02 – Die iulisch – claudische Dynastie, die Flavier

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in:
Werner Rieß
Lizenz:
CC-BY-NC-SA

Römische Geschichte II: Die Kaiserzeit

02 – Die iulisch-claudische und die flavische Dynastie

In diesem Podcast soll es im Wesentlichen um das 1. Jh. n. Chr. gehen, um die Zeit vom Tod des Augustus 14 n. Chr. bis zum Tod Domitians, dem letzten Flavier. Es versteht sich von selbst, dass die Kaiserpersönlichkeiten in diesem Rahmen nur kurz angesprochen und die wichtigsten Ereignisse nur erwähnt werden können.
Augustus hatte schon früh die Errichtung einer Dynastie geplant. Bzgl. der Nachfolge entfernte er sich also am weitesten weg von der Republik. Leider starben ihm im Laufe der Jahre alle designierten Nachfolger weg, so dass am Ende nur noch Tiberius, der Sohn Livias aus erster Ehe, übrig blieb. Tiberius war also kein leiblicher Sohn des Augustus und war trotz seiner sorgfältigen Ausbildung und seiner militärischen Fähigkeiten und Erfolge immer als „fünftes Rad am Wagen“ behandelt worden, was ihn Zeit seines Lebens prägen sollte. Die Herrschaft ging auf ihn beim Tod des Augustus problemlos über, allerdings hatte er enorme Schwierigkeiten, in die großen Fußstapfen des Augustus zu treten. Er war beim Herrschaftsantritt 56 Jahre alt und dachte altrömisch-aristokratisch, wollte also gar kein Kaiser sein. Er war keine gewinnende Persönlichkeit und kein guter Kommunikator, wir würden sagen, er war schlecht in der Außendarstellung, und so wurde eine der ersten Senatssitzungen gleich eine Peinlichkeit. Er wollte nur Teile der Aufgaben eines Prinzeps übernehmen. Im Gegensatz zu Augustus meinte er aber diesen teilweisen Machtverzicht ernst, was die Senatoren nicht verstanden. Sie trugen ihm die vollen Machtbefugnisse wieder an, die er dann nolens volens annehmen musste. Die primus inter pares-Idee, also dass er nur der Erste unter den ihm gleichgestellten Senatoren sei, ist also sofort gescheitert. Tacitus zeichnet ein sehr widersprüchliches Bild vom zweiten Kaiser, teilweise stellt er die Widersprüche kontrapunktisch nebeneinander. Er lehnt den Titel Imperator und die kultische Verehrung seiner Person ab. Er betreibt eine strenge Sparpolitik und initiiert keine großen Baumaßnahmen in Rom. Bei Naturkatastrophen ist er großzügiger als alle anderen Kaiser nach ihm. In der Außenpolitik verfolgt er eine defensive Linie, v.a. in Germanien. Er beruft Germanicus, den Großneffen des Augustus, aus Germanien ab und überträgt ihm ein großes Kommando im Osten, um Armenien und Kappadokien neu zu ordnen. Im Osten kommt der charismatische und sehr beliebte Germanicus, auf den Tiberius sicher neidisch war, in Konflikt mit dem Statthalter von Syrien, Piso. Germanicus stirbt 19 n. Chr. unter ungeklärten Umständen. Zwei inschriftliche Zeugnisse, die Tabula Siarensis und die Tabula Hebana, haben uns die Ehrungen für Germanicus überliefert, in die Tiberius widerwillig einwilligen musste. Ab 24 n. Chr. gab es viele Majestätsprozesse, in denen Senatoren ums Leben kamen. In der Oberschicht herrschte Angst und gegenseitiges Misstrauen; Haß auf Tiberius verbreitete sich. Tiberius zog sich immer mehr aus den Amtsgeschäften zurück und überließ sie in zunehmendem Maße dem ehrgeizigen Prätorianerpräfekten Sejan. Dieser wurde immer mächtiger, vielleicht plante er am Ende sogar eine Verschwörung gegen Tiberius. Wie auch immer, Sejan fiel in Ungnade und wurde hingerichtet. Aller Vertrauten beraubt und zutiefst verbittert starb Tiberius 37. n. Chr. in Misenum. Selbst nach seinem Tod erkennen wir, dass die römische Öffentlichkeit ein widersprüchliches Bild von ihm hatte. Tiberius wurde vielfach gehasst, verfiel aber nicht der damnatio memoriae, also der Tilgung des Namens aus allen öffentlichen Dokumenten. Stattdessen bekam er ein Staatsbegräbnis, allerdings ohne Konsekration.
