05 – Das Alltagsleben und das Leben am Hof

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Werner Rieß
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Griechische Geschichte III: Der Hellenismus

05 – Das Alltagesleben und das Leben am Hof

Die griechische Kultur, obwohl bis nach Indien reichend, gravitierte doch zum Mittelmeer hin. Schon Seleukos gab die östlichsten Gebiete auf, auch Baktrien löste sich aus dem Seleukidenreich. Antiocheia wurde schließlich wichtiger als Seleukeia am Tigris. Die Zentren des hellenistischen urbanen Lebens blieben Athen, Alexandria, Pergamon und Antiocheia, das Mittelmeer bildete also das Zentrum, um den herum sich urbanes, d.h. griechisches Leben abspielte.
Die hellenistische Zeit zeichnet sich durch höhere Mobilität aus als je zuvor, v.a. Söldner sind in großen Zahlen unterwegs. Sie kommen aus allen Himmelsrichtungen; unter den Griechen sind v.a. die Kreter als Söldner begehrt, die oft ihren Lebensunterhalt als Piraten verdingten. Piraterie und Söldnerwesen sind die wichtigsten Einnahmequellen für viele und wohl auch austauschbar.
Außerdem sind ständig viele Gesandte unterwegs in den unterschiedlichsten Missionen, v.a. aber korrespondierten die Städte untereinander und mit den Königen, später verhandelte man ständig mit Rom. Man löste so Konflikte und tauschte natürlich die vielfältigen Ehren aus, die oftmals inschriftlich erhalten sind.
Ebenfalls unterwegs sind die professionellen Schauspieler, die im Rahmen der großen religiösen Feste Theateraufführungen darboten. Die dionysischen Techniten, wohl die berühmteste Gruppe, reisten von Einsatzort zu Einsatzort. Offiziell waren sie religiöse Körperschaften und nicht sehr angesehen, weil sie immer unterwegs waren.
Ebenfalls unterwegs sind Ärzte; die werden von Städten manchmal an andere Städte ausgeliehen, manche Städte setzen Steuern fest (iatrikon), um gute Ärzte bezahlen zu können. Viele Ärzte wurden auf Kos ausgebildet, am dortigen Asklepieion.
Eine bedeutende Rolle spielten auch Sportler, die in der ganzen hellenischen Welt an internationalen Wettkämpften teilnahmen. Bei Siegen wurden sie hoch geehrt und auf vielfältige Art und Weise gefeiert. Ruhm erwarben sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Heimatpolis, sie wurden also als Superstars verehrt.
Auch Künstler, Lehrer, Musiker, Dichter, Ingenieure und Baumeister ziehen durch die Lande und hoffen auf Aufträge, v.a. suchen sie natürlich die großen Höfe auf, wo immer Bedarf an fähigen Leuten bestand. Auch Richter, Schiedsmänner und Pilger, die zu den Orakelstätten reisten, fuhren umher.

Griechische Vereine
Vereine und Assoziationen prägten schon das Leben in den Mutterstädten, nun aber, in der Fremde mit gemischter Bevölkerung sind sie noch notwendiger als vorher. Eranoi oder Thiasoi heißen die Vereinsmitglieder, die sich an eine bestimmte Gottheit anschließen. Mitgliedsbeiträge finanzieren verschiedene soziale Zwecke, wie anständige Beerdigungen, das Clubhaus, gemeinsame Feiern; hier konnte man gleich soziale Kontakte schließen, wenn man neu zuzog. Die Vereine prägten also entscheidend das soziale wie private Leben. Sie waren weniger exklusiv und griechisch als die Gymnasien. Sie nahmen Männer und Frauen, Griechen wie Barbaren, Arme wie Reiche auf, Freie wie Sklaven. Die Oberschichten blieben rein griechisch und makedonisch. Wenn man hier von Homogenität spricht, dann meinen wir nur die dünne graeco-makedonische Oberschicht. Hier gab es in der Tat soziale Vermischung. Landsmannschaftliche Verschiedenheiten spielten in der Fremde keine große Rolle mehr. Man fühlte sich nun griechisch und nicht mehr thebanisch, athenisch, milesisch oder ephesisch. Damit grenzte man sich von den Mehrheiten vor Ort bewusst ab. Die Könige rekrutierten nur diese Oberschichtgriechen für die gehobenen Posten und die Zentralverwaltung. Sie zeichneten sich durch ein weiteres kulturelles Merkmal aus, nämlich den Besuch eines mehrjährigen Gymnasion. Und auf das Gymnasion und seine Rolle müssen wir nun kurz eingehen.

Gymnasion
Die Philosophenschulen wären ohne städtische Bildung nicht möglich gewesen, so sehr die Intellektuellen auch an den Höfen gefördert wurden. Die Erziehung fand für die Oberschichten-Jungen in den städtischen Gymnasien statt. Zunächst waren sie erst einmal wichtig für die sportliche Ertüchtigung, aber die Musen wurden nie vernachlässigt. Das Gymnasion von Pergamon hatte drei Ebenen, eine für die Knaben, eine für die Epheben und eine für junge Männer. Es gab Lesezimmer, Säulenhallen, wo man diskutierte, und Bibliotheken. In Teos gab es Koedukation, hier waren auch Mädchen zum Gymnasion zugelassen. Es ging vornehmlich um literarische Bildung, d.h. Rhetorik und das Studium Homers und Euripides‘. In Teos gab es drei Lehrer, zwei paidotribai, also Sportlehrer, und einen Lyraspieler, der für die musikalische Unterweisung verantwortlich war. Die Lehrer waren sozial nicht hochstehend, aber die Bürger schätzten ihre Gymnasien sehr. Paidonomoi passten auf die Schüler auf, der Gymnasiarch war eine Art Direktor. Die höheren Beamten in den Städten waren unbezahlt und damit aus den Oberschichten selbst, sie waren sehr angesehen. Der Gymnasiarch, also der Direktor, war für die gesamte Organisation der Einrichtung und auch für die Opfer und die Wettkämpfe verantwortlich. Nun wurden nicht mehr die städtischen Beamten so oft geehrt, weil ihre politische Bedeutung abgenommen hatte, sondern die Gymnasiarchen. Das war also ein neues Betätigungsfeld für die Elite, die ja immer nach Distinktion und Auszeichnung strebt. Auch die Könige unterstützten die Gymnasien. Aus Inschriften kennen wir die Gewinner bei den Wettkämpfen, eine Art Sportfeste mit verschiedenen, eben auch musischen Disziplinen, wie etwa die Komposition von Liedern, das Spielen auf der Kithara, das Singen zur Kithara, Malerei, Arithmetik usw. Hier wurden die griechischen Bildungswerte, der Bildungskanon vermittelt, der eben von Athen über Pergamon, Alexandria, Antochia und Seleukeia bis nach Indien der gleiche war. Körperliche und geistige Übungen inklusive Literatur machten den Menschen zum Gebildeten, zum hellenischen Menschen, zum pepaidomenos, ein ganz wichtiges Konzept dann in der Zweiten Sophistik der römischen Kaiserzeit. Die pepaidomenoi, die diese Schulung durchlaufen hatten, sahen sich im Verhältnis zu allen anderen Völkern als überlegen an und betrachteten diese als Barbaren. Man konnte nun auch außerhalb Griechenlands Kulturgrieche werden, indem man an ein Gymnasion ging, dort perfekt Griechisch lernte, griechische Umgangsformen annahm und den Bildungskanon verinnerlichte, also dem ganzen Habitus nach Grieche wurde. Somit war man Hellene und hatte Zugang zur griechischen Kultur.

Landwirtschaft
Die Griechenstädte waren im Osten eigentlich Fremdkörper. Das Land gehörte im Prinzip dem König. Wir sehen wenige Innovationen in der Landwirtschaft. Allerdings kam nun viel Geld in Umlauf, weil Alexander die Schatzkammern des Großkönigs öffnete. Das führte aber auch zur Inflation. Anfangs gab es verschiedene regionale Währungssysteme, langsam kam es aber zu einer Harmonisierung, Antigoniden und Seleukiden prägten und benutzten die beliebte Tetradrachme mit 17g. Die Ägypter machten nicht mit, da die Ptolemäer ein monetarisches Monopol anstrebten. Die Monetarisierung war aber nur in den Städten stark. Auf dem Land herrschten weiterhin Tauschhandel und Steuerabgaben in Naturalien vor, was den Herrschern nur Recht war. Städte richteten eigene Fonds ein, um Getreide auch in mageren Zeiten kaufen zu können, z. B. Samos. Die Könige sahen aber diese Sparwünsche nicht gern und verwiesen auf ihre königlichen Güter, die auch zur Versorgung der Stadtbevölkerung bei Engpässen beitragen konnten.

Auch im Gewerbe und im Handel gab es keine fundamentalen Änderungen. Manche Städte schafften es, durch einen blühenden Handel reich zu werden, so z.B. die Kaufmannsaristokratie auf Rhodos. Bis 168 v. Chr., dem Zusammenstoß mit Rom, sicherte Rhodos sich in der Außenpolitik ab und institutionalisierte eine gewisse Wohltätigkeit im Inneren. Die rhodische Oligarchie gab den Armen bewusst, um Unruhen zu verhindern. In Tyros und Sagalassos gab es berühmte Färbereien. In Sidon war die Glasproduktion berühmt, Tarsos produzierte Leinen. Aber es gab keine Produktionssteigerungen zu vorher, nirgends kam es zu einer wirklichen Massenproduktion. Der Handel fühlte sich massiv eingeschränkt durch die ständig virulente Piraterie, für die v.a. Kreta berühmt-berüchtigt war. Die Piraten versorgten den Sklavenmarkt mit immer neuen gefangengenommenen Menschen. Vor allem in den alten Griechenstädten des Mutterlands und in Kleinasien war die Wirtschaft auf Sklaven angewiesen, weniger im Osten. Piraterie und Söldnerwesen waren, wie vorhin dargelegt, die Haupterwerbsquelle für die Männer, die kein landwirtschaftliches Grundstück erbten. Der Weg von der Piraterie zum Söldnerwesen war nach beiden Seiten hin offen, sehr typisch für die Vormoderne.

Wirtschaft der Städte
Die Städte waren nun nicht mehr selbständig, die meisten müssen Tribute an die Könige zahlen, außer diejenigen, die davon expressis verbis per Dekret ausgenommen waren. Immer wieder wurden die Städte auch wegen der Kriege zur Kasse gebeten oder mussten verschiedene Leistungen erbringen. Oft konnten diese Summen nur mit Hilfe der örtlichen Euergetai, der reichen Wohltäter, aufgebracht werden. Diese hatten ihren Reichtum meist im Sklavenhandel erworben und paktierten mit den skythischen und thrakischen Barbarenfürsten. Sie bekamen Sklaven, die Städte zahlten Schutzgelder, die z.T. aber von den Euergetai selbst aufgebracht wurden. Also eine Hand wäscht die andere, ein sehr korruptes System. Manchmal erwiesen sich die hellenistischen Könige aber auch großzügig, um ihr Image etwas aufzupolieren, indem sie Schenkungen an Städte machten und Geld bereitstellten für Bauten, Tempel, Säulenhallen, Bäder und Theater. Gelder wurden also auch zu Prestigezwecken ausgegeben, zur ostentativen Zurschaustellung des eigenen Reichtums, also wieder sehen wir die Wichtigkeit der Performanz. Reichtum wurde nicht in die Wirtschaft gesteckt, um diese anzukurbeln, ein wirtschaftspolitisches Denken fehlte.

Problem der Entvölkerung
Viele heirateten nicht mehr, auch der Kindsmord war allgemein üblich. Die Folge war die Entvölkerung ganzer Städte und Landstriche, angeblich, so Polybios, in Wahrheit war die Kinderlosigkeit wohl ein Phänomen der Oberschicht. Es gab wohl zu wenig Land, nicht zu wenig Menschen. Indizien dafür sind etwa die Piraterie und das Söldnerwesen auf Kreta sowie die ständige Forderung nach einer Neuverteilung des Landes, also wollen die Bauern pflügen, aber sie haben zu wenig Land zur Verfügung. Der Geburtenrückgang in der Oberschicht erklärt sich wohl dadurch, dass das Leben allgemein als sehr unsicher empfunden wurde. Not und Elend herrschten durch Kriege, Landknappheit und Verschuldung bei gleichzeitiger Verprassung der Ressourcen durch die Reichen, also ein Dritte Welt-Szenario. Wenn die Bauern nicht mehr konnten, wie oft in Ägypten belegt, liefen sie weg, wurden Söldner oder gleich Piraten und Banditen oder suchten Zuflucht in den großen Städten, wo sie als Bettler noch eher auf die Munifizenz der Könige hoffen konnten als auf dem flachen Land. Diese Entwicklungen erklären also die Entvölkerung vieler kleiner Städte und dass sie dringend Neubürger brauchten, denen dann auch gleich das Bürgerrecht verliehen wurde.

Gesellschaftliche Konflikte:
Sozialrevolutionäre Unruhen sind v.a. für Griechenland und Kleinasien belegt, von den Weiten des Ostens haben wir wenig Zeugnisse. Die alten Städte profitierten von der Ausbreitung nach Osten eigentlich kaum. In Ägypten war der Widerstand gegen die Obrigkeiten oft „nationalistisch“ angehaucht, weil die Oberschichten eben Makedonen und Griechen waren. Die Formeln „Neuverteilung des Landes“ (anadesmos ges) und „Aufhebung der Schulden“ wurden oft in die Bürgereide mit aufgenommen, dass man danach nicht trachten dürfe. Die Formel begegnet uns schon bei Solon, d.h. die sozialen Probleme Griechenlands waren eigentlich nie gelöst worden. Tatsächlich gab es immer wieder Unruhen, staseis, wobei man oft nicht sagen kann, ob die Ursachen allein in den desolaten inneren Verhältnissen zu suchen sind oder auch von außen befördert wurden. Beides blendet ineinander, Innen- und Außenpolitik sind oftmals unentwirrbar miteinander verwoben. Ätoler z. B. fördern gerne Umstürze in achäischen Städten. In den meisten Fällen verliefen die Erhebungen ohne Erfolg, sie verschlimmerten nur die ohnehin schon prekäre Situation, es gab Ermordungen, Verbannungen, Enteignungen wie eh und je. Die Sklaven waren von diesen Bewegungen ausgeschlossen, denn um sie ging es den freien Griechen nicht. Dass es nicht mehr Revolten gab, ist der „freiwilligen“ Wohltätigkeit der Reichen geschuldet, die mir ihren Almosen den schlimmsten Zorn der Armen eindämmen konnten.

Die Höfe
Der griechische Geist und die griechische dynamis verbreiteten sich gen Osten, aber natürlich gab es auch Konzentrationsprozesse an den Höfen, wie Pergamon und Alexandria. Die energischste Kulturpolitik betrieben die ersten drei Ptolemäer durch die Gründung des Museion und der Bibliothek. Es ist unklar, wann genau die Bibliothek gegründet wurde, vielleicht unter Ptolemaios I. Soter oder durch Ptolemaios II. Philadelphos. Unsummen wurden für Bücher ausgegeben und um die besten Köpfe nach Alexandria zu holen. Zuletzt besaß die Bibliothek 500.000 Schriftrollen. Das Museion war das an die Bibliothek angegliederte Forschungsinstitut, wo v.a. Philologie betrieben wurde. Der erste Leiter des Mueseion war Philitas von Kos. Zenodotos von Ephesos (ein Schüler des Philitas) ist der erste Bibliotheksleiter, er besorgt die erste Edition Homers. Auch Aristophanes von Byzanz und Aristarchos von Samothrake widmeten sich v.a. Homer, hier entsteht die Homerphilologie. Manche heutige Forscher wie z. B. Greg Nagy vermuten, dass die homerischen Epen eigentlich erst hier ihre endgültige Gestalt bekamen. Hier liegen die Grundlagen für die philologischen Forschungen ab der Renaissance. Alexander aus Aitolien und Lykophron von Chalkis, beide Dichter, beschäftigen sich philologisch mit der Tragödie und Komödie.
Theokrit von Syrakus, der große Hirtendichter, verweilte nur kurz in Alexandria, wir wissen nicht warum. Sein Idyll 15, ein Dialog zweier Syrakusanerinnen, die ausgehen, um am Adonis-Fest teilzunehmen, vermittelt den Flair einer kosmopolitischen Urbanität. Kallimachos wird der Meister der Kleinform und ist der Vertreter der Alexandrinischen Dichterschule; Wortwitz und Kürze, Prägnanz sind hier wichtig. Im Gegensatz dazu steht Apollonios Rhodios, der sein Epos über die Argonauten in Alexandria schreibt, eine Zeitlang war er der Chefbibliothekar. Er propagierte genau das Gegenteil einer Kleinform, weswegen er in Konflikt mit Kallimachos geriet und schließlich Alexandria verließ.
In Pergamon gab es im 2. Jahrhundert v. Chr. einen ähnlichen Musenhof. Die Bibliothek dort war die zweitgrößte der Alten Welt nach Alexandria. Krates von Mallos ist der große Homergelehrte in Pergamon, der oft eine allegorische Deutung schwieriger Passagen vorschlägt. Bei einer Reise nach Rom brach er sich dort ein Bein, musste dann einige Zeit in Rom bleiben, hielt dort Vorträge und erweckte ein gewisses Interesse an der Homer-Philologie. Die Historiker schrieben überall, nicht nur an den Höfen: Hieronymos von Kardia schreibt in Pella, Timaios in Athen, Polybios notgedrungenerweise als Geisel in Rom und auch zu Hause in Megalopolis.

