02 – Grundzüge der Ereignisgeschichte bis ca. 200 v. Chr.

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Werner Rieß
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Griechische Geschichte III: Der Hellenismus

02 – Grundzüge der Ereignisgeschichte bis ca. 200 v. Chr.

Alexander der Große hatte bei seinem Tode die Nachfolge nicht geregelt. Viele fühlten sich berufen das Erbe anzutreten, so dass heftige Kriege, die sogenannten sechs Diadochenkriege die Folge waren. „Diadochos“ heißt Nachfolger. Es ist in der Kürze einer Podcast-Aufnahme nicht möglich, die komplizierte Ereignisgeschichte von 323 bis ca. 200 v. Chr. nachzuzeichnen, weswegen ich mich nur auf die groben Züge beschränken werde.
In den Diadochenkriegen geht die Reichseinheit verloren, allmählich bilden sich die drei großen Territorialreiche der Antigoniden in Makedonien und Griechenland, das Reich der Ptolemäer in Ägypten und das Reich der Seleukiden in Kleinasien und im Vorderen Orient aus. Wichtig ist, dass die hellenistischen Könige ihre Herrschaft als rein personal verstanden, es war ein Heerkönigtum, das man ständig gegen die Konkurrenten verteidigen bzw. gegen sie erweitern musste. Die Krone wurde auf dem Schlachtfeld gewonnen; die Fähigkeit ein Heer zu führen, musste ständig unter Beweis gestellt werden. Diese Ausgangssituation war in gewisser Hinsicht ein Fehler im System, der Kriege immer wieder „notwendig“ machte. Kriege gehörten also intrinsisch zu diesem System.
Man versteht die raschen Koalitionswechsel der hellenistischen Geschichte, wenn man sich vor Augen hält, dass kein Herrscher stark genug war, die anderen zu überwinden. Und: Sobald ein König übermächtig zu werden drohte, verbündeten sich die anderen gegen ihn. Damit entstand allmählich ein gewisses Gleichgewicht der Mächte, wenn auch ein stets fragiles. Immer wieder traten auch charismatische Herrscher auf, die aufgrund ihrer Energie, ihrer weit gespannten Ambitionen, ihrer Skrupellosigkeit, diplomatischen Raffinesse und militärischen Kunst die Kräfteverhältnisse eine Zeit lang zu ihren Gunsten beeinflussen konnten und die Welt durch ihren rastlosen Tatendrang in Atem hielten. Zu diesen berühmten Herrschern zählt der Antigonide Demetrios Poliorketes, der eine Zeit lang sogar ohne Reich als eine Art freier Satellit die Ägäiswelt beunruhigte, aber immer wieder zu Macht und Einfluss kam. Bedeutende Gestalten sind auch Antigonos Gonatas, der ca. 40 Jahre lang als gebildetster Herrscher seiner Zeit die Geschichte Makedoniens gestaltete, Ptolemaios III. von Ägypten und natürlich der Seleukide Antiochos III., der Große.
Am Ende des 3. Jahrhunderts geriet die hellenistische Außenwelt immer mehr ins außenpolitische Fahrwasser Roms, das die Spielregeln der Politik rasch zu seinen Gunsten veränderte. Am Ende sollte Rom alle hellenistischen Dynastien vernichten und die riesigen Landmassen des Ostens seinem Imperium Romanum einverleiben.
Von den sechs Diadochenkriegen um das Erbe Alexanders war schon die Rede. Syrien war stets ein Zankapfel zwischen dem Ptolemäer- und dem Seleukidenreich. Dieser nicht enden wollende Territorialstreit löste insgesamt sechs Syrische Kriege aus. Drei makedonisch-römische Kriege besiegelten schließlich 168 v. Chr. in der Schlacht von Pydna das Ende der Antigonidendynastie, indem der Makedonenkönig Perseus vernichtend geschlagen wurde. Rom rang dann noch in drei Kriegen gegen Mithridates von Pontos auch diesen Herrscher nieder.
Nun zu den allerwichtigsten Ereignissen, die die Geschichte des Hellenismus entscheidend beeinflussten: Im Lamischen Krieg 323/2 versuchten die Athener noch einmal erfolglos, die makedonische Oberhoheit abzuschütteln. Der Versuch misslang: Das Jahr 322 markiert das Ende der athenischen Demokratie. 321/0 kam es zu den Regelungen von Triparadeisos, die die Interessenssphären der führenden Männer absteckten. 317 wird Philipp III. Arrhidaios, der geisteskranke Halbbruder Alexanders ermordet. Der gebildete Demetrios von Phaleron wird makedonischer Statthalter in Athen. Unter ihm erlebt die Stadt bis zu seiner Absetzung 307 durch Demetrios Poliorketes eine Nachblüte. Menander soll mit ihm befreundet gewesen sein. 316 tötet Kassander Alexanders Mutter Olympias, gründet Kassandreia und Thessaloniki.
