Solons Popularklage

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Autor_in: Plutarch
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Plut. Sol. 18,5 -Original

ἔτι μέντοι μᾶλλον οἰόμενος δεῖν ἐπαρκεῖν τῇ τῶν πολλῶν ἀσθενείᾳ, παντὶ λαβεῖν δίκην ὑπὲρ τοῦ κακῶς πεπονθότος ἔδωκε. Καὶ γὰρ πληγέντος ἑτέρου καὶ βιασθέντος ἢ βλαβέντος ἐξῆν τῷ δυναμένῳ καὶ βουλομένῳ γράφεσθαι τὸν ἀδικοῦντα καὶ διώκειν,ὀρθῶς ἐθίζοντος τοῦ νομοθέτου τοὺς πολίτας ὥσπερ ἑνὸς μέρη σώματος συναισθάνεσθαι καὶ συναλγεῖν ἀλλήλοις. Τούτῳ δὲ τῷ νόμῳ συμφωνοῦντα λόγον αὐτοῦ διαμνημονεύουσιν. Ἐρωτηθεὶς γάρ, ὡς ἔοικεν, ἥτις οἰκεῖται κάλλιστα τῶν πόλεων, ‘ἐκείνη,’ εἶπεν ‘ἐν ᾗ τῶν ἀδικουμένων οὐχ ἧττον οἱ μὴ ἀδικούμενοι προβάλλονται καὶ κολάζουσι τοὺς ἀδικοῦντας.’

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Übersetzung: Bernadotte Perrin
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Text Übersetzung

Moreover, thinking it his duty to make still further provision for the weakness of the multitude, he gave every citizen the privilege of entering suit in behalf of one who had suffered wrong. If a man was assaulted, and suffered violence or injury, it was the privilege of any one who had the ability and the inclination, to indict the wrong-doer and prosecute him. The law-giver in this way rightly accustomed the citizens, as members of one body, to feel and sympathize with one another’s wrongs. And we are told of a saying of his which is consonant with this law. Being asked, namely, what city was best to live in, ‘That city’ he replied, ‘in which those who are not wronged, no less than those who are wronged, exert themselves to punish the wrongdoers.’

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Plut. Sol. 18,5

Leitfragen:

1) Welche Neuerung wird Solon hier von Plutarch zugeschrieben?

2) Welche Folgen hat die sogenannte Popularklage möglicherweise für das Rechtssystem?

3) Inwiefern unterscheidet sich das hier beschriebene System Athens von dem moderner Staaten wie beispielsweise den Mitgliedern der EU?

Kommentar:

Von Solon (geb. ca. 640 v. Chr.), Athens sicher berühmtestem Gesetzesgeber, ist eine Reihe von sogenannten Fragmenten seines Gesetzeswerkes erhalten: wörtliche Zitate oder Paraphrasen seiner Gesetze durch spätere Autoren, wie in diesem Fall Plutarch (45-125 n. Chr.). Fragmente sind aufgrund ihres fehlenden Kontextes und der oft unklaren Überlieferungsgeschichte stets schwierig zu interpretieren. In diesem Fall liegen zwischen Solon und dem Zitat durch Plutarch etwa 700 Jahre. Dennoch wissen wir, dass es die Popularklage in dieser Form gab, denn sie ist auch in anderen Quellen belegt.

Was ist nun die Popularklage? Im Text findet sie sich in den griechischen Worten τῷ δυναμένῳ καὶ βουλομένῳ (jedem, der die Fähigkeit und den Willen hat). Es kann also jeder Bürger Athens, das bedeutet jeder männliche, freie Einwohner mit Bürgerrecht, einen anderen bei bestimmten Vergehen anklagen. Aus heutigem Blickwinkel betrachtet, mutet dies seltsam an, denn die meisten modernen Staaten haben im Bereich des Strafrechts für diese Zwecke Staatsanwälte. In Athen gab es jedoch keinen Staatsbediensteten, der als eine Art Staatsanwalt fungiert hätte.

Plutarch liefert die Begründung für Solons Schritt sogleich mit: Um die Schwächeren der Gesellschaft zu schützen, habe man dieses Recht eingeführt, damit auch deren Recht durchgesetzt werde, wenn sie es vielleicht selbst nicht konnten. Dies war zwar ein wichtiger Schritt Solons, um den sozialen Frieden in Athen wiederherzustellen (siehe hierzu den Podcast zur Krise der Polis –> Link), doch brachte die Popularklage auch mehrere Probleme mit sich.

Zum einen konnte so jeder einen Feind bestimmter Vergehen anklagen, wenn er sich traute und sich gute Erfolgschancen ausrechnete. Dies trug nicht unwesentlich zur in der Antike fast schon sprichwörtlichen Prozesssucht der Athener bei, gegen welche die Athener auch mit harten Gesetzen vorzugehen versuchten. Zum anderen konnte auch die Popularklage die Hemmschwelle, besonders mächtige Bürger anzuklagen, nicht senken. Als Alkibiades, bekannt für seine Rücksichtslosigkeit, seine Frau, die die Scheidung einreichen wollte, an den Haaren über die Agora zurück ins Haus zog, klagte ihn niemand an (wenige Tage später war sie tot!). Und schließlich hing mit der Popularklage alles von den rhetorischen Fähigkeiten des Klägers ab, welche die unteren Schichten zumeist nicht besaßen. Vor Gericht konnte aber nur bestehen, wer hoffen konnte, die Richter mit geschickter Beweisführung und Rhetorik zu überzeugen.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die athenische Demokratie“. Um einen breiteren Einblick in die griechische Klassik  zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte II – Klassik“.
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Zum athenischen Rechtssystem siehe auch die Losmaschine von der Agora und die Lysiasrede. Zur athenischen Verfassung auch den Bericht zu den kleisthenischen Reformen.

