Plünderung Karthagos

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Victor von Vita
Lizenz: CC-BY-NC-SA

                                           Vict.Vit. 1, 8-10

(8) In aedificiis nonnullis magnarum aedium vel domorum, ubi ministerium ignis minus valuerat, tectis admodum despicatis pulcritudinem parietum solo aequabant, ut nunc antiqua illa speciositas civitatum nec quia fuerit prorsus appareat. Sed et urbes quam plurimae aut raris aut nullis habitatoribus incoluntur; nam et hodie si qua supersunt, subinde desolantur. Sicut ibi Carthagine odium, theatrum, aedem Memoriae et viam, quam Caelestis vocitabant, funditus deleverunt. (9) Et, ut de necessariis loquar, basilicam Maiorum, ubi, corpora sanctarum martyrum Perpetuae atque Felicitatis sepulta sunt, Celerinae vel Scilitanorum et alias, quas non destruxerant suae religioni licentia tyrannica mancipaverunt. Ubi vero munitiones aliquae videbantur, quas hostilitas barbarici furoris obpugnare nequiret, congregatis in circuitu castrorum innumerabilibus turbis, gladiis feralibus cruciabant, ut putrefactis cadaveribus, quos adire non poterant arcente murorum defensione, corporum liquescentium enecarent foetore. (10) Quanti et quam numerosi tunc ab eis cruciati sunt sacerdotes, explicare quis poterit? Tunc enim et nostrae civitatis venerabilis Panpinianus antistes candentis ferri lamminis toto adustus est corpore. Similiter et Mansuetus Uriciatanus in porta incensus est Fornitana. Qua tempestate Hipporegiorum obsessa est civitas, quam omni laude dignus beatus Augustinus, librorum multorum confector pontifex gubernabat.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Jan Seehusen
Lizenz: CC-BY-NC-SA

                                              Übersetzung

(8) Bei manchen Bauten großer Gebäude oder Wohnhäuser, wo der Dienst des Feuers weniger stark gewesen war, machten sie, nachdem sie die Dächer im wahrsten Sinne des Wortes entrupft hatten, die Schönheit der Wände dem Boden gleich, sodass jetzt jene alte Schönheit der Städte gänzlich unsichtbar ist, als habe es sie nicht gegeben. Aber auch viele Städte werden entweder von wenigen oder keinen Bewohnern besiedelt; denn auch wenn heute noch einige übrig bleiben, werden sie allmählich verlassen. So vernichteten sie in Karthago vollständig das Odeion, das Theater, die Aedes Memoriae und die Straße, die Caelestis genannt wird. (9) Auch haben sie, um nur über die schlimmsten Zwangslagen zu sprechen, die Basilica Maiorum, wo die Gebeine der heiligen Märtyrer Perpetua und Felicitas begraben sind, sowie die Kirche der Celerina und die der Scilitanischen Märtyrer und andere, die sie nicht zerstört haben, mit tyrannischer Frechheit ihrem eigenen Kult übergeben. Wo aber irgendwelche Befestigungen so schienen, dass die Feindseligkeit der barbarischen Wut nicht fähig war sie zu erobern, metzelten sie, nachdem im Umkreis der Mauern zahlreiche Mengen versammelt waren, diese mit tödlichen Schwertern nieder, um nach dem Verfaulen der Leichname diejenigen, an die sie wegen der schützenden Verteidigung der Mauern nicht herankommen konnten, durch den Gestank der verwesenden Körper langsam hinzumorden. (10) Wie bedeutende und wie viele Bischöfe wurden dann von ihnen gefoltert, wer könnte dies darlegen? Denn damals wurde auch der verehrte Vorsteher unserer Stadt, Panpinianus, am ganzen Körper mit einer glühenden Eisenplatte verbrannt. Ebenso wurde Mansuetus Uricitanus an der Porta Fornitana in Brand gesetzt. In dieser stürmischen Zeit wurde auch die Stadt Hippo Regius belagert, die der allem Lob würdige und selige Augustinus als Bischof regierte, welcher der Vollender zahlreicher Schriften war.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vict.Vit. 1, 8-10

Leitfragen:

1.) Mit welcher Intention verfasste Victor den vorliegenden Text?
2.) Was erfahren wir über die Situation in Karthago unter den Vandalen?
3.) In welcher Beziehung standen die Vandalen zur karthagischen Kirche?