Der dritte Diadochenkrieg endet 311 im sogenannten Diadochenfrieden, in dem sich die Diadochen gegenseitig als Herrscher anerkennen. Damit ist die Reichseinheit endgültig begraben. 313 verlegt Ptolemaios die Hauptstadt Ägyptens von Memphis nach Alexandria. Da er die mumifizierte Leiche Alexanders an sich bringen und in Alexandria ausstellen kann, beansprucht er für seine Herrschaft ein ganz besonderes Prestige. Nach weiteren Kämpfen erklären sich 306/5 alle Diadochen zu Königen, keiner wollte hinter dem anderen zurückstehen, man spricht vom Jahr der Könige. 305/4 belagert Demetrios, der Sohn des Antigonos Monophthalmos, Rhodos erfolglos, woraufhin er den Spitznamen „Poliorketes“ erhält, der Städtebelagerer.
In der berühmten Schlacht von Ipsos 301 kämpfen Lysimachos und Seleukos (Ptolemaios nominell auch, doch er hält sich im Hintergrund) gegen Antigonos Monophthalmos und seinen Sohn Demetrios Poliorketes. Antigonos fällt achtzigjährig im Kampf, Demetrios muss fliehen und verliert erst einmal seine Herrschaft. Die großen Gewinner sind Lysimachos und Seleukos. 283 stirbt Ptolemaios I., ebenso Demetrios in der Gefangenschaft des Seleukos. Dieser geht nun gegen seinen Rivalen Lysimachos vor. In der Schlacht von Kurupedion 281 siegt Seleukos, Lysimachos findet den Tod. Seleukos kann sich jedoch seines Kriegsglücks nicht lange erfreuen, er wird schon kurz später ermordet. Sein Sohn Antiochos I. Soter ist nun alleiniger König im Seleukidenreich.
Antigonos II. Gonatas besiegt bei Lysimacheia die Kelten, die von Norden eingefallen waren. Er wird 272 König von Makedonien und wird jahrzehntelang die Großmachtpolitik prägen. Auch Antiochos siegt über die Kelten in Kleinasien (275), muss jedoch viele von ihnen im Inneren Kleinasiens ansiedeln, hier liegen die Anfänge des Galaterreiches. Ab 274 kämpfen Ptolemäer und Seleukiden in sechs Syrischen Kriegen um Syrien.
Im sogenannten Chremonideischen Krieg versuchen Athen und Sparta mit Hilfe des Ptolemaios II. noch einmal, die makedonische Oberhoheit loszuwerden, sie verlieren jedoch gegen Antigonos II. Gonatas, der Athen sogar erobert, vielleicht 261. Vergessen wir nicht, dass Rom zu dieser Zeit im Ersten Punischen Krieg gegen die Karthager steht.
Im Jahre 251 befreit Aratos von Sikyon seine Heimatstadt von den Makedonen und schließt sie dem Achäischen Bund an, der unter seiner Führung zu einem gewichtigen Machtfaktor in Mittel- und Südgriechenland wird. Schon 243 erobert Arat Korinth von den Makedonen, die Antigoniden verlieren in Folge die Kontrolle über viele Städte in Mittelgriechenland. 239 folgt Demetrios II. von Makedonien Antigonos II. Gonatas nach. Sogleich bricht der sogenannte Demetrios-Krieg aus, Makedonien gegen den Achäerbund, der sich 10 Jahre bis 229 hinzieht.
In Kleinasien erringt Attalos I. von Pergamon in Kämpfen gegen die Kelten und den Seleukiden Antiochos Hierax allmählich die Herrschaft über einen großen Teil Kleinasiens. 227 führt Kleomenes III. von Sparta eine Art Staatstreich durch. Sparta träumt noch einmal den Traum von der Großmacht. Die Achäer fühlen sich dadurch so unter Druck, dass sie eine außenpolitische Kehrtwendung vollziehen und sich mit den Makedonen verständigen (225/4). Antigonos III. Doson wird somit zum Oberbefehlshaber eines gesamtgriechischen Heeres, er initiiert wieder einmal einen Hellenenbund und besiegt Sparta 222 in der Schlacht von Sellasia.
Ein Jahr zuvor hatte Antiochos III. die Herrschaft im Seleukidenreich angetreten, ein äußerst fähiger und dynamischer Herrscher, der bedeutende Territorialgewinne für das Seleukidenreich erringt.
