Berufsbindung

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CTh. 13,6,1;14,3,1 – Original

[13,6] De praediis naviculariorum

[13,6,1] Imp. constantinus a. ad decretum naviculariorum. alienationes possessionum a naviculariis factas fugiendi muneris gratia praeiudicare vobis non sinimus. ideoque volumus, ut comparatores supra scriptarum possessionum interpellato praefecto annonae ad id obsequium compellantur, cui se obnoxios esse fecerunt. dat. v kal. nov. constantino a. vii et constantio caes. conss. (326 oct. 28).

[14,3] De pistoribus et catabolensibus

[14,3,1] Imp. constantinus a. ad profuturum praefectum annonae. cunctis pistoribus intimari oportet, quod, si quis forte possessiones suas ideo putaverit in alios transferendas, ut postea se, rebus in abdito collocatis, minus idoneum adseveret, tamquam in locum eius alio subrogando, nihil ei haec astutia nec detestabilia commenta profutura sunt, sed in obsequio pistrini sine ulla excusatione durabit nec ad eius iura revocabuntur, si quas emptiones transcripserit. proposita id. aug. constantino a. v et licinio caes. conss. (319 aug. 13).

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Übersetzung

[13,6] Über die Landgüter der Reeder

[13,6,1] Imperator Constantinus Augustus als Antwort auf ein Gesuch der Reeder.

Wir erlauben die Veräußerung von Grundbesitz nicht, die Reeder betreiben um sich ihren Pflichten zu entziehen und euch von vornherein zu beeinflussen. Und daher wollen wir, dass die Käufer der oben beschriebenen Güter, nach eurem Antrag an den praefectus annonae, gezwungen sind, die Pflichten zu übernehmen, zu denen sie sich selbst verpflichtet haben.

Beschlossen fünf Tage vor den Kalenden des November im Jahr des siebten Konsulats von Constantinus Augustus und des Konsulats von Constantius Caesar. – 28. Oktober 326.

[14,3] Über Müllerbäcker und Eseltreiber

[14,3,1] Imperator Constantinus Augustus an den praefectus annonae Profuturus.

Alle Müllerbäcker müssen darüber unterrichtet werden, sollte einer von ihnen etwa annehmen, dass er seine Güter an eine andere Person übertragen könne, so dass er danach, wenn sein Vermögen im Verborgenen untergebracht ist, behaupten könne, er sei finanziell nicht befähigt und eine andere Person solle an seiner Stelle gewählt werden, dann sollen ihm weder diese Verschlagenheit noch diese verabscheuenswürdige Lüge etwas nützen, sondern er soll ohne Anspruch auf eine Ausnahme im Dienst der Brotherstellung verbleiben. Wenn er seinen Besitz an andere verkauft hat, soll er ihm nicht zurückgegeben werden.

Beschlossen an den Iden des August im Jahr des fünften Konsulats von Constantinus Augustus und des Konsulats von Licinius Caesar. – 13. August 319.

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CTh. 13,6,1;14,3,1

Leitfragen:

1) Auf was zielen die beiden Gesetze ab?

2) Was machte diese Berufe so wichtig, dass Gesetze dazu erlassen wurden?

3) Welche Entwicklung ist hier zu erkennen?

Kommentar:

Der Codex Theodosianus (CTh.) ist eine Gesetzessammlung, die der oströmische Kaiser Theodosius II. (408-450 n. Chr.) zusammenstellen ließ und die ab dem 1. Januar 439 n. Chr. im ganzen Reich galt. Der Codex ist unvollständig erhalten und umfasst über 2500 Kaisererlasse ab 312 n. Chr. Er besteht aus 16 Büchern, die in sachliche Titel eingeteilt sind, in denen sich wiederum die Erlasse zum jeweiligen Thema meist in chronologischer Reihenfolge befinden. Zum Teil sind die Erlasse schon von der zusammenstellenden Kommission verändert oder gekürzt worden. Der Codex Theodosianus war nicht die erste und auch nicht die letzte, jedoch die älteste erhaltene Sammlung von Gesetzen römischer Kaiser. Im Osten des Reiches wurde er im 6. Jahrhundert vom Codex Iustinianus abgelöst.

