Hölkeskamp, K.-J., Politische Kultur […] II

Hölkeskamp, K.-J., Konsens und Konkurrenz. Die politische Kultur der Republik in neuer Sicht, in: Klio, 88, Heft 2 (2006), S.360–396.
 

 

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Josephine Jung
Lizenz: CC-BY-NC-SA

1) Beschreiben Sie in eigenen Worten den Unterschied zwischen der traditionellen Verfassungs- und Ereignisgeschichte der römischen Republik und der Geschichte der politischen Kultur Roms nach Hölkeskamp (insbesondere Textseiten 361-364).

2) Erklären Sie in je einem Satz, was Hölkeskamp mit den Begriffen „Inhalts- und Ausdrucksebene“ meint (Textseite 364).

3) Nach Hölkeskamp hatte die römische Republik eine spezifisch-römische Ausprägung von Demokratie in Form der jährlichen Wahlen zu den einzelnen Ämtern (Textseiten 374-376). Inwieweit lassen sich diese Wahlen der Volksversammlungen als demokratisch bezeichnen und inwieweit nicht? Begründen Sie Ihre Entscheidung.

4) Mit welchen lateinischen Begriffen lässt sich das moderne Konstrukt des „symbolischen Kapitals“ umschreiben (Textseiten 389-394)? Schlagen Sie die Bedeutung von fünf Begriffen nach und erläutern Sie diese im Zusammenhang mit dem Begriff „symbolisches Kapital“.

Kommentar

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Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp lehrte zunächst 1994 und 1995 an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald als ordentlicher Professor. Von 1995 bis 2019 lehrte er das Fach Alte Geschichte an der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Römischen Republik. Hölkeskamp beschäftigt sich vor allem mit der republikanischen Aristokratie und der politischen Kultur der Römischen Republik. Er ist zusammen mit seiner Frau apl. Prof. Dr. Elke Stein-Hölkeskamp Trägerin des Karl-Christ-Preises, welcher herausragende wissenschaftliche Verdienste für die Alte Geschichte prämiert und auszeichnet.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Hölkeskamp legt in seinem Aufsatz verschiedene methodische Vorgehen dar, die dazu dienen, eine überholte Ansicht über den Charakter der römischen Republik auf politischer Ebene zu revidieren bzw. zu ergänzen. Einerseits nimmt eHölkeskamp dabei die politische Führungsschicht, den aristokratischen Senatsadel (2. Kapitel „Stand“, „Klasse“ oder „Status“: Senatsadel und Nobilität), anderseits deren Kommunikationsmuster und Agitation im politischen Raum (3. Kapitel Konkurrenz und Konsens: Komplementarität als Kategorie; 4. Kapitel Der Kern des Konsenses: das „symbolische Kapital“) in den Fokus.

Bezüglich des ersten Aspekts erläutert Hölkeskamp dezidiert, welche Familien in der römischen Geschichte ein politisches Potenzial besaßen, um das höchste Amt des Konsuls bekleiden zu können. Er klärt, dass nicht allein die Abkunft aus einer berühmten Konsulenfamilie einen Mann auch zum Konsul machte. Erst Können, Geld und Glück konnten jemanden zum Konsul werden lassen, aber das garantierte den folgenden Generationen nicht ebenfalls eine Anwärterschaft auf das oberste Amt (Textseite 369). Dies lag vor allem auch daran, dass jeder Anwärter als junger Mann den cursus honorum, eine vierteilige Ämterlaufbahn, erfolgreich meistern musste, um schließlich Konsul werden zu können. Hervorzuheben ist, dass die Anzahl an Ämtern auf jeder Laufbahnebene geringer wurde (Textseite 375). Folglich war es nicht gesichert, dass alle, die die Laufbahn starteten, auch das Amt des Konsuls erreichen konnten. Weiterhin kostete eine verlorene Wahl zum Konsul Geld und Mühen. Spätestens bei der zweiten oder dritten erfolglosen Wahl war der Kandidat geschwächt und hatte kaum mehr Aussichten auf das Amt des Konsuls.

Wie Hölkeskamp hervorhebt, waren politische Ämter ab dem 3. Jh. v. Chr. zunehmend offener für alle wohlhabenden und fähigen Bürger, wobei natürlich eine Kompetenz in militärischen, rhetorischen oder rechtlichen Belangen nur unter der Voraussetzung von finanzieller Unabhängigkeit gegeben war. Gleichzeitig ist zu betonen, dass nahezu alle adligen Sprösslinge in diesem Pool der Anwärter auf politische Ämter zu finden waren, wenn sie zumindest geistig und körperlich dazu in der Lage waren. Das bestimmende Element des politischen und damit auch des aristokratischen Lebens war diese Ämterlaufbahn (Textseite 374).

