Die Leges Liciniae Sextiae

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Livius
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Liv. VI, 35,1-5 – Original

35. occasio videbatur rerum novandarum propter ingentem vim aeris alieni, cuius levamen mali plebes nisi suis in summo imperio locatis nullum speraret: accingendum ad eam cogitationem esse; [2] conando agendoque iam eo gradum fecisse plebeios unde, si porro adnitantur, pervenire ad summa et patribus aequari tam honore quam virtute possent. [3] in praesentia tribunos plebis fieri placuit, quo in magistratu sibimet ipsi viam ad ceteros honores aperirent. [4] creatique tribuni C. Licinius et L. Sextius promulgavere leges omnes adversus opes patriciorum et pro commodis plebis, unam de aere alieno, ut deducto eo de capite quod usuris pernumeratum esset, id quod superesset triennio aequis pensionibus persolveretur; [5] alteram de modo agrorum, ne quis plus quingenta iugera agri possideret; tertiam ne tribunorum militum comitia fierent consulumque utique alter ex plebe crearetur; cuncta ingentia et quae sine certamine maximo obtineri non possent.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Benjamin Oliver Foster
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

35. An opportunity for innovation was presented by the enormous load of debt, which the plebs could have no hope of lightening but by placing their representatives in the highest offices. [2] They therefore argued that they must gird themselves to think of this: with toil and effort the plebeians had already advanced so far that it was in their power, if they continued to exert themselves, to reach the highest ground, and to equal the patricians in honours as well as in worth. [3] For the present it was resolved that Gaius Licinius and Lucius Sextius should be elected tribunes of the plebs, a magistracy in which they might open for themselves a way to the other distinctions. [4] Once elected, they proposed only such measures as abated the influence of the patricians, while forwarding the interests of the plebs. One of these had to do with debt, providing that what had been paid as interest should be deducted from the original sum, and the remainder discharged in three annual instalments of equal size. [5] A second set a limit on lands, prohibiting anyone from holding more than five hundred iugera. A third did away with the election of military tribunes, and prescribed that of the consuls one, at any rate, should be chosen from the plebs. These were all matters of great moment, and it would not be possible to carry them without a tremendous struggle.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Falk Wackerow
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Leitfragen:

1) Welche Probleme gingen den Reformen voraus?

2) Welche revolutionären Maßnahmen bestimmten den Inhalt der Gesetze?

3) War mit den Leges Liciniae Sextiae die formale Gleichberechtigung der Stände erreicht?

Kommentar:

Im Jahre 375 v. Chr. war die Schuldenlast der Unterschichten Roms so stark angewachsen, dass sie für viele nicht mehr zu begleichen war. Die Gläubiger verfügten nach damaliger Rechtslage über die Möglichkeit, säumige Schuldner in die Leibeigenschaft zu führen. Dies führte zu massenhafter Versklavung ursprünglich freier römischer Bürger, ein für die Plebejer unerträglicher Zustand, der nur durch die Erlangung größerer politischer Macht beendet werden konnte. Daher brachten die Volkstribunen der Jahre 375-68, Lucius Sextius Lateranus und Gaius Licinius Stolo, einen Gesetzesvorschlag zur Abstimmung, durch den die Schuldensumme verringert wurde und zinslos in bis zu drei Jahren abgezahlt werden konnte. Daneben beschäftigte der höchst ungleich verteilte Landbesitz die beiden Tribunen: Er wurde für alle verbindlich nach obenhin auf 500 iugera gedeckelt. Die bedeutendste Änderung, die sie anstießen, war jedoch die paritätische Besetzung des Konsulats. Zukünftig sollten immer jeweils ein Patrizier und ein Plebejer das höchste Staatsamt gemeinsam innehaben und sich gegenseitig kontrollieren (Prinzip der Kollegialität). Damit wurde es für Plebejer deutlich einfacher, sich im Wahlkampf gegen Patrizier durchzusetzen. Die Gesetze bedeuteten einen wesentlichen konstitutionellen und institutionellen Machtzuwachs der Plebejer, die nunmehr nicht ausschließlich auf das Amt der Volkstribunen angewiesen waren, um ihre Forderungen durchzusetzen. Dennoch blieb ein – mehr und mehr dahinschmelzender – Standesunterschied zwischen Plebejern und Patriziern bis in die Spätantike bestehen, als der Titel patricius vom Kaiser an verdiente Männer verliehen werden konnte und von den alten, republikanischen Patrizierklans infolge der Bürgerkriege und verschiedener Geschehnisse nur noch eine Handvoll übrig war. Es sollten indes einige Jahre vergehen, bis der Senat nach hartnäckiger Obstruktionspolitik dem Gesetzespaket zustimmte. Erst nachdem Sextius und Licinius ihrerseits die Wahl der Militärtribunen blockierten und somit massiv die geplanten Kriegszüge störten, gaben die Senatoren ihren Widerstand auf.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Das Zeitalter der Ständekämpfe“. Um einen breiteren Einblick in die Zeit der Römischen Republik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte I – Republik“.
Hier geht’s zum Podcast