Rhetorenedikt

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

Es ist notwendig, dass die Lehrer der Wissenschaften und die Gelehrten zuerst sich durch ihren Charakter auszeichnen, dann erst durch ihr fachliches Können. Aber, weil ich selbst nicht den einzelnen Gemeinden zur Seite stehen kann, befehle ich: Wer auch immer lehren will, möge nicht plötzlich und überstürzt an diese Aufgabe gehen, sondern sich, nachdem er durch das Urteil des Standes der Hofangehörigen für gut befunden wurde, diese Entscheidung verdienen, durch die einmütige Übereinstimmung der Besten. Dieses Dekret wird mir zur Beurteilung vorgelet, damit eine gewisse höhere Ehre durch unser Urteil den Studien der Gemeinden zuteil werde. Gegeben am 15. Tag vor den Kalenden des Juli, bekanntgegeben am 4. Tag vor den Kalenden des August in Spoletio, im Jahr als Mamertinus und Nevitta Konsuln waren.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Codex Theodosianus XIII, 3, 5

Leitfragen:

1) Was ist der Inhalt des Ediktes?

2)Welche Absicht verfolgte Kaiser Julian mit diesem Dekret?

3)Welche fundamentale Neuerung für die Verwaltung des Reiches bringt dieses Dekret mit sich?

Kommentar:

Im Jahr 362 n. Chr. erließ Kaiser Julian Apostata ein Edikt, das als „Rhetorenedikt“ bekannt geworden ist. Inhalt dieses Ediktes ist eine Vorschrift über die Bestellung von Lehrern in den einzelnen Städten des Reiches. Diese sollen vorrangig moralisch tauglich sein, dann erst fachlich. Um dies sicherzustellen, befiehlt der Kaiser, dass sich alle angehenden Lehrer erst dem Urteil einer moralischen Prüfung durch den Curialenstand unterziehen müssen. Die Curialen sollen dann ein Urteil fällen, das wiederum dem Kaiser zur Gegenprüfung vorgelegt wird. Erst dann kann der Lehrer seinen Dienst antreten.

Die Absicht Julians ist eindeutig: Er möchte einen weit größeren Einfluss auf die Besetzung von Posten in den Städten haben als zuvor. Die Lehrer sollen erst dann bestellt werden können, wenn sie mehrfach geprüft worden sind. Höchst interessant ist dabei, dass er von moralischer Tauglichkeit spricht, dabei aber sich und den Curialen großen Spielraum lässt, wie dies auszulegen sei. Möglicherweise wollte der letzte pagane Kaiser auf diese Weise auch verhindern, dass Christen Lehrer werden und so unter Umständen ihre Schüler in ihrem Sinne beeinflussen könnten. Dabei ist offensichtlich, dass er auch den örtlichen Eliten nicht vollends vertraut, da er sich deren Beschluss noch einmal vorlegen lässt.

Julians Versuch, sich Einfluss in den Städten zu sichern, ist von den späteren Kaisern nicht zurückgenommen worden, auch christlichen Kaisern passte dieses Dekret gut, wahrscheinlich besonders durch die Vagheit der Formulierungen. Die Spätantike war insgesamt geprägt von einer weit stärkeren Bürokratisierung der Reichsverwaltung als zuvor, und dieses Edikt fügt sich gut in die allgemeine Tendenz ein. Denn anders als in der Prinzipatszeit wird nun auch die Bestellung von Lehrern zu etwas, das den Hof direkt angeht. Dieses Hineinregieren in die Gemeinden wurde von den Untertanen zunehmend als Problem empfunden.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Diokletian, Konstantin und die konstantinische Dynastie“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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Siehe zu den Vorwürfen an Diokletian auch dessen Charakterisierung durch Laktanz.