Der Eberzahnhelm

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Autor_in: Homer
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Original:

Hom.Il.10.260-271

260 Μηριόνης δ᾽ Ὀδυσῆϊ δίδου βιὸν ἠδὲ φαρέτρην
καὶ ξίφος, ἀμφὶ δέ οἱ κυνέην κεφαλῆφιν ἔθηκε
ῥινοῦ ποιητήν: πολέσιν δ᾽ ἔντοσθεν ἱμᾶσιν
ἐντέτατο στερεῶς: ἔκτοσθε δὲ λευκοὶ ὀδόντες
ἀργιόδοντος ὑὸς θαμέες ἔχον ἔνθα καὶ ἔνθα
265 εὖ καὶ ἐπισταμένως: μέσσῃ δ᾽ ἐνὶ πῖλος ἀρήρει.
τήν ῥά ποτ᾽ ἐξ Ἐλεῶνος Ἀμύντορος Ὀρμενίδαο
ἐξέλετ᾽ Αὐτόλυκος πυκινὸν δόμον ἀντιτορήσας,
Σκάνδειαν δ᾽ ἄρα δῶκε Κυθηρίῳ Ἀμφιδάμαντι:
Ἀμφιδάμας δὲ Μόλῳ δῶκε ξεινήϊον εἶναι,
270 αὐτὰρ ὃ Μηριόνῃ δῶκεν ᾧ παιδὶ φορῆναι:
δὴ τότ᾽ Ὀδυσσῆος πύκασεν κάρη ἀμφιτεθεῖσα.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: A.T. Murray
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Übersetzung:

Hom.Il.10.260-271

[260] And Meriones gave to Odysseus a bow and a quiver and a sword, and about his head he set a helm wrought of hide, and with many a tight-stretched thong was it made stiff within, while without the white teeth of a boar of gleaming tusks were set thick on this side and that, [265] well and cunningly, and within was fixed a lining of felt. This cap Autolycus on a time stole out of Eleon when he had broken into the stout-built house of Amyntor, son of Ormenus; and he gave it to Amphidamas of Cythem to take to Scandeia, and Amphidamas gave it to Molus as a guest-gift, [270] but he gave it to his own son Meriones to wear; and now, being set thereon, it covered the head of Odysseus.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Agnes von der Decken
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Leitfragen:

1) Was ist ein Eberzahnhelm?

2) Welche Funktion hatte der Eberzahnhelm?

3) Was sagt uns der Eberzahnhelm über die Entstehung der Ilias?

Kommentar:

Der in diesen Versen der Ilias beschriebene Helm, den König Odysseus von Meriones zur Verfügung gestellt bekommt, war der am häufigsten verwendete Helm in der ägäischen Bronzezeit und ein mykenisches Unikat. Bisher wurden in mehr als fünfzig Gräbern die aus Eberzähnen bestehenden Platten gefunden, die in einen Zeitraum zwischen 1650 und 1150 v. Chr. datieren. Der sogenannte Eberzahnhelm begegnet dabei aber über die ganze mykenische Periode hinweg nicht nur in Gräbern, sondern erscheint auch auf zahlreichen Darstellungen von Kriegern in der mykenischen Kunst.

Der Eberzahnhelm bestand aus einer mit Filz gefütterten Lederkappe auf die in eng aneinander liegenden Reihen kleine, halbmondförmige Eberzahnplatten, die in den Ecken mit Löchern durchbohrt waren, aufgenäht waren. Dass die Zähne auf eine Lederkappe genäht wurden, erfahren wir lediglich aus der Beschreibung in der Ilias, da das Material, auf das die Zähne genäht wurden, nicht erhalten geblieben ist. Um einen solchen Helm vollständig mit Eberzähnen zu bedecken, wurden die Zähne von etwa 50 bis 60 Ebern benötigt. Die jüngeren Exemplare der Eberzahnhelme besaßen Wangen- und/oder Nackenschutz.