Kommentar:

Der vorliegende Quellenausschnitt stammt von dem spätantiken Kirchenhistoriker Victor von Vita. Er verfasste um das Jahr 487/89 sein Werk, die Historia persecutionis Africanae provinciae, eine Geschichte, die allen voran die Leiden der Katholiken unter der vandalischen Verfolgung und ihre Standhaftigkeit darstellen sollte. Victor selbst war Kleriker, Bischof von Vita und Zeitzeuge der beschriebenen Ereignisse. Bei seinem Werk handelt es sich um eine der wenigen narrativen Quellen über die Zeit der Vandalen in Nordafrika – die schriftliche Überlieferung dieser Periode dominiert klar die Hagiographie – in der Informationen über das tägliche Leben und an einigen Stellen sogar Archivalien überliefert wurden.

Im Jahr 429 n. Chr. überquerte der vandalische König Geiserich mit seiner gesamten gens die Straße von Gibraltar und setzte nach Nordafrika über. Auf ihrem dortigen Eroberungszug zerstörten die Vandalen viele nordafrikanische Städte und vertrieben ihre Bewohner, wie im Fall von Hippo Regius. Im Jahr 439 n. Chr. erreichten sie schließlich Karthago, die Hauptstadt der Proconsularis und legten diese als ihren neuen Königssitz fest. In dem vorliegenden Ausschnitt hebt Victor vor allem die Grausamkeiten vor, mit der die Vandalen Karthago einnahmen; nicht nur zerstörten sie viele Gebäude des öffentlichen Lebens, sondern sie gingen sogar so weit, dass sie versuchten, die Menschen innerhalb der Mauern durch den Verwesungsgeruch von aufgestapelten Leichen herauszutreiben.

Im Mittelpunkt seiner Beschreibungen stehen allerdings die Verbrechen der Vandalen gegenüber der katholischen Kirche. Dies wird auch in der Erwähnung der beiden Märtyrerinnen Perpetua und Felicitas deutlich, die im lokalen Kult eine herausragende Rolle einnahmen. Die Vandalen zerstörten die großen extra urbanen Basiliken, wie die Basilica Maiorum zwar nicht, aber sie belegten diese für ihren arianischen Glauben – eine ebenfalls christliche, theologische Lehre, die allerdings seit dem Konzil von Nicäa von einem Großteil der (Reichs)Kirche als häretisch angesehen wurde. Victor verweist wahrscheinlich bewusst auf die Märtyrerinnen, um nochmals die Ignoranz der Vandalen gegenüber der katholischen Kirche deutlich zu machen und durch die Erwähnung der karthagischen Heiligen an das kollektive Gedächtnis der lokalen Gemeinde zu appellieren. Victor beschreibt weiter, dass viele katholische Bischöfe gefangen und gefoltert wurden. Nichtsdestoweniger war es zu keinem Zeitpunkt das erklärte Ziel der Vandalen, die katholische Kirche auszulöschen. Bei der gezielten Verfolgung handelte es sich vielmehr um eine politische als um eine theologische Entscheidung. Im Großen und Ganzen wurden wohl nur wenige Bischöfe hingerichtet, die Mehrzahl wurde ins Exil geschickt. Die lokale Kirche in Karthago sollte in erster Linie in ihrem Einfluss auf die Bevölkerung, ferner in ihrer engen Beziehung zu Konstantinopel eingeschränkt werden.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Der Untergang des Westreiches“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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