02 – Die Perserkriege

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in:
Werner Rieß
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Griechische Geschichte II: Die Klassik

02 – Die Perserkriege

508/07 hatte Kleisthenes in Athen seine Reformen durchgeführt, die zur Demokratie führten. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass diese Neuordnung bald einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt sein würde und zwar von außen. Mit dem Ausgreifen der Perser nach Westen waren die kleinasiatischen Griechen, die sog. Ionier, unter persische Oberhoheit geraten, die die lydische ablöste. Die Griechenstädte an der kleinasiatischen Westküste wurden immer unzufriedener mit den von den Persern gestützten Tyrannen, d.h. mächtigen Aristokraten, die sich mit persischer Hilfe an der Macht hielten.
Aristagoras von Milet, dem Herodot das persönliche Motiv zuschreibt, eine führende Stellung in Ionien einnehmen zu wollen, wird den Protest wohl gebündelt haben. Die Aufstandsbewegung, wir sprechen vom Ionischen Aufstand, erfasste schließlich die Küste vom Hellespont im Norden bis in den Süden Kleinasiens. Auch Zypern und Karien waren mit von der Partie. Bedeutsam ist, dass auch Athen und Eretria auf Euböa die Bewegung unterstützten. Damit waren nun auch griechische Städte des Mutterlandes in den Kampf gegen Persien involviert. Die Griechen erzielen einen Anfangserfolg, indem sie 498 die Unterstadt und das Kybele-Heiligtum von Sardis niederbrennen, doch das Blatt wendet sich schnell, als die Perser ihre gewaltige Kriegsmaschinerie in Bewegung setzen. Sie erobern Zypern zurück und schlagen das Gesamtaufgebot der Griechen 494 bei Milet. Die Stadt wird zerstört, auch die anderen abgefallenen Städte werden eingenommen. Doch um Ruhe einkehren zu lassen, erhöht der persische Satrap Artaphernes den Tribut bewusst nicht, werden in den Städten keine Tyranneis mehr eingerichtet, sondern gemäßigte Oligarchien. Die Athener und Eretrier wussten aber, dass Schlimmeres kommen und Persien sich auf alle Fälle an ihnen rächen würde. Mardonios, ein Schwiegersohn des Dareios, unternahm 492 den ersten Zug gegen Griechenland. Seine Aktion war wohl sehr begrenzt: Ihm schwebte wohl nicht einmal eine Strafaktion gegen Athen und Eretria vor, sondern lediglich die Sicherung von Thrakien und Makedonien. Bei der Umsegelung des Athos-Gebirges erlitt die persische Flotte Schiffbruch, angeblich ertranken 20.000 Matrosen. Wahrscheinlich hatte Mardonios jedoch zu diesem Zeitpunkt sein Kriegsziel schon erreicht. Erst aus späterer Perspektive machten die Athener daraus einen gescheiterten Angriffsversuch auf Athen. Herodot kann mit diesem ersten Zug einen Spannungsbogen aufbauen und den Schiffbruch als schlechtes Omen deuten.
Um diese Zeit war der Philaide Militiades von der Chersones nach Athen heimgekehrt. Er setzte sich mit seiner Landstrategie gegen Themistokles durch, der schon zu jener Zeit die Flottenrüstung favorisierte. Den Athenern war klar, dass nach den Vorbereitungen des Mardonios nun bald die Strafaktion gegen ihre Stadt und Eretria erfolgen würde. Die Perser fuhren mit einer großen Flotte langsam über die Ägäis und behandelten Städte und Inseln sehr unterschiedlich, um den Athenern zu zeigen, dass es noch Zeit war, sich Persien zu beugen. Während Naxos erobert und der Tempel niedergebrannt wurde, wurde Delos bewusst geschont. Eretria ereilte das Schicksal zuerst. Die Stadt wurde geplündert, die Überlebenden nach Innerpersien verschleppt. Dann ging ein Teil der persischen Landstreitkräfte in der Ebene von Marathon an Land. Der Ort war bewusst gewählt. Die Ebene bot der persischen Reiterei günstiges Gelände. Außerdem siedelten bei Marathon traditionell die Anhänger der Peisistratiden. Man hatte den alten Hippias mit dabei und hoffte, dass die Bewohner Marathons sich für Hippias und damit die persische Sache einsetzen würden. Doch man hatte sich getäuscht. Als klar war, wo genau die Perser landeten, zog die athenische Hoplitenarmee den Persern sofort entgegen. Man schickte einen Schnellläufer nach Sparta, um Hilfe anzufordern. Doch aus religiösen Gründen konnten die Spartaner nicht unmittelbar aufbrechen. Wir wissen nicht, wie es zur Schlacht kam, ob die Griechen oder die Perser die Initiative ergriffen, auch über den Schlachtverlauf wissen wir nur sehr wenig, doch gelang es den Griechen, die Perser zu ihren Schiffen zurückzudrängen. Offensichtlich war die schwer bewaffnete Hoplitenphalanx den leicht bewaffneten persischen Truppen überlegen. Die Perser konnten sich so geordnet zurückziehen, dass sie Attika umfuhren und Athen nun direkt angreifen wollten. Die Athener liefen also buchstäblich zurück und waren zur Stelle, bevor die Perser an Land gehen konnten. Unverrichteter Dinge kehren die Feldherren Datis und Artaphernes nach Asien zurück, was zeigt, dass die Perser auf eine längere Belagerung überhaupt nicht eingestellt waren. Den Marathonlauf hat es wohl nie gegeben, er ist eine spätere Legende. Von nun an leben die Athener in einer Art Neurose vor den Persern, die Begriffe Perser- und Tyrannenfreund werden synonym.
