Die Constitutio Antoniniana

 

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Falk Wackerow
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Die Constitutio Antoniniana

Leitfragen:

1) Welche Situation bezüglich des Bürgerrechts herrschte zuvor im Reich?
2) Welchen Inhalts ist das Schriftstück?
3) Was bezweckte Caracalla mit dem Edikt?

Kommentar:

Der 1902 in Ägypten erworbene Papyrus Gissensis 40, der heute der Universitätsbibliothek Gießen gehört, enthält ein zentrales Edikt des dritten Jahrhunderts n. Chr. und gehört zum deutschen Weltdokumentenerbe der UNESCO. Auf der linken, stark zerstörten Hälfte des Papyrus ist ein Teil des Gesetzestextes erkennbar, der bis zu seiner Entdeckung nur indirekt durch eine Erwähnung bei Cassius Dio ( LXXVIII, 9,5) bekannt war. Mit der Publikation 212/3 n. Chr. wurde allen freien Einwohnern des Reiches das römische Bürgerrecht verliehen. Was zuvor ein – wenn auch im Vergleich zur republikanischen Zeit deutlich ausgeweitetes – Privileg der Italiker und besonders verdienter Fremder war, wurde nun Allgemeingut. Bisher hatten die Kaiser lediglich den Bewohnern einzelner Städte und jenen Hilfstruppensoldaten, die ihre 25-jährige Dienstzeit absolviert hatten, das römische Bürgerrecht als erbliche Auszeichnung verliehen. Mit der Statuserhöhung waren vor allem Steuervorteile verbunden gewesen, denn einen Großteil der Abgaben hatten die Fremden (peregrini) zahlen müssen. Vor dem Hintergrund der turbulenten Ereignisse seiner Zeit entschloss sich Caracalla jedoch, das Steuersystem grundlegend dahingehend zu verändern, dass nun alle römischen Bürger – und somit alle Bewohner des Reiches – voll steuerpflichtig wurden. Damit erhöhte er die Einnahmen, was wiederum der Reichsverteidigung ebenso wie dem Schutz seiner eigenen Person vor Verschwörungen der Soldaten zugute kam. Die Constitutio Antoniniana ist also als eine rationale Reaktion auf die Reichskrise zu verstehen. Cassius Dio als Senator war naturgemäß anderer Auffassung, er stellte den Kaiser als Tyrannen dar, der sich zwar gut um die Belange der Soldaten kümmere, die wichtigen Senatoren jedoch unterdrücke. Möglicherweise mag hinter der Schilderung Dios auch die Verbitterung darüber gestanden haben, dass die Senatorenschicht sich nun nur noch durch Reichtum und Familientradition von den restlichen Reichsbewohnern unterschied. Die Einführung zahlreicher ehedem Fremder in die römischen Kulte und Verwaltung mag den etablierten honestiores ein Dorn im Auge gewesen sein. Ein weiterer Grund für den Erlass könnte ebenfalls beim Militär liegen: Es standen nun mehr Männer für die Legionen bereit, denn das Bürgerrecht war Voraussetzung für den Dienst. Praktisch wurde somit die Unterscheidung zwischen Legionen und Hilfstruppen aufgehoben. Es ist jedoch nach wie vor umstritten, inwieweit von einer „Barbarisierung“ der römischen Armee schon zu dieser Zeit die Rede sein kann, die sich zu einem Problem der Spätantike entwickelt habe, wie gelegentlich in der Fachliteratur argumentiert wird.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Das 3. Jh. n. Chr.“ Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
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