Zu den krummen Urteilen

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Autor_in: Hesiod
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Hes. Erg. 240-273 – Original:

[240] πολλάκι καὶ ξύμπασα πόλις κακοῦ ἀνδρὸς ἀπηύρα,
ὅς κεν ἀλιτραίνῃ καὶ ἀτάσθαλα μηχανάαται.
τοῖσιν δ᾽ οὐρανόθεν μέγ᾽ ἐπήγαγε πῆμα Κρονίων
λιμὸν ὁμοῦ καὶ λοιμόν: ἀποφθινύθουσι δὲ λαοί.
οὐδὲ γυναῖκες τίκτουσιν, μινύθουσι δὲ οἶκοι
[245] Ζηνὸς φραδμοσύνῃσιν Ὀλυμπίου: ἄλλοτε δ᾽ αὖτε
ἢ τῶν γε στρατὸν εὐρὺν ἀπώλεσεν ἢ ὅ γε τεῖχος
ἢ νέας ἐν πόντῳ Κρονίδης ἀποαίνυται αὐτῶν.
ὦ βασιλῆς, ὑμεῖς δὲ καταφράζεσθε καὶ αὐτοὶ
τήνδε δίκην: ἐγγὺς γὰρ ἐν ἀνθρώποισιν ἐόντες
[250] ἀθάνατοι φράζονται, ὅσοι σκολιῇσι δίκῃσιν
ἀλλήλους τρίβουσι θεῶν ὄπιν οὐκ ἀλέγοντες.
τρὶς γὰρ μύριοί εἰσιν ἐπὶ χθονὶ πουλυβοτείρῃ
ἀθάνατοι Ζηνὸς φύλακες θνητῶν ἀνθρώπων:
οἵ ῥα φυλάσσουσίν τε δίκας καὶ σχέτλια ἔργα
[255] ἠέρα ἑσσάμενοι, πάντη φοιτῶντες ἐπ᾽ αἶαν.
ἡ δέ τε παρθένος ἐστὶ Δίκη, Διὸς ἐκγεγαυῖα,
κυδρή τ᾽ αἰδοίη τε θεῶν, οἳ Ὄλυμπον ἔχουσιν.
καί ῥ᾽ ὁπότ᾽ ἄν τίς μιν βλάπτῃ σκολιῶς ὀνοτάζων,
αὐτίκα πὰρ Διὶ πατρὶ καθεζομένη Κρονίωνι
[260] γηρύετ᾽ ἀνθρώπων ἄδικον νόον, ὄφρ᾽ ἀποτίσῃ
δῆμος ἀτασθαλίας βασιλέων, οἳ λυγρὰ νοεῦντες
ἄλλῃ παρκλίνωσι δίκας σκολιῶς ἐνέποντες.
ταῦτα φυλασσόμενοι, βασιλῆς, ἰθύνετε †δίκας
δωροφάγοι, σκολιέων δὲ δικέων ἐπὶ πάγχυ λάθεσθε.
[265] οἷ γ᾽ αὐτῷ κακὰ τεύχει ἀνὴρ ἄλλῳ κακὰ τεύχων,
ἡ δὲ κακὴ βουλὴ τῷ βουλεύσαντι κακίστη.
πάντα ἰδὼν Διὸς ὀφθαλμὸς καὶ πάντα νοήσας
καί νυ τάδ᾽, αἴ κ᾽ ἐθέλῃσ᾽, ἐπιδέρκεται, οὐδέ ἑ λήθει,
οἵην δὴ καὶ τήνδε δίκην πόλις ἐντὸς ἐέργει.
[270] νῦν δὴ ἐγὼ μήτ᾽ αὐτὸς ἐν ἀνθρώποισι δίκαιος
εἴην μήτ᾽ ἐμὸς υἱός: ἐπεὶ κακὸν ἄνδρα δίκαιον
ἔμμεναι, εἰ μείζω γε δίκην ἀδικώτερος ἕξει:
ἀλλὰ τά γ᾽ οὔ πω ἔολπα τελεῖν Δία μητιόεντα.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Hugh G. Evelyn-White
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Übersetzung

[240] Often even a whole city suffers for a bad man who sins and devises presumptuous deeds, and the son of Cronos lays great trouble upon the people, famine and plague together, so that the men perish away, and their women do not bear children, and their houses become few, [245] through the contriving of Olympian Zeus. And again, at another time, the son of Cronos either destroys their wide army, or their walls, or else makes an end of their ships on the sea. You princes, mark well this punishment, you also, for the deathless gods are near among men; and [250] mark all those who oppress their fellows with crooked judgements; and heed not the anger of the gods. For upon the bounteous earth Zeus has thrice ten thousand spirits, watchers of mortal men, and these keep watch on judgements and deeds of wrong [255] as they roam, clothed in mist, all over the earth. And there is virgin Justice, the daughter of Zeus, who is honored and reverenced among the gods who dwell on Olympus, and whenever anyone hurts her with lying slander, she sits beside her father, Zeus the son of Cronos, [260] and tells him of men’s wicked heart, until the people pay for the mad folly of their princes who, evilly minded, pervert judgement and give sentence crookedly. Keep watch against this, you princes, and make straight your judgements, you who devour bribes; put crooked judgements altogether from your thoughts. [265] He does mischief to himself who does mischief to another, and evil planned harms the plotter most. The eye of Zeus, seeing all and understanding all, beholds these things too, if so he will, and fails not to mark what sort of justice is this that the city keeps within it. [270] Now, therefore, may neither I myself be righteous among men, nor my son—for then it is a bad thing to be righteous—if indeed the unrighteous shall have the greater right. But I think that all-wise Zeus will not yet bring that to pass.
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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Hes. Erg. 240-273

Leitfragen:

1) Wie beschreibt Hesiod hier die Rechtssprechung seiner Zeit?

2) Wieso hat er seine Meinung in Form dieses Gedichtes verfasst?

3) Welche Rückschlüsse lässt die Quelle auf die Gesellschaftsordnung in Hesiods Zeit zu?

Kommentar:

Hesiod stellt eine der frühesten schriftlichen Quellen dar, die wir auf Griechisch haben. Der böotische Autor aus dem späten 8. oder frühen 7. Jahrhundert hat uns mehrere Lehrgedichte überlassen und gilt oft als Begründer dieser Literaturgattung. Eines davon sind die erga kai hemera (Werke und Tage), in denen er seinen Bruder Perses über rechte Lebensführung berät.

In diesem Abschnitt beschreibt Hesiod die Rechtsprechung seiner Zeit in Mahnungen. Er dringt darauf, dass Herrscher beim Fällen von Urteilen gerecht sein und sich nicht bestechen lassen sollten. Denn andernfalls wäre das Ergebnis ein „krummes Urteil“; diese Formulierung gehört zu den bekanntesten Auszügen aus Hesiods Werk. Solche Urteile würden den Charakter einer gesamten Gemeinschaft verderben, so Hesiod, und seien demnach höchst gefährlich, auch für den Richter selbst.