Der Eberzahnhelm war Teil der klassischen Rüstung eines mykenischen Kriegers. Man verwendete Eberzähne, weil Metallarbeiten in dieser Zeit erst entwickelt wurden, und die Herstellung eines bronzenen Helmes, der einerseits leicht sein, andererseits aber auch schützen musste, noch eine Herausforderung darstellte. Später, als bronzene Rüstungen entstanden, hatte sich der Eberzahnhelm etabliert und erwies sich offenbar als so nützlich, dass vorerst keine Bronzehelme produziert wurden.

Der Eberzahnhelm besaß dabei gleichzeitig auch kulturelle Bedeutung, weil die Wildschweinjagd ein wichtiger Teil der mykenischen Kriegskultur war. Nur die mutigsten und begabtesten Krieger waren in der Lage, einen Eber zu erlegen. Vielleicht diente der Helm insofern auch als Zeichen von Mut und Können. Wahrscheinlich war der Eberzahnhelm auch ein Hinweis auf den hohen sozialen Status des Kriegers. Die Funde in den mykenischen Kriegsgräbern weisen darauf hin, dass er bei ehrenvollen Begräbnissen als kostbare Beigabe verwendet wurde. Seine Funktion als Statussymbol zeigt sich auch daran, dass man 50-60 Eber benötigte, um einen einzigen Helm herzustellen. Wahrscheinlich besaß also nicht jeder Krieger einen solchen Helm. Und auch die Verse in der Ilias lassen vermuten, dass der Eberzahnhelm kostbar war, da er nicht nur erbeutet und der Held Odysseus damit ausgerüstet, sondern sodann auch als kostbares Gastgeschenk und später als bedeutendes Erbstück weitergegeben wurde.

Der Eberzahnhelm, der in den Versen der Ilias so detailliert beschrieben ist, gehört in die Lebenswelt der Mykener. Die genaue Beschreibung deckt sich mit den erhaltenen Exemplaren und den vielen Darstellungen von Eberzahnhelmen auf Fresken, Siegeln oder Gefäßen aus mykenischer Zeit. Das homerische Epos wurde jedoch etwa 400 Jahre später, um 800 v. Chr., niedergeschrieben und bezieht sich auch größtenteils auf diese Zeit. Dass der Dichter der Ilias an dieser Stelle den Eberzahnhelm, also einen mykenischen Gegenstand, erwähnt, zeigt, dass die Dichtung im Zuge ihrer mündlichen Überlieferung und der damit einhergehenden Anpassung an die Lebenswelt der Zuhörer über Jahrhundert zu einer Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart geworden ist. Nur auszugsweise wird noch auf die mykenische Realität verwiesen. Wenn der Schreiber der Ilias dieses durch die Erwähnung des mykenischen Eberzahnhelmes tut und damit eine mykenische Kulisse aufleben lässt, diente dies vielleicht dazu, die Handlung absichtlich zu „archaisieren“ und ihr durch eine „epische Distanz“ den Glanz der heroischen Vorzeit zu verschaffen.

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Die Maske des Agamemnon


Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Agnes von der Decken
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Die Maske des Agamemnon

Leitfragen

1) Was ist die „Maske des Agamemnon“?

2) Was kann uns die Maske über den Begrabenen sagen?

3) Ist dies die Totenmaske des mythischen Königs Agamemnon?

Kommentar:

Bei den Ausgrabungen der mykenischen Schachtgräber des Gräberrundes, entdeckte Heinrich Schliemann 1876 diese goldene Totenmaske, die als „Maske des Agamemnon“ berühmt geworden ist. Die „Maske des Agamemnon“ gehört zu den bekanntesten und spektakulärsten Funden, die in den mykenischen Schachgräbern gefunden wurde (vgl. Quellenkommentar „Gräberrund A“). Die Totenmaske ist dabei eine von insgesamt fünf Masken, die in den Schachtgräbern VI (drei Masken) und V (zwei Masken) gefunden wurde. Die aus Goldblech gefertigte Maske ist 31,5 cm hoch und mittlerweile im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ausgestellt.

