Caesaropapismus

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Caesaropapismus

Leitfragen:

1.) Was wird auf dem Mosaik dargestellt?
2.) Was ist Caesaropapismus?
3.) Inwiefern lässt sich dieses Konzept in der Spätantike wiederfinden?

Kommentar:

Bei dem hier dargestellten Mosaik handelt es sich um eine figürliche Darstellung aus dem 5. Jh. n. Chr. in der spätantiken-frühbyzantinischen Kirche San Vitale in Ravenna. Die Darstellung ist Teil der besonders reichen und farbenprächtigen Mosaikausstattung der Kirche und befindet sich an einer Seite der großen Apsis. Zu sehen sind ca. 11 männliche Figuren. Das Zentrum der Darstellung dominiert der Kaiser Justinian (ca. 482-565 n. Chr.), der von seinem klerikalen Hofstaat und einigen Leibwachen umringt wird. Er hebt sich vor allem durch die aufwendig gestaltete Ikonographie von den anderen dargestellten Personen ab; er trägt ein purpurfarbenes Manteltuch, das von einer prächtigen Gewandfibel gehalten wird und die goldbesetzte Tabula – ein rechteckiges Stoffstück, welches als Ehrensymbol am Hof fungierte. In den Händen hält er eine Hostienschale. Im Gegensatz zu den dargestellten Klerikern – allein der Bischof Maximianus wird hier durch eine Inschrift namentlich benannt – schmückt den Kopf des Kaisers ein prächtiges Diadem und zusätzlich noch ein Nimbus.

Dieses Zusammenspiel von religiösen und weltlichen Attributen der Herrschaft war schon immer ein typisches Charakteristikum der Kaiserzeit. In der Spätantike wird dieses vor allem durch das Aufgreifen von orientalischen Elementen, wie dem Diadem, noch einmal gesteigert. Dies findet sich insbesondere bei den Darstellungen der oströmischen Kaiser, wie eben auch Justinian, wieder. Im byzantinischen Osten des Reiches nahm der Einfluss der Kaiser auf das Christentum immer mehr zu, während im Westen des Imperiums vor allem die Bischöfe – aufgrund der Absetzung des letzten Kaisers Romulus Augustus 476 n. Chr. – an Bedeutung gewannen. Der Kaiser im Osten verstand sich dabei als weltlicher und geistlicher Herrscher, über dem nur noch Gott selbst stand und dem dadurch eine gewisse Mittlerrolle zukam. Diese Form des Gottesgnadentums war für die antiken Zeitgenossen, man vergleiche dies mit dem Konstrukt des Kaiserkultes, allerdings keine Neuheit. Das Novum hierbei ist die Ausprägung einer Herrschaftsform, die von der modernen Forschung als „Caesaropapismus“ bezeichnet wird. Hierbei repräsentiert der Kaiser nicht mehr allein die weltliche und kirchliche Macht, sondern war in der Lage, selbst in dogmatische Streitigkeiten einzugreifen und damit letzte Instanz in allen kirchlichen Fragen zu sein. Dieses aktive Eingreifen in innerkirchliche Auseinandersetzungen, zum Beispiel durch das Einberufen von Konzilien zur Klärung schismatischer Konflikte, wäre in der frühen Kaiserzeit und in den paganen Kulten undenkbar gewesen.

Es ist seit Constantin ein erheblicher Einfluss der Kaiser auf religiöse Fragen und kirchliche Organisationsformen nicht von der Hand zu weisen, genauso wie die Anerkennung der Heiligkeit der Kaiserwürde. Dennoch ist die Machtposition der oströmischen Kaiser keinesfalls so unumstößlich, wie es den Anschein hat, denn diese konnten vor allem von Bischöfen, z.B. durch die Androhung der Exkommunikation, stark unter Druck gesetzt werden. Der Begriff des „Caesaropapismus“ lässt sich demnach nur bedingt auf das spätantike/byzantinische Herrschaftssystem anwenden. Dieses war in erster Linie aus der Allgegenwärtigkeit der Religion in der antiken Gesellschaft entstanden und von der Notwendigkeit geprägt, dass der Kaiser in der Verantwortung stand entstehende (innerkirchliche und gesellschaftliche) Konflikte schlichten zu müssen. Der oströmische Kaiser stand zu keinem Zeitpunkt unangefochten an der Spitze der Kirche und hatte diese auch nie vollständig unter Kontrolle, so räumt auch Justinian dem lokalen Klerus den angemessenen Platz an seiner Seite ein.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Kaiser, Hof, Verwaltung, Heer“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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