Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA
16. Rede Themisius 12-14
Leitfragen:
1.) Was war der Auslöser für die Entstehung dieses Vertragsbündnisses?
2.) Was ist das Besondere an diesem foedus?
3.) Was bedeutete dieses Bündnis für die germanisch-römischen Beziehungen?
Kommentar:
Der Auszug der vorliegenden Rede stammt von einem gewissen Themistius, der Senator und Stadtpräfekt von Konstantinopel war. Die Rede wurde wahrscheinlich 383 n. Chr. in Konstantinopel anlässlich des Friedensschlusses mit den Goten und der Ernennung des Saturninus zum Konsul gehalten.
Unter Theodosius I. hatte das Römische Reich erhebliche Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten. Als Konsequenz und um Fälle von Selbstverstümmelungen o.ä. zur Vermeidung des Kriegsdienstes einzuschränken, wurden die Grundbesitzer verpflichtet, einen bestimmten Geldbetrag an den Staat abzugeben, damit dieser aus diesen Mitteln selbst Soldaten ausheben konnte. Dies führte allerdings dazu, dass immer mehr „Nicht-Römer“ in die Armee aufgenommen wurden, was zu einer zunehmenden „Barbarisierung“ des römischen Militärs führte. Als Folge dessen standen sich auf den Schlachtfeldern immer öfter Angehörige derselben Ethnie gegenüber, was der Moral des – zumindest nominell römischen – Heeres abträglich war.
Besonders deutlich zeigte sich diese Problematik, als 380 n. Chr. einige Westgoten unter der Führung ihres Königs Frigitern gefährlich weit nach Makedonien vorstießen. In dieser Sitution sah sich Theodosius I. vor dem Problem, dass sich sein Heer, welches vornehmlich aus Goten bestand, für diese Auseinandersetzung als unbrauchbar erwies. Aus diesem Grund bat er den Westkaiser Gratian um Hilfe. Dieser schickte ebenfalls (Söldner)truppen unter dem Kommando von Argbogast und Bauto, zweier Franken, zur Unterstützung. Diese waren in der Lage, die Westgoten zurückzuschlagen. Dennoch konnte von keinem ausreichenden Sieg gesprochen werden, denn die Situation des Römischen Reiches war weiterhin geprägt von verschiedenen germanischen Stämmen, die auf römischem Gebiet umherzogen und plünderten. Auch der große Anteil germanischer Mitglieder und Gruppenverbände in der Armee wurde mehr und mehr zu einem ernstzunehmenden Problem.
Um dieser Problematik Herr zu werden, beschloss Theodosius I. 382 n. Chr. einen Vertrag (foedus) zwischen den Goten und Römern abzuschließen, der Frieden mit den Westgoten schließen und gleichzeitig die außenpolitische Situation stabilisieren sollte. Dieser wurde auf römischer Seite von dem Heermeister Saturninus und auf gotischer Seite von einem unbenannten König (vielleicht Fritigern) geschlossen. Verträge sind von den Römern schon immer geschlossen worden, um Frieden oder Bündnisse zwischen den Vertragspartnern zu sichern. Das Novum der spätantiken foedera war die Zuschreibung von Reichsgebiet an den Vertragspartner und die Zahlung bestimmter Jahresgehälter. Der Vertragstext des eigentlichen Gotenfoedus von 382 n. Chr. ist nur fragmentarisch überliefert. Der Inhalt lässt sich allerdings durch die vorliegende Rede teilweise rekonstruieren; Die Goten erhielten in den Provinzen Dacien und Thracien steuerbefreites Siedlungsgebiet. Dieses Land blieb offiziell römisches Territorium, in dem die Goten, als reichsangehörige Foederaten unter ihren eigenen Königen lebten. Im Gegenzug waren die Goten den Römern zur Waffenhilfe verpflichtet und wurden im Kriegsfall als Teil der römischen Armee betrachtet. Sie durften allerdings in geschlossenen Verbänden unter eigenen Anführern kämpfen. Zudem wurde ihnen eine Art Jahresgehalt gezahlt. Damit erlaubte ihnen diese Vereinbarung sozusagen einen Staat im Staat.
Dieses Konzept kann ohne Frage als epochemachend bezeichnet werden, da zum ersten Mal ein großes Volk auf dem Territorium des Römischen Reiches einen halbautonomen Status zugesprochen bekam. Nichtsdestoweniger brachte dieses Halbbürgerrecht, welches einen Schwebezustand zwischen Autonomie und Reichsangehörigkeit beinhaltete, in den Folgejahren eigene Probleme mit sich.
Im Falle der Westgoten war die Vertragsbeziehung der beiden Parteien immer noch von der gelegentlichen Kriegs- und Raublust der Goten geprägt. Einige Jahre lang konnte Theodosius I. diese allerdings einigermaßen in Schranken halten, bis schlussendlich 391 n. Chr. der Frieden gebrochen wurde und sich nach mehreren Auseinandersetzungen zwischen Goten und Römern, auf gotischer Seite ein gewisser Alarich hervortat, der für die Geschichte des Römischen Reiches noch eine wichtige Rolle einnehmen sollte.