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04 – Die Seleukiden und die Ptolemäer

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Griechische Geschichte III: Der Hellenismus

04 – Die Seleukiden und Ptolemäer

Ich möchte heute versuchen, die Reiche der Seleukiden und Ptolemäer in aller Kürze etwas zu charakterisieren. Bei den Seleukiden gibt es drei Kategorien von Untertanen:
1. Die Dynasten, hohe weltliche und geistliche Herren, die faktisch unabhängig sind.
2. Die griechischen Poleis (de facto sind sie relativ autonom, sie stehen außerhalb der Territorialverwaltung, ihr Verhältnis zum Reich regelt formal ein Vertrag).
3. Die Völkerschaften; nur sie unterstehen den Seleukiden direkt (durch Statthalter).
Alle drei Gruppen sind aber steuerpflichtig. Die Größe des Gesamtgebiets schwankte enorm zwischen 312, als Seleukos I. Babylon an sich riss und 129, als nur noch ein kleines Gebiet in Nordsyrien übrig war. Das Seleukidenreich zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt an Völkern und Kulturen aus, ganz im Unterschied zum Reich der Antigoniden und Ägypten, wo nur zwei Kulturen aufeinander prallten. In Kleinasien lebten an den Küsten die Griechen in ihrer Poliskultur, im Zentrum die Kelten, mehr oder weniger in Clans organisiert. In Palästina lebten die Juden mit ihrer ganz eigenen, distinkten Kultur und Religion, im Süden die Araber; das Zweistromland war immer noch von den uralten Hochkulturen geprägt. Im Osten lebten iranische Reiternomaden, aber es gab auch vereinzelt griechische Neugründungen, die gewissermaßen isoliert im Niemandsland lagen.
Auch die Seleukdien regieren mit ihren philoi, Freunden, und einer griechisch-makedonischen Oberschicht. Zwei Generationen lang waren Einheimische ganz von Verwaltungsämtern ausgeschlossen, dann machen sie im Verwaltungspersonal nur 2,5% aus. Alexanders Idee einer Verschmelzung war von seinem direkten Umfeld wohl nie verstanden worden.
Das Seleukidenreich war in 25-30 Satrapien gegliedert, darunter gab es Hyparchien und Toparchien. Die Satrapen regierten wie kleine Könige. Den makedonischen kam die volle Militärgewalt zu, den einheimischen wurde ein makedonischer Militärbefehlshaber zur Seite gestellt (so in Babylonien, Kappadokien, Kilikien).
An der Spitze der Finanzverwaltung stand ein epi ton prosodon, ihm unterstanden Finanzfunktionäre in den Satrapien und deren Untergliederungen, also auch hier gab es ein großes Interesse am Füllen der Staatskasse, aber nicht so einheitlich und durchgeplant wie im Ptolemäerreich. Bei den Seleukiden gibt es einen Stellvertreter des Königs, einen Großwesir, epi ton pragmaton, also Geschäftsführer. Diese Struktur spiegelte sich auf der Ebene der Satrapien wieder. Der Satrap war also ziviles und militärisches Oberhaupt seiner Provinz und stand damit ganz in der Tradition des Achaimenidenreiches. Antiochos III. war dann der große Reorganisator, er stellte das gesamte Reich auf Strategien um. Der Stratege ist deren oberster Militär- u Zivilbefehlshaber. Ihm zur Seite steht ein Finanzminister, der dioiketes.
Die Könige hatten riesige Domänen, auf denen Scharen von „hörigen“ Bauern (laoi) und Sklaven (oiketai) arbeiteten, allerdings war die Sklaverei auf dem Land nicht weit verbreitet. Die laoi lebten in Dörfern und unterstanden manchmal einem Komarchen oder einem Grundherren, um dessen Wehrturm herum sie siedelten. Sie mussten dem Grundherren Abgaben und Dienste leisten. Bei einem Besitzwechsel der Ländereien gehörten sie einfach mit zum Inventar, selbst wenn sie schon weggezogen waren. Den Verpflichtungen am alten Wohnort war aber immer noch nachzukommen.
Aus inschriftlich erhaltenen Briefen wissen wir, dass es verschiedene Rechte an Grundstücken gab: Privateigentum, Erbpacht, Schenkungen vom König. Offenbar gab es viele Formen und Möglichkeiten des Grundbesitzes. Der Seleukidenkönig wuchs hier in die gewachsenen orientalischen Strukturen hinein, d.h. theoretisch gehört alles Land ihm, weil speergewonnen, aber faktisch kann er dann doch Land in unterschiedlicher Art und Weise vergeben. Letztendlich lag jedoch der Vorbehalt eines letzten Eigentumsrechts beim König.

Katoikiai sind Militärsiedlungen für Soldaten und Reservisten. Kleroi heißen die Parzellen, die dafür vorgesehen sind. Manchmal sind diese kleroi erblich. Katoikiai sind ganze Siedlungen von Veteranen auf kleroi. Katoikoi sind die Soldaten, die dort siedeln. Katoikoi sind also die Inhaber von kleroi. Die katoikoi haben drei Funktionen:
Reservisten für den Notfall
Wehrbauern als eine Art Garnison, die die Ordnung aufrechterhielt.
Landbebauung.

Städte:
Bei Städtegründungen wurde das Stadtland aus dem Königsland herausgenommen; hier war dann wirklich Erwerb von Grundeigentum möglich. Die Städtegründungen bleiben in griechischer Tradition, die die Herrscher nicht nur respektieren, sondern immer wieder implementieren. D.h. es gibt völlig verschiedene Eigentumsstrukturen und damit auch verschiedene Untertanengruppen. An eine Vereinheitlichung war überhaupt nicht gedacht. Städte wurden bis an den Indus gegründet, eine große zivilisatorische Leistung des Seleukidenreiches. Vor allem die ersten drei Seleukiden betätigten sich als Städtegründer, Seleukos I. (312-281), Antiochos I. (281-261) und Antiochos II. (261-246). Die meisten Städtenamen sind makedonisch oder nordgriechisch. Von diesen Orten im Mutterland kamen wohl die meisten neuen Einwohner, die eben zur Erinnerung an die alte Heimat den Namen mitnahmen, wie viele Europäer, die als Auswanderer in den USA ihr Glück suchten.
Es gibt vier Großstädte in Nordsyrien, das Seleukos sich als Kernland wählte: Antiochia am Orontes, Seleukeia in Pierien (am Anfang die zweitwichtigste Stadt nach Seleukeia am Tigris), Laodikeia am Meer und Apameia am mittleren Orontes, wo die Reiterei und die Kriegselefanten stationiert waren. Wir sehen also ein großes Bemühen um die Infrastruktur und Förderung des Handels. Dabei gab es sehr unterschiedliche Typen von Städten:
Alte griechische Städte an der kleinasiatischen Westküste, wie Smyrna oder Ephesos.
Neugründungen wie Seleukeia am Tigris.
Einheimische Städte, die dynastische Namen bekamen; Jerusalem heißt dann auch einmal Antiocheia.
Einheimische Städte, die völlig hellenisiert wurden, werden zu Verwaltungszentren und Garnisonen.
Selbst die Neugründungen waren mehr oder weniger makedonisch, je nachdem wie viele einheimische Orientalen die Könige dort ansiedelten.
Alle Städte hatten Beamte und die typischen Verfassungsorgane einer griechischen Stadt, Phylen, Rat, Volksversammlung, Magistrate, Demen, Stadtrecht, Finanzverwaltung sowie eine Stadtmauer.
Nach außen agierten sie frei, erließen Dekrete und schickten Gesandte hin und her, doch waren sie in Wirklichkeit ganz von den Herrschern abhängig, die in absolutistischer Manier schalteten und walteten. Dennoch pochten sie immer wieder auf ihre Befreierrolle und betonten die Freiheit der Städte, was meist lediglich Propaganda war. Die Schlagworte „Freiheit“, „Demokratie“ und „Selbständigkeit“, die immer wieder in den Dekreten auftauchen, sind austauschbar und sagen nicht mehr viel, auf alle Fälle weniger als im 5. und 4. Jh. v. Chr. Normalerweise übten die Herrscher unumschränkte Macht über die Städte aus. Nur der Grad an Abhängigkeit variierte. Wenn eine Stadt keine Steuern zahlen musste und auch keine Garnison hatte, dann war sie am besten dran. Andere Städte zahlten Steuern, hatten aber keine Garnison. Ganz arm dran waren die Städte, die tributpflichtig waren und eine Garnison beherbergen mussten. Das Verhältnis zwischen König und Stadt ist sehr komplex. Der König brauchte den goodwill der Städte, um überhaupt regieren zu können; es gibt gegenseitige Verpflichtungen und Loyalitäten. Er finanziert viel, die Städte erweisen sich im Gegenzug loyal und dankbar und errichten ihm Ehrenstatuen und richten Kulte für ihn ein. Antiochos III. bat die Städte sogar, alle seine Anordnungen zu ignorieren, falls sie mit den städtischen Gesetzen in Widerspruch stünden. Seine Anordnung wäre dann nur aus Unkenntnis der lokalen Gegebenheiten erlassen worden, nach dem Prinzip „Stadtrecht bricht Reichsrecht“. Hier sehen wir wieder, in welchem Ausmaß die hellenistische Monarchie ein Akzeptanzsystem war. Die Könige respektieren bewusst die lokale Vielfältigkeit, sie machten aus der Not eine Tugend, anders wäre der Vielvölkerstaat mit sehr disparaten Kulturen nicht zu regieren gewesen.
Da die Hellenisierung ein urbanes Phänomen war, wurde die Kluft zwischen hellenisierten Städten und dem flachen Land, wo die oben beschriebenen Katöken oder Periöken saßen, immer tiefer. Diese Bauern gehörten noch dazu meist anderen Ethnien an. Dazu kommt eine zunehmende Aristokratisierung der Reichen in den Städten, die immer reicher wurden, indem sie vom zunehmenden Handel profitierten und immer mehr Land an sich brachten. Die soziale Schere ging also auseinander. Ein dringendes Forschungsdesiderat ist die Untersuchung der Kommunikation zwischen den Königen und der Bevölkerung der Hauptstädte (ähnlich wie bei Rom zwischen Kaiser und plebs von Rom).

Das Ptolemäerreich
Ptolemaios I. wollte Ägypten zu seiner Basis ausbauen und hatte offenbar, anders als Antigonos, nie das Ziel, das Gesamtreich für sich zu gewinnen. Der Ptolemäer sah sich als Nachfolger des Pharao, Ägypten als seinen persönlichen oikos. Das Ptolemäerreich war viel einheitlicher als das Seleukidenreich, viel straffer organisiert. Eine makedonisch-griechische Oberschicht herrschte über die einheimischen Fellachen. Die griechische Bürokratie verband sich sehr erfolgreich mit pharaonischen Traditionen. Städtegründung waren kaum nötig, nur in Oberägypten, in der Thebais, gründet Ptolemaios I. Ptolemais, das Verwaltungszentrum für die Thebais wurde. Er selbst verlegt die Hauptstadt von Memphis nach Alexandria und schließt hier sehr bewusst an das Erbe Alexanders an.
Die Verwaltung war ganz auf die Generierung von Geld ausgerichtet: „Zentralismus“ und „Merkantilismus“, extreme „Planwirtschaft“ sind die besten Termini, um das wirtschaftliche Verhalten der Ptolemäer zu beschreiben. In Ägypten durften nur ptolemäische Münzen benutzt werden. Ziel war ein geschlossenes monetäres System. Es gab eine strenge Produktions- und Steuerkontrolle, um die Schatzkammern des Königs zu füllen. Die Steuerpacht wurde hier im großen Stil eingesetzt und später von den Römern übernommen (publicani, die Zöllner stehen im Neuen Testament für „Sünder“). Sie war neu in Ägypten und gegen dieses neue System der Steuerpacht regte sich auch massiver Widerstand von Seiten der Fellachen.
Verwalter des Reiches war an der Spitze der dioiketes. Das Land war in ca. 40 Gaue (nomoi) unterteilt, an der Spitze jeden Nomos´ steht der Stratege (militärischer Befehlshaber, später waren die epistrategoi fürs Militär verantwortlich; die Strategen unterstanden direkt dem König, hatten auch Aufgaben in der Rechtspflege, wurden im 2. Jh. v. Chr. zu den Häuptern der Nomos-Verwaltung und waren dann fast nur noch mit zivilen Dingen befasst) mit dem oikonomos, der für die Finanzen verantwortlich ist, und dem nomarch, der die Aufsicht über das Ackerland hat. Neben ihnen stehen der antigrapheus (ein Kollege des oikonomos) und der basilikos grammateus (verantwortlich für Registrierung und Buchführung), jeder mit einer Vielzahl von Untergebenen.
Es gab jede erdenkliche Art von Steuern, Ägypten war wohl die am besten organisierte Region der Antike.
Unter den Gauen waren die Toparchien (toparchos, topogrammateus) und darunter die Dörfer (komarchos, komogrammateus). Die unteren Ämter waren alle von Ägyptern besetzt, da sie ja mit den Fellachen in deren Muttersprache kommunizieren mussten.
Zwei Rechsordnungen waren parallel in Kraft: Es gab Gerichtshöfe für die Einheimischen und die Griechen.
Das Heer bestand aus Makedonen und Söldnern. Starke Garnisonen standen in Alexandria, Pelusion und Elephantine (Grenzen). Um die Söldner ans Land zu binden, hat man sie als Kolonisten im Fajum angesiedelt (als Kleruchen, später katoikoi genannt). Erst Ende des 3. Jahrhunderts werden auch Einheimisch aufgeboten. Sie werden selbstbewusster, so dass im 2. Jh. die Eingeborenenaufstände nicht mehr abreißen.
Diese Aufstände liegen wohl nicht in ethnischen oder gar „nationalen“ partikularen Tendenzen begründet, sondern haben meist soziökonomische Ursachen; die meisten Armen waren eben einheimische Ägypter, die meisten Reichen waren Griechen, so dass diese soziökonomischen Ursachen dann auch von ethnischen Ressentiments überlagert werden konnten.

Es gibt sechs Kategorien von Land; der König betrachtet alles Land als sein persönliches Eigentum; das machen auch die anderen hellenistischen Herrscher so.
Pachtland, das königliche Bauern (Kronbauern) bestellen; sie wirtschaften unter Aufsicht königlicher Funktionäre, meist ist dieses Land nur kurzfristig verpachtet.
Konzediertes Land, dort waren keine Abgaben an die Krone nötig, es handelte sich also um geschenktes Land an Tempel, aber auch an verdiente Einzelpersonen.
Tempelland: Priester verhalten sich wie bodensässige Adelige, ab dem 2. Jh. wurden sie immer mächtiger, konnten ihr Tempelland sogar vergrößern. Der König war immer auf den goodwill der Priester angewiesen, denn sie verkörperten die alten, indigenen Eliten, sie hatten das kulturelle Gedächtnis Ägyptens gespeichert; es war unmöglich, ohne einen Konsens mit ihnen über Ägypten zu regieren.
Kleruchenland für Reservesoldaten und Veteranen (ab 217 wurden sie als katoikoi bezeichnet). Sie mussten das Land bebauen und im Notfall auch im Heer dienen. Der Kleruch konnte seine Parzelle auch wieder verpachten, v.a. wenn er zum Kriegsdient einberufen wurde. Allmählich wurden die Landparzellen (kleroi) erblich, blieben also innerhalb der Familie. Das Kleruchenland wird also immer mehr zum Privateigentum. Auch die Kleruchen zahlen natürlich dieselben Steuern und Abgaben wie die Kronbauern. Allerdings zahlen die Kleruchen, die ja meist Griechen waren, kaum Pacht, weil sie Militärdienst leisteten; sie hatten wohl ein etwas erträglicheres Los als die Kronbauern, die Fellachen waren.
Lehnsland für hohe Würdenträger des Königs.
Privatland.
Alle Kategorien werfen reiche Erträge für den König ab; die Ptolemäer sind daher die reichste Dynastie im Osten (Landwirtschaft, Wirtschaft, Handel). Beschwerden der arbeitenden Bevölkerung an die Behörden sind überliefert: Es gab also massive Probleme und drückende Armut. Durch die Papyri gewinnen wir hier einen besseren Einblick in das Alltagsleben antiker Menschen als in jeder anderen Region der antiken Welt. Der rigorose Zentralismus interessierte sich nicht für diese Menschen, sondern nur für das Füllen der Staatskasse, so dass die kostspieligen Kriege finanziert werden konnten.

Griechenstädte: Alexandria, Naukratis, Ptolemais (in der Thebais), später Antinuopolis.
Alexandria: Die herrschende Schicht bestand aus Griechen und Makedonen. In Ägypten gab es sowieso nur wenige Städte. Alexandria wurde durch die Verlagerung der Hauptstadt durch Ptolemaios I. zur kosmopolitischen Weltstadt, einer Verwaltungszentrale und zu einem Handelsknotenpunkt, wo sich Menschen aus aller Herren Länder ansiedelten, Griechen, Makedonen, einheimische Ägypter, Juden und andere. Die Verkehrssprache war Griechisch. Alexandria wurde durch den Hof auch zum geistigen, literarischen und kulturellen Zentrum der östlichen Mittelmeerwelt. Hier konzentrierten sich die Intellektuellen, hier entstand die antike Philologie in der Auseinandersetzung mit den alten Homertexten und den Texten der athenischen Tragiker und Redner, die hier zum ersten Mal ediert und kommentiert wurden. All dies geschah im Umfeld der großen und in der Antike einzigartigen Bibliothek von Alexandria. Ptolemaios war ein Buchbesessener, er ließ jedes ankommende Schiff in Ägypten auf Bücher hin untersuchen. Wenn welche gefunden wurden, wurden sie sofort konfisziert und der Bibliothek einverleibt.
Naukratis war eine alte Griechenstadt, über die die Pharaonen mit der Mittelmeerwelt Handel trieben.
Ptolemais in Oberägypten ist die einzige ptolemäische Stadtgründung, insgesamt gab es also nur drei wirkliche griechische Städte.

Ein grundsätzliches Problem stellte das Miteinander der beiden großen Volksgruppen der einheimischen Ägypter und der zugewanderten Griechen und Makedonen dar, die immer in der Minderheit waren. Die Ägypter behielten ihre eigenen Gesetzte und Gerichte. Die Griechen gingen vor griechische Gerichte. Es ist interessant zu sehen, wie hier zwei Rechtskreise und Rechtskulturen nebeneinander bestanden.
Im Laufe der Zeit konnten Ägypter auch die Verwaltungslaufbahn einschlagen, wenn sie Griechisch konnten; es gab also eine verstärkte Integration des einheimischen Elements. Trotz Konflikten und Reibungsflächen kann man schon in einem gewissen, begrenzten Maße von einem Zusammenwachsen der Kulturen sprechen. Die Inschriften zeigen auch, dass verstärkt griechische und ägyptische Götter gleichgesetzt wurden, also eine interpretatio graeca stattfand. Nun kam es auch verstärkt zu Mischehen, die aber eher begrenzt auf die Unterschichten blieben. Die Oberschichtgriechen hielten sich nach wie vor von Ägypterinnen fern. Kleopatra VII., die letzte ptolemäische Herrscherin, war eine große Ausnahme: Sie war die erste Ptolemäerin, die die einheimische Sprache beherrschte, was nicht verwundert, da sie angeblich neun Sprachen gesprochen haben soll.