Dies bringt uns direkt zu der Frage nach Hesiods Motivation, eine so deutliche Kritik an der Rechtsprechung seiner Zeit in dieser Form zu verfassen. Zuerst muss man sich fragen, wieso es ein Lehrgedicht sein sollte. Auch wenn die Antwort darauf selbstverständlich vielfältig ist, so besteht ein Hauptgrund darin, dass alle frühen Texte, zu denen auch die homerischen Epen zählen, in Versform abgefasst waren. Längere Prosatexte kommen erst später auf. Ein Grund hierfür war wahrscheinlich, dass Texte in Versform besser memoriert werden konnten, und es somit den reisenden Rhapsoden möglich war, diese aus dem Gedächtnis vorzutragen. Gleichzeitig fällt der große Apparat an Göttern auf, den Hesiod auffährt, um seine Kritik zu verdeutlichen. Die Existenz der Götter nährt die Hoffnung, dass es über den parteiischen, korrupten und ungerechten Aristokraten noch eine Macht gibt, die auch diese straft – ein philosophisches Problem, mit dem sich im Grunde jede Religion der Welt befasst. Die Götter fungieren hier also auch als eine Drohung an die Oberschichten, dass auch für sie Konsequenzen existieren, die verheerend sein können. Die Menschen der Antike sahen alle Arten von Unheil als göttliche Strafen, weshalb auf einen Richter dieses Gedicht seine Wirkung nicht verfehlt haben dürfte.

Wir lernen auch einiges über die Gesellschaft in hesiodischer Zeit: Die Justizgewalt lag in den Händen weniger Aristokraten. Gleichzeitig wird deutlich, dass es eine wohlhabende Schicht gab, die es sich leisten konnte, diese Elite für günstige Urteile zu bestechen – und das offensichtlich auch häufig tat. Und noch eine dritte Sache lernen wir: Es war anscheinend möglich, diese Personen offen zu kritisieren. Nichts anderes als Kritik ist diese Schrift Hesiods an dieser Stelle und scheinbar war ihre Verbreitung erlaubt.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Krise und Entstehung der Polis“. Um einen breiteren Einblick in die Archaik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte I – Archaik“.
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Siehe zur archaischen Rechtssprechung auch die Schildbeschreibung aus der Ilias und die Kodifikation des Rechtes durch Solon.

Archaische Gerichtsprozesse

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Autor_in: Homer
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Hom. Il. 18, 490-526 – Original

[490] ἐν δὲ δύω ποίησε πόλεις μερόπων ἀνθρώπων
καλάς. ἐν τῇ μέν ῥα γάμοι τ᾽ ἔσαν εἰλαπίναι τε,
νύμφας δ᾽ ἐκ θαλάμων δαΐδων ὕπο λαμπομενάων
ἠγίνεον ἀνὰ ἄστυ, πολὺς δ᾽ ὑμέναιος ὀρώρει:
κοῦροι δ᾽ ὀρχηστῆρες ἐδίνεον, ἐν δ᾽ ἄρα τοῖσιν
[495] αὐλοὶ φόρμιγγές τε βοὴν ἔχον: αἳ δὲ γυναῖκες
ἱστάμεναι θαύμαζον ἐπὶ προθύροισιν ἑκάστη.
λαοὶ δ᾽ εἰν ἀγορῇ ἔσαν ἀθρόοι: ἔνθα δὲ νεῖκος
ὠρώρει, δύο δ᾽ ἄνδρες ἐνείκεον εἵνεκα ποινῆς
ἀνδρὸς ἀποφθιμένου: ὃ μὲν εὔχετο πάντ᾽ ἀποδοῦναι
[500] δήμῳ πιφαύσκων, ὃ δ᾽ ἀναίνετο μηδὲν ἑλέσθαι:
ἄμφω δ᾽ ἱέσθην ἐπὶ ἴστορι πεῖραρ ἑλέσθαι.
λαοὶ δ᾽ ἀμφοτέροισιν ἐπήπυον ἀμφὶς ἀρωγοί:
κήρυκες δ᾽ ἄρα λαὸν ἐρήτυον: οἳ δὲ γέροντες
εἵατ᾽ ἐπὶ ξεστοῖσι λίθοις ἱερῷ ἐνὶ κύκλῳ,
[505] σκῆπτρα δὲ κηρύκων ἐν χέρσ᾽ ἔχον ἠεροφώνων:
τοῖσιν ἔπειτ᾽ ἤϊσσον, ἀμοιβηδὶς δὲ δίκαζον.
κεῖτο δ᾽ ἄρ᾽ ἐν μέσσοισι δύω χρυσοῖο τάλαντα,
τῷ δόμεν ὃς μετὰ τοῖσι δίκην ἰθύντατα εἴποι.
τὴν δ᾽ ἑτέρην πόλιν ἀμφὶ δύω στρατοὶ ἥατο λαῶν
[510] τεύχεσι λαμπόμενοι: δίχα δέ σφισιν ἥνδανε βουλή,
ἠὲ διαπραθέειν ἢ ἄνδιχα πάντα δάσασθαι
κτῆσιν ὅσην πτολίεθρον ἐπήρατον ἐντὸς ἔεργεν:
οἳ δ᾽ οὔ πω πείθοντο, λόχῳ δ᾽ ὑπεθωρήσσοντο.
τεῖχος μέν ῥ᾽ ἄλοχοί τε φίλαι καὶ νήπια τέκνα
[515] ῥύατ᾽ ἐφεσταότες, μετὰ δ᾽ ἀνέρες οὓς ἔχε γῆρας:
οἳ δ᾽ ἴσαν: ἦρχε δ᾽ ἄρά σφιν Ἄρης καὶ Παλλὰς Ἀθήνη
ἄμφω χρυσείω, χρύσεια δὲ εἵματα ἕσθην,
καλὼ καὶ μεγάλω σὺν τεύχεσιν, ὥς τε θεώ περ
ἀμφὶς ἀριζήλω: λαοὶ δ᾽ ὑπολίζονες ἦσαν.
[520] οἳ δ᾽ ὅτε δή ῥ᾽ ἵκανον ὅθι σφίσιν εἶκε λοχῆσαι
ἐν ποταμῷ, ὅθι τ᾽ ἀρδμὸς ἔην πάντεσσι βοτοῖσιν,
ἔνθ᾽ ἄρα τοί γ᾽ ἵζοντ᾽ εἰλυμένοι αἴθοπι χαλκῷ.
τοῖσι δ᾽ ἔπειτ᾽ ἀπάνευθε δύω σκοποὶ εἵατο λαῶν
δέγμενοι ὁππότε μῆλα ἰδοίατο καὶ ἕλικας βοῦς.
[525] οἳ δὲ τάχα προγένοντο, δύω δ᾽ ἅμ᾽ ἕποντο νομῆες
τερπόμενοι σύριγξι: δόλον δ᾽ οὔ τι προνόησαν.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: A. T. Murray
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Übersetzung

