Alexander, Homer und Achilles

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Arrian
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Arrian 1,11,6-12,4 – Original

[11,6] Ἀλέξανδρον δὲ ἐξ Ἐλαιοῦντος ἐς τὸν Ἀχαιῶν λιμένα κατᾶραι ὁ πλείων λόγος κατέχει, καὶ αὐτόν τε κυβερνῶντα τὴν στρατηγίδα ναῦν διαβάλλειν καὶ, ἐπειδὴ κατὰ μέσον τὸν πόρον τοῦ Ἑλλησπόντου ἐγένετο, σφάξαντα ταῦρον τῷ Ποσειδῶνι καὶ Νηρηίσι σπένδειν ἐκ χρυσῆς φιάλης ἐς τὸν πόντον. [7] λέγουσι δὲ καὶ πρῶτον ἐκ τῆς νεὼς σὺν τοῖς ὅπλοις ἐκβῆναι αὐτὸν ἐς τὴν γῆν τὴν Ἀσίαν καὶ βωμοὺς ἱδρύσασθαι ὅθεν τε ἐστάλη ἐκ τῆς Εὐρώπης καὶ ὅπου ἐξέβη τῆς Ἀσίας Διὸς ἀποβατηρίου καὶ Ἀθηνᾶς καὶ Ἡρακλέους. ἀνελθόντα δὲ ἐς Ἴλιον τῇ τε Ἀθηνᾷ θῦσαι τῇ Ἰλιάδι, καὶ τὴν πανοπλίαν τὴν αὑτοῦ ἀναθεῖναι ἐς τὸν νεών, καὶ καθελεῖν ἀντὶ ταύτης τῶν ἱερῶν τινα ὅπλων ἔτι ἐκ τοῦ Τρωικοῦ ἔργου σωζόμενα. [8] καὶ ταῦτα λέγουσιν ὅτι οἱ ὑπασπισταὶ ἔφερον πρὸ αὐτοῦ ἐς τὰς μάχας. θῦσαι δὲ αὐτὸν καὶ Πριάμῳ ἐπὶ τοῦ βωμοῦ τοῦ Διὸς τοῦ Ἑρκείου λόγος κατέχει, μῆνιν Πριάμου παραιτούμενον τῷ Νεοπτολέμου γένει, ὃ δὴ ἐς αὐτὸν καθῆκεν.
[12] ἀνιόντα δ᾽ αὐτὸν ἐς Ἴλιον Μενοίτιός τε ὁ κυβερνήτης χρυσῷ στεφάνῳ ἐστεφάνωσε καὶ ἐπὶ τούτῳ Χάρης ὁ Ἀθηναῖος ἐκ Σιγείου ἐλθὼν καί τινες καὶ ἄλλοι, οἱ μὲν Ἕλληνες, οἱ δὲ ἐπιχώριοι:…οἱ δὲ, ὅτι καὶ τὸν Ἀχιλλέως ἄρα τάφον ἐστεφάνωσεν: Ἡφαιστίωνα δὲ λέγουσιν ὅτι τοῦ Πατρόκλου τὸν τάφον ἐστεφάνωσε: καὶ εὐδαιμόνισεν ἄρα, ὡς λόγος, Ἀλέξανδρος Ἀχιλλέα, ὅτι Ὁμήρου κήρυκος ἐς τὴν ἔπειτα μνήμην ἔτυχε. [2] καὶ μέντοι καὶ ἦν Ἀλεξάνδρῳ οὐχ ἥκιστα τούτου ἕνεκα εὐδαιμονιστέος Ἀχιλλεύς, ὅτι αὐτῷ γε Ἀλεξάνδρῳ, οὐ κατὰ τὴν ἄλλην ἐπιτυχίαν, τὸ χωρίον τοῦτο ἐκλιπὲς ξυνέβη οὐδὲ ἐξηνέχθη ἐς ἀνθρώπους τὰ Ἀλεξάνδρου ἔργα ἐπαξίως, οὔτ᾽ οὖν καταλογάδην, οὔτε τις ἐν μέτρῳ ἐποίησεν: ἀλλ᾽ οὐδὲ ἐν μέλει ᾔσθη Ἀλέξανδρος, ἐν ὅτῳ Ἱέρων τε καὶ Γέλων καὶ Θήρων καὶ πολλοὶ ἄλλοι οὐδέν τι Ἀλεξάνδρῳ ἐπεοικότες, ὥστε πολὺ μεῖον γιγνώσκεται τὰ Ἀλεξάνδρου ἢ τὰ φαυλότατα τῶν πάλαι ἔργων:
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Carl Cless
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