Die Maske ist bis auf ein paar Risse und kleinere Brüche sehr gut erhalten, so dass die Details des Gesichts gut erkennbar sind: Das Gesicht ist oval und trägt hohe Wangenknochen. Von der hohen Stirn läuft eine lange, dünne Nase mit kleinen Nasenflügeln gradlinig hinab. Die dicht beieinanderstehenden großen Augen sind geschlossen und durch die Augenbrauen eingerahmt. Charakteristisch ist der große Mund mit den filigran dargestellten Lippen, die streng aufeinander liegen. Der Bart, insbesondere der Schnurbart, dessen Enden noch oben verlaufen, und die Augenbrauen sind detailgetreu entworfen. Schliemann glaubte deswegen, dass die Mykener Öl oder eine Art Pomade für ihre Haare gebrauchten. Zwei große Ohren rahmen das Gesicht ein. Neben ihnen befindet sich je ein Loch für einen Nagel. Möglich ist, dass den zu ehrenden Toten dabei die Masken am Kopf mit einem Faden befestigt wurden. Die Löcher am Maskenrand könnten ein Indiz dafür sein. Insgesamt trägt das Gesicht gebieterische Züge und lässt auf einen Mann höheren Alters schließen.

Die „Maske des Agamemnon“ ist dabei mit ihren ausgeprägten Gesichtszügen im Vergleich zu den anderen gefundenen Masken aus den beiden Schachtgräbern besonders detailgetreu. Es entsteht der Eindruck, dass hier das tatsächliche Gesicht des Trägers abgebildet ist. Der Ausdruck des Gesichtes scheint dabei den Charakter des Mannes wiederzugeben: würdevoll und herrschaftlich. Interessant ist, dass nicht alle Toten im Gräberrund Totenmasken trugen und dass die wenigen Träger der Masken Männer waren. Dies lässt vermuten, dass es sich bei den Trägern um Herrscher handelte, die auf diese Weise geehrt wurden. Da sich die fünf gefundenen Goldmasken in bestimmter Hinsicht ähneln – alle haben einen ähnlich geformten Mund, starke Augenbrauen und eine gerade Nase – wurde teilweise angenommen, dass hier eine Familienähnlichkeit erkennbar sei und insofern an dieser Stelle ein Herrschergeschlecht begraben läge. Eine andere Theorie ist diesbezüglich, dass die Masken von dem selben Handwerker oder der selben Werkstatt stammen. Gesichert ist dies aber nicht.

Dafür kann ausgeschlossen werden, dass die Maske eine Verbindung zum sagenumwobenen König Agamemnon hatte. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht hielt auch Schliemann die Maske nicht für die Totenmaske Agamemnons. Zeitlich kann dies auch insofern ausgeschlossen werden, da die Forschung die Königsherrschaft des Agamemnon und den Trojanischen Krieg, wenn es ihn gegeben haben sollte, ins 13. Jh. v. Chr. setzt, die Grabfunde im Gräberrund A jedoch aus dem 16. Jh. v. Chr. stammen.

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Das Gräberrund A


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Das Gräberrund A

Leitfragen

1) Was ist das Gräberrund und was ist zu erkennen?

2) Wie entwickelte sich das Gräberrund A?

3) Was kann uns das Gräberrund über die Mykener sagen?