Unter den nächsten Kaisern der iulisch-claudischen Dynastie, Caligula, Claudius und Nero werden die Verhältnisse prekärer. Caligula war durch seine Jugend und mit seinen überspannten Ideen ein starker Kontrast zu Tiberius. Er war Sohn des Germanicus und Agrippinas der Älteren. Die Prätorianer riefen ihn zum Kaiser aus, was der Senat bestätigte. Am Anfang machte er sich durch volksfreundliche Maßnahmen beliebt, allerdings erkrankte er dann schwer und lebte danach nur noch seinen Launen und Gelüsten. Sein Gebahren wurden zunehmend autokratischer; er forderte, ganz im Gegensatz zu Tiberius, kultische Verehrung für sich und geriet dadurch auch in Konflikt mit dem Judentum. Der Luxus am Hof nahm noch nie dagewesene Formen an, so wurde zwischen Puteoli und Bauli eine Schiffsbrücke erbaut. Feldzüge im Westen, an denen er teilnahm, waren lächerliche Unternehmungen. Die so gefürchteten Majestätsprozesse wurden wieder aufgenommen. Er zwang den Prätorianerpräfekten Macro, der ihm zum Thron verholfen hatte, sowie viele Senatoren zum Selbstmord. Die Anekdote, dass er sein Lieblingspferd zum Konsul machte, wird heute unterschiedlich gedeutet. Aloys Winterling betont in seiner Biographie über Caligula, dass er gerade nicht wahnsinnig oder völlig irrational gehandelt habe, sondern dass er die tatsächlichen Machtverhältnisse mit ihm als allmächtigem Potentaten und einem völlig machtlosen Senat schonungslos offenbarte. Verschiedene Verschwörerkreise bildeten sich, so dass Caligula 41 n. Chr. einem Attentat, verübt durch Gardetribune, zum Opfer fiel.
In diesem Moment diskutiert der Senat zum letzten Mal die Möglichkeit der Rückkehr zur Republik, aber die Prätorianer schufen sofort Fakten: Sie zogen Claudius, den Onkel des Caligula und Bruder des Germanicus, hinter einem Vorhang hervor und riefen ihn zum Kaiser auf; dem Senat blieb nichts anderes übrig als zuzustimmen. Claudius galt als intelligent, aber er stotterte und galt auch aufgrund seiner historischen, philologischen und antiquarischen Interessen als verschroben. Er schrieb Bücher über etruskische und karthagische Geschichte und unternahm eine Rechtschreibreform, indem er drei neue Buchstaben ins lateinische Alphabet einführte, die sich aber nicht durchsetzten.
Persönlich war Claudius schwach, deshalb brauchte er außenpolitische Erfolge. Mit einer großen Invasionsarmee wird Britannien zwar erobert, doch der Ausbau zur Provinz nahm noch Jahrzehnte in Anspruch. Am Ende der Regierungszeit des Claudius sollten sechs neue Provinzen hinzugekommen sein, Britannien und die beiden Mauretanien waren ganz neue Provinzen, Lycia, Thracia und Judaea waren schon vorher abhängig, aber wurden jetzt vollends provinzialisiert. Ganz klar liegen die Verdienste in der Außenpolitik bei fähigen Kommandeuren. In der Innenpolitik ist schwerer zu unterscheiden, welche Initiativen vom Kaiser bzw. von seinen mächtigen Freigelassenen ausging: Narcissus war als ab epistulis für alle offiziellen Verfügungen zuständig, Pallas war als a rationibus eine Art Finanzminister, Polybios als a studiis eine Art Archivleiter und Kallistos bearbeitete als a libellis die Bittgesuche an den Kaiser. Diese vier Männer waren mit ihren Stäben offenbar sehr fähig und effektiv und trugen wesentlich zu einer weiteren Versachlichung der Herrschaft und zu einer weiteren Bürokratisierung bei. Claudius selbst war sehr aktiv in der Rechtsprechung. Im Jahre 47/48 n. Chr. bekleidete er die Zensur, in deren Rahmen er den gallischen Notablen das ius honorum verlieh, also das Recht, sich um einen Sitz im Senat zu bewerben.