Auf der Fahrt dahin hatte er mitten im Hellespont einen Stier geschlachtet und dem Poseidon und den Nereiden aus goldener Schale ein Trankopfer ins Meer gespendet. Auch soll er der erste gewesen sein, der aus dem Schiffe in voller Rüstung ans asiatische Ufer sprang, und soll sowohl an der Stelle, wo er von Europa aus in See ging, als auch an derjenigen, wo er in Asien ans Land stieg, Zeus, dem Landesbeschirmer, und der Athene und dem Herkules Altäre errichtet haben. Auf der Höhe von Ilium habe er der Ilischen Athene geopfert und seine ganze Waffenrüstung in ihrem Tempel geweiht und dafür einige der heiligen Waffen mitgenommen, welche sich noch vom Troischen Kriege her daselbst erhalten hatten; diese trugen dann, wird erzählt, seine Schildträger jedesmal in den Schlachten vor ihm her. Eine Meldung sagt auch, er habe auf dem Altare Zeus‘. Des Herdbeschützers, dem Priamus geopfert, um dessen Zorn gegen Neoptolemus‘ Geschlecht, welchem er selbst ja angehörte, zu versöhnen.
[12] Als er nach Ilium hinaufzog, setzte ihm der Steuermann Menoetius eine goldene Krone auf und nach diesem der Athener Chares, welcher von Sigeium herbeigekommen war, desgleichen einige andere, teils Griechen, teils Landeseingeborene, zum Danke dafür, daß er eigenhändig das Grabmal des Achilles bekränzte, sowie Hephaistion das Grabmal des Patroklus bekränzt haben soll. Auch pries Alexander der Sage nach den Achilles glücklich, weil er an Homer einen Herold seines Andenkens bei der Nachwelt erhalten habe. Und fürwahr hatte Alexander volle Ursache, den Achilles deshalb glücklich zu preisen, weil ihm selbst, im Widerspruch zu seinem übrigen Glück, eben in diesem Punkte alles abging und seine Taten in keiner entsprechenden Darstellung der Welt überliefert worden sond. Wurde er ja weder in freier, noch in gebundener Rede, ja nicht einmal in einem Liede gefeiert, wie ein Hieron, ein Gelon, ein Theron und so viele andere, welche Alexander auf seine Weise gleichgekommen, weshalb seine Taten viel weniger bekannt sind als die geringfügigsten Geschichten der Vorzeit.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Arrian 1,11,6-12,4

Leitfragen:

1) Welche (religiöse) Symbolik nutzt Alexander hier?

2) Wieso nutzt er gerade diese Symbolik und diese Praktiken?

3) Welche Rückschlüsse lassen diese Handlungen auf seine Herrschafts- und Kriegslegitimation zu?

Kommentar:

Arrian, ein griechischer Historiker des 2. Jahrhunderts nach Christus, hat uns in seiner Anabasis eine der wesentlichen Quellen zur Geschichte Alexanders des Großen überliefert. Die Ereignisse, die er beschreibt, liegen zu seiner Zeit bereits fast 500 Jahre zurück und oft wirft ihm die Forschung vor, seine Quellen nicht verstanden zu haben, dennoch ist er eine der wenigen vollständigen Quellen für die Geschichte Alexanders.

In diesem Abschnitt beschreibt er die Überfahrt Alexanders nach Kleinasien und damit den Beginn des Alexanderzuges. Insbesondere legt er den Fokus auf die religiösen Handlungen Alexanders. Zuerst opfert er den Meeresgöttern, was bei Überfahrten durchaus üblich war, und errichtet den ihm wichtigsten Göttern Altäre: Athene, Zeus und Herakles. Daraufhin geht er in die Ruinen Trojas, opfert dort ein weiteres Mal Athene und bekränzt das Grab des Achill. Er lässt seine Waffen und seine Rüstung im Tempel weihen und preist dann Achill und Homer.

Diese religiösen Handlungen mögen auf den ersten Blick beliebig erscheinen, sie sind allerdings alles andere als das. Mit den Altären für Zeus, den Landesbeschirmer, den Schutzherren ganz Griechenlands, macht er symbolisch deutlich, dass er im Auftrag aller Griechen hier ist – die oft verwendete Rechtfertigung für den Alexanderzug gegen Persien war, dass die Perser im Krieg die Akropolis und die dortigen Tempel zerstört hätten und dass es nun Rache zu üben gelte. In genau diese Richtung weist auch das Opfer für Athene, die Schutzgöttin der Akropolis von Athen. Herakles bekommt einen Altar, weil Alexander sich auf väterlicher Seite mit ihm verwandt sieht, er war der mythologische Ahnherr Philipps. Diese Art von dynastischer Legitimierung durch mythologische Gestalten war häufig in der Antike. Auf der Seite seiner Mutter, die ja Epirotin war, leitet Alexander seine Herkunft von Achilles ab. Daher verwundert es auch nicht, dass er das Grab Achills bekränzt und ihn preist.

Aber er hat noch einen anderen Grund für diese letzte Handlung, der deutlich wird, wenn man sich ansieht, was Hephaistion tut. Dieser war Alexanders engster Vertrauter, nach manchen Quellen auch sein Liebhaber, und stand damit in einem sehr ähnlichen Verhältnis zu Alexander wie Patroklos zu Achilles. Dadurch, dass Hephaistion das Grab des Patroklos bekränzt, wird deutlich, dass Alexander sich durchaus als wiedergeborener Achilles inszenierte und möglicherweise selbst so sah. Später wird berichtet, dass er mit der Ilias unter dem Kopfkissen schlief, und wir wissen aus anderen Quellen, dass er sich häufig ähnlich wie sein Vorbild in Szene setzte oder sich mit diversen anderen mythischen und historischen Heroen verglich.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Alexander der Große“. Um einen breiteren Einblick in den Hellenismus zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte III – Hellenismus“.
Hier geht’s zum Podcast

 

Vergleiche zum Charakter Alexanders auch die Berichte zur Pagenverschwörung, zur Ermordung von Parmenions Familie und zur Meuterei am Hydaspes.

Zu Alexanders Umgang mit Religion und zu seiner Herrschaftslegitiomation siehe auch den Bericht zu seinem Besuch in der Oase Siwah und den zur Gründung Alexandrias.

Zum weiteren Verlauf des Feldzuges siehe den Bericht zur Schlacht von Gaugamela.