[490] Therein fashioned he also two cities of mortal men exceeding fair. In the one there were marriages and feastings, and by the light of the blazing torches they were leading the brides from their bowers through the city, and loud rose the bridal song. And young men were whirling in the dance, and in their midst [495] flutes and lyres sounded continually; and there the women stood each before her door and marvelled. But the folk were gathered in the place of assembly; for there a strife had arisen, and two men were striving about the blood-price of a man slain; the one avowed that he had paid all, [500] declaring his cause to the people, but the other refused to accept aught; and each was fain to win the issue on the word of a daysman. Moreover, the folk were cheering both, shewing favour to this side and to that. And heralds held back the folk, and the elders were sitting upon polished stones in the sacred circle, [505] holding in their hands the staves of the loud-voiced heralds. Therewith then would they spring up and give judgment, each in turn. And in the midst lay two talents of gold, to be given to him who so among them should utter the most righteous judgment. But around the other city lay in leaguer two hosts of warriors [510] gleaming in armour. And twofold plans found favour with them, either to lay waste the town or to divide in portions twain all the substance that the lovely city contained within. Howbeit the besieged would nowise hearken thereto, but were arming to meet the foe in an ambush. The wall were their dear wives and little children guarding, [515] as they stood thereon, and therewithal the men that were holden of old age; but the rest were faring forth, led of Ares and Pallas Athene, both fashioned in gold, and of gold was the raiment wherewith they were clad. Goodly were they and tall in their harness, as beseemeth gods, clear to view amid the rest, and the folk at their feet were smaller. [520] But when they were come to the place where it seemed good unto them to set their ambush, in a river-bed where was a watering-place for all herds alike, there they sate them down, clothed about with flaming bronze. Thereafter were two scouts set by them apart from the host, waiting till they should have sight of the sheep and sleek cattle. [525] And these came presently, and two herdsmen followed with them playing upon pipes; and of the guile wist they not at all.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
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Hom. Il. 18, 490-526

 

1) Wie ist der Ablauf des beschriebenen Gerichtsprozesses?

2) Wieso schildert die Ilias in der Schildbeschreibung unter anderen Dingen gerade einen Prozess?

3) Welche Rückschlüsse lassen sich aus dem Prozess auf die archaische Gesellschaft ziehen?

Kommentar:

Die homerische Ilias ist eine der wenigen Quellen, die wir über die archaische Zeit Griechenlands haben. Zwar beschreibt sie bekannterweise den Trojanischen Krieg, der sich angeblich Jahrhunderte früher abgespielt hatte (die Welt der Heroen wird als eine mykenische imaginiert), aber die meisten Forscher gehen heute davon aus, dass in der Ilias im Wesentlichen die Zeit ihrer eigenen Abfassung beschrieben wird, d.h. die Welt der Archaik zwischen dem 8.-6. Jh. v. Chr. Ein Grund hierfür sind im Text erwähnte Phänomene, von denen wir wissen, dass sie sich erst nach den Dunklen Jahrhunderten, also in nachmykenischer Zeit entwickelt haben, wie beispielsweise die Kampfweise in der Phalanx.

In diesem Teil der Ilias wird der Schild des Achilles beschrieben, während Hephaistos ihn schmiedet. Neben einer Reihe anderer Darstellungen finden wir auf diesem Schild auch die Beschreibung eines Gerichtsprozesses, der wohl in archaischer Zeit anzusiedeln ist. Ein Mann hatte zuvor einen anderen Mann ermordet, und der Mörder wird nun angeklagt, das zur Vermeidung der Blutrache zu zahlende Blutgeld nicht entrichtet bzw. in nicht genügender Höhe entrichtet zu haben. Das Volk steht im Kreis um eine Reihe von Ältesten, die ihr Urteil fällen. Dabei spricht jeder von ihnen einzeln und gibt sein Urteil ab. Für das von den Anwesenden als das fairste und beste angesehene Urteil ist ein hoher Goldpreis ausgesetzt. Das Volk beeinflusst dabei offenbar die Richter, indem es durch Zurufe mal den einen, mal den anderen Prozessbeteiligten favorisiert.

Interessant ist nun die Frage, weshalb die Ilias in der ausführlichen Schildbeschreibung neben vielen anderen Dingen gerade diesen Prozess beschreibt. Zuerst einmal tut sie dies, weil auf dem Schild ein Spiegelbild der archaischen Gesellschaft angebracht ist, das alle wesentlichen Aspekte des Lebens enthält: Wir sehen dort unter anderem eine Hochzeit und, im zweiten hier angegebenen Teil, eine Belagerung. Da ein Mord üblicherweise mit der Blutrache am Mörder gesühnt wurde, die dann wiederum gerächt werden konnte, drohte ein Mord im schlimmsten Fall die Gemeinschaft in einen Bürgerkrieg mit einer endlosen Reihe von Akten der Blutrache zu stürzen. Daher sind Prozesse, die Tötungsdelikte bzw. deren Sühnung zum Gegenstand haben, in geordneten Verfahren ablaufen und deren Ergebnisse von der Gesellschaft und vor Allem von den Betroffenen akzeptiert werden, ein Schritt in Richtung Rechtssicherheit.

Aus dem Gesagten lassen sich auch einige Rückschlüsse auf die archaische Gesellschaft ziehen. Gewalt ist offenbar ein verbreitetes Phänomen. Allerdings ist die archaische Gesellschaft in der Lage, die eben beschriebene Gewaltspirale zu verhindern, oder zumindest einzudämmen. Denn der Prozess dreht sich hier nicht um die Frage der Bestrafung für den Mord. Diese ist schon erfolgt, indem der Mörder der Familie des Ermordeten ein Blutgeld gezahlt hat. Zumindest behauptet er dies, der Ankläger bestreitet die Zahlung jedoch. Es wird also lediglich verhandelt, ob das Blutgeld gezahlt wurde und wie hoch eventuell die Nachzahlung sein muss. Interessant ist hierbei auch, dass die Ältesten zu Gericht sitzen, offenbar soll auf ihre Lebenserfahrung zurückgegriffen werden – es kommt hier anscheinend nicht auf ein geschriebenes Gesetz an, wie wir es in modernen Staaten gewohnt sind. Der Text entstand also wohl vor der Welle von Gesetzeskodifikationen der spätarchaischen Zeit.