Auch sonst ist seine Bürgerrechtspolitik großzügiger als die des Augustus oder Tiberius. Unter Claudius beginnt offenbar die Praxis der Ausstellung der sogenannten Militärdiplome. Auxiliarsoldaten bekamen nach Ablauf ihrer Dienstzeit das römische Bürgerrecht, eine richtungsweisende Entscheidung, welche das römische Militär zu einem Integrationsmotor machte.
Privat war Claudius schwach, er war sehr von seinen Frauen abhängig. In dritter Ehe war er mit der nymphomanen Messalina verheiratet. Sie ging unerschrocken parallel zu ihrer Ehe mit Claudius eine zweite Ehe ein. Narcissus schritt schließlich ein und richtete sie sowie ihren neuen Ehemann hin. Pallas bestimmte dann für den Prinzeps die nächste Ehefrau. Die Wahl fiel auf die ehrgeizige Agrippina die Jüngere, die älteste Tocher des Germanicus, eine Nichte des Claudius. In die Ehe brachte sie ihren Sohn Nero mit und tat fortan alles, um ihrem Sohn den Weg zum Thron zu ebnen.
Die Bilanz der Regierungszeit des Claudius muss also zwiespältig ausfallen. Persönlich war der Kaiser schwach, aber in einigen Bereichen wurden richtungsweisende Weichen gestellt: Mehr Ritter kamen in den Reichsdienst, die Verwaltung hatte sich verbessert, sechs Provinzen waren hinzugewonnen wurden, die Bürgerrechtspolitik wurde liberaler. Bei all dem ist für uns jedoch schwer erkennbar, inwieweit der Kaiser selbst für diese Maßnahmen verantwortlich war oder aber seine fähigen Freigelassenen.
Die Machtübernahme Neros wurde von seiner Mutter, Agrippina der Jüngeren, von langer Hand vorbereitet: Sie überredete Claudius, Nero zu adoptieren und ihn mit Octavia, der Tochter des Claudius, zu verheiraten. Seneca wurde zurückgeholt und zum Prinzenerzieher gemacht, ein gewisser Burrus zum Prätorianerpräfekten erhoben, alles Männer, deren Loyalität sich Agrippina sicher sein konnte. Claudius fiel schließlich einem Giftanschlag zum Opfer, der Weg für Nero war frei!
Am Anfang stand er ganz unter dem Einfluss seiner Mutter, Senecas und Burrus‘, so dass ein gemäßigtes Regime die Folge war. Doch allmählich emanzipierte sich der junge Prinzeps von seinen Förderern. Die ersten Opfer waren übrigens Narcissus und Pallas, womit Nero mit der Verwaltungstradition seines Vorgängers brach. Er interessierte sich fast ausschließlich für alle Formen von Kunst und glaubte fest an seine Mission als begabter Sänger. Er liebte Auftritte und das „Sich selbst in Szene-Setzen“. Als großer Fan des Griechentums begab er sich schließlich auf eine große Griechenlandtournee, wobei die Städte, die musische Wettkämpfe veranstalteten, ihm schon im Voraus die Siegerkränze schickten.
Rücksichtslos entledigte sich Nero aller Menschen in seiner Umgebung, die seinem autokratischen Regierungsstil im Wege stehen hätten können. Er lässt im Jahre 55 Britannicus vergiften, 62 ermordet er seine Frau Octavia; am spektakulärsten schildert Tacitus jedoch die Ermordung seiner eigenen Mutter (59), die nur in mehreren Anläufen zu bewerkstelligen war. Diese sinistren Passagen im Werk des Tacitus sind zweifelsohne Teil der Weltliteratur. Spätestens jetzt war klar, dass Nero der Obhut Senecas und Burrus‘ entglitten war, ja dass sie selbst desavouiert waren.