Schon früh gab es massive Auflösungstendenzen. Die Korruption blühte, und die einheimische Bevölkerung lehnte den makedonischen Zwangsapparat immer ab. Die Könige verloren immer mehr Macht an die Priester und an lokale strongmen, die den Armen Schutz geben konnten. Der Untergang hat viele Gründe:
Eine verfehlte Außenpolitik mit ständigen Kriegen und, damit verbunden, katastrophalen ökonomischen Folgen.
Zu wenige auswärtige Märkte, der Staatsdirigismus war eine große Fessel für die Wirtschaft.
Innere Unruhen und Bürgerkriege, wie der Abfall von Oberägypten und die Unruhen im Delta. Es handelte sich nicht nur um ethnische Konflikte, sondern sie wurden immer auch von sozio-kulturellen Konflikten überlagert.
Eine repressive Regierung, die auch aus einem kulturellen Überlegenheitsgefühl heraus die Mehrheit der Bevölkerung beinahe in einen Hörigenstatus hinabdrückte.
Korrupte Beamte.
Inflation.

Mit dem Selbstmord Kleopatras nach der Schlacht von Actium (31 v. Chr.) und der Einverleibung Ägyptens in das römische Reich durch Octavian war die Geschichte des letzten hellenistischen Teilreiches beendet.

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03 – Die Antigoniden und die Bünde

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Griechische Geschichte III: Der Hellenismus

03 – Die Antigoniden und die Bünde

Im Gegensatz zum Reich der Ptolemäer und v.a. zum Seleukidenreich, ist das Reich der Antigoniden ethnisch einheitlich. Von 276, also von Antigonos II. Gonatas, bis 168 v. Chr. wird Makedonien von der Antigonidendynastie regiert. Die Feudalstruktur, die die Argeaden geschaffen hatten, lebte fort. Nach wie vor waren die vielen kleinen Landbesitzer wichtig, die als Pezhetairen in der Landwirtschaft eingesetzt wurden und die in der makedonischen Heeresversammlung gewisse Mitspracherechte hatten. Diese makedonische Heeresversammlung ist eine Art Volksversammlung. Wie oft sie einberufen wurde, wissen wir nicht, es sind auch keine Dekrete epigraphisch erhalten, was wohl kein Zufall ist.
Das Heer bestimmt theoretisch den neuen König. Und jeder König war seinerseits auf den goodwill des Heeres angewiesen, das auch über Fälle von Hochverrat richtet. Die philoi, die Freunde des Königs, rekrutierten sich anders als bei den Seleukiden und Ptolemäern nicht aus den fähigen Leuten der ganzen griechischen Welt, sondern ausschließlich aus dem einheimischen Adel. Manchmal erwähnen Inschriften ein koinon der Makedonen, also einen Bund, aber der war nur schwach ausgeprägt. Der makedonische König regierte autoritär. Der König schloss Verträge allein. Erwähnenswert ist auch, dass die Makedonen niemals einen Herrscherkult für einen ihrer Könige einrichteten.
316 gründete Kassander Kassandreia auf der Halbinsel Pallene am Ort des alten Poteidaia, das von Philipp II. zerstört worden war, sowie Thessaloniki. Kassandreia hat einen Rat, Thessaloniki einen Rat und eine Volksversammlung, hier werden also die Polisstrukturen des Südens nachgeahmt. Dennoch kontrollieren königliche Vorsteher, epistatai, alles im Namen des Königs, wobei Finanzbeamte ihnen dabei halfen. Die Städte übten aber eine lokale Selbstverwaltung aus, hatten eigene Geldmittel und konnten das Bürgerrecht ihrer Stadt an andere Makedonen verleihen. Die Zentralverwaltung spielte bei den Antigoniden eine weniger wichtige Rolle als bei den Ptolemäern und Seleukiden. Die obersten Magistrate rekrutierten sich nicht aus dem Verwaltungsapparat. D.h. es gab keinen Aufstieg in die Spitzenämter. Diese blieben den philoi, den Freunden des Königs vorbehalten, der seine Getreuen damit auszeichnete. Er konnte sie aber natürlich auch jederzeit wieder absetzen.
Den Antigoniden gelang es nicht, die Außenbesitzungen mit dem Mutterland zu verschmelzen. Die Griechen empfanden die makedonische Suprematie immer als Zwangsherrschaft. 196 war sie mit der Freiheitsdeklamation des Titus Quinctius Flamininus zu Ende, dennoch blieb das makedonische Volksheer ein wichtiger Machtfaktor bis zum Untergang Makedoniens in der Schlacht von Pydna 168 v. Chr.
Eine Betrachtung der Wirtschaft Makedoniens muss bei Philipp II. ansetzen. Er unternahm gewaltige Anstrengungen, um die Infrastruktur zu verbessern. Er machte aus den Makedonen erst Bauern und auch Städter. Er integrierte Thraker, Skythen und Illyrer, er ließ Dämme bauen und viele Gebiete entwässern und roden. Allerdings stellten die Abwanderung großer Bevölkerungsteile in den Orient und die ständigen Kriege einen gewaltigen Aderlass für Makedonien dar. Unter Antigonos Gonatas kam es zu einem gewissen, bescheidenem Wohlstand. Als Philipp V. jedoch im Zweiten Makedonischen Krieg gegen die Römer verlor, musste er 1000 Talente Reparationszahlungen leisten, was ihn zwang, neue Geldquellen zu erschließen: Er führte die Bodensteuer ein, Hafenzölle, legte mehr Bergwerke an und siedelte Thraker an, also eine ganz ähnliche Politik, wie sie Philipp II. betrieben hatte. Perseus setzte dann die Politik seines Vaters fort. Die Urbanisierung schritt rasch voran, was die Archäologie belegt. Zwischen 200 und 150 wird Demetrias in Thessalien eine blühende Hafenstadt. Sie war 293 von Demetrios I. gegründet worden und genoss daher immer das besondere Wohlwollen der Antigoniden. Der Königsplast dort ist auch archäologisch gut belegt. Abgesehen von Haussklaven scheint die Sklaverei in Makedonien nicht sehr verbreitet gewesen zu sein. Makedonien war niemals so reich wie Ägypten oder das Seleukidenreich.
Makedoniens Verhältnis zum südlichen Griechenland war immer komplex. Einerseits war es Bollwerk gegen die Balkanvölker im Norden, ein Schutzschild für die im Süden lebenden Griechen. Andererseits war das südliche Griechenland für die Makedonen das Tor zur Welt. Man wollte es von den Ätolern, Ptolemäern und auch vom Einfluss Pergamons freihalten. Nach wie vor war im südlichen Griechenland umstritten, wie man sich zu Makedonien stellen sollte, mit Makedonien gegen die eigenen Nachbarn oder mit den Nachbarn gegen die Makedonen. Die Geschichte des 3. und 2. Jahrunderts zeigt, dass diese Grundsatzfrage nicht gelöst war, Demosthenes und seine Gegner fanden Nachfolger in der hellenistischen Zeit!
Die makedonische Oberhoheit wurde immer wieder von verschiedenen Völkern als etwas Fremdartiges und als von außen aufoktroyiert empfunden. Nach dem Chremonideischen Krieg, den ein Bündnis der südlichen Griechen gegen die Makedonen verloren hatte, formierte sich die Opposition in Gestalt des Achäischen Bundes, der einen Tyrann nach dem anderen vertrieb; ab dem 3. Jh. wurde dieser Bund so stark wie der Ätolerbund in Mittelgriechenland. Antigonos hatte nicht die Mittel, die Tyrannen von seinen Gnaden zu schützen. Ab 239 war der Ätolische Bund mit dem Achäischen Bund gegen Makedonien verbündet, eine sehr mächtige Koalition. Als Demetrios II. (239-229) starb, war sein Sohn Philipp erst acht Jahre alt, Makedonien damit in großen Schwierigkeiten. Die Granden Makedoniens wählen in dieser prekären Situation Antigonos III. Doson zum König, der machtvoll wieder viel wettmachen kann. Er hatte das große Glück, dass ein neuer König in Sparta, Kleomenes III., eine soziale Revolution anzetteln und massiv auf der Peloponnes auf Kosten des Achäischen Bündes expandieren wollte. Dies konnte Aratos nicht zulassen. Er fühlte sich von Kleomenes stärker bedroht als von Makedonien und vollzog nun eine in den Augen vieler Zeitgenossen schändliche Kehrtwendung seiner bisherigen Politik: Er rief nun die Makedonen, die er zeit seines Lebens bekämpft hatte, auf die Peloponnes, um gegen die spartanischen Expansionsgelüste vorzugehen.
224 v. Chr. war Antigonos Doson wieder Herr über Korinth. Er starb 221, Nachfolger wurde nun Philipp V., den er sozusagen vertreten hatte. Philipp V. kehrt nun zur alten Bündnispolitik seiner Vorfahren zurück; nun aber schließt er Bündnisse mit Konföderationen, nicht mehr nur Stadtstaaten. Eine neue Symmachie geht er ein mit Achaiern, Thessalern, Epiroten, Akarnaniern, Boiotern und Phokern. Die Entscheidungen mussten von allen Mitgliedsstaaten gebilligt werden, das ist bereits ein Gründungsfehler, denn damit war diese Symmachie immer kraftlos. Zwar war das ein Verzicht auf das Tyrannensystem des Antigonos Gonatas, aber eben nur ein schwacher Kompromiss zwischen dem Freiheitsdenken der Griechen und dem Kontrollwunsch der Makedonen.
Die Symmachie schaffte es, den Ätolischen Bund zu umzingeln, führte dann jedoch einen ergebnislosen Krieg gegen ihn 220-217. Philipps Niederlage gegen die Römer in der Schlacht von Kynoskephalai 197 warf ihn dann ganz auf Makedonien zurück. Philipp begreift die Zeitläufte und kämpft dann auf Seiten Roms gegen Antiochos III., so dass er einige Gebiete in Thessalien inklusive Demetrias wieder zurückgewinnen kann, allerdings nehmen ihm die Römer diese Gebiete nach und nach wieder ab. Im Dritten Makedonischen Krieg zwischen Perseus und den Römern endet in der Schlacht von Pydna 168 v. Chr. das Reich der Antigoniden als erstes der drei hellenistischen Großreiche.
Die Bünde waren schon mehrmals angesprochen worden, auf sie gilt es jetzt näher einzugehen. Die Bünde sind eine Form des Föderalismus, mehrere Städte schließen sich zu einem größeren Bund zusammen und übertragen einige ihrer Rechte an diesen Bund. Die wichtigsten Bünde der hellenistischen Zeit sind der Ätolische und der Achäische Bund. Ziel war es, ein Gegengewicht zu den Monarchien zu bilden. Den Teilnehmern war klar, dass sie als einzelne Poleis nur noch schwach waren. Der Ätolische Bund ist seit 367, der Achäische seit 280 v. Chr. bezeugt. Es gibt ein Bundesbürgerrecht und daneben natürlich immer noch das Bürgerrecht der Heimatpolis, d.h. Grunderwerb ist auch woanders möglich, auch Eheschließungen sind möglich.
Es gibt aktives und passives Wahlrecht im ganzen Bund, dennoch bildet sich keine Zentralgewalt aus, keine richtige Hauptstadt. Auf die Bedeutung der Zentralorte werden wir gleich noch eingehen. Es gibt immer eine Bundesversammlung als Primärversammlung, wo die Teilnehmer direkt mitreden konnten, abgestimmt wird aber korporativ, also nach Mitgliedsstaaten. Durch die Abtretung der Außenpolitik an den Bund kann man durchaus von Bundesstaaten sprechen. Der Ort der Primärversammlung wechselte. Es gab dann immer auch einen Bundesrat (Synhedrion, Boule, Mitglieder unterlagen keinem Kontinuations- oder Iterationsverbot, hier sind oligarchische Strukturen deutlich) und Bundesmagistraten, proportional aus den Mitgliedsstaaten zusammengesetzt. Die Magistraturen werden jedes Jahr neu besetzt. Der Bundesrat als Repräsentativorgan (proportional aus den Mitgliedspoleis zusammengesetzt) wurde im Verhältnis zur Bundesversammlung immer wichtiger.
Im Achäischen Bund gab es eine Verlagerung der Kompetenzen nach oben: Alle Bundesbeschlüsse inklusive Gesetzgebung, außer der Entscheidung über Krieg und Frieden, wurden von der Bundesversammlung an den Bundesrat delegiert. In allen Bünden werden die Räte (und Magistrate) gestärkt auf Kosten der Primärversammlungen, das ist ein Trend hin zur Oligarchisierung und Aristokratisierung der Politik.
Aus Zeitgründen können wir hier nur etwas näher auf den Achäischen Bund eingehen. Die Städte an der Nordküste der Peloponnes bildeten schon früh einen Verbund, der aber unter Alexander zerfiel. Um 280 kam es zur Neugründung. Eine prägende Gestalt wurde Arat von Sikyon, der 251 den Tyrann aus seiner Heimatstadt vertrieb und sie an den Bund anschloss. 243 luchste man Antigonos Gonatas Korinth ab. Und weil Arat eine sehr dynamische Politik betrieb, wurden auch andere Staaten am Isthmos und Arkadien und Argos zu Mitgliedern. Dann aber wurde der Bund vom Spartanerkönig Kleomnes III. bedroht, weswegen Arat den höchst umstrittenen Seitenwechsel hin zu Makedonien vollzog.
Damit war der Achäische Bund von 224 bis 199 eigentlich unter der Kontrolle Makedoniens und nahm auch am Ersten Römisch-Makedonischen Krieg gegen Rom teil. Beim Ausbruch des Zweiten Römisch-Makedonischen Krieges stand der Bund klugerweise dann auf Seiten Roms und erhielt von Rom die Erlaubnis, alle Staaten der Peloponnesischen in den Achäischen Bund aufzunehmen. Dann gab es aber Streit mit den Römern um Sparta. Einem Ultimatum von Seiten Roms folgte 147 ein kurzer Vernichtungskrieg. Korinth wurde von den Römern zerstört, der Bund aufgelöst. Polybios, der in Megalopolis in Arkadien aufgewachsen war und treu in den Diensten des Bundes gestanden hatte, stand ihm natürlich sehr wohlwollend gegenüber und schildert uns in seinem großen Geschichtswerk die Ideale des Bundes in geradezu enkomiastischer Weise.
Noch einige Charakteristika des Bundes: Ab 255 gab es einen gemeinsamen Feldherrn sowie gemeinsame Beamte, ab 190 gab es gemeinsame Bundesmünzen. Die Kompetenzen der Bundesversammlung, die viermal im Jahr zusammenkam, sind umstritten. Auch eine Boule für Männer ab dreißig Jahren gab es. Zu den Vollversammlungen hatten alle erwachsenen Männer Zutritt. Die Magistrate kamen allerdings aus wenigen Familien und auch aus wenigen Städten, hier ist also ein gewisser oligarchischer Zug erkennbar. Wichtige Fragen der Außenpolitik, v.a. zum Verhältnis mit Rom, wurden auf Sondervollversammlungen diskutiert. Mehr als hundert Jahre lang war der Achäische Bund also bedeutsam für die Geschichte Griechenlands.
Neben dem Achäischen und dem Ätolischen Bund gab es aber noch andere Bünde, die z.T. wesentlich älter waren:
447 Böotischer Bund; seine Verfassung ist beschrieben in der Hellenika von Oxyrhynchos,
spätes 5./frühes 4. Jh: Chalikidischer Städtebund und
nach 371 Arkadischer Bund (koinon).
Wichtig sind auch noch der Nesiotenbund (meist unter ptolemäischem Protektorat), der Euböische Bund sowie der Lykische Bund in Kleinasien, aus 23 Poleis bestehend.
Die Tendenz, sich zu Bundesstaaten zusammenzuschließen, deutet gerade nicht auf einen Niedergang der Pols hin, die Polis blieb ja unterste Organisationseinheit, sondern auf den Realitätssinn, sich zu größeren Entitäten zusammenschließen zu müssen, um den Monarchien ein Gegengewicht entgegensetzen zu können. Gerade die steigende Urbanisierung förderte den bundesstaatlichen Prozess. Die Stammesstrukturen wandelten sich um in Polisstrukturen. Nun entstehen auch in Stammesgebieten städtische Zentren mit urbanem Stadtbild (Gymnasien, Agorai, Säulenhallen, Verwaltungsgebäuden, Tempeln, Theatern usw. das, was wir als griechische Polis bezeichnen).
Die Balance zwischen Bundesebene, also der Zentralgewalt, und den Mitgliedspoleis, musste immer wieder neu austariert werden; die Lösung sah in den verschiedenen Bünden immer ein wenig anders aus, aber es gibt feste Grundprinzipien, die überall in Geltung waren: Alle Mitgliedspoleis waren grundsätzlich gleichgestellt. Die Zentralgewalt durfte nicht zu stark werden und die Polisebene dominieren. Oft wurde die Bundeshauptstadt gerade nicht der Hauptort einer Gegend. Die Arkader lösten das Problem ganz radikal, indem sie Megalopolis als Hauptstadt des Arkadischen Bundes ganz neu gründeten, das Konzept scheiterte aber. Aigion wird Hauptort des Achäischen Bundes, Thermon mit seinem Apollon Heiligtum zum Hauptort des Ätolischen Bundes. Onchestos wird Hauptort des Böotischen Bundes und eben nicht Theben (nach 338). Bundesversammlungen finden manchmal auch in wechselnden Städten statt.
Diese Form des Föderalismus durch die Bünde war eine interessante Entwicklung, die die Vereinzelung der individuellen Polis aufhob und sich wesentlich durch ihre viel demokratischeren Strukturen von den hellenistischen Monarchien unterschied. Leider scheiterten diese Bünde letztlich an Rom, so dass sie keine eigentliche Wirkmächtigkeit entfalten konnten.

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02 – Grundzüge der Ereignisgeschichte bis ca. 200 v. Chr.

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Griechische Geschichte III: Der Hellenismus

02 – Grundzüge der Ereignisgeschichte bis ca. 200 v. Chr.

