Die Kyklopen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Homer
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Hom. Od. 9.105-141 – Original:

ἔνθεν δὲ προτέρω πλέομεν ἀκαχήμενοι ἦτορ: 105
Κυκλώπων δ᾽ ἐς γαῖαν ὑπερφιάλων ἀθεμίστων
ἱκόμεθ᾽, οἵ ῥα θεοῖσι πεποιθότες ἀθανάτοισιν
οὔτε φυτεύουσιν χερσὶν φυτὸν οὔτ᾽ ἀρόωσιν,
ἀλλὰ τά γ᾽ ἄσπαρτα καὶ ἀνήροτα πάντα φύονται,
πυροὶ καὶ κριθαὶ ἠδ᾽ ἄμπελοι, αἵ τε φέρουσιν 110
οἶνον ἐριστάφυλον, καί σφιν Διὸς ὄμβρος ἀέξει.
τοῖσιν δ᾽ οὔτ᾽ ἀγοραὶ βουληφόροι οὔτε θέμιστες,
ἀλλ᾽ οἵ γ᾽ ὑψηλῶν ὀρέων ναίουσι κάρηνα
ἐν σπέσσι γλαφυροῖσι, θεμιστεύει δὲ ἕκαστος
παίδων ἠδ᾽ ἀλόχων, οὐδ᾽ ἀλλήλων ἀλέγουσιν.’ 115
νῆσος ἔπειτα λάχεια παρὲκ λιμένος τετάνυσται,
γαίης Κυκλώπων οὔτε σχεδὸν οὔτ᾽ ἀποτηλοῦ,
ὑλήεσσ᾽: ἐν δ᾽ αἶγες ἀπειρέσιαι γεγάασιν
ἄγριαι: οὐ μὲν γὰρ πάτος ἀνθρώπων ἀπερύκει,
οὐδέ μιν εἰσοιχνεῦσι κυνηγέται, οἵ τε καθ᾽ ὕλην 120
ἄλγεα πάσχουσιν κορυφὰς ὀρέων ἐφέποντες.
οὔτ᾽ ἄρα ποίμνῃσιν καταΐσχεται οὔτ᾽ ἀρότοισιν,
ἀλλ᾽ ἥ γ᾽ ἄσπαρτος καὶ ἀνήροτος ἤματα πάντα
ἀνδρῶν χηρεύει, βόσκει δέ τε μηκάδας αἶγας.
οὐ γὰρ Κυκλώπεσσι νέες πάρα μιλτοπάρῃοι, 125
οὐδ᾽ ἄνδρες νηῶν ἔνι τέκτονες, οἵ κε κάμοιεν
νῆας ἐυσσέλμους, αἵ κεν τελέοιεν ἕκαστα
ἄστε᾽ ἐπ᾽ ἀνθρώπων ἱκνεύμεναι, οἷά τε πολλὰ
ἄνδρες ἐπ᾽ ἀλλήλους νηυσὶν περόωσι θάλασσαν:
οἵ κέ σφιν καὶ νῆσον ἐυκτιμένην ἐκάμοντο. 130
οὐ μὲν γάρ τι κακή γε, φέροι δέ κεν ὥρια πάντα:
ἐν μὲν γὰρ λειμῶνες ἁλὸς πολιοῖο παρ᾽ ὄχθας
ὑδρηλοὶ μαλακοί: μάλα κ᾽ ἄφθιτοι ἄμπελοι εἶεν.
ἐν δ᾽ ἄροσις λείη: μάλα κεν βαθὺ λήιον αἰεὶ
εἰς ὥρας ἀμῷεν, ἐπεὶ μάλα πῖαρ ὑπ᾽ οὖδας. 135
ἐν δὲ λιμὴν ἐύορμος, ἵν᾽ οὐ χρεὼ πείσματός ἐστιν,
οὔτ᾽ εὐνὰς βαλέειν οὔτε πρυμνήσι᾽ ἀνάψαι,
ἀλλ᾽ ἐπικέλσαντας μεῖναι χρόνον εἰς ὅ κε ναυτέων
θυμὸς ἐποτρύνῃ καὶ ἐπιπνεύσωσιν ἀῆται.
αὐτὰρ ἐπὶ κρατὸς λιμένος ῥέει ἀγλαὸν ὕδωρ, 140
κρήνη ὑπὸ σπείους: περὶ δ᾽ αἴγειροι πεφύασιν.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: A. T. Murray
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

“Thence we sailed on, grieved at heart, and we came to the land of the Cyclopes, an overweening and lawless folk, who, trusting in the immortal gods, plant nothing with their hands nor plough; but all these things spring up for them without sowing or ploughing, [110] wheat, and barley, and vines, which bear the rich clusters of wine, and the rain of Zeus gives them increase. Neither assemblies for council have they, nor appointed laws, but they dwell on the peaks of lofty mountains in hollow caves, and each one is lawgiver [115] to his children and his wives, and they reck nothing one of another. “Now there is a level isle that stretches aslant outside the harbor, neither close to the shore of the land of the Cyclopes, nor yet far off, a wooded isle. Therein live wild goats innumerable, for the tread of men scares them not away, [120] nor are hunters wont to come thither, men who endure toils in the woodland as they course over the peaks of the mountains. Neither with flocks is it held, nor with ploughed lands, but unsown and untilled all the days it knows naught of men, but feeds the bleating goats. [125] For the Cyclopes have at hand no ships with vermilion cheeks, nor are there ship-wrights in their land who might build them well-benched ships, which should perform all their wants, passing to the cities of other folk, as men often cross the sea in ships to visit one another— [130] craftsmen, who would have made of this isle also a fair settlement. For the isle is nowise poor, but would bear all things in season. In it are meadows by the shores of the grey sea, well-watered meadows and soft, where vines would never fail, and in it level ploughland, whence [135] they might reap from season to season harvests exceeding deep, so rich is the soil beneath; and in it, too, is a harbor giving safe anchorage, where there is no need of moorings, either to throw out anchor-stones or to make fast stern cables, but one may beach one’s ship and wait until the sailors‘ minds bid them put out, and the breezes blow fair. [140] Now at the head of the harbor a spring of bright water flows forth from beneath a cave, and round about it poplars grow.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Niklas Rempe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Hom. Od. 9.105-141

Leitfragen:

1) Geben Sie die Lebensweise der Kyklopen wieder.