Es liegt hier der jeweils erste Erlass aus zwei Titeln vor, die sich mit bestimmten Berufsgruppen befassen, nämlich den Reedern (navicularii) und den Müllerbäckern (pistores). Dabei geht es hauptsächlich um solche, die in einer Zunft (collegium oder corpus) organisiert waren. Sie hatten eine große Bedeutung für die städtische Versorgung. So transportierten die navicularii im öffentlichen Auftrag Waren, insbesondere Weizen, v.a. nach Rom. Die pistores waren für die Verarbeitung des Getreides zu Brot verantwortlich, was das Mahlen und Backen beinhaltete.

Die Lebensmittelversorgung der städtischen Bevölkerung mit vergünstigten, teilweise kostenlosen Lebensmitteln und überhaupt die Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung zu moderaten Preisen waren ein Teil der staatlichen Fürsorge und wurden dementsprechend auch vom Staat überwacht. So unterstand u.a. die Getreideversorgung vom Verschiffen über den Transport in und durch die Städte bis zur Übergabe an die pistores zu moderaten Preisen dem praefectus annonae.

Vom Staat wurden diese Berufsstände, die die Versorgung der Städte sicherstellten, sowohl privilegiert, als auch belastet. Ihre Güter waren (teilweise) steuerfrei, sie waren vom Militärdienst und von sonstigen öffentlichen Diensten und Abgaben befreit. Außerdem war ihnen oft ein außergewöhnlicher gesellschaftlicher Aufstieg möglich. Dafür waren sie an ihre Güter gebunden, unterlagen oft einer erblichen Berufspflicht und einer immer strengeren staatlichen Kontrolle.

In der Spätantike scheinen viele diese Pflichten und Einschränkungen, die mit den Privilegien einhergingen, als immer drückender empfunden zu haben und versuchten deshalb sich ihnen zu entziehen. Die Kaiser jedoch setzten diesen Versuchen Erlasse entgegen. So waren die Pflichten der navicularii an ihre Landgüter gebunden, und ihnen der Verkauf derselben untersagt. Sollte doch ein Verkauf stattfinden, musste der Käufer die Pflichten, mit denen der Besitz belastet war, übernehmen (CTh. 13,6,1). Dem betrügerischen Verhalten der pistores, die versuchten, unter Vorspiegelung von Zahlungsunfähigkeit, aus der Gilde ausgeschlossen zu werden, also von der erblichen Verpflichtung der Brotherstellung befreit zu werden, wurde die Berufsbindung entgegengesetzt, wenn sie gefasst wurden (CTh. 14,3,1).

Dies sind jeweils nur die ersten von vielen Erlassen, die sich mit dem Thema der Berufsflucht befassen und dieses Phänomen war nicht nur auf die navicularii und pistores beschränkt, sondern lässt sich in der Spätantike z.B. auch bei Dekurionen, Arbeitern in staatlichen Fabriken, Kolonen u.a. beobachten. Dass immer wieder neue Konstitutionen zum selben Thema erlassen werden mussten, bestätigt die Wirkungslosigkeit derselben. Mit den beiden Gesetzen von 319 und 326 n. Chr. ist ein Stadium einer Entwicklung dargestellt, bei der der Staat versuchte, immer mehr Kontrolle über die Berufsstände auszuüben, sie durch Privilegien attraktiv zu machen, durch Verordnungen zu konsolidieren und durch Androhung von Strafe bei Austritt oder Flucht zu erhalten. So war für die pistores theoretisch nicht einmal der Kirchendienst ein Ausweg. Sie blieben trotzdem zur Brotherstellung verpflichtet.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Gesellschaft in der Spätantike“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

 

Siehe zum Vergleich auch die Beiträge zur Sozialen Mobilität und zu senatorischen Aufsteigern.