Alexander der Große hatte bei seinem Tode die Nachfolge nicht geregelt. Viele fühlten sich berufen das Erbe anzutreten, so dass heftige Kriege, die sogenannten sechs Diadochenkriege die Folge waren. „Diadochos“ heißt Nachfolger. Es ist in der Kürze einer Podcast-Aufnahme nicht möglich, die komplizierte Ereignisgeschichte von 323 bis ca. 200 v. Chr. nachzuzeichnen, weswegen ich mich nur auf die groben Züge beschränken werde.
In den Diadochenkriegen geht die Reichseinheit verloren, allmählich bilden sich die drei großen Territorialreiche der Antigoniden in Makedonien und Griechenland, das Reich der Ptolemäer in Ägypten und das Reich der Seleukiden in Kleinasien und im Vorderen Orient aus. Wichtig ist, dass die hellenistischen Könige ihre Herrschaft als rein personal verstanden, es war ein Heerkönigtum, das man ständig gegen die Konkurrenten verteidigen bzw. gegen sie erweitern musste. Die Krone wurde auf dem Schlachtfeld gewonnen; die Fähigkeit ein Heer zu führen, musste ständig unter Beweis gestellt werden. Diese Ausgangssituation war in gewisser Hinsicht ein Fehler im System, der Kriege immer wieder „notwendig“ machte. Kriege gehörten also intrinsisch zu diesem System.
Man versteht die raschen Koalitionswechsel der hellenistischen Geschichte, wenn man sich vor Augen hält, dass kein Herrscher stark genug war, die anderen zu überwinden. Und: Sobald ein König übermächtig zu werden drohte, verbündeten sich die anderen gegen ihn. Damit entstand allmählich ein gewisses Gleichgewicht der Mächte, wenn auch ein stets fragiles. Immer wieder traten auch charismatische Herrscher auf, die aufgrund ihrer Energie, ihrer weit gespannten Ambitionen, ihrer Skrupellosigkeit, diplomatischen Raffinesse und militärischen Kunst die Kräfteverhältnisse eine Zeit lang zu ihren Gunsten beeinflussen konnten und die Welt durch ihren rastlosen Tatendrang in Atem hielten. Zu diesen berühmten Herrschern zählt der Antigonide Demetrios Poliorketes, der eine Zeit lang sogar ohne Reich als eine Art freier Satellit die Ägäiswelt beunruhigte, aber immer wieder zu Macht und Einfluss kam. Bedeutende Gestalten sind auch Antigonos Gonatas, der ca. 40 Jahre lang als gebildetster Herrscher seiner Zeit die Geschichte Makedoniens gestaltete, Ptolemaios III. von Ägypten und natürlich der Seleukide Antiochos III., der Große.
Am Ende des 3. Jahrhunderts geriet die hellenistische Außenwelt immer mehr ins außenpolitische Fahrwasser Roms, das die Spielregeln der Politik rasch zu seinen Gunsten veränderte. Am Ende sollte Rom alle hellenistischen Dynastien vernichten und die riesigen Landmassen des Ostens seinem Imperium Romanum einverleiben.
Von den sechs Diadochenkriegen um das Erbe Alexanders war schon die Rede. Syrien war stets ein Zankapfel zwischen dem Ptolemäer- und dem Seleukidenreich. Dieser nicht enden wollende Territorialstreit löste insgesamt sechs Syrische Kriege aus. Drei makedonisch-römische Kriege besiegelten schließlich 168 v. Chr. in der Schlacht von Pydna das Ende der Antigonidendynastie, indem der Makedonenkönig Perseus vernichtend geschlagen wurde. Rom rang dann noch in drei Kriegen gegen Mithridates von Pontos auch diesen Herrscher nieder.
Nun zu den allerwichtigsten Ereignissen, die die Geschichte des Hellenismus entscheidend beeinflussten: Im Lamischen Krieg 323/2 versuchten die Athener noch einmal erfolglos, die makedonische Oberhoheit abzuschütteln. Der Versuch misslang: Das Jahr 322 markiert das Ende der athenischen Demokratie. 321/0 kam es zu den Regelungen von Triparadeisos, die die Interessenssphären der führenden Männer absteckten. 317 wird Philipp III. Arrhidaios, der geisteskranke Halbbruder Alexanders ermordet. Der gebildete Demetrios von Phaleron wird makedonischer Statthalter in Athen. Unter ihm erlebt die Stadt bis zu seiner Absetzung 307 durch Demetrios Poliorketes eine Nachblüte. Menander soll mit ihm befreundet gewesen sein. 316 tötet Kassander Alexanders Mutter Olympias, gründet Kassandreia und Thessaloniki.
Der dritte Diadochenkrieg endet 311 im sogenannten Diadochenfrieden, in dem sich die Diadochen gegenseitig als Herrscher anerkennen. Damit ist die Reichseinheit endgültig begraben. 313 verlegt Ptolemaios die Hauptstadt Ägyptens von Memphis nach Alexandria. Da er die mumifizierte Leiche Alexanders an sich bringen und in Alexandria ausstellen kann, beansprucht er für seine Herrschaft ein ganz besonderes Prestige. Nach weiteren Kämpfen erklären sich 306/5 alle Diadochen zu Königen, keiner wollte hinter dem anderen zurückstehen, man spricht vom Jahr der Könige. 305/4 belagert Demetrios, der Sohn des Antigonos Monophthalmos, Rhodos erfolglos, woraufhin er den Spitznamen „Poliorketes“ erhält, der Städtebelagerer.
In der berühmten Schlacht von Ipsos 301 kämpfen Lysimachos und Seleukos (Ptolemaios nominell auch, doch er hält sich im Hintergrund) gegen Antigonos Monophthalmos und seinen Sohn Demetrios Poliorketes. Antigonos fällt achtzigjährig im Kampf, Demetrios muss fliehen und verliert erst einmal seine Herrschaft. Die großen Gewinner sind Lysimachos und Seleukos. 283 stirbt Ptolemaios I., ebenso Demetrios in der Gefangenschaft des Seleukos. Dieser geht nun gegen seinen Rivalen Lysimachos vor. In der Schlacht von Kurupedion 281 siegt Seleukos, Lysimachos findet den Tod. Seleukos kann sich jedoch seines Kriegsglücks nicht lange erfreuen, er wird schon kurz später ermordet. Sein Sohn Antiochos I. Soter ist nun alleiniger König im Seleukidenreich.
Antigonos II. Gonatas besiegt bei Lysimacheia die Kelten, die von Norden eingefallen waren. Er wird 272 König von Makedonien und wird jahrzehntelang die Großmachtpolitik prägen. Auch Antiochos siegt über die Kelten in Kleinasien (275), muss jedoch viele von ihnen im Inneren Kleinasiens ansiedeln, hier liegen die Anfänge des Galaterreiches. Ab 274 kämpfen Ptolemäer und Seleukiden in sechs Syrischen Kriegen um Syrien.
Im sogenannten Chremonideischen Krieg versuchen Athen und Sparta mit Hilfe des Ptolemaios II. noch einmal, die makedonische Oberhoheit loszuwerden, sie verlieren jedoch gegen Antigonos II. Gonatas, der Athen sogar erobert, vielleicht 261. Vergessen wir nicht, dass Rom zu dieser Zeit im Ersten Punischen Krieg gegen die Karthager steht.
Im Jahre 251 befreit Aratos von Sikyon seine Heimatstadt von den Makedonen und schließt sie dem Achäischen Bund an, der unter seiner Führung zu einem gewichtigen Machtfaktor in Mittel- und Südgriechenland wird. Schon 243 erobert Arat Korinth von den Makedonen, die Antigoniden verlieren in Folge die Kontrolle über viele Städte in Mittelgriechenland. 239 folgt Demetrios II. von Makedonien Antigonos II. Gonatas nach. Sogleich bricht der sogenannte Demetrios-Krieg aus, Makedonien gegen den Achäerbund, der sich 10 Jahre bis 229 hinzieht.
In Kleinasien erringt Attalos I. von Pergamon in Kämpfen gegen die Kelten und den Seleukiden Antiochos Hierax allmählich die Herrschaft über einen großen Teil Kleinasiens. 227 führt Kleomenes III. von Sparta eine Art Staatstreich durch. Sparta träumt noch einmal den Traum von der Großmacht. Die Achäer fühlen sich dadurch so unter Druck, dass sie eine außenpolitische Kehrtwendung vollziehen und sich mit den Makedonen verständigen (225/4). Antigonos III. Doson wird somit zum Oberbefehlshaber eines gesamtgriechischen Heeres, er initiiert wieder einmal einen Hellenenbund und besiegt Sparta 222 in der Schlacht von Sellasia.
Ein Jahr zuvor hatte Antiochos III. die Herrschaft im Seleukidenreich angetreten, ein äußerst fähiger und dynamischer Herrscher, der bedeutende Territorialgewinne für das Seleukidenreich erringt.
Das Bündnis zwischen Philipp V. von Makedonien mit Hannibal führt 215 zum ersten Römisch-Makedonischen Krieg, den Rom parallel zum Zweiten Punischen Krieg führt, der sich ja überwiegend in Italien abspielte. Während Philipp V. also Richtung Westen gebunden ist, kann sich Antiochos III. in seiner berühmten Anabasis nach Osten wenden und in den Jahren 212-204 verloren gegangene Gebiete im Osten zurückerobern, was jedoch nur von befristetem Erfolg war. Zurück im Westen setzt sich Antiochos in den Besitz der Territorien von Pergamon und verbündet sich, offenbar in einem Geheimvertrag, mit Philipp V. gegen Ägypten. Während Philipp in der Ägäis gegen die Ptolemäer agiert, führt Antiochos III. einen fünften Syrischen Krieg gegen Ptolemaios V. Er siegt im Jahre 200 am Paneion und erobert auch Koilesyrien, aber auch Ägypten kann Teile Syriens gewinnen.
Im zweiten Römisch-Makedonischen Krieg fällt Philipp in Attika ein, das von den Römern und den Attaliden verteidigt wird. Man merkt jetzt, wie sich Rom allmählich in die Auseinandersetzungen der hellenistischen Welt einmischt. Der römische Sieg über Philipp 197 bei Kynoskephalai bedeutet das Ende der makedonischen Vorherrschaft in Griechenland. Ein Jahr später übernimmt der römische Feldherr Titus Quinctius Flamininus die propagandistische Rhetorik der hellenistischen Könige und verkündet die Freiheit der griechischen Städte am Isthmos von Korinth. Philipp hält sich in der Folgezeit zurück und konzentriert sich auf den Wiederaufbau Makedoniens. Um diese Zeit festigt Antiochos III. seine Machtbasis in Kleinasien, indem er ehemals ptolemäische Territorien gewinnt, Karien, Lykien und Kilikien. Der Achäische Bund unter der Führung des Philopoimen besiegt Sparta und zwingt die traditionsreiche Polis in den Achäischen Bund. Die Souveränität Spartas ist hier zu Ende, 188 wird die alte Verfassung Spartas abgeschafft!
Auch weiter im Osten zeichnen sich große Kräfteverschiebungen ab. Antiochos verliert gegen Rom 191 an den Thermopylen und 189 bei Magnesia am Berg Sipylos, 188 sieht er sich gezwungen, mit den Römern den Frieden von Apameia zu schließen: Er verliert Kleinasien; Pergamon und Rhodos werden von Rom als Mittelmächte aufgebaut. In Makedonien folgt 179 Perseus auf Philipp V. Er ist beliebt, charismatisch, und die Griechen sehen in ihm einen Hoffnungsträger gegen Rom. Rom reagiert neurotisch und sieht sich unbegründeterweise vom neuen Makedonenkönig bedroht. Im dritten Römisch-Makedonischen Krieg, dem sogenannten Perseus-Krieg, besiegt Lucius Aemilius Paullus Perseus in der Schlacht von Pydna 168 v. Chr. Dieser römische Sieg besiegelt das Ende der Antigonidenherrschaft. Das erste hellenistische Teilreich ist damit gefallen. Makedonien wird in vier Teile zerschlagen, achäische Geiseln, unter ihnen Polybios, werden nach Rom deportiert. In Epirus hinterlassen die Römer eine Einöde, es kommt zu Massenversklavungen. Wie sehr sich die Kräfteverhältnisse geändert hatten, zeigt ein Vorfall ganz symptomatisch: Im sechsten Syrischen Krieg war Antiochos IV. Epiphanes in Ägypten eingefallen. Bei Eleusis in Ägypten traf der hellenistische Herrscher auf den römischen Bevollmächtigten, Quintus Popilius Laenas, der von Antiochos IV. die sofortige Räumung Ägyptens verlangte. Als dieser sich Bedenkzeit ausbat, zog Laenas mit einem Stock einen Kreis um Antiochos. Er müsse sich entscheiden, bevor er den Kreis verlasse. Antiochos verstand, was dies bedeutete und willigte in dieses demütigende Ultimatum ein. Noch nie zuvor war ein hellenistischer Herrscher, der sich in der Nachfolge Alexanders als Beherrscher des Seleukidenreiches bis weit in den Osten hinein sah, so schimpflich von einer auswärtigen Macht behandelt worden. So konnte Rom also mit den hellenistischen Königen umspringen! Der Prestige- und Gesichtsverlust für Antiochos IV. war immens. Nicht nur durch den Makkabäeraufstand in Judäa gegen Antiochos, auf den hier nicht weiter eingegangen werden kann, desintegrierte das Seleukidenreich in der Folge immer mehr. Auch im Ptolemäerreich kam es immer häufiger zu Thronstreitigkeiten und damit zu einer zunehmenden Labilität der Herrschaft. Die Endphase der hellenistischen Teilreiche war eingeleitet.

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01 – Alexander der Große

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Griechische Geschichte III: Der Hellenismus