Kommentar:

Im Jahre 1876 stieß Heinrich Schliemann bei Grabungen in Mykene auf eine imposante Grabstätte: Das sogenannte Gräberrund A. Das Gräberrund A (in Abgrenzung zu einer zweiten, älteren, Grabstelle, dem Gräberrund B) befindet sich nach Eintritt durch das Löwentor nach etwa 20 Metern zur rechten Seite. Heute ist davon noch eine kreisförmige Umfassungsmauer sichtbar, die doppelreihig ist (in einem Abstand von 1,30 Meter) und aus senkrechten Kalksteinplatten besteht. Ursprünglich war diese kompakte Plattenmauer durch weitere Platten horizontal abgedeckt. Der Durchmesser des Gräberrundes beträgt etwa 27,50 Meter. Innerhalb des Gräberrundes stieß man auf insgesamt sechs Gräber, die aufgrund ihrer tiefen, rechteckigen Form als Schachtgräber bezeichnet werden und in ihrer Größe zwischen 3 x 3,50 Metern und 4,50 x 6,40 Metern und in ihrer Tiefe zwischen einem und vier Metern variieren. Zudem gab es kleine, flache Gräber, von denen aber nur eines erhalten ist.

Schliemann glaubte, die Grabstätte des legendären Königs Agamemnon und seiner Männer aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. ausgegraben zu haben. Dank moderner Datierungsmethoden sowie durch die in den Gräbern entdeckten Funde, weiß man jedoch heute, dass die Gräber ca. 300 Jahre älter waren, als Schliemann vermutete und aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. stammen. Zu dieser Zeit befand sich hier eine Gruppe großer Schachtgräber, in welchen sehr wahrscheinlich tatsächlich ein Herrschergeschlecht begraben lag. Die heute sichtbare Gestaltung der Grabstätte entstand jedoch 300 Jahre nach der letzten Beerdigung, die im 16.Jahrhundert v. Chr. stattgefunden haben muss. Ursprünglich lagen die alten Gräber, die von einer niedrigen, kreisförmigen Mauer eingefriedet waren, außerhalb der Siedlungsbegrenzung auf der Akropolis. Im 13. Jahrhundert v. Chr. wurde die Burgmauer jedoch erweitert, um die alten Gräber der herrschenden Vorfahren einzubeziehen. Weil diese aufgrund ihrer Lage am Steilhang der Akropolis tiefer lagen als das neu entstandene Löwentor, musste die Grabstelle mit Erde aufgefüllt werden, um das Niveau des Löwentors zu erreichen. Die künstliche Erdauffüllung wurde mit einer starken Mauer umfasst und dadurch zusammengehalten. Hierdurch entstand ein ebenes Gelände, auf welches die oben beschriebene Plattenmauer zur Sichtbarmachung der Gräber gebaut wurde. Kalksteinstelen markierten die Gräber der Vorfahren (s. Rekonstruktion des Gräberrundes A).

In den Schachtgräbern wurden die Skelette von insgesamt 19 Menschen gefunden, darunter neun Frauen, acht Männer und zwei Kinder. In den Gräbern stieß man auf außergewöhnlich viele und reiche Beigaben. Bei den Männern entdeckte man handgefertigte Schwerter, Dolche, Speere und Messer. Alle Toten waren zudem mit Schmuck bedeckt. Es gab Artefakte aus Bergkristallen und Halbedelsteinen, Goldringe mit Darstellungen aus dem Leben der Menschen und goldene Diademe. Einige Männer trugen goldene Totenmasken und auch die Kleider oder Leichentücher waren mit Gold verziert. Daneben wurden Gold- und Silbertassen in den Gräbern gefunden. Der Goldfund wird auf annähernd 15 kg geschätzt (ausgestellt im Nationalmuseum in Athen) und ist damit der bis heute reichste Grabfund der mykenischen Kultur.

Der reiche Fund in Gräberrund A lässt die Vorstellung an das „goldreiche Mykene“ Homers aufleben. Die zahlreichen Goldfunde spiegeln dabei einerseits die machtvolle und kämpferische Welt der Mykener wider, andererseits zeigen sie auch ihr hohes künstlerisches Können und ihren feinen Geist. Ägyptische und minoische Einflüsse sind erkennbar. Insbesondere die goldenen Siegelringe mit ihren kultischen Darstellungen zeigen dabei den Einfluss der kretischen Minoer. Die Reichtümer geben auch Hinweise auf den Wohlstand der frühmykenischen Gesellschaft und ihre Verbindungen zur Außenwelt.