Es ist daher kein Zufall, dass das Scherbengericht, der Ostrakismos, wohl kurz später eingeführt wurde und genau gegen diese Gruppen gerichtet war. Die Gefallenen von Marathon wurden zu Helden stilisiert, das Selbstbewusstsein der Athener erreichte einen noch nie da gewesenen Höhepunkt. Die Athener interpretierten die wohl begrenzte Strafaktion gegen sie und Eretria nun als einen Gesamtangriff auf Hellas, den sie fast ganz alleine abgewehrt hätten. Wieder war klar, dass Schlimmeres folgen würde, dass Persien diese Niederlage nicht auf sich sitzen lassen würde. Persien unternimmt nun neue Anstrengungen und rüstet in einem noch nie gekannten Ausmaß auf.
486 stirbt Dareios und Xerxes übernimmt die Kriegsziele seines Vorgängers, muss sich jedoch gegen Rivalen erst einmal durchsetzen und einen Aufstand in Ägypten niederschlagen, so dass sich der große Angriff auf Griechenland verzögert. 483 wird Silber im Laureion-Gebirge gefunden, mit dem Themistokles nun daran geht, eine athenische Flotte zu bauen, die bald die stärkste in ganz Griechenland sein würde. Die Perser bauen eine schwimmende Brücke über den Bosporus und durchstechen die Athos-Halbinsel mit einem Kanal, um mit der überlegenen Ingenieurskunst der persischen Pioniere die Griechen tief zu beeindrucken. Den Griechen war klar, dass sie der überlegenen Streitmacht der Perser auf Land nichts entgegenzusetzen hatten.
Die Griechen treffen sich zweimal zu Kongressen am Isthmos von Korinth, um ein konzertiertes Vorgehen zu vereinbaren, doch gehen die strategischen Vorstellungen insbesondere der Athener und der Spartaner weit auseinander. Immerhin werden die internen Fehden beendet, man gründet den sogenannten Hellenischen Bund, Gesandte werden ausgeschickt, um andere Griechenstädte um Hilfe zu bitten, doch diese Mission bleibt erfolglos. Sparta bekommt den Oberbefehl zu Wasser und zu Lande – Athen nimmt sich hier diplomatisch zurück – und man leistet einen Eid, dass man alle Städte zerstören würde, die sich den Persern anschlössen.