01 – Alexander der Große

Alexander der Große war schon in der Antike eine hochumstrittene Figur und ist es noch heute in der Forschung. Im Folgenden möchte ich nur kurz auf die Ereignisgeschichte eingehen. Stattdessen rücke ich zwei Fragenkomplexe in den Mittelpunkt der heutigen Betrachtungen, die uns eine Annäherung an diese enigmatische Figur erleichtern sollen. Zum einen betrifft dies die alte Frage, ab welchem Zeitpunkt Alexander die Weltherrschaft ins Auge gefasst hat. Hier werde ich zwischen Maximalisten und Minimalisten einen vermittelnden Standpunkt einnehmen.
Die zweite Frage wurde in den letzten Jahren von Hans-Joachim Gehrke angestoßen, der Alexanders Handlungen aus einer ritualtheoretischen Perspektive deutet, ein sehr fruchtbarer Ansatz, wie ich meine. Innerhalb dieses Problemkreises weist Gehrke zu Recht auf die Neigung Alexanders hin, immer wieder Grenzen zu überschreiten. Die Sehnsucht (griechisch: pothos) nach überragenden, ja übermenschlichen Leistungen bestimmte in ganz essentieller Weise Alexanders Denken und Handeln. Diesen Gedankengang möchte ich hier ein wenig weiterverfolgen.
Die Grundlagen für Alexanders Erfolg hat sein Vater Philipp II. von Makedonien gelegt. Philipp hinterließ Alexander ein relativ stabiles Makedonien mit einer für damalige Verhältnisse modernen Infrastruktur. Philipp konnte den makedonischen Adel domestizieren, äußere Feinde dauerhaft abwehren, die Armee reformieren und bedeutende Territorialgewinne erzielen. Als Lehrer und Erzieher für seinen Sohn Alexander holte er den Philosophen Aristoteles an seinen Hof, mit dem Alexander v.a. die Ilias, die drei großen attischen Tragiker, Herodot und Pindar las, Bildungsanregungen, die für den jungen Alexander prägend werden sollten. Von Aristoteles stammt auch Alexanders Interesse an Geographie und Botanik, Wissensgebiete, die Alexander während seines Zuges nach Osten von mitgeführten Wissenschaftlern erweitern ließ.
Alexander trat erstmals in der Schlacht von Chaironeia (338), damals war er erst 18 Jahre alt, aus dem Schatten seines Vaters heraus. Als Befehlshaber der Reiterei rieb er die Elitetruppe der Thebaner, die Heilige Schaar der Dreihundert auf. Nach Gründung des Korinthischen Bundes durch Philipp gab dieser die neue Stoßrichtung für eine aggressive Außenpolitik vor, nämlich die Invasion Persiens, ein Vorhaben, das auch dazu dienen sollte, die Griechen nach Innen zu vereinen. Kurz vor dem Übersetzen nach Kleinasien wurde Philipp bei einer Hochzeitsfeier 336 v. Chr. in aller Öffentlichkeit ermordet. Die Drahtzieher des Attentates sind bis heute nicht bekannt, Philipp hatte viele Feinde und musste um sein Lebens stets fürchten, doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Alexander und seine Mutter Olympias handfeste Motive hatten, um Philipp zu beseitigen. Philipp hatte kurz vorher eine Makedonin geheiratet, eine Tochter des Attalos, während Olympias Epirotin war. Ein Sohn aus dieser neuen Ehe hätte Alexanders Herrschaftsanspruch untergraben können. Noch wichtiger scheint mir aber, dass Alexander den geplanten Feldzug nach Asien selbst leiten wollte, von Anfang an, und nicht weiter gewillt war, im Schatten seines Vaters zu stehen. Ich behaupte hier nicht, dass Alexander und seine Mutter hinter dem Attentat standen, doch spielte der Tod Phillips Alexander zu einem sehr günstigen Zeitpunkt in die Hände.
Alexander eröffnet 334 v. Chr. den Feldzug mit einer hochsymbolischen Handlung: Bevor er als erster vom Schiff ans Land springt, schleudert er seinen Speer an die Küste Kleinasiens und markiert so das Land von vornherein als speererworben. Damit erhebt er einen Besitzanspruch. Die Kriegsziele sind zu diesem Zeitpunkt für uns noch völlig unklar. Die persische Armee erwartet Alexander schon am Fluss Granikos, östlich der Troas. Die Perser wählen den Ort günstig, dort wo sich ihre Reiterei am besten entfalten kann. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit erringt Alexander hier in einer Reiterschlacht einen ersten fulminanten Sieg. Durch sein unstrategisches, ja hochriskantes Verhalten (er griff sofort den stärksten Punkt der Gegner persönlich an) hatte er sein Leben gefährdet, aber gerade dadurch enormen Ruhm erworben. Alexander verkündet nun die Freiheit der Griechenstädte an der kleinasiatischen Küste, die seit dem Königsfrieden 386 v. Chr. fest in das Perserreich integriert waren. Alexander marschiert weiter nach Osten, überquert den Taurus und will sich die südkilikischen Hafenstädte sichern. Der Großkönig Dareios muss Alexander nun persönlich entgegentreten. Er massiert seine Truppen in günstigem Gelände, bei Issos, das bis heute nicht sicher identifiziert ist.
Wieder attackiert Alexander sofort das Zentrum, den gut abgeschirmten Dareios. Dieser ist von dieser Aktion so geschockt, dass er in Panik gerät und flieht. Damit war nun auch diese Schlacht für Alexander gewonnen, eine ungeheure Schmach für den Großkönig, der Feigheit zeigte und noch dazu infolge der Schlacht seinen ganzen Tross inklusive seines Harems verlor (bei Damaskus), in dem sich auch seine Hauptfrau befand. Alle phönizischen Küstenstädte öffnen Alexander die Tore bis auf Tyros und Gaza, die von ihm erobert und grausam bestraft werden. Anstatt nun weiter nach Osten zu ziehen und dem Großkönig auf den Fersen zu bleiben, geht Alexander nach Ägypten. Er gründet dort Alexandria, das als Handelszentrum Tyros ersetzen sollte, und zieht, auch aus Gründen der Religiosität, zum hoch angesehenen Orakelheiligtum von Siwa, wo ihn die Priester als Pharao und als Sohn des Sonnengottes Amun Re begrüßen. Da die Griechen Amun Re mit Zeus gleichsetzten, rückte Alexander nun also in göttliche Sphären auf und konnte als Sohn des Zeus verstanden werden, was durch Alexanders fiktive Abstammung von Herakles (über die Familie der Argeaden) ohnehin schon angedeutet war.
Doch schließlich muss sich Alexander Dareios im Osten stellen, der seine Rüstungsanstrengungen noch verstärkt hatte. Bei Gaugamela nun setzte der Großkönig die berühmten Sichelwagen und Kriegselefanten ein. Dareios bereitete das Gelände sogar mit Annäherungshindernissen vor, doch Alexander eröffnete die Schlacht am 1.10.331. Weil er zahlenmäßig nun weit unterlegen war, wählte er wieder die gleiche Strategie wie bei Issos, nämlich den Großkönig sofort und direkt anzugreifen. Wieder floh Dareios, Alexander konnte ihn nicht verfolgen, weil Parmenion mit seinen thessalischen Reitern erheblich unter Druck geraten war und Alexander ihm zu Hilfe eilen musste. Das Ergebnis von Issos war eindrücklich bestätigt worden. Noch auf dem Schlachtfeld wurde Alexander zum König von Asien ausgerufen.
Alexander legt Wert darauf, diesen Sieg als einen panhellenischen zu verkaufen, doch damit reibt sich sein Verhalten, das mehr und mehr die Züge eines persischen Großkönigs annahm. Und hier stellten sich die makedonischen Truppen schon die Frage, warum sie gegen den Großkönig kämpfen mussten, nur um wieder einem neuen Großkönig untertan zu sein. Diese Spannungen im Heer, die Alexander durch sein orientalisierendes Verhalten auslöste, gipfelten schließlich in der Auseinandersetzung um die Proskynese, den Kniefall, den Alexander verlangen wollte, den er aber nicht durchsetzen konnte, sowie in mehreren Verschwörungen, auf die wir hier nicht eingehen können. Alexander entledigt sich der Widersacher, auch enger Freunde, mit äußerster Brutalität und erstickt somit jede Kritik an seinen Herrschaftsformen schon im Keim.
Nach Gaugamela nimmt Alexander die großen Städte Babylon, Susa und Persepolis in Besitz. In Susa besteigt Alexander den Thron der Achaimeniden. In Persepolis lässt er den Großpalast von seinen Leuten plündern. Warum dieser Palast dann in Flammen aufging (330), lässt sich bis heute nicht schlüssig beantworten, vielleicht handelt es sich um Brandstiftung, die Alexander und seine Freunde in völliger Trunkenheit begingen. Ekbatana, die Sommerresidenz des Großkönigs, konnte dann friedlich eingenommen werden. Dareios hatte sich mit einigen Getreuen noch weiter nach Osten zurückgezogen. Er wird, als Alexander schon ganz nahe ist, von seinen eigenen Leuten umgebracht.
Alexander geriert sich nun als direkter Nachfolger, lässt Dareios mit allen Ehren bestatten und tötet die Mörder. Spätestens hier sehen wir nun, dass es Alexander um noch mehr als um die Eroberung des Perserreiches ging, denn die war ja spätestens mit dem Tod des Großkönigs abgeschlossen. Alexander wollte nun zu den Enden der damals bekannten Welt, zu den Grenzen der Oikumene. Unter größten Strapazen überwindet Alexander mit seinen Truppen 329 den Hindukusch. Ständige Kämpfe gegen Bergvölker, die einen Guerilla-Krieg führen, schwächen die Truppen Alexanders. Schließlich gelangt Alexander nach Indien, wo einige Radjas ihm sofort huldigen, andere nicht. Es kommt noch einmal zu einer großen Schlacht (326), gegen König Poros, die Alexander trotz großer eigener Verluste gewinnt. Am Fluss Hyphasis schließlich wollen Alexanders Soldaten nicht mehr weiter, sie meutern, zum ersten Mal. Alexander, dem großen Ziel vermeintlich zum Greifen nah, ist schockiert und tief verletzt, seine Soldaten hätten ihn nun, im entscheidenden Moment im Stich gelassen. Drei Tage zieht er sich schmollend in sein Feldherrnzelt zurück, bevor er den Rückzug befiehlt. Man baut ca. 2000 Schiffe und Kähne und segelt den Hydaspes, dann den Indus hinunter. An der Küste denkt Alexander, er hat den Okeanos, den Weltenrand doch noch erreicht. Um auf Nummer sicher zu gehen, fährt er aufs Meer hinaus, bis er kein Land mehr sieht. Dort opfert er Poseidon Stiere und goldene Gerätschaften, wie es das Orakel in Siwa vielleicht von ihm verlangt hatte. Man erkannte nun, dass der Indus leider doch nicht in den Nil mündete, daher wollte man sowohl die Küstenlinie als auch das Landesinnere erforschen. Zu diesem Zweck teilte Alexander das Heer. Die Flotte sollte an der Küste entlang nach Westen fahren, Alexander selbst suchte den Weg zurück durch die Gedrosische Wüste. Er wusste, was ihm bevorstehen würde, angeblich waren die babylonische Königin Semiramis und Kyros der Große an diesem Unternehmen gescheitert, also eine Herausforderung, gerade groß genug für Alexander, der mit dieser Entscheidung völlig bewusst tausende seiner Soldaten in den Tod trieb. Die meisten verdursteten oder wurden bei starken Regenfällen in den Wadis weggeschwemmt. Nach ca. 60 Tagen erreichte ein kläglicher Rest die Hauptstadt von Gedrosien. Als die Flotte in der Straße von Hormus war, konnte sie mit Alexander im Inland Kontakt aufnehmen. Flotte und Fußtruppen vereinigten sich schließlich in Susa, der Indienfeldzug war abgeschlossen. Alexander plant nun von Babylon aus einen großen Feldzug nach Arabien, um sein Reich nach Süden hin zu arrondieren. Kurz vor dem Aufbruch bekam Alexander hohes Fieber, wahrscheinlich Malaria. Rasch verschlechterte sich sein Zustand. Dem Leibwächter Perdikkas übergibt Alexander seinen Siegelring, ohne die Nachfolge wirklich zu klären. Nach drei Tagen Bewusstlosigkeit stirbt Alexander am 10. Juni 323 im Alter von 32 Jahren. Er hinterließ ein noch wenig gefestigtes Weltreich, das auch infrastrukturell nicht erschlossen war.
Doch es stellt sich die Frage, wann Alexander das Maximalziel der Welteroberung ins Auge fasste, ob es von Anfang an geplant war, so die Maximalisten Droysen, Tarn und Schachermeyer oder ob er nur von Erfolg zu Erfolg dachte und die Ziele immer höher schraubte, sich also das Konzept der Herrschaft über die Oikumene erst peu à peu herausbildete. Diesen Standpunkt nehmen die Minimalisten, wie etwa Hampl, Beloch oder Wilcken ein.
Meines Erachtens liegt der Dreh- und Angelpunkt dieser Frage in den Verhandlungen mit Dareios während der Belagerung von Tyros. Der Briefwechsel zwischen Alexander und dem Großkönig ist bei Arrian erhalten, wenn auch in seiner Historizität stark umstritten. Interessant ist die zweite Verhandlungsrunde, in der Dareios Alexander enorme Zugeständnisse machte, indem er ihm das Reich westlich des Euphrat inklusive Ägypten und seine Tochter zur Ehefrau anbot. Alexander lehnte auch dieses Angebot ab, spätestens jetzt ging es ihm ums Ganze. Ganz gleich, wie man die Glaubwürdigkeit Arrians und seiner Überlieferung einschätzen möchte, Verhandlungen zwischen Alexander und dem Großkönig werden irgendwann vor Gaugamela stattgefunden haben. Vielleicht war der Zug nach Ägypten ein retardierendes Moment, ein gewisses Zögern, sich nicht gleich nach Osten zu wenden. Vielleicht fiel die Entscheidung in der Oase Siwa, bestärkt durch ein günstiges Orakel, das Alexander möglicherweise die Weltherrschaft verhieß. Das ist natürlich reine Spekulation, aber nach dem Besuch der ägyptischen Orakelstätte weiß Alexander, was er zu tun hat und geht energisch nach Osten. Wenn also die Welteroberungspläne nicht von vornherein klar waren, so sind sie spätestens während des Besuches in der Oase Siwa gereift, mit oder ohne Verhandlungen mit dem Großkönig. Wenn dies zutrifft, so würde dem Amun Re-Heiligtum eine ganz besondere Rolle im Leben und Wirken Alexanders zukommen. Darauf könnte auch hindeuten, dass Alexander am Ende der damals bekannten Welt, im Indischen Ozean, Riten vollzog, die offenbar auf Siwa rekurrierten.
Das Weiterdenken eines zweiten Problemkreises, der Aspekt der bewussten Grenzüberschreitungen führt uns ebenfalls tiefer in die Mentalität und den egomanen Herrschaftsanspruch Alexanders hinein. Alexander liebt es, immer wieder Grenzen zu überschreiten, wenn möglich solche, die noch kein Mensch vorher überwunden hat und ihn daher in eine übermenschliche, göttliche Sphäre rücken. Alexander überschreitet als Jugendlicher die Donau, wirft den Speer nach Asien hinüber, durchquert die Kilikische Pforte, den Hindukusch sowie indische Flüsse. Er wagt sich zuletzt auf den Okeanos hinaus und zieht durch die Gedrosische Wüste zurück, um sich mit Semiramis und Kyros dem Großen zu messen. Dass dabei tausende seiner Männer ums Leben kommen, tut für ihn nichts zur Sache und unterstreicht nur seine Rücksichtslosigkeit in der bedingungslosen Verfolgung seiner Ziele.
Wer aber in der griechischen Mentalität Grenzen überschreitet, gerade auch von Gott gesetzte oder solche, die von sozialen Normen definiert waren, begeht Hybris, ein nicht sehr positiver Charakterzug. Hybris ist Arroganz, überzogenes Selbstbewusstsein im Übermaß, die andere Menschen erniedrigt, schädigt und damit zu Opfern macht. Der typische Hybristes für die Griechen ist der Tyrann. Sein Wort ist Gesetz, er nimmt sich alle Freiheit, seine Untertanen zu berauben, nach Belieben sexuelle Gewalt gegen Männer und Frauen zu üben, in Häuser einzudringen und damit Schwellen und Schranken zu überschreiten, in anderen Worten, Tabus zu brechen. Die Griechen, die unter Tyrannen zu leiden hatten, hassten diese und suchten sie zu töten. Tyrannenmord war gerechtfertigt. Auf der anderen Seite war der Begriff natürlich auch schillernd. Selbst konnte man sich gut vorstellen, ein Tyrann zu sein und absolut zu herrschen. Ein Tyrann wurde also gefürchtet, gehasst, aber auch beneidet. Und genau diese Gefühle konnte man auf Alexander projizieren. Man fürchtete, hasste und beneidete ihn. Von ihm ging alle Gewalt aus, er konnte töten und begnadigen, sein Wort war Gesetz. Aber Alexander wurde nicht nur ein Ober-Tyrann im rechtlichen und sozialen Sinne. Seine Hybris war viel umfassender. Er konkurrierte mit den Göttern selbst, sah sich über seine Mutter als Nachfahre des Achilles, über seinen Vater als Nachfahre des Herakles, nach Siwa sogar als Sohn des Zeus. Seine Hybris war also von den Göttern legalisiert, als Sohn des Zeus konnte man sich leisten, was sich Sterbliche eben nicht leisten konnten.
Alexander sah sich sicher nicht als Hybristes oder Tyrann im herkömmlichen Sinn, sondern als einen Menschen jenseits der menschlichen, in einer göttlichen Sphäre, für den menschliche Begrenzungen keine Bedeutung mehr hatten. Losgelöst von menschlichen Schranken gewinnt vor dem Hintergrund des Hybris-Begriffes und seiner Umdeutung durch Alexander der pothos-Begriff, also die Sehnsucht nach Leistung, die ihm von Aristoteles früh eingepflanzt wurde, eine ganz andere, viel grundlegendere Bedeutung.

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05 – Die athenische Demokratie

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Griechische Geschichte II: Die Klassik

