Hansen, M., Die Athenische Demokratie […]

Hansen, M., Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, Berlin: Akademie Verlag 1995 (Kapitel 6, 10).

 

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Jan Seehusen
Lizenz: CC-BY-NC-SA

1) Skizzieren Sie zunächst die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Volksversammlung tagte: die soziale Zusammensetzung, den Versammlungsort und dessen Größe, die Zulassung und Anzahl der Teilnehmer sowie die Einberufung und Anzahl der Sitzungen (insges. Textseiten 128-138).

2) Fassen Sie nun die Eröffnung der Volksversammlung, die Art und den Ablauf der Reden, die Rolle und Ausbildung der Redner, die Reaktion der Zuhörer und das Abstimmungsverfahren zusammen (Textseiten 146-153).

3) Lenken Sie Ihren Blick nun auf den Rat der 500: Beschreiben Sie dessen Macht, Befugnisse und sein Aussehen (Textseiten 255-256), die Sitzungen (Textseiten 260-262) sowie das Verfahren in den Ratssitzungen (Textseiten 262-263).

4) Vergleichen Sie die Betätigungsfelder der Volksversammlung (Textseiten 161-166) und des Rates der 500 (Textseiten 269-275) miteinander.

5) Hansen schreibt: „Dieses ‚probuleumatische Verfahren‘, wie Historiker es gerne nennen, wirft die Frage auf, ob die athenische Politik wirklich vom Volk in freier Debatte in der Volksversammlung gemacht wurde, oder ob die Versammlung nur Entschlüsse billigte (oder zurückwies), die schon vom Rat getroffen worden und als (konkrete) probuleumata weitergereicht waren“ (Textseite 143). Beschreiben Sie das ‚probuleumatische Verfahren‘ nach der Darstellung von Hansen, erörtern Sie die aufgeworfene Frage Hansens in Bezug auf die Volksversammlung und den Rat der 500 (besonders unter Zuhilfenahme der Textseiten 142-144 und 266-267) und geben Sie abschließend ein Sachurteil für diese Frage ab.

Kommentar

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Mogens Herman Hansen ist ein dänischer klassischer Philologe und Althistoriker. Nach seinem Studium und der Promotion in Kopenhagen forscht und lehrt er dort seit 1968. Hansen war von 1993 bis 2005 ebenfalls Leiter des ‚Copenhagen Polis Centre‘. Besonders hervorzuheben sind Hansens Verdienste um die Erforschung der athenischen Geschichte, vornehmlich der athenischen Demokratie und Verfassung. Mehrere seiner Werke wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und fanden internationale Anerkennung.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Die Erforschung der athenischen Demokratie ist eines der zentralen Betätigungsfelder der Alten Geschichte. Bis heute faszinieren die Forscherwelt die direkte Form der Demokratie und der hohe Beteiligungsgrad der Bevölkerung an politischen Abstimmungsprozessen.

Hansen geht in dem hier wiedergegebenen Auszug seines Standardwerkes ‚Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes‘ auf zwei der drei wichtigsten Institutionen des klassischen Athen ein: die Volksversammlung und den Rat der 500 (auch Boule genannt). Die dritte Institution, die im Auszug nicht zu finden ist, stellt das Volksgericht dar. Da insbesondere die Zusammenarbeit von Volksversammlung und Boule von großer Bedeutung ist, konzentriert sich der folgende Kommentar auf die Zusammensetzung von Volksversammlung und Boule sowie den politischen Bezug dieser Institutionen aufeinander.

Wenn man zunächst die Zusammensetzung der Boule betrachtet, dann fällt auf, dass ihre Bildung direkt aus den Reformen des Kleisthenes hervorgeht, deren Kenntnis Hansen hier voraussetzt: Kleisthenes schuf eine neue soziale Strukturierung Athens, die auf der Einteilung der zehn sogenannten ‚Phylen‘ beruhte. Jede Phyle bestand aus drei Trittyen, die jeweils einen Bevölkerungsteil der Stadt, Küste oder des Inlands Attikas repräsentierten. So gewährleistete Kleisthenes, dass in jeder Phyle ein territorialer Querschnitt der Bevölkerung Attikas vorhanden war. Jede Trittye ihrerseits bestand nun aus einer oder mehreren Demen, den örtlichen Gemeinden. Aus diesen Demen sei nun, so Hansen, eine Auswahl an Kandidaten getroffen worden, die als mögliche Ratsmitglieder entsandt worden seien (Textseite 256). Die endgültigen Ratsmitglieder seien nun aus den vorgeschlagenen Kandidaten der Demen mithilfe des kleroterion, der athenischen Losmaschine, ausgelost worden (Textseite 257).

Auch wenn somit das Vorschlagsrecht für Kandidaten bei den Demen lag, muss herausgestellt werden, dass die Geschäftsführung im Rat der 500 bei den Phylen lag und nicht bei den Demen: Diese seien im Wechsel für jeweils ein Zehntel des zehnmonatigen Ratsjahres als „geschäftsführender Ausschuß des Rates“ (Textseite 259) tätig gewesen.

Neben umfassenden Kompetenzen, wie der Repräsentation nach außen, der Finanzverwaltung (beide Textseite 256), der Inspizierung der Heiligtümer, Veranstaltung religiöser Feste und der militärischen Aufsicht (Textseite 269), habe die Boule vor allem die Aufgabe besessen, die Gegenstände der Volksversammlung zu diskutieren, die Tagesordnungen vorzubereiten und Dekrete vorzubereiten, über die die Volksversammlung entscheiden sollte (Textseite 266).

Wirft man nun einen Blick auf die Volksversammlung, so stellt sie die zentrale Volksvertretung dar und werde auch ekklesia genannt (Textseite 128). Wichtig ist, wie Hansen auch betont, dass als athenische Bürger nur Männer über 20 Jahre zugelassen waren, aber neben Frauen auch Metöken, Sklaven und rechtlose Bürger, die sog. atimoi, von der Volksversammlung ausgeschlossen waren (Textseiten 132-133). Die ekklesia, die auf dem Hügel Pnyx getagt habe, der 400m südwestlich der Agora zu finden und zweimal umgebaut worden sei (Textseiten 131-132), habe für ein beschlussfähiges Quorum wohl in der Regel eine Anzahl von 6.000 Teilnehmern besessen (Textseite 135) und 40 Mal im Jahr getagt (Textseiten 137-138). Abgestimmt worden sei mithilfe von Handzeichen, die von den Aufsehern, den Proedroi, geschätzt worden seien (Textseiten 152-153).

Wichtig ist es zu betonen, dass die Volksversammlung in enger Zusammenarbeit mit der Boule die probuleumata (Sg. probuleuma), Dekrete, verabschiedete (im Folgenden Textseiten 142-144). Es gab sogenannte ‚konkrete‘ und ‚offene‘ probuleumata, von denen die erstgenannten bereits ausgearbeitet worden seien und die zweitgenannten eine Diskussion innerhalb der Volksversammlung nötig gemacht hätten. Hier entzünde sich laut Hansen ein Diskurs innerhalb der Alten Geschichte: Wenn die Boule also die Sitzungen der Volksversammlung vorstrukturieren konnte, sei es dann überhaupt zutreffend, dass das athenische Volk in der Volksversammlung in freier Diskussion über diese Fragen entscheiden konnte oder habe sie nur die Dekrete der Boule gebilligt?