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Siehe zum archaischen Rechtssystem auch den Beitrag zu Hesiod sowie den Beitrag zur Kodifikation der Gesetze durch Solon.

Athenaion Politeia

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Autor_in: Aristoteles
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Arist. Ath. Pol. 4,1 – Original:

ἡ μὲν οὖν πρώτη πολιτεία ταύτην εἶχε τὴν ὑπογραφήν. μετὰ δὲ ταῦτα χρόνου τινὸς οὐ πολλοῦ διελθόντος, ἐπ᾽ Ἀρισταίχμου ἄρχοντος, Δράκων τοὺς θεσμοὺς ἔθηκεν: ἡ δὲ τάξις αὐτοῦ τόνδε τὸν τρόπον εἶχε. [2] ἀπεδέδοτο μὲν ἡ πολιτεία τοῖς ὅπλα παρεχομένοις: ᾑροῦντο δὲ τοὺς μὲν ἐννέα ἄρχοντας καὶ τοὺς ταμίας οὐσίαν κεκτημένους οὐκ ἐλάττω δέκα μνῶν ἐλευθέραν, τὰς δ᾽ ἄλλας ἀρχὰς ͅͅ τὰς ἐλάττους ἐκ τῶν ὅπλα παρεχομένων, στρατηγοὺς δὲ καὶ ἱππάρχους οὐσίαν ἀποφαίνοντας οὐκ ἔλαττον ἢ ἑκατὸν μνῶν ἐλευθέραν, καὶ παῖδας ἐκ γαμετῆς γυναικὸς γνησίους ὑπὲρ δέκα ἔτη γεγονότας. τούτους δ᾽ ἔδει διεγγυᾶν τοὺς πρυτάνεις καὶ τοὺς στρατηγοὺς καὶ τοὺς ἱππάρχους τοὺς ἕνους μέχρι εὐθυνῶν, ἐγγυητὰς δ# ἐκ τοῦ αὐτοῦ τέλους δεχομένους, οὗπερ οἱ στρατηγοὶ καὶ οἱ ἵππαρχοι. [3] βουλεύειν δὲ τετρακοσίους καὶ ἕνα τοὺς λαχόντας ἐκ τῆς πολιτείας. κληροῦσθαι δὲ καὶ ταύτην καὶ τὰς ἄλλας ἀρχὰς τοὺς ὑπὲρ τριάκοντ᾽ ἔτη γεγονότας, καὶ δὶς τὸν αὐτὸν μὴ ἄρχειν πρὸ τοῦ πάντας ἐξελθεῖν: τότε δὲ πάλιν ἐξ ὑπαρχῆς κληροῦν. εἰ δέ τις τῶν βουλευτῶν, ὅταν ἕδρα βουλῆς ἢ ἐκκλησίας ᾖ, ἐκλείποι τὴν σύνοδον, ἀπέτινον ὁ μὲν πεντακοσιομέδιμνος τρεῖς δραχμάς, ὁ δὲ ἱππεὺς δύο, ζευγίτης δὲ μίαν. [4] ἡ δὲ βουλὴ ἡ ἐξ Ἀρείου πάγου φύλαξ ἦν τῶν νόμων καὶ διετήρει τὰς ἀρχάς, ὅπως κατὰ τοὺς νόμους ἄρχωσιν. ἐξῆν δὲ τῷ ἀδικουμένῳ πρὸς τὴν τῶν Ἀρεοπαγιτῶν βουλὴν εἰσαγγέλλειν, ἀποφαίνοντι παρ᾽ ὃν ἀδικεῖται νόμον. [5] ἐπὶ δὲ τοῖς σώμασιν ἦσαν οἱ δανεισμοί, καθάπερ εἴρηται, καὶ ἡ χώρα δι᾽ ὀλίγων ἦν.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: H. Rackmann
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Übersetzung

And after this when a certain moderate length of time had passed, in the archonship of Aristaechmus, Draco enacted his ordinances; and this system was on the following lines. [2] Citizenship had already been bestowed on those who provided themselves with arms; and these elected as the Nine Archons and the Treasurers, who were owners of an unencumbered estate worth not less than 10 minae, and the other minor offices from those who provided themselves with arms, and as Generals and Masters of the Horse persons proving their possession of unencumbered estate worth not less than 100 minae and sons legitimately born in wedlock over ten years of age. The new officials had to bail the outgoing Presidents and Generals and Masters of the Horse till the audit, accepting four sureties from the same rating as that to which the Generals and Masters of the Horse belonged. [3] And the Council was to be formed of four hundred and one members chosen by lot from the citizen body, and lots were to be cast both for this and for the other offices by the citizens over thirty years of age; and the same person was not to hold office twice until the whole number had been gone through, and then lots were to be cast among them again from the beginning. And if any Councillor, whenever there was a sitting of the Council or Assembly, failed to attend the meeting, he paid a fine of 3 drachmae if of Five-hundred-measure rank, 2 drachmae if a Knight, and 1 if a Teamster. [4] The Council of Areopagus was guardian of the laws, and kept a watch on the magistrates to make them govern in accordance with the laws. A person unjustly treated might lay a complaint before the Council of the Areopagites, stating the law in contravention of which he was treated unjustly. Loans were secured on the person, as has been said, and the land was divided among few owners.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
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Arist. Ath. Pol. 4,1

Leitfragen:

1) Welche „Verfassung“ Drakons beschreibt Aristoteles hier?

2) Welchen Sinn hat das Losverfahren für den Rat?

3) Wie „demokratisch“ ist diese „Verfassung“ einzustufen?19

Kommentar:

Die Verfassung der Athener (Athenaion politeia) des Aristoteles ist eine für uns unverzichtbare Quelle zum athenischen Staat. In diesem Abschnitt befasst Aristoteles sich mit dem Staat, wie ihn Drakon angeblich einrichtete.