Das Bündnis zwischen Philipp V. von Makedonien mit Hannibal führt 215 zum ersten Römisch-Makedonischen Krieg, den Rom parallel zum Zweiten Punischen Krieg führt, der sich ja überwiegend in Italien abspielte. Während Philipp V. also Richtung Westen gebunden ist, kann sich Antiochos III. in seiner berühmten Anabasis nach Osten wenden und in den Jahren 212-204 verloren gegangene Gebiete im Osten zurückerobern, was jedoch nur von befristetem Erfolg war. Zurück im Westen setzt sich Antiochos in den Besitz der Territorien von Pergamon und verbündet sich, offenbar in einem Geheimvertrag, mit Philipp V. gegen Ägypten. Während Philipp in der Ägäis gegen die Ptolemäer agiert, führt Antiochos III. einen fünften Syrischen Krieg gegen Ptolemaios V. Er siegt im Jahre 200 am Paneion und erobert auch Koilesyrien, aber auch Ägypten kann Teile Syriens gewinnen.
Im zweiten Römisch-Makedonischen Krieg fällt Philipp in Attika ein, das von den Römern und den Attaliden verteidigt wird. Man merkt jetzt, wie sich Rom allmählich in die Auseinandersetzungen der hellenistischen Welt einmischt. Der römische Sieg über Philipp 197 bei Kynoskephalai bedeutet das Ende der makedonischen Vorherrschaft in Griechenland. Ein Jahr später übernimmt der römische Feldherr Titus Quinctius Flamininus die propagandistische Rhetorik der hellenistischen Könige und verkündet die Freiheit der griechischen Städte am Isthmos von Korinth. Philipp hält sich in der Folgezeit zurück und konzentriert sich auf den Wiederaufbau Makedoniens. Um diese Zeit festigt Antiochos III. seine Machtbasis in Kleinasien, indem er ehemals ptolemäische Territorien gewinnt, Karien, Lykien und Kilikien. Der Achäische Bund unter der Führung des Philopoimen besiegt Sparta und zwingt die traditionsreiche Polis in den Achäischen Bund. Die Souveränität Spartas ist hier zu Ende, 188 wird die alte Verfassung Spartas abgeschafft!
Auch weiter im Osten zeichnen sich große Kräfteverschiebungen ab. Antiochos verliert gegen Rom 191 an den Thermopylen und 189 bei Magnesia am Berg Sipylos, 188 sieht er sich gezwungen, mit den Römern den Frieden von Apameia zu schließen: Er verliert Kleinasien; Pergamon und Rhodos werden von Rom als Mittelmächte aufgebaut. In Makedonien folgt 179 Perseus auf Philipp V. Er ist beliebt, charismatisch, und die Griechen sehen in ihm einen Hoffnungsträger gegen Rom. Rom reagiert neurotisch und sieht sich unbegründeterweise vom neuen Makedonenkönig bedroht. Im dritten Römisch-Makedonischen Krieg, dem sogenannten Perseus-Krieg, besiegt Lucius Aemilius Paullus Perseus in der Schlacht von Pydna 168 v. Chr. Dieser römische Sieg besiegelt das Ende der Antigonidenherrschaft. Das erste hellenistische Teilreich ist damit gefallen. Makedonien wird in vier Teile zerschlagen, achäische Geiseln, unter ihnen Polybios, werden nach Rom deportiert. In Epirus hinterlassen die Römer eine Einöde, es kommt zu Massenversklavungen. Wie sehr sich die Kräfteverhältnisse geändert hatten, zeigt ein Vorfall ganz symptomatisch: Im sechsten Syrischen Krieg war Antiochos IV. Epiphanes in Ägypten eingefallen. Bei Eleusis in Ägypten traf der hellenistische Herrscher auf den römischen Bevollmächtigten, Quintus Popilius Laenas, der von Antiochos IV. die sofortige Räumung Ägyptens verlangte. Als dieser sich Bedenkzeit ausbat, zog Laenas mit einem Stock einen Kreis um Antiochos. Er müsse sich entscheiden, bevor er den Kreis verlasse. Antiochos verstand, was dies bedeutete und willigte in dieses demütigende Ultimatum ein. Noch nie zuvor war ein hellenistischer Herrscher, der sich in der Nachfolge Alexanders als Beherrscher des Seleukidenreiches bis weit in den Osten hinein sah, so schimpflich von einer auswärtigen Macht behandelt worden. So konnte Rom also mit den hellenistischen Königen umspringen! Der Prestige- und Gesichtsverlust für Antiochos IV. war immens. Nicht nur durch den Makkabäeraufstand in Judäa gegen Antiochos, auf den hier nicht weiter eingegangen werden kann, desintegrierte das Seleukidenreich in der Folge immer mehr. Auch im Ptolemäerreich kam es immer häufiger zu Thronstreitigkeiten und damit zu einer zunehmenden Labilität der Herrschaft. Die Endphase der hellenistischen Teilreiche war eingeleitet.

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