Ein Königsbrief Philipps V.

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IG IX 2, 517, Z. 4-9 – Original:

·βασιλεὺς Φίλιππος Λαρισαίων τοῖς ταγοῖς καὶ τῆι πόλει χαίρειν· Πετραῖος καὶ Ἀνάγκιππος καὶ Ἀριστόνους ὡς ἀπὸ τῆς πρεσβείας ἐγένοντο, ἐνεφάνιζόν μοι ὅτι καὶ ἡ ὑμετέρα πόλις διὰ τοὺς πολέμους προσδεῖται πλεόνων οἰκητῶν· ἕως ἂν οὖν καὶ ἑτέρους ἐπινοήσωμεν ἀξίους τοῦ παρ’ ὑμῖν πολιτεύματος, ἐπὶ τοῦ παρόντος κρίνω ψηφίσασθαι ὑμᾶς ὅπως τοῖς κατοικοῦσιν παρ’ ὑμῖν Θεσσαλῶν ἢ τῶν ἄλλων Ἑλλήνων δοθῆι πολιτεία. τούτου γὰρ συντελεσθέντος καὶ συνμεινάν-των πάντων διὰ τὰ φιλάνθρωπα πέπεισμαι ἕτερά τε πολλὰ τῶν χρησίμων ἔσεσθαι καὶ ἐμοὶ καὶ τῆι πόλει καὶ τὴνχώραν μᾶλλον ἐξεργασθήσεσθαι. ἔτους βʹ Ὑπερβερεταίου καʹ.

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Übersetzung: C. Bradford Welles
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Übersetzung:

King Philip to the tagoi and the city of the Larisaeans greeting. When Petraios and Anankippos and Aristonous returned from their embassy, they revealed to me that your city too is in need of more inhabitants on account of the wars.Until we shall consider that others too are worthy of your state, for the present it is my decision that you pass a decree in order that citizenship may be given to those of the Thessalians or the other Greeks who dwell among you. For when this has been accomplished and all have remained together on account of the kindnesses, I am convinced both that many other useful things will accrue both to me and to the city and also that the land will be worked to a greater extent. Year 5, the 21st day of Hyperberetaios.

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Autor_in: Agnes von der Decken
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I G IX 2, 517, Z. 4-9

Leitfragen:

1) Wovon handelt der Königsbrief?

2) Was erfahren wir aus der Quelle über den historischen Kontext?

3) Was sagt die Inschrift über die Herrschaft des makedonischen Königs aus?

Kommentar:

Die oben angegebene Inschrift, ein sogenannter Königsbrief, befindet sich auf der großen Marmor-Stele (einer mit einer Inschrift versehenen, aufrechtstehenden Steinplatte) aus Larisa. Die Stele trägt zwei Briefe Philipps V. an die Stadt Larisa, zwei Beschlüsse dieser Gemeinde sowie eine dem zweiten Beschluss (unvollständig) angefügte Auflistung von mehr als 200 Neubürgern. Bei der oben angeführten Inschrift handelt es sich lediglich um den ersten Brief Philipps V. an die Stadt Larisa. Hierin schreibt Philipp, dass er durch eine Gesandtschaft erfahren habe, dass Larisa aufgrund der Kriege Bedarf an zusätzlichen Bürgern habe. Deshalb regt Philipp an, Larisa möge den auf ihrem Territorium ansässigen Thessalern und anderen Griechen das städtische Bürgerrecht verleihen. Auf diese Weise würde der durch den Krieg entstandene Mangel an Bewohnern behoben. Philipp verspricht zudem, dass daraus positive Folgen für ihn selbst sowie die Stadt erwachsen würden und dass das Land nun stärker bebaut werden könne.

Aus der Inschrift erfahren wir, dass Gesandte der Stadt Larisa den makedonischen König Philipp V. wissen lassen haben, dass ihre Stadt wegen des Krieges an Bevölkerungsmangel litt. Zudem geht aus Philipps Versprechen, das Land würde durch neue Bewohner stärker bebaut werden können, hervor, dass im Gebiet von Larisa das Land mangelhaft bestellt wurde. Hiermit wird die eigentliche Ursache der Not angesprochen: Das Land konnte nicht mehr ausreichend bestellt werden. Die Lösung dafür war die Verleihung des Bürgerrechts an Metöken (in der Stadt lebende Fremde ohne Bürgerrecht). Denn: Mit der Aufnahme neuer Personen in die Bürgerschaft ging auch das Recht auf Grunderwerb einher. Somit sollte gesichert werden, dass brachliegende Landstriche neu bestellt werden konnten. All dies lässt jedoch vermuten, dass weite Teile des Territoriums von Larisa verwüstet waren. Da Philipp in seinem Brief von einem Krieg spricht, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Bundesgenossenkriege (220-217 v. Chr.) die Ursache für die Schäden in Larisa darstellten. Die Datierung des Königsbriefes um das Jahr 216 v. Chr. unterstützt diese Annahme. Mit seinem Brief an die Lariser reagierte Philipp V. also auf die Kriegsfolgen des Bundesgenossenkrieges.

Mit dem Königsbrief teilte Philipp V. der Stadt Larisa die Anordnung mit, neue Bürger in die Bürgerschaft aufzunehmen. Es handelte sich hierbei um einen typischen Bereich städtischen Lebens, in welchen der hellenistische König eingriff. Dabei kamen persönliche Anordnungen und Weisungen des Königs Gesetzen gleich, denn die hellenistischen Könige standen grundsätzlich über den Städten und damit auch über jedem städtischen Gesetz. Die Städte waren daher von den Entscheidungen der Könige abhängig. Dies ist der Grund dafür, dass königliche Briefe von den Städten, wie auch die Stele aus Larisa zeigt, sorgsam und dauerhaft auf Stein aufgezeichnet wurden. Die Beschlüsse des Königs wurden damit langfristig konserviert. Allerdings war es den Städten auch möglich, Einfluss auf die Entscheidungen des Königs zu nehmen, etwa mittels einer Gesandtschaft an die Höfe des Herrschers. Auch im Königsbrief von Larisa heißt es, dass dem Beschluss Philipps V. eine städtische Gesandtschaft vorausging. Insofern waren die königliche und die städtische Politik wechselseitig miteinander verwoben. Oftmals waren die Herrscher dabei auch gar nicht die Politik-Gestaltenden, sondern reagierten lediglich auf konkrete Anfragen und Bitten einer Stadt.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Antigoniden und die Bünde“. Um einen breiteren Einblick in den griechischen Hellenismus zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte III – Hellenismus“.
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