Im Jahre 64 kam es zum berühmten Brand Roms. Tacitus erwähnt Gerüchte, dass Nero diesen Brand gelegt habe, doch beweisen lässt sich hier nichts. Man suchte und fand schnell einen Sündenbock, die Christen, die mittlerweile auch in Rom lebten. Nero statuierte an ihnen die grausamsten Exempel. Tacitus ist weit davon entfernt, eine Lanze für die Christen zu brechen, doch schreibt er, dass die Leiden der Christen bei den Zuschauern Mitleid erregt hätten. Auf der abgebrannten riesigen Fläche entstand in der Folgezeit, auf teuerstem Stadtgebiet, die domus aurea, das Goldene Haus, ein riesiger Palastkomplex für Nero mit modernsten architektonischen Raffinessen wie einer drehbaren Kuppel.
Die Opposition gegen Nero nahm zu. Die Pisonische Verschwörung, der wohl auch Seneca angehörte, wurde 65 n. Chr. aufgedeckt, Senca musste sich das Leben nehmen. Burrus war schon 62 n. Chr. gestorben, so dass es für Nero nun kein Halten mehr gab, er aber auch seine wichtigsten Berater verloren hatte. Der Anfang vom Ende hatte begonnen. Im Jahre 66 n. Chr. brach im Osten der große Jüdische Aufstand los, bei dessen Niederschlagung durch die Römer sich Vespasian besonders auszeichnete. Als im Jahre 68 sich alle von Nero abwandten, Galba auch in Rom zum Kaiser ausgerufen wurde, der Senat Nero absetzte und ächtete, blieb ihm nur noch der Selbstmord. Die iulisch-claudische Dynastie war zu Ende.
Die Ereignisse des Vierkaiserjahres, in dem Galba, Otho, Vitellius und Vespasian um die Kaiserwürde kämpften, können im Rahmen dieses Podcasts nicht nachvollzogen werden. Es sei auf Tacitus‘ Historien verwiesen, welche diese Umbruchszeit mit all den Greueltaten ausführlich schildern. Wichtig ist aber, dass Tacitus erkennt, worin die arcana imperii liegen, also das Geheimnis des Kaiserreichs, nämlich darin, dass das Kaisertum, ähnlich wie im Hellenismus, auf dem Schlachtfeld gewonnen wird. Im Prinzip wird ähnlich wie in der Bürgerkriegssituation der 40er und 30er v. Chr. die faktische Macht mit Hilfe des Militärs usurpiert, eines Militärs, das sich nicht einer res publica oder einem abstrakten Kaisertum verpflichtet fühlt, sondern einzig und allein einem starken General, für den man auch bereit war, gegen Mitbürger zu kämpfen. Diese Situation des Bürgerkriegs nach Abbruch einer Dynastie wird uns im Laufe des Durchgans durch die römische Geschichte noch öfter beschäftigen.
Blenden wir ans Ende des Vierkaiserjahres. Flavische Truppen erobern in schweren Straßenkämpfen Rom, Vitellius kommt dabei um. Domitian, der Sohn Vespasians, führt Säuberungsaktionen durch, sein Vater kommt erst im Sommer 70 aus dem Osten nach Rom.
Vespasian und seine Familie konnten auf keine illustre Ahnenreihe zurückblicken. Der Großvater stammte aus Reate im Sabinerland. Seinen Aufstieg verdankte er seinen militärischen Fähigkeiten, er fiel in die Zeit des Caligula und Claudius. Den Oberbefehl über den Krieg in Judaea bekam er von Nero, weil er als zuverlässig galt. Sein Sohn Titus eroberte Jerusalem im Jahre 70 mit ungeheuren Massakern. Die Beute wurde demonstrativ im Jahre 71 bei einem Triumphzug in Rom zur Schau gestellt, darunter auch der berühmte siebenarmige Leuchter, der auf dem Titusbogen abgebildet ist. Aus der Beute wurde übrigens auch das Kolosseum finanziert, genau an der Stelle, wo der See im Goldenen Haus Neros war, ein deutliches Statement des neuen Kaisers, dass er der Stadt diesen Raum wieder als öffentlichen Raum zurückgab.