2) Warum besiedeln die Kyklopen die nahe gelegene Insel nicht?

3) Interpretieren Sie aus der Lebensweise der Kyklopen und der Beschreibung der Insel, was über die Voraussetzung der archaischen Zivilisation ausgesagt werden kann.

Kommentar:

Odysseus und seine Männer sind nach den erfolgreichen Kämpfen in Troja auf ihrem Weg in die Heimat. Diese durch göttliche Fügung bedingte zehn Jahre währende Reise – die Odyssee – lässt ihr Schiff in die Länder der Kyklopen kommen. Man erfährt, dass diese ein überhebliches und rechtloses Volk sind. Weder betreiben sie Ackerbau, noch haben sie überhaupt das Werkzeug dafür. Nichtsdestoweniger scheinen sie ausreichend Nahrung zu haben: Weizen, Gerste und sogar Trauben für Wein. Sie scheinen in diesen Belangen den Göttern zu vertrauen, zumal die Kyklopen an anderer Stelle auch als einäugige und riesige Kinder des Poseideon beschrieben werden, und der reichliche von Zeus gesandte Regen scheint dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Die schon erwähnte Rechtslosigkeit wird deutlich, wenn sie als ein Volk dargestellt werden, welches weder Versammlungen noch Satzungen kennt – dafür leben Sie auch zu verstreut in Höhlen auf unzugänglichen Berggipfeln und kümmern sich nicht um Ihresgleichen. Allein innerhalb der Familie scheint es eine Ordnung zu geben, wenn das männliche Oberhaupt Regeln für seine Frau und die Kinder aufstellt.

Der Darstellung des Volks der Kyklopen folgt eine Beschreibung einer nahe gelegenen Insel. Große Waldflächen werden in diesem Zuge erwähnt und ebenso scheint die Insel Ziegen zu beherbergen, die sich durch den ausgebliebenen Kontakt mit den Menschen unkontrolliert und reichlich vermehren konnten. Auch ein paradiesisches Bild von ausgedehnten Weiden und fruchtbaren Böden wird gezeichnet. Nichtsdestoweniger haben die Kyklopen sich hier nicht angesiedelt. Der Grund dafür ist der Mangel an Schiffen, die sie benutzen könnten, um auf die Insel überzusetzten. Es wird deutlich, dass die Kyklopen nicht einmal die Fähigkeit haben Schiffe zu bauen bzw. bauen zu lassen, geschweige denn zu bemannen und zu fahren.

Die Darstellung des Volks der Kyklopen, ihrer Heimat und der nahe gelegenen noch unbesiedelten Insel kann gute Einblicke in die Vorstellung von Zivilisation im frühen Griechenland geben. Insbesondere die Kyklopen sollten als Gegenbeispiel zu den Menschen aufgefasst werden und so lässt sich durch Umkehrschlüsse feststellen, dass das geordnete gesellschaftliche Zusammenleben in größeren Gruppen die Basis jeglicher Zivilisation darstellt. Geordnet bedeutet hier, dass Satzungen (thesmoi) und generell soziale Normen das Miteinander der Menschen regeln und durch Institutionen, wie einer Versammlung oder einem Rat (boule) gefestigt werden. Überhaupt ist dafür ein Ballungsraum von Nöten, in bzw. um den eine größere Gruppe von Menschen lebt und leben kann. Ein Leben in vereinzelten und disparaten Gebirgshöhlen, wie es die Kyklopen führen, schließt dies aus. Entsprechend reicht es auch nicht, wenn allein die Familienoberhäupter das Leben ihres Hausstands (oikos) reglementieren – um sich von den unzivilisierten Kyklopen abzugrenzen, muss derartiges auf mehrere Familien ausgebreitet werden.

Weiterhin wird durch die Beschreibung der Fauna und Flora der Insel deutlich, wie abhängig die Griechen der archaischen Epoche von der Natur und den entsprechenden Begebenheiten waren. Große und fruchtbare Weidelandschaften und die damit einhergehende Ziegenherde werden beschrieben und auch die perfekten landwirtschaftlichen Bedingungen werden betont. Die Kyklopen als unzivilisiertes Volk können mit dieser paradiesischen Insel nichts anfangen – sie können sie ja nicht einmal erreichen. Den Menschen hingegen steht der Wasserweg offen und man erkennt den großen Wert dieser Art der Fortbewegung für die Menschen der Archaik. Zusammengefasst zeigt die Gegenwelt der Kyklopen demnach, dass das zivilisierte Miteinander durch soziale und rechtliche Normen reglementiert sein muss. Dafür wiederum muss eine land- und viehwirtschaftliche Grundlage bestehen, welche die Lebensmittelversorgung einer Vielzahl von Menschen gewährleistet. Das Schiff und der Pflug sind hierfür die beiden prägnantesten und auch in der Quelle erwähnten Hilfsmittel.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Dunklen Jahre“. Um einen breiteren Einblick in die griechische Archaik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte I – Archaik“.
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