenfassend kann man also sagen, dass die römische Gesellschaft horizontal in Familien, gentes, curiae und tribus gegliedert ist, vertikal in einen Adel, von dem das Volk sozial, politisch, ökonomisch, rechtlich, religiös und militärisch abhängig ist. Bald sollte das Volk nach mehr politischer Partizipation und nach einer Verbesserung der ökonomischen Lage streben, die Ausgangslage für die Ständekämpfe, die sich über Jahrhunderte hinziehen und an deren Ende das gewachsene politische System der Römischen Republik stehen sollte.
Die Sklaverei war noch nicht differenziert wie später. Sklaven waren noch Familienmitglieder, mit denen man am gleichen Tisch aß. Bis ins 4. Jh. wurden auch Mitglieder des eigenen Volkes versklavt, Rechtsgrundlage hierfür war die Schuldknechtschaft (nexum), die erst als ein Ergebnis der Ständekämpfe abgeschafft werden sollte. Noch gab es keine Sklavenaufstände.
Die politische Struktur baut nun auf der sozialen auf, sie ist also auch gentilizisch. Die Adeligen wählen aus ihren Kreisen einen König. Das Wahlkönigtum bedeutet bereits eine allmähliche Entmachtung des Königs. Er vertritt das Gemeinwesen gegenüber den Göttern, ist ein Heerkönig und leitet die Sitzungen des Adelsrates (Senat) und der Volksversammlungen.
Die Kuriatkomitien, die sich zweimal im Jahr versammeln, bestätigen den König in seiner Machtfülle, sanktionieren Akten bzgl. der Familie und der Geschlechter, erlassen Sakralgesetze, wählen ursprünglich die Magistrate und entscheiden über Krieg und Frieden.
Auch der Senat war nach Kurien zusammengesetzt, zehn patres je Kurie, also insgesamt 300 patres, also patrizische Senatoren. Dieser Adelsrat beriet den König. Beim Tod des Königs wählte der Senat einen interrex für fünf Tage, der Adel stellte auch die Magistrate. Nach der sogenannten servianischen Schatzung fungierte auch die Heeresversammlung, die comitia centuriata, als eine zusätzliche Volksversammlung. Auf sie werden wir dann im nächsten Podcast eingehen.

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