Da Vespasian mit der iulisch-claudischen Dynastie nicht verwandt war, stellte sich nun das Problem der Legitimation. In der sogenannten lex de imperio Vespasiani, die wir inschriftlich erhalten haben, ließ sich Vespasian alle Machtbefugnisse und Kompetenzen der Vorgänger übertragen. Auch formaljuristisch war Vespasian nun vollkommen legitimiert. Der Prinzipat war nun zu einer Verfassungsform geworden. Gemeinsam mit Titus, den er sogleich zum Mitregenten erhoben hatte, bekleidete er 73/74 die Zensur, stieß Gegner aus Senat und Ritterschaft aus und ergänzte die Reihen mit treuen Leuten aus Italien und auch aus den Westprovinzen. Bedeutsam für die Geschichte der römischen Provinzen ist der Umstand, dass Vespasian 74 n. Chr. ganz Spanien das latinische Recht verlieh. Die Armee wurde neu organisiert, eine neue Phase des sachlichen Bauens begann, wie wir die architektonische Entwicklung beschreiben würden. Ähnlich wie unter Augustus ging es um die Restaurierung von Kapitol, Jupitertempel und Vestatempel. Ein neuer Tempel des Friedens wurde gebaut. Auf allen Ebenen fand eine Konsolidierung statt. Vespasians Nüchternheit, Bodenständigkeit und Sparsamkeit wurden sprichwörtlich. Als er selbst die Benutzung öffentlicher Latrinen besteuerte und ihm das vorgehalten wurde, soll er gesagt haben: pecunia non olet, Geld stinkt nicht. Ganz in Abkehr vom überspannten Nero verkörperte Vespasian bewusst die wertkonservative, altitalische Art.
Als Vespasian 79 starb, übernahm Titus die Herrschaft problemlos, von vornherein war er von Vespasian als Nachfolger designiert und aufgebaut worden. Ähnlich wie Germanicus war Titus begabt und v.a. charismatisch und beim Volk beliebt. Dass er einen so glänzenden Sieg in Judaea zustande gebracht hatte, nötigte allen Respekt ab. Einzig und allein wurde ihm angekreidet, dass er die jüdische Königin Berenike als seine Geliebte nach Rom brachte, von der er sich allerdings bei seiner Thronbesteigung trennte. Gleich in seinem ersten Regierungsjahr musste er eine Naturkatastrophe lindern helfen: Der Vesuv hatte die Städte Pompeji, Herculaneum und Stabiae verschüttet und Tausende von Überlebenden mussten versorgt werden. Er regierte während seiner kurzen Regierungszeit ganz im Sinne seines Vaters und starb überraschend im Jahr 81 n. Chr.
Domitian, Titus‘ Bruder, kam ohne Probleme an die Macht. Seine Position ist durchaus mit der des Tiberius vergleichbar. Zeit seines Lebens stand er im Schatten seines Bruders, wurde Titus ihm vorgezogen. Domitian war ein überaus fähiger Verwalter und Militär, allerdings hat sich sein Bild durch schlechte senatorische Presse sehr verdunkelt. Fakt ist, dass Domitian anfangs eine Expansion in Britannien unterstützte, auch eine Eroberung Irlands schien möglich. Schließlich scheint Domitian dann aber doch zu einer realistischen Einschätzung der Ressourcen Roms gekommen zu sein, denn er berief Agricola, den Schwiegervater des Tacitus, ab, der ganz im republikanischen Stil die Grenzen des Imperiums ausdehnen wollte. Tacitus macht aus einer wahrscheinlich rationalen Entscheidung, die sich nicht gegen Agricola persönlich richtete, die Aktion eines Tyrannen, der auf den militärischen Erfolg des Agricola nur neidisch war. 83 leitet Domitian persönlich einen Feldzug gegen die Chatten von Mainz aus und stößt dabei in die Wetterau und den Taunus vor. Bei dieser Gelegenheit lässt er Schneisen in die Wälder schlagen, sogenannte limites. Sie dienen der Grenzmarkierung und erleichtern die Kontrolle des Vorfeldes. Auch der später ausgebaute obergermanisch-rätische Limes war nie ein eiserner Vorhang, sondern eine Demarkationslinie, an der intensiv Handel getrieben wurde zwischen den Germanen und den an der Grenze stationierten Römern. Wie die neuere Forschung gezeigt hat, entstand gerade in diesen Grenzregionen ein florierender Wirtschaftsraum, der auf die Germanen geradezu eine Magnetwirkung ausübte.