Inhalt dieser „Verfasssung“ Drakons sind im Wesentlichen folgende Aspekte. Zuerst einmal wird festgelegt, dass alle diejenigen das Bürgerrecht erhalten, die sich selbst bewaffnen und damit an der Phalanx teilnehmen konnten. Dies schafft die sogenannten Hoplitenpolis, in der nur die waffenfähigen Männer stimmberechtigt sind. Ein Rat wird gebildet aus 401 Personen, die aus allen Bürgern gelost werden sollten, wobei niemand das Amt zwei Mal bekleiden durfte, bevor alle anderen im Rat gewesen waren. Neben dem Rat gibt es noch den Areopag, den Ältestenrat, der über die Einhaltung der Gesetze und die korrekte Amtsführung der Magistrate wachen sollte. Es ist allerdings in der Forschung hoch umstritten, ob es zu Drakons Zeit den Rat der 400 oder den Areopag überhaupt bereits gab oder ob es sich um eine spätere Entwicklung handelt.

Das Losverfahren für den Rat erinnert uns bereits an die Auslosung der Richter in klassischer Zeit. Für die Archaik war die Vorstellung solcher Gleichheit durchaus modern, denn in vielen anderen Städten und Gemeinschaften herrschten die ältesten oder reichsten Mitglieder. Nicht so in der Hoplitenpolis; hier ging das Selbstverständnis der Hopliten dahin, dass sie, da sie auch für die Polis kämpften, die Bürger sein sollten. Die unteren Klassen waren damit effektiv ausgeschlossen, denn Tagelöhner und Kleinbauern konnten sich keine Hoplitenausrüstung leisten. Die Teilnahme an den Ratssitzungen war verpflichtend und Fernbleiben wurde empfindlich bestraft. So wollte man den Zusammenhalt der Bürger und die Beschlussfähigkeit des Rates sichern.

Auf den ersten Blick mag diese Losung gleichberechtigter Ratsmitglieder durchaus demokratisch aussehen und an die Verfassung des klassischen Athen erinnern. So weit war die Polis zur Zeit Drakons allerdings noch nicht, was sich deutlich an den Bestimmungen zum Areopag zeigt. Dieser Ältestenrat, der aus den reichsten und mächtigsten Bürgern sowie den gewesenen Amtsträgern bestand, bildete eine kleine Elite, die immer noch den wesentlichen Teil der Macht in Händen hielt. Der Areopag ist weiterhin oberste juristische Instanz und kontrolliert die Amtsträger, die damit de facto ihm verpflichtet sind. Außerdem sorgt er für die Einhaltung der Gesetze, was offen genug formuliert war, sodass sich die Areopagiten einen gewissen Ermessensspielraum einräumen konnten. Doch selbst diese Kompetenzen muten für das ausgehende siebte Jahrhundert als zu „modern“ an und sind wahrscheinlich eine Rückprojektion aus Aristoteles‘ eigener Zeit in die Archaik.

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Oikonomikos

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Xenophon
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Xen. Oik. 4, 1-4 – Original:

[4] ἀλλὰ πάσας μὲν τί σε δεῖ ἐπιδεικνύναι, ὦ Σώκρατες; ἔφη ὁ Κριτόβουλος: οὔτε γὰρ κτήσασθαι πασῶν τῶν τεχνῶν ἐργάτας ῥᾴδιον οἵους δεῖ, οὔτε ἔμπειρον γενέσθαι αὐτῶν οἷόν τε, ἀλλ᾽ αἳ δοκοῦσι κάλλισται τῶν ἐπιστημῶν καὶ ἐμοὶ πρέποι ἂν μάλιστα ἐπιμελομένῳ, ταύτας μοι καὶ αὐτὰς ἐπιδείκνυε καὶ τοὺς πράττοντας αὐτάς, καὶ αὐτὸς δὲ ὅ τι δύνασαι συνωφέλει εἰς ταῦτα διδάσκων. [2] ἀλλὰ καλῶς, ἔφη, λέγεις, ὦ Κριτόβουλε. καὶ γὰρ αἵ γε βαναυσικαὶ καλούμεναι καὶ ἐπίρρητοί εἰσι καὶ εἰκότως μέντοι πάνυ ἀδοξοῦνται πρὸς τῶν πόλεων. καταλυμαίνονται γὰρ τὰ σώματα τῶν τε ἐργαζομένων καὶ τῶν ἐπιμελομένων, ἀναγκάζουσαι καθῆσθαι καὶ σκιατραφεῖσθαι, ἔνιαι δὲ καὶ πρὸς πῦρ ἡμερεύειν. τῶν δὲ σωμάτων θηλυνομένων καὶ αἱ ψυχαὶ πολὺ ἀρρωστότεραι γίγνονται. [3] καὶ ἀσχολίας δὲ μάλιστα ἔχουσι καὶ φίλων καὶ πόλεως συνεπιμελεῖσθαι αἱ βαναυσικαὶ καλούμεναι. ὥστε οἱ τοιοῦτοι δοκοῦσι κακοὶ καὶ φίλοις χρῆσθαι καὶ ταῖς πατρίσιν ἀλεξητῆρες εἶναι. καὶ ἐν ἐνίαις μὲν τῶν πόλεων, μάλιστα δὲ ἐν ταῖς εὐπολέμοις δοκούσαις εἶναι, οὐδ᾽ ἔξεστι τῶν πολιτῶν οὐδενὶ βαναυσικὰς τέχνας ἐργάζεσθαι. [4] ἡμῖν δὲ δὴ ποίαις συμβουλεύεις, ὦ Σώκρατες, χρῆσθαι; ἆρ᾽, ἔφη ὁ Σωκράτης, μὴ αἰσχυνθῶμεν τὸν Περσῶν βασιλέα μιμήσασθαι; ἐκεῖνον γάρ φασιν ἐν τοῖς καλλίστοις τε καὶ ἀναγκαιοτάτοις ἡγούμενον εἶναι ἐπιμελήμασι γεωργίαν τε καὶ τὴν πολεμικὴν τέχνην τούτων ἀμφοτέρων ἰσχυρῶς ἐπιμελεῖσθαι. καὶ ὁ Κριτόβουλος ἀκούσας ταῦτα εἶπε:
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: E.C Marchant
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

[4]“Surely, Socrates, there is no need to go through the whole list. For it is not easy to get workmen who are skilled in all the arts, nor is it possible to become an expert in them. Pray select the branches of knowledge that seem the noblest and would be most suitable for me to cultivate: show me these, and those who practise them; and give me from your own knowledge any help you can towards learning them.” [2] “Very good, Critobulus; for, to be sure, the illiberal arts, as they are called, are spoken against, and are, naturally enough, held in utter disdain in our states. For they spoil the bodies of the workmen and the foremen, forcing them to sit still and live indoors, and in some cases to spend the day at the fire. The softening of the body involves a serious weakening of the mind. [3] Moreover, these so-called illiberal arts leave no spare time for attention to one’s friends and city, so that those who follow them are reputed bad at dealing with friends and bad defenders of their country. In fact, in some of the states, and especially in those reputed warlike, it is not even lawful for any of the citizens to work at illiberal arts.” [4] “But what arts, pray, do you advise us to follow, Socrates?” “Need we be ashamed of imitating the king of the Persians? For they say that he pays close attention to husbandry and the art of war, holding that these are two of the noblest and most necessary pursuits.”
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Xen. Oik. 4, 1-4

Leitfragen:

1) Welche Gründe gibt Sokrates an, aus denen man bestimmten Künsten nicht folgen soll?