05 – Die Athenische Demokratie

Wir wollen heute in aller Kürze die wichtigsten Verfassungsreinrichtungen der athenischen Demokratie besprechen, die Volksversammlung, die Volksgerichte, den Rat der Fünfhundert (die sogenannte Boule) und den Areopag. Die athenische Demokratie war keine repräsentative Demokratie. Alle Staatsgewalt ging direkt vom Volke aus, das sich regelmäßig zur Volksversammlung traf. Sie war der unumstrittene Souverän. Synonym zum Wort ekklesia, Volksversammlung, wird auch Demos, Volk, gebraucht. Die Teilnehmer an einer Sitzung der Volksversammlung verstehen sich also als Repräsentanten des gesamten Volkes. Es gibt ca. 40 Treffen pro Jahr, 6000 Bürger müssen anwesend sein, damit die Volksversammlung beschlussfähig ist. D.h. ca. alle zehn Tage trifft sich rund 1/5 der Bevölkerung, um Beschlüsse zu fassen, eine Partizipationsrate, die so in der Weltgeschichte nie mehr erreicht wurde. Zu Beginn der Demokratie traf man sich wohl auf der Agora, bald jedoch wird ein separater Versammlungsplatz, der Hügel Pnyx, ausgewiesen und im Laufe der Zeit umgebaut und erweitert. Es gibt drei Bauphasen. Bauphase I: 460-400, wo die Teilnehmer noch auf dem Boden sitzen, Pnyx II: 400-340 und schließlich Pnyx III ab 340. Entscheidend ist, dass aus für uns unbekannten Gründen die Blickrichtung von Pnyx I zu Pnyx II umgedreht wurde, was die Verschiebung von gewaltigen Erdmassen bedingte. Die Teilnehmer schauen jetzt von Norden nach Süden, hinaus aufs Meer.
In der dritten Bauphase, wahrscheinlich der lykurgischen Ära, wird die Fläche bedeutend vergrößert und auch monumentalisiert, so dass von einem Abflauen des Interesses an der Demokratie im 4. Jh. keine Rede sein kann. Zugelassen war jeder männlicher Bürger, der im Alter von 20 Jahren seinen Ephebendienst abgeschlossen hatte. Frauen, Metöken, Sklaven und atimoi, Ehrlose, waren ausgeschlossen, Ausländer durften jedoch als Gäste zuhören. Die Prytanen, also die Vertreter der diensthabenden Phyle, beriefen die Sitzungen ein und machten vorher die Tagesordnungspunkte schriftlich am Monument der Phylenheroen auf der Agora bekannt. Die Sitzungen begannen im Morgengrauen und konnten bis abends dauern. Doch oft war man schon um die Mittagszeit fertig, weil viele Routineangelegenheiten rasch erledigt werden konnten. Mogens Hansen konnte zeigen, dass es Ähnlichkeiten zwischen Sitzungen der athenischen Volksversammlung und denen mancher schweizerischer Landsgemeinden gibt. Ab dem 4. Jh. erlässt die Volksversammlung keine Gesetze mehr (nomoi), das ist nun Aufgabe der Nomotheten, sondern fällt nur noch Beschlüsse oder Dekrete, sogenannte psephismata. Diese Beschlüsse werden im Rat der 500 vorbereitet. Es gibt dabei offene und konkrete Vorbeschlüsse (probouleumata). Die offenen werden zur Diskussion gestellt, über die konkreten konnte in der Volksversammlung sofort abgestimmt werden.
Im 4. Jh. schränkt die Volksversammlung ihre Rechte selbst ein, um weniger Fehler durch tagesbedingte Emotionen zu machen. Allerdings behält die Volksversammlung immer das Heft in der Hand und kann als Souverän Dinge sofort wieder an sich ziehen, so dass auch die Einschränkungen der Kompetenzen der Volksversammlung ihrerseits wieder eingeschränkt sind. Im 5. Jh. leitete der Vorsitzende der Prytanen, also der Vorsitzende der diensthabenden Phyle, auch die Sitzungen der Volksversammlung. Diese Personalunion hat man im 4. Jh. unterbunden. Die neun nicht diensthabenden Phylen stellen neun Prohedroi; ihr Vorsitzender übernimmt nun den Vorsitz in der Volksversammlungssitzung. Die Leitung der Volksversammlung ist nun also von der Leitung der Prytanie getrennt. Ziel war es wohl, Bestechungen weiter unmöglich zu machen, was auf großes Misstrauen gegeneinander schließen lässt. Die Trennung von Dekreten und Gesetzen haben wir schon angesprochen. Aber die Volksversammlung entscheidet immer noch, wann die Nomotheten aktiv werden sollen. Die Initiative der Gesetzgebung liegt also nach wie vor bei der Volksversammlung. Die Dekrete müssen ferner den Gesetzen entsprechen. Die Gesetze, die nomoi, sind auch höherrangig als Dekrete, doch die Außenpolitik, das Hauptbetätigungsfeld der Volksversammlung, wird über Dekrete gesteuert. Die Verteilung staatlicher Gelder erfolgt über einen gesetzlich festgelegten Verteilungsschlüssel, den merismos, aber die Volksversammlung kann jederzeit zusätzliche Steuern beschließen und per Dekret den merismos ändern.
Um 355 verliert die Volksversammlung alle jurisdiktionellen Kompetenzen, d.h. die gesamte Rechtsprechung, auch die politische, findet nun in den Volksgerichten statt. Alles muss weiterhin vom Rat vorbereitet werden, aber die Volksversammlung kann den Rat jederzeit beauftragen, eine Angelegenheit auf die Tagesordnung zu setzten, also auch hier behält die Volksversammlung das Initiativrecht. Gegen jedes Dekret der Volksversammlung konnte per graphe paranomon vor dem Volksgericht vorgegangen werden, aber da die Volksversammlung mehr als 400 Dekrete pro Jahr verabschiedet, gingen die meisten Dekrete wohl glatt durch. Wir sehen also, dass die Abgabe von Kompetenzen selbst also wieder eingeschränkt war und somit die Volksversammlung der Souverän blieb.
Das Volksgericht, das wichtigste Organ neben der Volksversammlung, besteht aus mehreren Geschworenenhöfen, dikasteria genannt. Obwohl es weder Berufsjuristen noch professionelle Ankläger, Verteidiger und Richter gab, standen die Gerichte in größtem Ansehen, weil die Geschworenenrichter über dreißig Jahre alt und vereidigt waren. Die Abstimmung erfolgte über Stimmsteine, war also verlässlicher als die Schätzung der Handzeichen in der Volksversammlung; außerdem stand mehr Zeit zur Verfügung als in der Volksversammlung. Neben der Anhörung von Streitfällen, Tötung kam vor den Areopag bzw. die Epheten, bestand die Hauptaufgabe der Volksgerichte in der Kontrolle der Volksversammlung, der Kontrolle der Magistrate und in der Urteilsfällung in politischen Prozessen.
Alle Geschworenengerichte umfassten mehrere hundert Personen, die Leitung lag bei den Thesmotheten, es gab keinen staatlichen Ankläger, jeder musste persönlich auftreten. Voraussetzung um Richter zu werden, war, dass man über dreißig Jahre alt, aus 6000 Bürgern vorgelost war und dass man den Heliasteneid abgelegt hatte. Dann wurden, zumindest im 4. Jh., in einem komplizierten Verfahren mit Hilfe einer Losmaschine (kleroterion) die Richter den einzelnen Gerichtshöfen zugewiesen, somit war Bestechung quasi unmöglich. Die Gerichte tagten öfter als die Volksversammlung und dann den ganzen Tag. Man unterschied Privatprozesse (dikai idiai) von öffentlichen Verfolgungen (dikai demosiai oder auch graphai genannt), also von Übergriffen, die, auch wenn sie sich auf eine Privatperson bezogen, als öffentliche Angelegenheit betrachtet werden konnten. Bei dikai konnte nur die verletzte Person klagen, bei graphai jedermann. Eine graphe bedingte auch mehr Richter, ein ganzer Tag stand zur Verfügung, während pro Tag immer mehrere dikai behandelt und abgeschlossen wurden. Die Abstimmung erfolgte immer mit Stimmsteinen, es gab keine Diskussion vor der Urteilsfindung unter den Geschworenenrichtern.
Am athenischen Recht fällt v.a. seine prozedurale Vielfalt auf. Beispielsweise konnte ein bestochener Magistrat auf sieben verschiedene Arten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Wahl des Verfahrens vermittelte bereits wichtige symbolische Botschaften an die versammelten Richter und die Öffentlichkeit.
Die Volksgerichte spielen auch eine wichtige politische Rolle. In der graphe paranomon konnte jedermann gegen den Antragsteller eines Dekretes klagen. Die eisangelia ging gegen Verrat und Bestechung vor, meist gegen Strategen. Vor Beginn ihrer Amtszeit mussten sich Magistrate einer kleinen, zur reinen Formsache erstarrten Eignungsprüfung unterziehen, der dokimasia. Am Ende ihrer Amtszeit mussten alle Magistrate vor dem Volksgericht einen Rechenschaftsbericht vorlegen, die euthynai. Mit diesen Kompetenzen fungiert das Volksgericht also auch gewissermaßen als Verfassungsgericht.
Der Rat der Fünfhundert, die sogenannte Boule, basiert auf den 10 Phylen. Jeder der 139 Demen, Dörfer, entsendet Mitglieder in diesen Rat. Er repräsentiert Athen nach außen, empfängt ausländische Gesandte und hat die Finanzaufsicht. Er kontrolliert auch, ähnlich wie das Volksgericht, die anderen Magistrate. Die Boule bereitet die Sitzungen der Volksversammlung mit offenen und konkreten probouleumata vor und führt ihre Beschlüsse aus. Die Boule kontrolliert desweiteren die Heiligtümer, richtet religiöse Feiern aus, inspiziert die öffentlichen Gebäude, die Mauern und den Piräus, ist verantwortlich für die Marine, die Werften, den Bau neuer Schiffe sowie die Ausrüstung von Flotten. Sie hat die Oberaufsicht über die Reiterei, verwaltet die öffentlichen Gelder und gestaltet die Außenpolitik. Um diese Aufgabenfülle zu bewältigen, setzt der Rat auch Ausschüsse ein. In begrenztem Umfang beteiligt sich der Rat auch an der Rechtsprechung.
Der Areopag ist schließlich das älteste und angesehenste Organ der athenischen Verfassung. Im 6. Jh. war er wohl die wichtigste politische Institution, bis seine Kompetenz durch die Reform des Ephialtes 462 auf Tötungsdelikte beschränkt wurde, sofern die getöteten Opfer athenische Bürger waren. Der Name leitet sich vom Areopagos her, einem kleinen Hügel ganz in der Nähe der Agora. Erstaunlicherweise wurden die Rechte des Areopag im 4. Jh. dann wieder erweitert. Er galt als Garant einer gemäßigten Demokratie, die wieder nach der imaginären patrios politeia Solons streben solle. Die Mitglieder des vornehmen Rates waren ehemalige Archonten, die auf Lebenszeit im Areopag dienten, meist ca. 150 Personen aus wohlhabenden Kreisen. Sie durften parallel auch andere Ämter innehaben. Da sie über dreißig Jahre alt sein mussten und durch die Bekleidung des Archontats erhebliche politische Erfahrung aufwiesen, galten sie als weise, und der Areopag daher als bester und oberster Gerichtshof. Ab 403 war der Areopag nun auch für die Aufsicht über die Gesetze, die Magistrate und das Verhalten der Bürger zuständig. Ab 352 war er gemeinsam mit der Boule für die Überwachung der Heiligtümer verantwortlich.
Um 340 oder 348 brachte Demosthenes ein Dekret durch, das es dem Areopag ermöglichte, jeden Bürger für jedes Fehlverhalten abzuurteilen, also ein umfassendes Aburteilungsrecht, was sicher auch Ausdruck der großen Krise vor der Schlacht von Chaironeia war.

Wie lässt sich die athenische Demokratie insgesamt in wenigen Stichworten charakterisieren? Es war eine direkte, keine repräsentative Demokratie. Aufgrund der Volksversammlung als Souverän kann man auch von Versammlungsdemokratie sprechen. Die Athener kennen keine politischen Parteien. Mittel der Politik ist die Überredung, peitho, die mit rhetorischen Mitteln erreicht wird.
Man vertraut dem mündigen Bürger, der sich freiwillig beteiligt. Durch ein hoch kompliziertes Geflecht von checks and balances prozeduraler Art versucht man, Demagogie, Massenhysterie, zu große Emotionalität und Spontaneität einzuschränken, was im 4. Jahrhundert aufgrund der schlimmen Erfahrungen des 5. Jahrunderts im Wesentlichen recht gut gelang. Politik übte man immer nebenberuflich aus, die Athener lehnten Professionalisierung grundsätzlich ab. Politiker unterlagen permanenten Kontrollen ihrer Amtsführung. Der Grad an Öffentlichkeit und Partizipation war so hoch, dass er nie mehr in der Weltgeschichte erreicht wurde. Das Rotationsprinzip bei der Bekleidung politischer Ämter bedingte, dass jeder vierte Erwachsene einmal in seinem Leben „Präsident“ von Athen war, wenn auch nur für einen Tag. Die Bürger wurden zur Partizipation motiviert durch Diätenzahlungen, aber auch durch Ehrungen.
Diese Grobeinschätzung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass große Gruppen der Bevölkerung von dieser politische Teilhabe ausgeschlossen waren, nämlich Frauen, Metöken und Sklaven. Ihre Teilhabe lag jenseits des Denkhorizonts der Zeit. Manche Forscher vermuten, dass nur die Sklaven es den athenischen Bürgern ermöglichten, so viel Zeit für die Politik aufzubringen.
Trotz dieser gravierenden Defizite müssen wir uns heute, gerade auch in unseren Debatten über Demokratie und über den Grad der Bürgerbeteiligung, mit der ersten Demokratie der Weltgeschichte intensiv auseinandersetzen.

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04 – Der Peloponnesische Krieg

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Griechische Geschichte II: Die Klassik

04 – Der Peloponnesische Krieg

Am athenisch-spartanischen Dualismus entzündete sich schließlich ein Flächenbrand, der fast die ganze griechische Welt, ja sogar das persische Kleinasien erfassen sollte und der als Peloponnesischer Krieg in die Geschichte eingegangen ist. Wir lassen ihn traditionell 431 v. Chr. beginnen und 404 enden. Den Zeitgenossen waren diese Zäsuren nicht bewusst, denn es gab sowohl vorher als auch nachher kriegerische Auseinandersetzungen mit Sparta. Die Bezeichnung geht wohl auf athenische Autoren des 4. Jahrhunderts zurück; der Begriff rührt von athenischer Perspektive her. Der Krieg gliedert sich in drei sehr distinkte Phasen:
Die erste Phase ist der Archidamische Krieg, der 421 mit dem Nikias Frieden abgeschlossen wurde. Benannt ist er nach dem spartanischen General Archidamos, der fast jedes Jahr in Attika einfiel.
Die zweite Phase umschreibt die Sizilische Expedition, die als verheerende Niederlage für die Athener gewissermaßen den Wendepunkt im Krieg markiert.
Die dritte und letzte Phase ist dann der sogenannte Dekeleische Krieg von 413-404. Diese Schlussphase ist geprägt von der Intervention Persiens und dem Aufstieg Spartas zur Seemacht. Dekeleia ist eine Festung im Norden Attikas, die die Spartaner besetzt hielten und von der aus sie immer wieder Einfälle nach Attika machten. Unser Gewährsmann für den Peloponnesischen Krieg ist Thukydides, mit dem gemeinhin die kritische Geschichtsschreibung beginnt. Thukydides schreibt aus persönlicher Betroffenheit heraus und mit größtem Ernst. Seine Darstellung gehört zu den pessimistischsten Werken der Weltliteratur. Thukydides analysiert alle Parameter des Krieges in paradigmatischer Weise, wie etwa Bürgerkrieg, Massenpsychosen, den Verlust aller Hemmschwellen, so dass seine Darstellung zu einem Besitz für immer werden soll, wie er selbst schreibt. Der Peloponnesische Krieg ist nicht nur wichtig, weil dies der antike Krieg ist, den wir durch Thukydides am besten kennen, sondern auch weil er eine tiefe Zäsur in der griechischen Geschichte darstellt. Die Kriegsparteien waren in Folge dieser jahrzehntelangen Auseinandersetzungen so erschöpft, dass das stets labile Kräftegefüge der griechischen Poleis im 4. Jahrhundert noch instabiler wurde, was letztlich Makedonien begünstigte. Ohne den Peloponnesischen Krieg hätte es also wahrscheinlich auch keinen Alexander und keinen Hellenismus gegeben. Herausragende Passagen im Werk des Thukydides, die zur Weltliteratur gehören, sind z. B. die Beschreibung der Pest in Athen 430 (2,47ff.) und der Bürgerkrieg auf Korkyra 427 (3,70-83). Thukydides unterscheidet ganz klar die äußerlichen Anlässe und die vorgeschobenen Beweggründe von den tieferliegenden, eigentlichen Ursachen, nämlich das zunehmende Misstrauen Spartas gegenüber der Hegemonialmacht Athen.
Zur unmittelbaren Vorgeschichte des Krieges gehört der Konflikt zwischen Korinth und Korkyra sowie zwischen Athen und Poteidaia. In diesem Rahmen kann hier nicht genauer auf diese Konflikte eingegangen werden, wichtig ist jedoch, dass Korinth hier zweimal von den Athenern ausgestochen wurde. Viel diskutiert wurde in der Forschung auch das megarische Psephisma, also die Handelsblockade Athens gegen die Nachbarstadt Megara und die Rolle, die Perikles dabei spielte. Das Handelsembargo schließt Megara vom Piräus, von der Agora und von den Häfen des Seebunds aus. Das war zwar keine Hungerblockade, aber doch eine empfindliche Schädigung des Handels, auf den Megara angewiesen war. Letzten Endes ist die Frage unlösbar, inwieweit Perikles mit dem megarischen Psephisma den Kriegsausbruch provozierte, indem es Sparta direkt auf den Plan rief. Bis zuletzt gab es noch Verhandlungen, doch es ging nur noch darum, dem Gegner, propagandistisch wirksam, die Schuld am Kriegsausbruch zuzuweisen.
Als erste Kampfhandlung überfällt Theben Plataiai, ein offener Bruch des alten Friedensvertrages und eine Aktion, die so wohl gar nicht mit Sparta abgesprochen war. Eine Schuldzuweisung ist unmöglich; alle Akteure hatten mehrmals die Chance, deeskalierend zu wirken, agierten aber stattdessen aggressiv. Auf beiden Seiten gab es Kriegsbefürworter und Kriegsgegner, aber die Kriegstreiber setzten sich auf beiden Seiten durch mit ihren dauernden Hinweisen auf, modern gesprochen, die Symbolik der Macht und den Gesichtsverlust, den Nachgiebigkeit bedeutet hätte. Das symbolische Kapital, das man bei Entspannungspolitik zu verlieren glaubte, wog schwer und zog schließlich beide Parteien in den großen Krieg hinein.
Beide Kriegsparteien versuchten, ihre jeweiligen Stärken auszuspielen. Archidamos verwüstete Jahr für Jahr Attika, Perikles vermied die offene Feldschlacht gegen die Spartaner ganz bewusst, weil hier die athenischen Hopliten unterlegen gewesen wären. Stattdessen zog sich die Landbevölkerung hinter die Langen Mauern Athens zurück und musste von dort aus mitansehen, wie ihre Höfe in Flammen aufgingen. Die Athener kreuzen mit ihrer Flotte vor der Peloponnes und verwüsten Küstenstriche. Diese Strategie des Perikles verschonte die Athener vor größeren Verlusten, brachte aber für Athen keinen Durchbruch. Aufgrund der katastrophalen hygienischen Verhältnisse hinter den Langen Mauern brach sehr bald die Pest aus, der auch Perikles selbst 429 zum Opfer fiel. Die medizinisch exakte Pestbeschreibung des Thukydides gehört zur Weltliteratur. Die medizinhistorische Forschung konnte bis heute nicht ergründen, um welche Krankheit es sich genau handelte. Offenbar sind die Erreger ausgestorben. Viel wichtiger ist jedoch, was Thukydides mit dieser Schilderung bezwecken will: Die Pest ist letzten Endes eine Metapher für den Verfall jeglicher sozialer und moralischer Ordnung und damit zugleich auch eine Metapher für die Vorgänge in einem Krieg generell. Die um sich greifende, ja ansteckende Brutalität und Verrohung in menschlichen Ausnahme- und Extremsituationen, wie sie vielleicht nur im Krieg vorkommen, konnte im Bild der Pest auf eine höhere, allgemeingültigere Ebene gehoben werden. Der Krieg war eine schwere Krankheit, die eines Arztes bedurfte, der aber nicht da war. Bedeutsam ist, dass Thukydides die Pestbeschreibung unmittelbar auf den Epitaphios Logos folgen lässt, Perikles‘ Gefallenenrede auf die Kriegstoten des ersten Kriegsjahres, auch dies ein Gipfelpunkt der Weltliteratur. Die Gefallenenrede ist eine Idealisierung, man könnte auch sagen, ein glänzendes Propagandastück für das perikleische Athen des 5. Jahrhunderts, das Thukydides untergehen sah. Geschrieben wohl 404, beschwört Thukydides noch einmal den Glanz Athens aus der Retrospektive. Gleich danach lässt er die Pestbeschreibung folgen, als wolle er ausdrücken, dass idealisierende Propaganda von der grausamen Realität immer eingeholt werde.
424 gelang den Athenern ein großer Coup, die Gefangensetzung vieler spartanischer Hopliten auf Sphakteria bei Pylos, die von nun an Athens Geiseln waren. Bald kam es auch zu Stellvertreterkriegen in vielen griechischen Poleis, also zu Bürgerkriegen zwischen demokratisch Gesinnten, die bei Athen bleiben bzw. in den athenischen Machtblock hinein wollen, und oligarchisch Gesinnten, die im Peloponnesischen Bund bleiben bzw. aus dem Delisch-Attischen Seebund austreten wollen. Selbstverständlich überlagern sich hier politische und soziale Konflikte in den jeweiligen Poleis. Die schlimmste Auseinandersetzung dieser Art fand auf Korkyra statt (427-425), wo sich die Bevölkerung im Richtungsstreit gegenseitig geradezu zerfleischte. Mehrmals gewann eine Seite die Oberhand. Die schlimmsten Greueltaten wurden immer dann verübt, wenn eine der beiden Großmächte mit einer Flotte vor Ort war, so dass eine Seite massiv unterstützt werden konnte. Schließlich setzten sich die Demokraten durch, die Oligarchen wurden alle niedergemetzelt. Thukydides schreibt hier seine sogenannte Pathologie des Krieges (3,69-84); Korkyra steht so exemplarisch für die Geschehnisse in Bürgerkriegen, quer durch alle Epochen und Kulturen. Bei den staseis und den Kampfhandlungen zwischen den Kontrahenten wurden zunehmend auch religiöse Tabus gebrochen. In noch nie dagewesener Häufigkeit kam es zu Massenabschlachtungen gegen alle Gesetze und Normen. Eine allgemeine Verrohung griff um sich.
Als auf athenischer Seite Kleon und auf spartanischer Seite Brasidas vor Amphipolis fielen, kam es 421 zum Nikias-Frieden, der den Archidamischen Krieg abschloss. Darin wurde der territoriale Besitzstand vor dem Krieg festgeschrieben. Nun betrat aber der ehrgeizige Alkibiades die politische Bühne Athens und tat alles, um den ohnehin brüchigen Frieden zwischen Athen und Sparta zu hintertreiben. Schon bald kam es auf der Peloponnes wieder zu Kampfhandlungen, der Friede war nach kurzer Zeit nur noch Makulatur. Vielleicht ist Alkibiades auch verantwortlich für das brutale Vorgehen Athens gegen die kleine und neutral gebliebene Kykladeninsel Melos (416/15). Hier schiebt Thukydides den berühmten Melier-Dialog ein, in dem arrogante Macht höhnisch und zynisch gegen Recht und Moral argumentiert. Die Melier, so die Athener, hätten gar keine andere Wahl als zu kapitulieren. Als sie dies nicht tun, töten die Athener alle Männer und versklaven die Frauen und Kinder einer vormals freien und neutralen griechischen Insel.
Um diese Zeit definierte Alkibiades Sizilien als athenische Einflusssphäre. Sizilien war die ganze Antike hindurch eine Getreidekammer. Wenn man es beherrschte, konnte man die Peloponnesier von der Getreidezufuhr abschneiden und zudem Korinth schädigen. Alkibiades stellte den Athenern auch große Reichtümer vor Augen und mag vielleicht Sizilien als Sprungbrett nach Karthago verstanden haben. Auf alle Fälle versprach er sich selbst bei einem Sieg über Sizilien eine herausragende Stellung in Athen. Warnende Stimmen wurden in Athen nicht gehört, die Unterstützung von Verbündeten auf der Insel überschätzt. Insgesamt geriet das gesamte Unternehmen zum Fiasko, zumal Alkibiades, in Athen wegen des Mysterienfrevels angeklagt, zum Feind übergelaufen war und in Sparta massiv gegen Athen Stimmung machte, indem er die athenischen Kriegsziele maßlos übertrieb. Das Scheitern der Sizilischen Expedition markierte die Peripatie in diesem Krieg. Mehr als 45.000 Athener und Bundesgenossen fielen, 160 Trieren waren verloren. Von diesem demographischen Aderlass sollte sich Athen auch im 4. Jh. nicht mehr erholen.
Dennoch ging der Krieg noch Jahre weiter, konnten die Athener durch ihre Energie, die dynamis, die Thukydides immer wieder hervorhebt, noch so manche Erfolge verbuchen. 406 gelingt den Athenern noch ein Sieg bei den Arginusen unter schweren eigenen Verlusten, doch aufgrund eines aufziehenden Sturmes können viele Athener, die noch im Wasser treiben, nicht mehr gerettet werden, was den Generälen zur Last gelegt wurde. Im berühmten Arginusenprozess verurteilten die Athener nach bewegten Debatten sechs Strategen zum Tode, ein kapitaler Justizirrtum, denn nun hatten sich die Athener selbst ihrer militärischen Führung beraubt. Ein Jahr später kam es schließlich zur Katastrophe. Weil die Athener beim Nahrungsholen unvorsichtig waren und ihre Schiffe nicht genügend bewachten, konnte sich Lysander bei Aigospotamoi der ganzen athenischen Flotte bemächtigen, ohne dass es überhaupt zu einer Seeschlacht gekommen wäre. Athen konnte nun eingeschlossen werden und musste schließlich im Mai 404, am Ende seiner Kräfte, kapitulieren. Die Friedensbedingungen sind hart und für Athen demütigend. Unter anderem kommt es jetzt mit spartanischer Unterstützung zu einem oligarchischen Staatsstreich: Die sogenannten Dreißig Tyrannen beseitigen die Demokratie und errichten eine Schreckensherrschaft in Athen, die allerdings nicht lange dauert. Mit thebanischer Hilfe gelingt es den Athenern, die Demokratie wieder herzustellen. Aufgrund von Feinjustierungen in der Verfassung, die in Zukunft das Volk vor Massenpsychosen und massiven Fehlurteilen schützen sollten, erfuhr die athenische Demokratie als Verfassung ihre volle Ausprägung. Mit dem Funktionieren der Organe dieser Verfassung werden wir uns im nächsten Podcast beschäftigen.

