Capdeville, G., Die etruskische Disziplin […]

Capdeville, G., Die Rezeption der etruskischen Disziplin durch die gelehrten Römer, in: L. Aigner- Foresti (hgg.), Die Integration der Etrusker und das Weiterwirken etruskischen Kulturguts im republikanischen und kaiserzeitlichen Rom, Wien: Verl. der Österr. Akad. der Wiss. 1998, 385-420.

 

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Josephine Jung
Lizenz: CC-BY-NC-SA

 

1) Definieren Sie in eigenen Worten den Begriff „Etruskische Disziplin“ (Textseiten 385-397). Beachten Sie für diese und die folgenden Fragen den aufwändigen Fußnotenapparat im Text.

2) Erläutern Sie ihre Definition detaillierter. Was genau sind die Bestandteile der Etruskischen Disziplin (Textseiten 395-409)?

3) Nennen Sie drei antike Autoren, auf die Capdeville in seiner Abhandlung verweist und beschreiben Sie jeweils, wie diese Autoren über die Etruskische Disziplin berichten. Beantworten Sie die fünf W-Fragen (Wer, Was, Wann sowie nach Möglichkeit auch Wo und Warum).

4) Capdeville stellt die These auf, dass die Etruskische Disziplin integraler Bestandteil der Römischen Religion wurde, ohne, dass sich die Römer der Spätantike, wie Martianus Capella im 5. Jh. n. Chr. darüber bewusst waren. (Textseite 415-417). Fassen Sie zusammen, bei welchen Autoren Capedeville eine Trennung zwischen etruskischem und römischem Ritus innerhalb der römischen Religion erkennt und woran er dies festmacht (Textseiten 399-417).

5) Beschreiben Sie den Werdegang eines etruskischen Priesters und berücksichtigen Sie seine soziale Herkunft sowie die Voraussetzungen für die Tätigkeit (391-399).

 

Kommentar

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Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Gerard Capdeville lehrt seit 1998 als Professor an der Université Paris IV-Sorbonne antike Sprachen und Schriften: Langues et littératures anciennes. Capdeville forscht vor allem zur Römischen Religionsgeschichte, wobei er die Bedeutung und Entwicklung der Etruskischen Disziplin innerhalb der Römischen Geschichte fokussiert.

b) Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Zu Beginn sollte grundsätzlich erläutert werden, um was für ein Volk es sich bei den Etruskern handelte und in welcher Verbindung dieses Volk zu den Römern stand. Etrurien war ein Gebiet im nördlichen Italien, ungefähr die heutige Toskana. Die Etrusker sind seit Beginn des 8. Jh. v. Chr. archäologisch nachweisbar. Sie bewohnten Italien neben anderen Völkern, z.B. Umbrer oder  Latiner. Auf dem Gebiet der Latiner entstand die Stadt Rom und dessen Volk war es, welches durch Bündnisse und Kriege schließlich ganz Italien einnahm. Etrurien wurde als ein Gebiet von vielen  seit dem 3. Jh. v. Chr. von den Römern schrittweise erobert. Spätestens im Jahre 89 v. Chr. hatten alle Städte in Etrurien ihre Unabhängigkeit verloren. Wenn Cicero folglich Mitte des 1. Jhs. v. Chr. von etruskischen Priestern spricht, so handelte es sich um Römer, die als Etrusker aufgrund ihrer hohen religiösen Expertise hervorgehoben wurden.

Die besondere religiöse Kompetenz, die den Etruskern zugesprochen wurde, lag im Bereich der Weissagungstechniken, der sogenannten Mantik. Wie Capdeville gleich zu Anfang erläutert, verfügten auch die Römer über Weissagungsmethoden (Textseite 386), welche zumeist nur vom Senat oder später vom Kaiser genutzt wurden. Es handelte sich bei den römischen Techniken einerseits um die Vogelschau, durchgeführt durch die Auguren. Andererseits interpretierte man unter anderem auch Innereien von Tieren mit Hilfe der sibyllinischen Bücher, einer Spruchsammlung. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass es sich bei den eben genannten römischen Techniken und den etruskischen Methoden nicht um völlig verschiedene Formen der Weissagung handelte. Die Römer verfügten ebenso wie die Etrusker über eine Form der Leberschau, die sich jedoch anders gestaltete.