2) Wieso werden gerade die genannten Künste von ihm gelobt?

3) Welche Rückschlüsse lässt die Ablehnung bestimmter Künste auf die Sichtweise der Griechen auf den Körper zu?

Kommentar:

Im Oikonomikos Logos beschreibt Xenophon durch die Worte Sokrates‘ den idealen Ablauf von Haus- und Landwirtschaft. In diesem Abschnitt behandelt Sokrates die Frage, welche Fähigkeiten nützlich und welche schädlich für den Haushalt sind.

Bestimmte Künste, so Sokrates, sollten nicht ausgeübt werden, da sie zu einem trägen Leben innerhalb der eigenen Wände verleiten würden, das man größtenteils am eigenen Herdfeuer verbringe. Damit wäre die Gefahr verbunden, dass mit dem Körper auch der Geist schwach werde. Welchen Künsten soll man sich also widmen, fragt Kritoboulos, und Sokrates antwortet ihm: Mit der Ehe und dem Krieg sollte sich ein Mann befassen.

Die Auswahl lässt einen Rückschluss darauf zu, was die griechische Gesellschaft zur Zeit Sokrates‘ als zentral ansah. Da wäre zum einen die Ehe. Sie hat den sehr nachvollziehbaren und biologisch notwendigen Zweck der Fortpflanzung, allerdings wäre für die biologische Fortpflanzung keine Ehe notwendig. Diese ist aber für die Athener und andere Polisverbände von größter Wichtigkeit, da an sie das Bürgerrecht gekoppelt war. Nur wer Sohn einer athenischen Mutter aus rechtmäßiger Ehe war, konnte in Athen das Bürgerrecht erhalten. Somit mussten also auch aus den legitimen Ehen erstens möglichst viele Kinder hervorgehen, und zweitens durfte die Frau keine Affären haben, die die Rechtmäßigkeit der Kinder in Frage gestellt hätte. Mit wem der Mann außereheliche Beziehungen einging, war den Athenern wie anderen Griechen recht gleichgültig, es sei denn es war Ehebruch mit einer verheirateten Frau. Wozu aber waren die vielen Kinder notwendig? Eine große Anzahl von Bürgern war überlebenswichtig, weil die Männer der Bürgerklassen die Hoplitenphalanx der Armee stellten und somit der Garant für die unabhängige Existenz der Polis an sich waren. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn gerade Ehe und Krieg von Sokrates gemeinsam genannt werden.

An der Quelle lässt sich ferner ein philosophisches Konzept der Griechen erkennen: die sogenannte Kalokagathia, übersetzt etwa die „Gleichzeitigkeit von Schönheit und inneren Werten“. Die kalokagathia besagte, dass nur die Menschen, die auch äußerlich schön, das heißt im Fall von Männern, trainiert und in Form waren, innerlich gut sein würden. Dieser Anspruch des archaischen Adels hat sich gehalten, und Sokrates erwähnt ihn hier, denn mit dem Körper würde vor dem heimischen Feuer auch der Geist schwach, was man unbedingt vermeiden müsse. 

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Siehe zur archaischen Gesellschaftsordnung auch den Beitrag zu Hesiod.

Solon zu den Kodifikationen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Plutarch
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plut. Sol. 25, 1-2 – Original:

ἰσχὺν δὲ τοῖς νόμοις πᾶσιν εἰς ἑκατὸν ἐνιαυτοὺς ἔδωκε: καὶ κατεγράφησαν εἰς ξυλίνους ἄξονας ἐν πλαισίοις περιέχουσι στρεφομένους, ὧν ἔτι καθ᾽ ἡμᾶς ἐν Πρυτανείῳ λείψανα μικρὰ διεσώζετο: καὶ προσηγορεύθησαν, ὡς Ἀριστοτέλης φησί, κύρβεις. καὶ Κρατῖνος ὁ κωμικὸς εἴρηκέ που:
πρὸς τοῦ Σόλωνος καὶ Δράκοντος οἷσι νῦν
φρύγουσιν ἤδη τὰς κάχρυς τοῖς κύρβεσιν.
[2] ἔνιοι δέ φασιν ἰδίως ἐν οἷς ἱερὰ καὶ θυσίαι περιέχονται, κύρβεις, ἄξονας δὲ τοὺς ἄλλους ὠνομάσθαι, κοινὸν μὲν οὖν ὤμνυεν ὅρκον ἡ βουλὴ τοὺς Σόλωνος νόμους ἐμπεδώσειν, ἴδιον δ᾽ ἕκαστος τῶν θεσμοθετῶν ἐν ἀγορᾷ πρὸς τῷ λίθῳ, καταφατίζων, εἴ τι παραβαίη τῶν θεσμῶν, ἀνδριάντα χρυσοῦν ἰσομέτρητον ἀναθήσειν ἐν Δελφοῖς.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Bernadotte Perrin
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

All his laws were to have force for a hundred years, and they were written on ‘axones,’ or wooden tablets, which revolved with the oblong frames containing them. Slight remnants of these were still preserved in the Prytaneium when I was at Athens, and they were called, according to Aristotle, ‘kurbeis.’ Cratinus, also, the comic poet, somewhere says:—
By Solon, and by Draco too I make mine oath,
Whose kurbeis now are used to parch our barley-corns.
[2] But some say that only those tablets which relate to sacred rites and sacrifices are properly called ‘kurbeis,’ and the rest are called ‘axones.’ However that may be, the council took a joint oath to ratify the laws of Solon, and each of the ‘thesmothetai,’ or guardians of the statutes, swore separately at the herald’s stone in the market-place, vowing that if he transgressed the statutes in any way, he would dedicate at Delphi a golden statue of commensurate worth.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plut. Sol. 25, 1-2

Leitfragen:

1) Wieso wurden die Gesetze Solons auf Holztafeln geschrieben?