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03 – Die Kleisthenischen Reformen / Die athenische Außenpolitik des 5. Jahrhunderts

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Griechische Geschichte II: Die Klassik

03 – Die Kleisthenischen Reformen / Athenische Außenpolitik des 5. Jhs. v. Chr.

Athen hatte die Auseinandersetzung mit den Persern auch deshalb gewonnen, weil es sich innenpolitisch, modern gesprochen, durch eine grundlegende Verfassungsreform neu aufgestellt hatte. Im innerathenischen Machtkampf zwischen Isagoras, der von Sparta unterstützt worden war, und Kleisthenes, hatte sich Kleisthenes durchgesetzt, indem er eine größere Partizipation athenischer Bürger an den Staatsgeschäften anvisierte. Die Vorgeschichte und sogar der eigentliche Zweck der kleisthenischen Reformen liegen bis heute im Dunkeln und sind daher in der Forschung nach wie vor heiß umstritten. Wenn Kleisthenes mit seinen demokratischen Reformen die anderen Adelsfamilien schwächen und seine eigene Familie und Machtposition stärken wollte, so ist dieses Vorhaben fehlgeschlagen. Mit diesen Reformen, die die Macht des Adels weitgehend brachen, sägte Kleisthenes im Grunde am Ast, auf dem er selbst saß, zumindest hören wir nach den Reformen von 508/7 nichts mehr von ihm. Dass er als alter Aristokrat wirklich eine Demokratie herbeiführen wollte, darf bezweifelt werden, doch das Ergebnis lief dahin hinaus. Was wir jedoch sehr wohl tun können, ist, die Maßnahmen in ihrer Interdependenz zu beschreiben und ihre Folgen einzuschätzen: Nach Tyrannenmanier löste Kleisthenes die vier alten Phylen auf und gründete zehn neue. Das Dezimalsystem sollte das zugrunde liegende Prinzip der Rationalität unterstreichen. Durch diese Neugliederung war die Machtbasis des Adels im Wesentlichen gebrochen. Attika wurde in drei Teile geteilt. Es gab eine Region Stadt, eine Region Küste und eine Region Binnenland. Jeder der drei Teile bestand wiederum aus zehn Teilen. Diese 30 Trittyen bildeten den gesamten Bürgerverband. Jede der zehn neuen Phylen wurde aus drei Trittyen zusammengesetzt, eine Trittye Stadt, eine Trittye Küste, eine Trittye Binnenland. Es wurden also Bevölkerungsteile zusammengespannt, die überhaupt nicht zusammen wohnten, die neue Ordnung war also sehr künstlich, aber offenbar funktional. Kleisthenes stattete die neuen Phylen sofort mit neuen Kulten und Phylenheroen aus, um den Zusammenhalt zu stärken. Die unterste Einheit bildeten nach wie vor die rund 100 Dörfer, die sogenannten Demen. Soweit wir also sehen können hatte die Reform folgende Ziele:
Die Schaffung von 10 bzw. 30 gleich großen Teilen der Bevölkerung für politische und militärische Zwecke.
Eine volksnahe Selbstverwaltung in den Demen.
Die Verhinderung regionaler Parteibildungen, wie Athen sie schon mehrfach erlebt und sie Peisistratos sich zu Nutzen gemacht hatte und das
Aufbrechen der alten adeligen Hausmachten.

Vielleicht hat Kleisthenes auch den Ostrakismos, das Scherbengericht eingeführt. Die Boule, der ursprüngliche Rat der 400, musste nun mit 500 Mitgliedern neu geordnet werden, 50 aus jeder der zehn Phylen. Der Kampf um die Macht, den der Adel weiterhin unter sich führte, fand nun nicht mehr auf blutigem, sondern auf politischem Wege statt, mit dem Wort. Hier liegt der Grundstein der Rhetorik und unseres Politikverständnisses. Die Adeligen benutzten also die kleisthenische Ordnung als Werkzeug, um ihre Ziele zu erreichen, bis ihnen diese Verfassung die Machtgrundlage entzog. Die adeligen Machtkämpfe fanden also weiterhin statt, aber auf einer Bühne vor dem Volk, d.h. vor der Volksversammlung bzw. vor den Gerichten. Damit stieg das Selbstbewusstsein des Volkes, es fühlte sich nun als Souverän, der es ja auch war. Entscheidend ist, dass Athen das erste und einzige Staatswesen ist, das die wirtschaftliche und soziale Macht seiner Eliten von der politischen Macht abkoppelt. Die Adeligen wurden nicht enteignet, sie blieben kulturell und bildungsmäßig führend, aber sie haben schon bald nicht mehr politischen Einfluss als der normale Bürger. Aufgrund ihrer Bildung und ihres Vermögens eignen sie sich die Rhetorik an, sie ergreifen in Rat, Volksversammlung und in den Gerichten öfter das Wort, sie versuchen die Massen in ihrem Sinne zu beeinflussen, aber im Endeffekt entscheidet immer das Volk und eben nicht mehr eine kleine Elite.
Erstaunlicherweise hatte diese künstliche Ordnung, die sozusagen auf dem Reißbrett entstanden war, Bestand. Auch das Militär war nach den zehn Phylen gegliedert. Die Bewährungsprobe kam bald in den Perserkriegen. Die neue Phylenstruktur bewährte sich glänzend, und so bedurfte es keiner weiteren Reformen, um die neue Ordnung ganz anzunehmen, ja zu verinnerlichen.

Athens Außenpolitik ist nach der Schlacht von Salamis von vielfältigen Aktivitäten geprägt. Der Mann der Stunde ist nun der Aristokrat Kimon, der die Politik seiner Heimatstadt nun für zwei Jahrzehnte prägt, nicht etwa Themistokles, der Sieger von Salamis. Durch die Abwehr der Perser gewinnt Athen die Oberhoheit in der Ägäis. Um diese effektiv zu strukturieren, gründen die Athener 478/77 auf Delos den Delisch-Attischen Seebund mit antipersischer Stoßrichtung. Die Bündner, meist kleine Inselpoleis, suchen Schutz vor Persien und stellen Athens Dominanz nicht in Frage. Sparta überlässt Athen die Ägäis aufgrund des Mangels an eigenen maritimen Ressourcen. In den folgenden Jahren geht es Athen vorrangig um die Sicherung der Getreidezufuhr aus dem Schwarzmeergebiet und damit um die Kontrolle des Hellesponts und Thrakiens. Daneben versucht Athen immer wieder, nach Mittelgriechenland vorzudringen, um eine Pufferzone gegenüber dem Peloponnesischen Bund aufzubauen. Ich kann hier nur auf die wichtigsten Ereignisse zwischen 480, der Schlacht von Salamis, und 431, dem Ausbruch des Peloponnesischen Krieges eingehen. Es gibt weiterhin Konflikte mit Persien und auch bereits Scharmützel mit Sparta, so dass weder die Perserkriege eigentlich beendet sind, noch das Jahr 431 als Epochengrenze benutzt werden kann. Nun zu den bedeutsamsten Ereignissen: 475 überführt Kimon die Gebeine des Theseus von Skyros nach Athen, wo ein Theseion gebaut wird. Theseus galt als Stammesheros der Athener und Ionier. Das Theseion enthielt eine Darstellung der Amazonomachie und der Kentauromachie. Schon hier werden also die Perserkriege mythologisch gerahmt und überhöht und als Abwehr des Barbarentums generell stilisiert. 466-463 erhebt sich Thasos gegen Athen, Kimon kann den Aufstand niederschlagen.
464 ereignet sich ein furchtbares Erdbeben in Sparta, woraufhin ein Helotenaufstand losbricht. Die Spartaner fühlen sich so bedroht, dass sie 462 Athen um Hilfe ersuchen. Kimon, der noch in alter Aristokratenmanier denkt, kann sich gegen Ephialtes durchsetzen und führt selbst die athenische Hoplitenexpedition zur Unterstützung Spartas an. Während Kimons Abwesenheit kommt es auf Initiative des Ephialtes zu einem weiteren Demokratisierungsschub in Athen: Dem Areopag werden weitgehende Kompetenzen entzogen. Da die Spartaner die athenische Interventionstruppe auf der Peloponnes mit Misstrauen beobachteten, ja sogar befürchteten, die Athener könnten mit den Heloten gemeinsame Sache machen, schickten die Spartaner die Athener ohne Angabe von Gründen nach Hause. Kimon war damit düpiert und mit seiner aristokratisch gesinnten Sparta-Politik gescheitert.
459 verlegte der Delisch-Attische Seebund eine Flotte von 200 Schiffen von Zypern nach Ägypten, um dort einen Aufstand gegen die Perser zu unterstützen, eine fatale Entscheidung, denn Persien schlug den Aufstand nieder, die Flotte wurde vernichtet und Tausende verloren 454 das Leben. Diese athenische Niederlage markiert das Ende der griechischen Versuche, Persien zu attackieren. Athen hatte eindeutig seine Kräfte überspannt. Die Folgen dieser Katastrophe waren gravierend:
Die Bundeskasse des Seebundes wird von Delos auf die Akropolis in Athen verlagert, weil man nun auch mit persischen Angriffen in der Ägäis rechnen musste. Athen stellte erst einmal alle Offensivmaßnahmen ein, auch gegen Sparta. Viele Bündner fielen in dieser Situation von Athen ab, andere aber traten in den Seebund ein, d.h. die Verhältnisse in der Ägäis destabilisierten sich. Insgesamt aber organisierte Athen sein System besser und konsolidierte den Seebund nach der Katastrophe in Ägypten. Ab 454 kennen wir auch Tributquotenlisten der Symmachoi.
449/48 kommt es zum sogenannten Kallias-Frieden zwischen Athen und Persien, der in seiner Historizität umstritten ist. Diodor überliefert die Bedingungen: Die griechischen Poleis in Kleinasien bleiben autonom. Persische Truppen müssen drei Tagesmärsche Abstand halten. Persische Kriegsschiffe dürfen im Süden nicht über die Chelidonischen Inseln hinaus nach Westen fahren. Im Norden markiert der Eingang zum Bosporus eine entsprechende Demarkationslinie. Die Athener ihrerseits dürfen kein persisches Gebiet angreifen. Was auch immer vereinbart wurde, es muss wohl zumindest ein informelles Abkommen gegeben haben, denn in den Folgejahren sind keine Kampfhandlungen zwischen Athen und Persien belegt. Man kann also durchaus sagen, dass die Perserkriege erst 449/48 enden. 447 versuchte Athen, das westliche Böotien zu kontrollieren, scheiterte aber und verlor Böotien ganz in der Niederlage von Koroneia gegen Sparta.
Der Krieg zwischen Athen und Sparta wurde 446 mit einem dreißigjährigen Frieden beendet. Athen musste auf Mittelgriechenland verzichten, doch alles war vage formuliert und bot Interpretationsspielraum. Bei Streitigkeiten, mit denen man offenbar rechnete, sollte es zu keiner Kriegserklärung kommen, wenn eine Seite ein Schiedsverfahren vorschlagen sollte. Man wollte also der Diplomatie eine Chance geben, beide Seiten waren daran interessiert, den status quo beizubehalten. Obwohl Athen ab 443 Verwaltungsreformen im Seebund einleitet, um die Effizienz zu steigern, Distrikte anlegt, die phoroi-Zahlungen anhebt und neu regelt sowie das Zahlungssystem im ganzen Seebundgebiet auf attische Münzen, Maße und Gewichte umstellt, kann man von einer imperialistischen Herrschaftsweise erst ab den 420ern sprechen, also ab dem Peloponnesischen Krieg. Erst 413, also in Folge des Scheiterns der Sizilischen Expedition, brach die athenische Seeherrschaft zusammen. Perser und Spartaner stießen in das Machtvakuum in der Ägäis vor, bevor Athen dann einen zweiten Seebund im 4. Jh. aufbauen konnte, der dann aber unter ganz anderen politischen Vorzeichen und Rahmenbedingungen stand.

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02 – Die Perserkriege

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Griechische Geschichte II: Die Klassik