Vor 90 n. Chr. wurden die Heeresbezirke von Ober- und Niedergermanien offenbar in Provinzen umgewandelt. Mit der allmählichen Entstehung des obergermanisch-rätischen Limes wurde das Reich im Norden konsolidiert, die Expansionspläne des Germanicus wurden aufgegeben, die Politik des Tiberius wurde verwirklicht. Im Osten gestalteten sich die Dinge weniger vorteilhaft. Schwere Dakerkriege zeigten den Römern die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit auf, sie erlitten Niederlagen, Offensiven gerieten ins Stocken, Domitian musste mit dem Dakerkönig Decebalus einen Komromissfrieden schließen. Während am Rhein Ruhe herrschte, blieb der Donauraum unruhig. Domitian leitete eine Defensivpolitik ein, die Hadrian wieder fortsetzen sollte. Im Prinzip sollte Trajan mit seiner Offensivpolitik eine Ausnahme bleiben.
Wichtig ist, dass Domitian ein neues Selbstverständnis von seiner Herrschaft entwickelte. Er übernahm 85 die Zensur auf Lebenszeit und nahm die Erneuerung der altrömischen Werte sehr ernst. Er war ein fähiger Herrscher, der aber auch sehr misstrauisch war und sich mit dem Senat schwer tat, u.a. auch, weil er seine Position im Zeremoniell überhöhte: So ließ er sich beispielsweise als dominus et deus, Herr und Gott, ansprechen, wobei er aber keine Verehrung als Gott verlangte wie Caligula. Er trug Triumphalgewand im Senat, ließ von sich viele Gold- und Silberstatuen aufstellen, baute Triumphbögen, nannte die Monate September und Oktober um in Germanicus und Domitianus. Aus all diesen Gründen bekam er schlechte senatorische Presse. Wir müssen bedenken, dass die meisten unserer Quellen von Senatoren geschrieben wurden, und die ordneten Domitian unter die „schlechten Kaiser“ ein. Zur Entmachtung des Senats trug auch noch bei, dass Entscheidungen nicht mehr in Senatssitzungen fielen, sondern vielmehr im viel kleineren Kreis des consilium principis. Opposition regte sich, Domitian reagierte mit aller Härte. In den Jahren 83, 87 u 88/89 kam es zu großen Verfolgungswellen gegen Senatoren. Der Verschwörung von 96 fiel er schließlich zum Opfer. Mit ihm erlosch auch die flavische Dynastie.
Dass die Meinungen über ihn schon bei den Zeitgenossen weit auseinander ging, zeigt allein schon die Tatsache, dass die Senatoren die damnatio memoriae über ihn verhängen, während die Prätorianer, um die er sich immer gekümmert hatte, ihn konsekrieren lassen wollten. Domitian hinterließ nicht nur repräsentative Bauten in Rom, die seiner Herrschaftsvorstellung entsprachen, wie etwa einen neuen Tempel der Flavier, ein Domitiansforum, das später in Nervaforum umbenannt wurde, seinen Palast auf dem Palatin und ein Stadion, dessen Grundriss heute als Piazza Navona weltberühmt ist. Seine Stilisierung als unnahbarer Herrscher weist voraus in die Spätantike, ebenso die Entscheidungsfindung im kleinen Kreis und die enge Kooperation mit der Armee, die auch für Trajan und Septimius Severus so charakteristisch werden sollte. Die Einrichtung der beiden germanischen Provinzen und der Beginn des Limesbaus waren ebenfalls zukunftsweisend und zeigen uns im Gegensatz zu den literarischen Quellen einen Kaiser, der an einer Achsenzeit Entscheidendes leistete und für die Zukunft durchaus prägend wurde.

Text zum downloaden