2) Welche Bedeutung hatte diese Kodifikation von Gesetzen für das Rechtssystem?

3) Welche Rückschlüsse auf den Bildungsgrad der attischen Bevölkerung können daraus gezogen werden?

Kommentar:

Solon, Archon in Athen am Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr., war der berühmteste Gesetzgeber der Stadt schlechthin. Mit der Zeit wurde die Zuschreibung von Gesetzen zu Solon beinahe eine Art Topos: War ein Gesetz alt, musste es wohl von Solon stammen und demnach hatte man auch großen Respekt davor.

Die solonischen Gesetze wurden niedergeschrieben und auf Holztafeln auf der Agora angebracht. Der Zweck war einfach ersichtlich: Statt wie bisher Urteile nach Sitte und Brauch zu fällen, sollten Urteile jetzt stets nach denselben, schriftlich erfassten Gesetzen erfolgen. Für Bürger moderner Staaten mag ein schriftlich kodifiziertes Gesetz eine Selbstverständlichkeit sein – für die Griechen der archaischen Zeit war es das nicht. Ab sofort musste sich jedes Urteil auf diese Gesetze gründen. Das Recht sollte für alle gleich gelten und gleich erreichbar sein, eine für die archaische Welt geradezu revolutionäre Vorstellung. Diese hatte denn auch immense Folgen für die Poliswelt. Da nun Gesetze öffentlich festgehalten worden waren, waren die Richter, die sich aus der Oberschicht rekrutierten, gezwungen, sich an diese zu halten und konnten weit weniger als vorher nach ihrem Gutdünken urteilen. Die Verfügung einer begrenzten sozialen Schicht über die Rechtsauslegung war im Wesentlichen gebrochen worden.

Ein weiterer Rückschluss lässt sich aus dieser Quellenstelle ziehen: Ein relativ großer Prozentsatz der attischen Bevölkerung, zumindest derjenigen, die sich regelmäßig auf der Agora aufhielt, musste literat genug gewesen sein, um diese Texte lesen zu können. Das ist für die damalige Zeit keine Selbstverständlichkeit. Wäre nur eine kleine Oberschicht lesefähig gewesen, hätte die Kodifikation wenig geändert. Nein, die Bevölkerung musste zu einem guten Teil zumindest rudimentär lesen können. Schreiben wiederum war eine ganz andere Sache, und wahrscheinlich konnten viel mehr Menschen lesen als schreiben – die beiden Fähigkeiten gingen in der Antike nicht unbedingt miteinander einher wie es heute der Fall ist. 

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Siehe zu den „krummen Urteilen“ vor der Kodifikation auch den Beitrag zu Hesiod und die Schildbeschreibung aus der Ilias.

Früher Münzfund

Link zur Originalquelle

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Stater aus Kalymna, ca. 560-540 v. Chr.

Leitfragen:

1)Was ist auf der Münze im Einzelnen zu sehen?

2)Was lässt sich anhand von Datierung und Darstellung über die Münze aussagen?

3)Welche Bedeutung hatten Münzen wie diese für die griechische Welt?

Kommentar:

Die vorliegende Münze ist ein Stater, gefunden in Kalymna und auf die Zeit zwischen 560 und 540 vor Christus datiert. Auf der Vorderseite der Münze ist der Kopf eines Kriegers zu sehen, versehen mit dem typisch korinthischen Helm, auf der Rückseite sehen wir eine Lyra mit einem Schallkörper aus einem Schildkrötenpanzer. Schrift fehlt auf der Münze, wie es bei vielen frühen Münzfunden der Fall ist. Die Form der Münze zeigt auch ihre frühe Prägung an, da sie keine so runde Form besitzt, wie wir es von späteren Münzfunden gewöhnt sind.

Die Datierung der Münze, die aufgrund einer mangelnden Inschrift wahrscheinlich über den Fundkontext oder Materialanalysen erfolgte, verrät uns einiges über die vorliegende Quelle. Mit einer Prägezeit in der Mitte des 6. Jahrhunderts vor Christus gehört die Münze zu den frühen Münzfunden in der griechischen Welt. Interessant ist hierbei, dass auf der Münze keine Götterdarstellungen zu finden sind, sondern alltägliche Dinge: ein Soldat und ein Musikinstrument. Es zeigt uns auch, was für die Polis Kalymna in dieser Zeit wichtig genug war, um es auf eine Münze zu prägen. Man war stolz auf die Hopliten der Bürgerarmee, die für die Fähigkeit der Stadt stand, sich gegen Feinde zur Wehr zu setzen. Auf der einen Seite haben wir also ein Symbol für den wehrhaften Bürgerverband, auf der anderen Seite ein Symbol für Kultur und Kunstfertigkeit. Die Lyra, das traditionelle Begleitinstrument zur Dichtung, steht hier wohl für die kulturellen Werte der Stadt insgesamt. Gleichzeitig kann sie ein Hinweis auf die Kunstfertigkeit der Bürger sein, die aus Materialien wie dem Panzer einer Schildkröte ein Musikinstrument herstellen konnten.

Münzen wie diese hatten für die griechische Welt eine sehr große Bedeutung. Mit dem Aufkommen von Münzgeld und der Geldwirtschaft gingen tiefgreifende Veränderungen einher. Zuerst einmal vereinfachte es den Handel beträchtlich, besonders über die Grenzen der Stadt hinweg, was sicherlich zu einer Steigerung des Wohlstandes beitrug. Zugleich war es nun aber möglich, Ackerflächen zu veräußern und zu kaufen. Dies hatte zur Folge, dass sich mehr Grundbesitz in den Händen weniger Leute konzentrierte, die nun als Großgrundbesitzer weit mehr Einfluss hatten denn als Kleinbauern. Außerdem entstand eine Schicht von Neureichen, von Händlern und Kaufleuten, die erst mit Aufkommen der Geldwirtschaft wirklich reich werden konnten – und die sich Luxusgegenstände wie die abgebildete Lyra leisten konnten. Die sozialen Veränderungen waren groß, die die Geldwirtschaft mit sich brachte, und auch nicht mehr umkehrbar, auch wenn schon Aristoteles den negativen Effekt des Geldes auf den Charakter beklagte.

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