Tetrarchie

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Tetrarchengruppe Venedig

Leitfragen:

1.) Was zeichnet die Tetrarchie als Herrschaftsform aus?

2.) Welche Charakteristika der Tetrarchie sollen mit der Statue herausgestellt werden?

3.) Welche Vorteile bot diese Herrschaftsform?

Kommentar:

Als Tetrarchie wird eine im Jahr 293 n.Chr. unter Kaiser Diocletian eingeführte Herrschaftsform bezeichnet, die den Principat ablöste. Der Begriff leitet sich vom griechischen τετραρχία ab und bedeutet so viel wie „Viererherrschaft“. Diese sah vor, dass vier Herrscher die Macht im Imperium Romanum unter sich aufteilten; zwei davon als Augusti („Seniorkaiser“) und zwei als Caesaren („Juniorkaiser“). Diocletian versuchte durch diese Umstrukturierung des Herrschaftssystems die innere und äußere Stabilität des Reiches wiederherzustellen. Das Imperium hatte während der sog. „Reichskrise des 3. Jahrhunderts“ immer wieder mit Unruhen und Aufständen zu kämpfen gehabt, die letztendlich auch zu diversen Usurpationen führten. Insbesondere zwischen 235 und 285 n.Chr. wurden mehrfach erfolgreiche Feldherren von ihren Soldaten zu Kaisern ausgerufen – Diocletian selbst setzte sich als letzter der sog. Soldatenkaiser durch. Allerdings war diese Zeit nicht nur innenpolitisch von Instabilität geprägt, auch an den Reichsgrenzen kam es zu Problemen. Die Germanen bedrohten das Imperium an Rhein und Donau und die Sassaniden von Osten her.

Das Konzept, welches hinter der Idee der Tetrarchie steckt, lässt sich besonders deutlich anhand der venezianischen Tetrarchengruppe festmachen. Diese Gruppe wurde im Jahr 1204 von Konstantinopel nach Venedig gebracht und befindet sich heute in der Basilica di San Marco, dem Markusdom. Es handelt sich um eine Darstellung von vier männlichen Figuren, die paarweise angeordnet sind. Die Figuren sind ca. 1,30 m hoch und als Vollrelief aus rötlichem Porphyr gearbeitet, lediglich die Rückseiten der Figuren gehen in die Wand oder Säule hinein. Die Paare zeigen jeweils zwei nahezu identisch dargestellte Männer, die einander mit einer Hand umarmen und mit der anderen ihr Schwert berühren. Alle vier zeichnen sich durch eine typisch römische Militärtracht aus; über der langen Tunika tragen sie einen Brustpanzer und das Paludamentum, den Militärmantel. Zudem tragen sie eine runde Kopfbedeckung und halboffene Schuhe, deren Riemen sich über dem Spann der Füße kreuzen.

Bei den dargestellten Männern handelt es sich um die Tetrarchen Diocletian, Maximianus, Constantius Chlorus und Galerius, die jeweils zusammen als ein Augustus und ein Caesar stehen. Eine genaue Unterscheidung der Kaiser anhand kleinerer Merkmale, wie den strengen Gesichtszügen des angeblichen Galerius, wird gelegentlich versucht, lässt sich allerdings nicht zufriedenstellend belegen.

Das System der Tetrarchie entwickelte sich nicht über Nacht. Im Jahr 285 ernannte Diocletian zuerst seinen Freund Maximianus mit dem Titel Caesar zum Mitregenten, der ihm allerdings formal untergeordnet war. Bereits ein Jahr später wurde Maximianus ebenfalls zum Augustus erhoben und 293 erfolgte die Ernennung zweier Caesaren: Constantius Chlorus und Galerius. Ab diesem Zeitpunkt teilte sich dieses Kollegium die Macht im Römischen Reich; Maximianus war für Westrom verantwortlich, abgesehen von den gallischen und britannischen Provinzen, für die Constantius Chlorus zuständig war. Die anderen beiden Regenten waren für den Ostteil des Reiches verantwortlich. Die gemeinsame Teilhabe an der Machtausübung im Reich wird im Relief auch durch die Abkehr von der individuellen Darstellung der persönlichen Physiognomie zu einer entindividualisierten Darstellung deutlich. Das Bildnis steht damit im starken Gegensatz zu den vorherigen Kaiserdarstellungen, wie der idealisierten Darstellung des Augustus, des ungeschminkt realistischen Portraits im Stile Vespasians oder der stark individualisierten Darstellung Caracallas. Damit steht das Bildnis gleichzeitig am Anfang einer fast vollständig entindividualisierten Darstellungsweise, die typisch für die Spätantike werden sollte.

Anders als das Relief der Kaiser es vermuten lassen würde, war die Hierarchie innerhalb dieses Kaisertums streng aufgeteilt. Dies wird auch in der Titulatur durch die Beinamen Iovius (für Jupiter) und Herculius (für Hercules) deutlich. Auch wenn z.B. Gesetzte offiziell von allen vier Kaisern erlassen wurden, wurde die Vorrangstellung von Diocletian während seiner gesamten Herrschaftszeit niemals angezweifelt. Die Verbindungen unter den Kaisern wurden – wie es in der römischen Politik gängig war – durch Heiraten besiegelt. Die Caesaren wurden zudem von den Augusti adoptiert. Die Nachfolgeregelung erfolgte damit nicht direkt dynastisch, sondern durch das Nachrücken der vorher ausgewählten Caesaren auf die Positionen der Augusti. Die Vorteile, die dieses Herrschaftssystem mit sich brachte, liegen auf der Hand: durch die beständige Loyalität großer Teile der Truppen, die allen vier Regenten zukam, konnte die Gefahr von Usurpation, die die Krise des 3. Jahrhunderts so stark geprägt hatte, vermindert werden. Andersherum stand ein potentieller Usurpator immer gleich drei weiteren Kontrahenten mit militärischem und politischem Rückhalt gegenüber, wenn er einen der amtierenden Machthaber umbrachte. Außerdem war beim Tode einer der Augusti der Nachfolgende Caesar bereits mit der Reichsführung vertraut.

Zudem konnten die Kaiser das Reich durch die Aufteilung der Herrschaftsgebiete flexibler verwalten. So war es einem Kaiser möglich, einem Aufstand innerhalb der Reichsgrenzen niederzuschlagen, während die anderen weiterhin die Außengrenzen sicherten. Damit brachte diese Form der Herrschaft dem Reich in erster Linie wieder Beständigkeit und Stabilität. Dies galt allerdings nicht für die Tetrarchie selbst. Bereits mit dem Rücktritt von Diocletian im Jahr 304 zerfiel das stark auf seine Person hin ausgerichtete System. Schließlich setzte sich mit der Ausrufung Konstantins zum Kaiser der in der römischen Gesellschaft tief verankerte dynastische Gedanke wieder durch. Die Eintracht der vier Kaiser, wie sie in der venezianischen Porphyrgruppe dargestellt wurde, blieb demnach in den Folgejahren nicht erhalten, aber es hielten sich viele der administrativen Neuerungen der Tetrarchen. Am wichtigsten war die Idee des Mehrkaisertums, die eine grundsätzliche Einteilung in ein Ost- und Weströmisches Reich zur Folge hatte, aber auch die Verkleinerungen der Provinzen und die Abwendung von Rom als Mittelpunkt des Reiches gehören zu diesen Veränderungen. Zudem wurde die militärische Verwaltung von der zivilen getrennt und stärker zentralisiert und bürokratisiert.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Diokletian, Konstantin und die konstantinische Dynastie“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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