02 – Die Perserkriege

508/07 hatte Kleisthenes in Athen seine Reformen durchgeführt, die zur Demokratie führten. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass diese Neuordnung bald einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt sein würde und zwar von außen. Mit dem Ausgreifen der Perser nach Westen waren die kleinasiatischen Griechen, die sog. Ionier, unter persische Oberhoheit geraten, die die lydische ablöste. Die Griechenstädte an der kleinasiatischen Westküste wurden immer unzufriedener mit den von den Persern gestützten Tyrannen, d.h. mächtigen Aristokraten, die sich mit persischer Hilfe an der Macht hielten.
Aristagoras von Milet, dem Herodot das persönliche Motiv zuschreibt, eine führende Stellung in Ionien einnehmen zu wollen, wird den Protest wohl gebündelt haben. Die Aufstandsbewegung, wir sprechen vom Ionischen Aufstand, erfasste schließlich die Küste vom Hellespont im Norden bis in den Süden Kleinasiens. Auch Zypern und Karien waren mit von der Partie. Bedeutsam ist, dass auch Athen und Eretria auf Euböa die Bewegung unterstützten. Damit waren nun auch griechische Städte des Mutterlandes in den Kampf gegen Persien involviert. Die Griechen erzielen einen Anfangserfolg, indem sie 498 die Unterstadt und das Kybele-Heiligtum von Sardis niederbrennen, doch das Blatt wendet sich schnell, als die Perser ihre gewaltige Kriegsmaschinerie in Bewegung setzen. Sie erobern Zypern zurück und schlagen das Gesamtaufgebot der Griechen 494 bei Milet. Die Stadt wird zerstört, auch die anderen abgefallenen Städte werden eingenommen. Doch um Ruhe einkehren zu lassen, erhöht der persische Satrap Artaphernes den Tribut bewusst nicht, werden in den Städten keine Tyranneis mehr eingerichtet, sondern gemäßigte Oligarchien. Die Athener und Eretrier wussten aber, dass Schlimmeres kommen und Persien sich auf alle Fälle an ihnen rächen würde. Mardonios, ein Schwiegersohn des Dareios, unternahm 492 den ersten Zug gegen Griechenland. Seine Aktion war wohl sehr begrenzt: Ihm schwebte wohl nicht einmal eine Strafaktion gegen Athen und Eretria vor, sondern lediglich die Sicherung von Thrakien und Makedonien. Bei der Umsegelung des Athos-Gebirges erlitt die persische Flotte Schiffbruch, angeblich ertranken 20.000 Matrosen. Wahrscheinlich hatte Mardonios jedoch zu diesem Zeitpunkt sein Kriegsziel schon erreicht. Erst aus späterer Perspektive machten die Athener daraus einen gescheiterten Angriffsversuch auf Athen. Herodot kann mit diesem ersten Zug einen Spannungsbogen aufbauen und den Schiffbruch als schlechtes Omen deuten.
Um diese Zeit war der Philaide Militiades von der Chersones nach Athen heimgekehrt. Er setzte sich mit seiner Landstrategie gegen Themistokles durch, der schon zu jener Zeit die Flottenrüstung favorisierte. Den Athenern war klar, dass nach den Vorbereitungen des Mardonios nun bald die Strafaktion gegen ihre Stadt und Eretria erfolgen würde. Die Perser fuhren mit einer großen Flotte langsam über die Ägäis und behandelten Städte und Inseln sehr unterschiedlich, um den Athenern zu zeigen, dass es noch Zeit war, sich Persien zu beugen. Während Naxos erobert und der Tempel niedergebrannt wurde, wurde Delos bewusst geschont. Eretria ereilte das Schicksal zuerst. Die Stadt wurde geplündert, die Überlebenden nach Innerpersien verschleppt. Dann ging ein Teil der persischen Landstreitkräfte in der Ebene von Marathon an Land. Der Ort war bewusst gewählt. Die Ebene bot der persischen Reiterei günstiges Gelände. Außerdem siedelten bei Marathon traditionell die Anhänger der Peisistratiden. Man hatte den alten Hippias mit dabei und hoffte, dass die Bewohner Marathons sich für Hippias und damit die persische Sache einsetzen würden. Doch man hatte sich getäuscht. Als klar war, wo genau die Perser landeten, zog die athenische Hoplitenarmee den Persern sofort entgegen. Man schickte einen Schnellläufer nach Sparta, um Hilfe anzufordern. Doch aus religiösen Gründen konnten die Spartaner nicht unmittelbar aufbrechen. Wir wissen nicht, wie es zur Schlacht kam, ob die Griechen oder die Perser die Initiative ergriffen, auch über den Schlachtverlauf wissen wir nur sehr wenig, doch gelang es den Griechen, die Perser zu ihren Schiffen zurückzudrängen. Offensichtlich war die schwer bewaffnete Hoplitenphalanx den leicht bewaffneten persischen Truppen überlegen. Die Perser konnten sich so geordnet zurückziehen, dass sie Attika umfuhren und Athen nun direkt angreifen wollten. Die Athener liefen also buchstäblich zurück und waren zur Stelle, bevor die Perser an Land gehen konnten. Unverrichteter Dinge kehren die Feldherren Datis und Artaphernes nach Asien zurück, was zeigt, dass die Perser auf eine längere Belagerung überhaupt nicht eingestellt waren. Den Marathonlauf hat es wohl nie gegeben, er ist eine spätere Legende. Von nun an leben die Athener in einer Art Neurose vor den Persern, die Begriffe Perser- und Tyrannenfreund werden synonym.
Es ist daher kein Zufall, dass das Scherbengericht, der Ostrakismos, wohl kurz später eingeführt wurde und genau gegen diese Gruppen gerichtet war. Die Gefallenen von Marathon wurden zu Helden stilisiert, das Selbstbewusstsein der Athener erreichte einen noch nie da gewesenen Höhepunkt. Die Athener interpretierten die wohl begrenzte Strafaktion gegen sie und Eretria nun als einen Gesamtangriff auf Hellas, den sie fast ganz alleine abgewehrt hätten. Wieder war klar, dass Schlimmeres folgen würde, dass Persien diese Niederlage nicht auf sich sitzen lassen würde. Persien unternimmt nun neue Anstrengungen und rüstet in einem noch nie gekannten Ausmaß auf.
486 stirbt Dareios und Xerxes übernimmt die Kriegsziele seines Vorgängers, muss sich jedoch gegen Rivalen erst einmal durchsetzen und einen Aufstand in Ägypten niederschlagen, so dass sich der große Angriff auf Griechenland verzögert. 483 wird Silber im Laureion-Gebirge gefunden, mit dem Themistokles nun daran geht, eine athenische Flotte zu bauen, die bald die stärkste in ganz Griechenland sein würde. Die Perser bauen eine schwimmende Brücke über den Bosporus und durchstechen die Athos-Halbinsel mit einem Kanal, um mit der überlegenen Ingenieurskunst der persischen Pioniere die Griechen tief zu beeindrucken. Den Griechen war klar, dass sie der überlegenen Streitmacht der Perser auf Land nichts entgegenzusetzen hatten.
Die Griechen treffen sich zweimal zu Kongressen am Isthmos von Korinth, um ein konzertiertes Vorgehen zu vereinbaren, doch gehen die strategischen Vorstellungen insbesondere der Athener und der Spartaner weit auseinander. Immerhin werden die internen Fehden beendet, man gründet den sogenannten Hellenischen Bund, Gesandte werden ausgeschickt, um andere Griechenstädte um Hilfe zu bitten, doch diese Mission bleibt erfolglos. Sparta bekommt den Oberbefehl zu Wasser und zu Lande – Athen nimmt sich hier diplomatisch zurück – und man leistet einen Eid, dass man alle Städte zerstören würde, die sich den Persern anschlössen.
Auf dem zweiten Kongress am Isthmos einigt man sich auf zwei Verteidigungslinien, die Nordlinie ThermopylenKap Artemision und die Südlinie Isthmos – Salamis. Während die Athener natürlich die Nordlinie besonders sichern wollten, priorisierten die Peloponnesier die Südlinie, was natürlich auf Seiten Athens Verbitterung hervorrief. Auf alle Fälle reichten die Truppen an den Thermopylen nicht aus. Warum Sparta nur 300 Hopliten schickte ist unklar, vielleicht wollte man die Perser auf dem Marsch nach Süden nur zeitlich aufhalten. Vielleicht waren auch Verstärkungen angedacht. Insgesamt standen an den Thermopylen einige Tausend Mann, was definitiv zu wenig war. Man sieht, wie sehr es die Peloponnesier scheuten, große Truppenkontingente so weit im Norden einzusetzen, und welche logistischen Schwierigkeiten damit verbunden waren, diese Truppen auch zu versorgen. Als Xerxes schließlich den Angriff befiehlt, konnte die persische numerische Überlegenheit sich im 20 Meter engen Pass nicht entfalten. Zwei Tage lang rannten die Perser erfolglos gegen die griechische Phalanx an, sogar die Elitegarde der sogenannten Unsterblichen. Herodot führt nun ein tragisches Motiv ein, Verrat, ein gewisser Ephialtes hätte den Persern einen Umgehungspfad gezeigt, der sie schließlich in den Rücken der Spartaner führte. Leonidas wusste natürlich von diesem Pfad und hatte ihn von Phokern bewachen lassen, doch flüchteten sie, als sie im Morgengrauen von den Persern überrumpelt wurden. Damit war nun der Untergang des Leonidas besiegelt. Keine Niederlage der Weltgeschichte wurde propagandistisch so ausgeschlachtet wie diese. Paradoxerweise begründete gerade diese Niederlage den Nimbus der spartanischen Unbesiegbarkeit. Für die Perser war nun der Weg nach Mittelgriechenland frei, das mittlerweile bereits evakuierte Athen fiel kurze Zeit später.
Angeblich fand zeitgleich zur Schlacht an den Thermopylen die Seeschlacht von Artemision statt. Beide Seiten hatten hohe Verluste zu verzeichnen, doch lernten die Griechen strategisch viel für die nächste Seeschlacht bei Salamis.
Die Nordlinie war nun aber verloren, es ging nun um die Verteidigung der Südlinie auf der Höhe Salamis und Isthmos. Themistokles hatte die Frauen, Kinder und Alten nach Troizen, Salamis und Ägina in Sicherheit gebracht, ein geschickter Schachzug, denn damit zwang er die Athener, vor Salamis die Entscheidung zu suchen. Ein weiteres Zurückweichen hätte die Preisgabe der athenischen Familien an die Perser bedeutet. Auch die anderen griechischen Flottenverbände mussten bleiben, denn wären sie abgesegelt, wäre Athen aus dem Hellenenbund sicher ausgetreten und hätte alleine gekämpft. Die anderen Griechen wussten jedoch, dass ihnen nur der Hellenenbund relative Sicherheit bot.
So wagten die Griechen schließlich gemeinsam die Seeschlacht bei Salamis, wobei Themistokles wusste, dass die Enge den Griechen zum Vorteil gereichen würde. Wieder ist über den Schlachtverlauf wenig bekannt, die Schlacht scheint den ganzen Tag über angedauert zu haben, bis zum Abend waren die meisten persischen Schiffe von den griechischen gerammt worden und gesunken. Xerxes sah sich gezwungen, die Flotte abzuziehen. Das Landheer war jedoch noch völlig intakt, doch machte ein Angriff auf den Isthmos ohne Flotte keinen Sinn, zudem war das Jahr schon zu weit fortgeschritten. Die persische Heeresmacht zog also nach Norden und überwinterte unter Mardonios in Thessalien. Von dort aus wurde der Angriff im folgenden Frühjahr geplant. Als Mardonios 479 angriff, war sein Versuch, die Griechen diplomatisch zu spalten, fehlgeschlagen. Den Griechen war es gelungen, bei Plataiai ein großes Koalitionsheer aufzubieten. Und obgleich es wieder Unstimmigkeiten unter den griechischen Generälen gab, trugen die Griechen in der Schlacht von Plataiai den Sieg davon, hauptsächlich auch deshalb, weil Mardonios fiel und die Perser damit führungslos waren. Die unmittelbare Bedrohung durch die Perser war nun abgewendet, die Griechen hatten das schier Unglaubliche geschafft, die zahlenmäßig weit überlegene persische Großmacht abzuwehren. Eine natürliche Folge dieses Sieges war nun die athenische Expansion in die Ägäis, um den Persern nachzusetzen.
Die Spartaner waren dazu nicht in der Lage und zogen sich freiwillig aus dem maritimen Geschäft zurück. Die Athener besaßen nun die größte Flotte Griechenlands und völlige Bewegungsfreiheit in der Ägäis, was bald zur Gründung des Delisch-Attischen Seebundes führen sollte. Mit diesem Herrschaftsinstrument war nun Athen, als Folge der Perserkriege, zur Hegemonialmacht in Griechenland aufgestiegen.

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01 – Einführung in die Klassik

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Griechische Geschichte II: Die Klassik

01 – Einführung in die Klassik

In dieser Vorlesung beschäftigen wir uns mit der klassischen Periode Griechenlands, also dem 5. und 4. Jh. v. Chr. Diese Zeit markiert den kulturellen und geistigen Höhepunkt des Griechentums. Sie beginnt am Ausgang der Archaischen Zeit mit den Reformen des Kleisthenes in Athen, die zur Demokratie hinführten und den Perserkriegen, in denen sich diese Reformen bewährten, und der Sieg über die Perser zu einem bislang unbekannten Selbstbewusstsein führte. Die natürliche Folge der siegreichen Perserkriege war die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes durch die Athener, die damit die durch ihre Flotte im Ägäisraum gewonnene Vormachtstellung institutionell zementierten und den Bund allmählich zu einem Herrschafts- und Machtinstrument Athens ausbauten. Diese enorme Machtentfaltung Athens wurde von der zweiten Hegemonialmacht, der Landmacht Sparta, mit großer Sorge verfolgt; ein Dualismus zwischen diesen beiden Mächten bildete sich heraus, der schließlich in die Katastrophe des Peloponnesischen Krieges mündete. Die ca. 50 glücklichen Jahre Athens zwischen der Schlacht von Salamis 480 v. Chr. und dem Ausbruch des Peloponnesischen Krieges 431 v. Chr., die man als Pentekontaetie bezeichnet, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in dieser Zeit zu ständigen Auseinandersetzungen mit Persien und zu Scharmützeln mit Sparta kam.
Dennoch ist es richtig, dass die athenische Kunst, insbesondere die Architektur, denken wir an die Akropolis, und die attische Tragödie, in diesem Zeitraum ihren unerreichten Höhepunkt erreichte. Der Peloponnesische Krieg veränderte dann die griechische Welt dauerhaft. Zwar gelang es Athen noch einmal, im 4. Jh. einen Seebund zu gründen, doch die alte Suprematie war dahin. Keine griechische Polis konnte dauerhaft eine Hegemonie ausüben, wie Sparta und Athen es im 5. Jh. vermochten. Die Kräfte waren zersplittert. Der Aufstieg Thebens nach der Schlacht von Leuktra war nur von kurzer Dauer.
Im Schatten der dauernden Kämpfe zwischen den griechischen Stadtstaaten mit ständig wechselnden Koalitionen gelang es dem randständigen Makedonien im 4. Jh. aufzusteigen. Philipp von Makedonien gelang es, mit Brutalität und Rücksichtlosigkeit eine Vormachtstellung in Griechenland aufzubauen, die dann sein Sohn Alexander als Grundlage für die Errichtung seines Weltreiches nutzen sollte. Im unruhigen 4. Jh. erreicht jedoch die athenische Demokratie ihre volle Ausgestaltung, erlebt die athenische Literatur in Gestalt der attischen Redner einen weiteren Höhepunkt.
Nach diesen einleitenden Worten möchte ich kurz in das letzte Jahrhundert der archaischen Zeit in Athen zurückblenden, in das 6. Jh., in dem wir die Probleme der Archaik wie in einem Brennspiegel sehen. Nur die Rückschau in die Archaik kann uns vielleicht helfen, den Sonderweg Athens schon in einer frühen Phase zu greifen. Welche Faktoren ließen Athen einen anderen Weg als die anderen griechischen Poleis einschlagen? Wie kam es, dass Athen ab dem 5. Jh. dann die anderen Städte wirtschaftlich, militärisch, politisch und kulturell überflügeln konnte?
Solon wurde 594 v. Chr. zum Archon mit umfassenden Vollmachten bestellt. Er sollte Athen aus seiner Agrarkriese herausführen. Viele kleine Bauern waren so in Not geraten, dass sie sich hoffnungslos verschuldet hatten und sogar in Schuldknechtschaft gerieten, zum Teil sogar als Sklaven außer Landes verkauft wurden. Solon ergriff nun auf verschiedenen Ebenen einschneidende Maßnahmen. Mit seiner Seisachtheia, Lastenabschüttelung, entschuldet er die Bauern. Die Schuldsklaverei ist damit abgeschafft, allerdings nimmt er keine Neuaufteilung des Bodens vor, wie dies die armen Bauern gefordert hatten. Schon diese Maßnahme allein schuf eine gesunde demographische Basis, auf der Athen später aufbauen konnte. Neben vielen anderen Reform- und Gesetzesmaßnahmen ist v.a. seine Verfassungsreform fundamental. Solon bringt die wirtschaftliche und damit die militärische Leistungsfähigkeit in Einklang mit der politischen Teilhabe.
Wir nennen eine Verfassung, die auf dem Vermögen gründet, eine Timokratie, wahrlich keine Demokratie (denn wer reicher ist, hat mehr politisches Gewicht), doch unleugbar ein Fortschritt im Vergleich zur vorherigen Aristokratie. Die adelige Geburt war nun nicht mehr entscheidend; oder andersherum: Auch Neureiche konnten nun aufsteigen und wichtige Ämter bekleiden. Zur Bestimmung der Leistung und der Rechte teilte Solon die Bevölkerung in Vermögensklassen ein: An der Spitze standen die Fünfhundertscheffler, die sogenannten Pentakosiomedimnoi. Nur sie konnten Archonten und Schatzmeister werden. Unter ihnen rangieren die Hippeis, die Reiter oder Ritter, mit einem Mindesteinkommen von 300 Scheffeln. Ab 150 oder 200 Scheffeln war man Zeugite und gehörte damit der Hoplitenklasse an. Die Grundbesitzlosen, die sich als Landarbeiter bedingen, werden Theten genannt. Im Krieg dienen sie als Leichtbewaffnete, später auch als Ruderer. Diese vier solonischen Zensusklassen blieben die ganze klassische Zeit hindurch in Kraft. Nach ihnen stuften sich militärische Pflichten, die Besteuerung und auch die politischen Rechte ab. Da nun für ehrgeizige und fähige Leute Aufstiegschancen bestanden, wurde die soziale Mobilität erhöht. Obwohl, wie gesagt, diese Timokratie, noch nichts mit Demokratie zu tun hat, war sie doch ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin, und betrachteten die Athener des 4. Jahrhunderts Solon als den Begründer ihrer Demokratie.
Solon behielt in seinen Reformen das Maß, so dass er sich sowohl bei den radikalen Armen als auch bei den konservativen Reichen unbeliebt machte; er hatte sich zwischen alle Stühle gesetzt. Die Tyrannis, die ihm angeblich angetragen wurde, lehnte er ab, stattdessen ging er ins Ausland, um seine Reformen ohne sein Zutun wirken zu lassen. Sie waren nicht von Bestand. Attika zerfiel in drei Regionen, die jeweils unter einem Adeligen standen. 561 versuchte Peisistratos zum ersten Mal die Macht an sich zu reißen. Er sollte noch einmal scheitern, erst 546 konnte er endgültig mit ausländischer Hilfe eine Tyrannis über Athen errichten. Er lässt die Verfassung intakt, besetzt aber die Schlüsselpositionen mit seinen Leuten.
In typischer Adelsmanier sichert er seine Herrschaft ab mit Geld, Söldnern und mit Hilfe internationaler Beziehungen. Peisistratos betrieb Politik mit Zuckerbrot und Peitsche und sehr populistisch. Er verteilte das Land seiner enteigneten Gegner an mittellose Bauern. Er schaffte also, was Solon nicht gewagt hatte zu tun. Adelige, die nicht mit ihm kooperierten, mussten ins Exil. Doch im Allgemeinen versuchte Peisistratos den Adel einzubinden. Religionspolitische Maßnahmen sollten den Zusammenhalt der Athener stärken. Auf der Akropolis entstand der erste Athena-Tempel. Die Panathenäen werden von den Peisistratiden zu einer Art „Nationalfeier“ ausgebaut, zu deren Anlass die homerischen Epen rezitiert werden.
Die Rechtsprechung wurde gestrafft, indem er Demenrichter, also Richter für die Dörfer in Attika, einsetzte. Man kann sagen, dass durch diese Entwicklungen paradoxerweise der Weg hin zur Demokratie beschleunigt wurde oder vorsichtiger ausgedrückt: Der Weg zu einer immer weiteren Verstaatlichung, zu einer Verfasstheit der Polis Athen beschleunigte sich. Peisistratos starb eines natürlichen Todes. Die Herrschaft wurde problemlos auf seine Söhne Hippias und Hipparchos übertragen. Erst als Hipparchos aus persönlichen Gründen ermordet wurde, verschärfte Hippias als Folge die Herrschaft. Erst jetzt gingen die Alkmeoniden ins Exil.
Die Tyrannis wurde schließlich von den Spartanern beendet, die in Athen über ihren Strohmann Isagoras eine Oligarchie einrichten wollten. Hippias wurde vertrieben und ging ins persische Exil. Kleomenes, der spartanische König, verkalkulierte sich. Die Athener lehnten Isagoras rundweg ab, es kam zu innerathenischen Machtkämpfen, aus denen schließlich der aus dem Exil heimgekehrte Kleisthenes als Sieger hervorging. Er konnte sich auf eine breite Machtbasis stützen, v.a. weil er populistische Maßnahmen vorschlug, die mit Begeisterung aufgenommen wurden. Und hier sind wir nun bei den Kleisthenischen Reformen, die die Demokratie begründen sollten.

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