Für das 3. dritte Kapitel „Konkurrenz und Konsens: Komplementarität als Kategorie“ ist eine Begriffsklärung notwendig. Was meint Hölkeskamp mit dem Ausspruch „Komplementarität als Kategorie“? Der Begriff „komplementär“ meint im eigentlichen Sinne zwei oder mehrere gegensätzliche oder grundverschiedene Eigenschaften, die sich jedoch gegenseitig ergänzen. Konkurrenz und Konsens können nun als zwei sich gegenseitig ergänzende Elemente in der politischen Kultur der römischen Republik bezeichnet werden.

„Konkurrenz“ meint bei Hölkeskamp die Konkurrenz der senatorischen Adelsgeschlechter untereinander um die Posten im cursus honorum, welche ihnen am Ende Ruhm, Würde und Ehre ermöglichen (Textseiten 377-379). Diese Konkurrenz funktioniert aber nur insoweit wie ein sich ergänzender Konsens vorherrscht, den alle akzeptieren (Textseite 382). Der Konsens seinerseits ist bei Hölkeskamp zweigeteilt. Er besteht erstens in der Annahme einer Korrektheit der Bedingungen zur Erlangung der höchsten Ämter. Der Konsens besteht im Vertrauen auf den korrekten und immer gleichen Ablauf der Meinungsbildung, der Wahlen und der Gesetzgebung. Dieser von Hölkeskamp skizzierte Konsens, welcher als Grundpfeiler der politischer Kultur der Römischen Republik angesehen werden kann, wurde seit dem 2. Jh. v. Chr. zunehmend von Einzelpersonen durch Bestechung, Betrug und Stimmenkauf unterminiert. Als Cicero selbst den cursus honorum absolvierte, war der Stimmenkauf ein offenes Geheimnis, wobei ein solches Unterfangen nur den reichsten Bürgern wie Caesar oder Crassus möglich war.

Zweitens besteht der Konsens auch darin, sich die Gunst des Masse zu erhalten (Textseite 384). Ohne diese Gunst ist die Messbarkeit der eigenen Erfolge nicht gegeben, und auch die eigene Hierarchisierung gegenüber dem Volk als Amtsinhaber wäre nicht möglich. Die eigene Legitimation als Amtsinhaber würde fehlen. Der Konsens besteht also auch in einer permanenten Rückversicherung mit der Gewogenheit breiter Bevölkerungsschichten.

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass die politische Kultur Roms nicht das Herrschen einer geschlossenen Klasse über eine andere niedrig gestellte Klasse darstellt, sondern vielmehr von einer Konkurrenz um herausragende Positionen gekennzeichnet ist. Nur der Fähigste unter den Bewerbern konnte sich nach bestimmten Regeln, über die sich alle einig waren, durchsetzen. Der Amtsinhaber wurde an seinem Umgang und an seinen Erfolgen für das Volk gemessen, von dem er selbst wiederum erwählt wurde.

Hinsichtlich des vierten Teils „Der Kern des Konsens: das symbolische Kapital“ ist zu bemerken, dass der Begriff „symbolisches Kapital“ von den Theorien Pierre Bourdieu abgeleitet ist. Bourdieu selbst schuf weiterhin die Begriffe „ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital“. Nach Bourdieu verfügt jeder Mensch in einer Gesellschaft über Ressourcen, die aus einem oder aus mehreren Bereichen seiner vier Kapital-Bereiche stammen. „Symbolisches Kapital“ können Menschen nach Bourdieu durch Anerkennung erwerben. Es handelt sich um Ehrenkapital und Ansehen, welches nicht zwingend mit einem hohen ökonomischen Kapital (Geld, Immobilien) verbunden sein muss. In der römischen Republik war hingegen das symbolische Kapital direkt auch mit dem ökonomischen Kapital verbunden, wobei die finanzielle Absicherung kein Garant für symbolisches Kapital war. Als Beispiel für symbolisches Kapital nennt Hölkeskamp u.a. Ämter, Triumphe, dh. Triumphzüge, die Feldherren gewährt wurden (Textseite 386) und eine Ahnenreihe von Konsuln (Textseite 391). Während des Triumphzugs durch die Stadt Rom erlangte ein Feldherr z.B. großes Ansehen und Ruhm, da er seine eroberten Gebiete durch Bilder, gefangene Tiere und Sklaven zur Schau stellen konnte.

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Sehen Sie in diesem Zusammenhang auch den Beitrag zum Aufsatz von Hölkeskamp.