Der haruspex war als etruskischer Priester in der Lage, Vorhersagen durch die Opferschau von Innereien und durch Blitzdeutung zu treffen. Über die etruskische Leberschau sind wir aufgrund eines Fundes, einer Bronzeleber, gut informiert. Bei dieser sogenannten Bronzeleber von Piacenza handelt es sich um ein Übungsmodell für angehende Priester. Die bronzene Leber war in 16 Quadranten für bestimmte Götter (Textseite 416) mit etruskischen Schriftzeichen gekennzeichnet. Mit Hilfe des Models untersuchte der Priesterlehrling eine reale Leber. Auf der Basis welcher Prinzipien die Vorhersage entwickelt wurde, ist unklar. Es wird jedoch in der Forschung vermutet, dass je nachdem in welchem Quadranten Abweichungen, z.B. Missbildungen, zu finden waren, eine entsprechende schlechte Voraussage getroffen wurde.

Die römische Leberschau hingegen funktionierte mit Hilfe der bereits erwähnten sybillinischen Bücher. Die Befragung war aber nur auf eine Antwort mit Ja oder Nein ausgelegt. Die Etrusker hingegen waren, so glaubten die Römer, in der Lage, mit den Göttern in einen Dialog zu treten. Ein haruspex stand im Vergleich zu einen römischen Priester daher in viel engerem Kontakt zu den Göttern. Im Übrigen galten die Etrusker grundsätzlich als sehr religiös (Textseite 385).

Zu einem Synkretismus aus beiden Formen der Innereiendeutung kam es nicht. Zwar werden die etruskischen Priester unter römischer Aufsicht ab dem 3. Jh. v. Chr. in den Ritus der Römer aufgenommen, jedoch bleibt die letztliche religiöse Handlung in der Hand des etruskischen Priesters. Hervorzuheben ist zusätzlich, dass in der Forschung teilweise auch die These vertreten wird, dass die Etrusker selbst sich in den römischen Ritus integrieren wollten. Sie glaubten, sie würden sonst den Zorn ihrer eigenen Götter beschwören, wenn sie ihre Expertise nicht in den Dienst der Römer stellen würden (Textseite 417, Fußnote 133).

Diese etruskische Methode der Leberschau wurde von römischen Gelehrten im Laufe der Jahrhunderte genauestens auf ihre Wirkungs- und Funktionsweise sowie auch auf einen gewissen wissenschaftlichen Wahrheitsanspruch hin untersucht (Textseiten 400-417). Es mag dem modernen Leser aufgrund einer durch das Mittelalter geprägten Perspektive von einem grundsätzlich dogmatischem Glauben an Gott und das Wirken von Göttlichkeit in der Bevölkerung, vielleicht seltsam erscheinen, dass die Römer selbst ihre eigenen Techniken genauestens analysierten. Sie selbst versuchten zu ergründen, wie diese Methode funktionierte, da den Auftraggebern nie ein Gutachten ausgehändigt wurde. Überdies war auch eine Technik der Leberschau unbekannt. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Skepsis eines Cicero, der sicherlich als Ausnahmegelehrter bezeichnet werden kann, nicht mit einer grundsätzlichen Skepsis in der gesamten (adligen) römischen Bevölkerung verwechselt werden darf (zu Cicero siehe Textseiten 399-403).

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die etruskische Disziplin im Laufe der Kaiserzeit als Teil der Römischen Religion ihre Fremdartigkeit verlor. Das Amt des haruspex war nicht länger nur Etruskern gestattet, und die etruskische Leberschau war spätestens im 1. n. Chr. ein römischer Ritus geworden. (Textseite 415-416, insbesondere Fußnote 129).

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