Die Doppelaxt

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Die Doppelaxt

Leitfragen

1) Wie sehen die Doppeläxte aus?

2) Welche Rückschlüsse lassen sich anhand des Aussehens über die Doppelaxt ziehen?

3) Welche Rolle spielte die Doppelaxt in der minoischen Kultur?

Kommentar:

Doppeläxte gehören zu den zentralen Elementen der minoischen Kultur, weil sie sowohl zahlreich in Gräbern, Palästen oder andern Kultstätten gefunden wurden als auch fortwährend auf Pfeilern, Wänden, Goldringen, Siegeln oder Sarkophagen abgebildet ist. Hier zu sehen sind eine Reihe kleiner, metallener Doppeläxte, die Anfang des 20. Jahrhunderts in einer Höhle bei Arkalochori entdeckt wurden. Charakteristisch für Doppeläxte ist, dass zu beiden Seiten des runden Schaftes zwei gegenüberliegende Klingen abgehen, die stark geschwungen sind. Die Schneiden der Doppeläxte sind hier mit feinen Querornamenten verziert und auf beiden Klingen identisch, jedoch spiegelverkehrt. Der Schaft ist dicker und am unteren Ende befindet sich manchmal eine Öse, sodass die Axt aufgehängt werden kann.

Doppeläxte konnten als Handwerkszeug etwa zum Baumfällen oder zur Bearbeitung des Holzes fungieren. Auch in ihrer Funktion als Waffe ist die Doppelaxt geläufig. Jedoch war sie in diesen Fällen schwer und ihre Schneide kaum gekrümmt. Die hier vorliegenden Doppeläxte können aufgrund ihrer Größe (maximal 70 cm) und ihres Materials (Gold, Silber oder Bronze) nicht als Handwerkszeug in Gebrauch gewesen sein. Bei diesen Doppeläxten muss es sich daher um Nachbildungen handeln. Solche Nachbildungen waren überaus häufig und wurden aus Gold, Blei, Bronze, Silber oder Stein hergestellt. Welche genaue Funktion die Nachbildung einer Doppelaxt besaß, ist nicht mehr nachvollziehbar. Aufgrund ihres Fund- und Darstellungskontextes kann jedoch vermutet werden, dass eine besondere Verbindung zur minoischen Religion bestand.

Schon in frühminoischer Zeit wurden Doppeläxte in ihrer Funktion als kultische Symbole in Gräbern oder an andern kultischen Orten wie Höhlen und Palästen (etwa in großer Zahl im Palast von Knossos) aber auch Häusern, entdeckt. Doch welche genaue Funktion erfüllte die Doppelaxt im Kult? Eine Möglichkeit ist eine rein praktische Funktion: Die Doppelaxt war das Instrument, mit dem Opfertiere getötet wurden. Damit erhielt die Doppelaxt in ihrer Rolle als Gebrauchsgerät eine säkulare Konnotation und wäre selbst Kultgegenstand gewesen. Bestätigt werden könnte diese These durch die vielen Abbildungen von Doppeläxten zwischen den Hörnern von Rinderschädeln. Gleichzeitig konnte die Doppelaxt damit auch zum Symbol des Standes der OpferpristerInnen werden, was für Kultgegenstände nicht unüblich war. Gegen die These der Doppelaxt als Schlachtinstrument spricht allerdings die Beschaffenheit vieler Doppeläxte, die zum Töten von Tieren nicht geeignet schien (Material, Größe, Stärke). Auch die vielen Darstellungen von Doppeläxten, die in keinem Zusammenhang zu einem Opfer stehen, sprechen dagegen. Dass die hier abgebildeten Doppeläxte zum Opfern von Tieren gedacht waren, kann aufgrund ihrer Größe ebenfalls ausgeschlossen werden. Jedoch soll nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass eine Doppelaxt auch diese praktische Funktion gehabt haben kann.
Eine andere Erklärung ist, dass viele Doppeläxte als Votivbeigaben gedient haben. Diese These ergibt sich aus ihrem Fundort in Gräbern und Heiligtümern. So könnte die Doppelaxt als Werkzeug-Votiv von Schmieden oder Zimmermännern dargebracht worden sein, von Priestern als Opferinstrument-Votiv und von Kriegern als Waffen-Votiv. Teilweise wird auch angenommen, dass kleine, goldene Doppeläxte aufgrund ihrer Wertigkeit der Vermehrung des Tempelschatzes gedient haben und insofern als Weihgabe fungierten. Andererseits könnte die Existenz von Doppeläxten in Gräbern und Heiligtümern auch bedeuten, dass ein heiliger Ort markiert werden sollte. So wird die Doppelaxt vielfach als Symbol göttlicher Macht interpretiert, das sogar eine göttliche Gegenwart anzeigen konnte.
Großer Beliebtheit erfreute sich schließlich auch die These, dass die Doppelaxt Zeichen eines minoischen Matriarchates gewesen sei, weil sie auf Darstellungen häufig von vermeintlichen Göttinnen, Frauen oder Kultdienerinnen getragen wurde. Die Doppelaxt avancierte deswegen zu einem Symbol feministischer oder lesbischer Frauenbewegungen. Die Vorstellung eines minoischen Matriarchates, die wesentlich auf Evans Annahme der Existenz einer großen Muttergöttin zurückgeht, sieht die Forschung heute allerdings als pazifistische Utopie an. Und so müssen die tatsächliche Bedeutung und Funktion der Doppelaxt daher, wie Vieles in der minoischen Kultur, im Reich der Spekulationen bleiben.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Minoer“. Um einen breiteren Einblick in die Archaik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte I – Archaik“.
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