Auf dem zweiten Kongress am Isthmos einigt man sich auf zwei Verteidigungslinien, die Nordlinie ThermopylenKap Artemision und die Südlinie Isthmos – Salamis. Während die Athener natürlich die Nordlinie besonders sichern wollten, priorisierten die Peloponnesier die Südlinie, was natürlich auf Seiten Athens Verbitterung hervorrief. Auf alle Fälle reichten die Truppen an den Thermopylen nicht aus. Warum Sparta nur 300 Hopliten schickte ist unklar, vielleicht wollte man die Perser auf dem Marsch nach Süden nur zeitlich aufhalten. Vielleicht waren auch Verstärkungen angedacht. Insgesamt standen an den Thermopylen einige Tausend Mann, was definitiv zu wenig war. Man sieht, wie sehr es die Peloponnesier scheuten, große Truppenkontingente so weit im Norden einzusetzen, und welche logistischen Schwierigkeiten damit verbunden waren, diese Truppen auch zu versorgen. Als Xerxes schließlich den Angriff befiehlt, konnte die persische numerische Überlegenheit sich im 20 Meter engen Pass nicht entfalten. Zwei Tage lang rannten die Perser erfolglos gegen die griechische Phalanx an, sogar die Elitegarde der sogenannten Unsterblichen. Herodot führt nun ein tragisches Motiv ein, Verrat, ein gewisser Ephialtes hätte den Persern einen Umgehungspfad gezeigt, der sie schließlich in den Rücken der Spartaner führte. Leonidas wusste natürlich von diesem Pfad und hatte ihn von Phokern bewachen lassen, doch flüchteten sie, als sie im Morgengrauen von den Persern überrumpelt wurden. Damit war nun der Untergang des Leonidas besiegelt. Keine Niederlage der Weltgeschichte wurde propagandistisch so ausgeschlachtet wie diese. Paradoxerweise begründete gerade diese Niederlage den Nimbus der spartanischen Unbesiegbarkeit. Für die Perser war nun der Weg nach Mittelgriechenland frei, das mittlerweile bereits evakuierte Athen fiel kurze Zeit später.
Angeblich fand zeitgleich zur Schlacht an den Thermopylen die Seeschlacht von Artemision statt. Beide Seiten hatten hohe Verluste zu verzeichnen, doch lernten die Griechen strategisch viel für die nächste Seeschlacht bei Salamis.
Die Nordlinie war nun aber verloren, es ging nun um die Verteidigung der Südlinie auf der Höhe Salamis und Isthmos. Themistokles hatte die Frauen, Kinder und Alten nach Troizen, Salamis und Ägina in Sicherheit gebracht, ein geschickter Schachzug, denn damit zwang er die Athener, vor Salamis die Entscheidung zu suchen. Ein weiteres Zurückweichen hätte die Preisgabe der athenischen Familien an die Perser bedeutet. Auch die anderen griechischen Flottenverbände mussten bleiben, denn wären sie abgesegelt, wäre Athen aus dem Hellenenbund sicher ausgetreten und hätte alleine gekämpft. Die anderen Griechen wussten jedoch, dass ihnen nur der Hellenenbund relative Sicherheit bot.
So wagten die Griechen schließlich gemeinsam die Seeschlacht bei Salamis, wobei Themistokles wusste, dass die Enge den Griechen zum Vorteil gereichen würde. Wieder ist über den Schlachtverlauf wenig bekannt, die Schlacht scheint den ganzen Tag über angedauert zu haben, bis zum Abend waren die meisten persischen Schiffe von den griechischen gerammt worden und gesunken. Xerxes sah sich gezwungen, die Flotte abzuziehen. Das Landheer war jedoch noch völlig intakt, doch machte ein Angriff auf den Isthmos ohne Flotte keinen Sinn, zudem war das Jahr schon zu weit fortgeschritten. Die persische Heeresmacht zog also nach Norden und überwinterte unter Mardonios in Thessalien. Von dort aus wurde der Angriff im folgenden Frühjahr geplant. Als Mardonios 479 angriff, war sein Versuch, die Griechen diplomatisch zu spalten, fehlgeschlagen. Den Griechen war es gelungen, bei Plataiai ein großes Koalitionsheer aufzubieten. Und obgleich es wieder Unstimmigkeiten unter den griechischen Generälen gab, trugen die Griechen in der Schlacht von Plataiai den Sieg davon, hauptsächlich auch deshalb, weil Mardonios fiel und die Perser damit führungslos waren. Die unmittelbare Bedrohung durch die Perser war nun abgewendet, die Griechen hatten das schier Unglaubliche geschafft, die zahlenmäßig weit überlegene persische Großmacht abzuwehren. Eine natürliche Folge dieses Sieges war nun die athenische Expansion in die Ägäis, um den Persern nachzusetzen.
Die Spartaner waren dazu nicht in der Lage und zogen sich freiwillig aus dem maritimen Geschäft zurück. Die Athener besaßen nun die größte Flotte Griechenlands und völlige Bewegungsfreiheit in der Ägäis, was bald zur Gründung des Delisch-Attischen Seebundes führen sollte. Mit diesem Herrschaftsinstrument war nun Athen, als Folge der Perserkriege, zur Hegemonialmacht in Griechenland aufgestiegen.

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