Die Grabfunde verweisen dabei auch darauf, dass hier die Elite begraben lag, der diese glänzenden Gaben beigegeben wurden. Dass es sich um das Grab elitärer Vorfahren handelte, zeigt auch die völlige Bedeckung einer der Kinderleichen mit goldenem Blech. Offenbar muss dieses Kind eine herausgehobene Stellung gehabt haben, denn der Tod eines Säuglings oder Kindes war aufgrund der hohen Kindersterblichkeit eigentlich alltäglich und die Ehrung der mit Gold bedeckten Kinderleiche war daher etwas Besonderes. Vielleicht war das Gräberrund die letzte Ruhestätte einer mykenischen Herrscherdynastie, als sich die Stadt zum regionalen Machtzentrum entwickelte. Diese These kann durch die Baumaßnahmen im 13. Jahrhundert v. Chr. gestärkt werden: Bei der Neugestaltung der Burgmauer war es offenbar besonders wichtig, die Gräber der Vorfahren in die Akropolis einzubeziehen. Dies zeigt, welche Ehrfurcht und Achtung den Toten entgegengebracht wurden und lässt vermuten, dass sie als Begründer einer royalen Dynastie verehrt wurden. Das Gräberrund könnte demnach auch die Funktion eines Heroons der Vorfahren, also eines Grabdenkmals der Heroen, für spätere Generationen gehabt haben.

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Stiersprungfresko aus Knossos


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Stiersprungfresko aus Knossos

Leitfragen

1) Was ist auf dem Fresko zu sehen?

2) Was genau passierte beim Stiersprung und wer nahm teil?

3) Welche Funktion kann der Stiersprung gehabt haben?

Kommentar:

Dieses Stiersprung-Fresko stammt aus dem Ostflügel des Palastes von Knossos und ist, wie nahezu alle Fresken, in der Spätphase der jüngeren Paläste, also etwa 1600-1400 v. Chr., entstanden. Auch in diesem Fresko sind lediglich kleinere und größere Verputzbrocken erhalten, die zu einem Gesamtbild rekonstruiert werden mussten. Dank der Rekonstruktion ist die Szene, die das Fresko darstellt, aber deutlich erkennbar: Ein sich im Sprung befindender Stier wird von einer vor dem Stier stehenden männlichen Figur an den gesenkten Hörern gepackt. Über den Rücken des Stieres vollzieht eine weitere männliche Figur gleichzeitig einen Handstandüberschlag. Hinter dem Stier steht eine dritte männliche Figur, die die Arme in Richtung Stier ausstreckt. Das Motiv eines solchen Stiersprungs hat dabei in der Forschung großes Interesse geweckt, weil es in der minoischen Kultur allgegenwärtig ist.

Arthur Evans, der den Palast von Knossos Ende des 19. Jahrhunderts ausgrub, war der erste, der versuchte, den Akt des Stiersprunges zu rekonstruieren. Er vermutete, dass es sich bei der Darstellung um einen Sprung handelt, bei dem ein Springer den Stier bei den Hörnern greift, sich an diesen hochschwingt, einen Salto über den Stier macht, auf dessen Rücken landet und am Ende abspringt. Laut Evans handelt es sich bei den drei männlichen Figuren also um ein und den selben Mann in unterschiedlichen Stadien des Sprunges. Diese Rekonstruktion des Sprunges wird heute jedoch als undurchführbar abgetan. Viel eher sehen wir hier einen Springer, der im Begriff ist, einen Handstandüberschlag über den Rücken des Tieres zu vollziehen und der dabei von zwei anderen Männern assistiert wird (ein Mann verlangsamt den Stier durch den Griff an die Hörner, der andere sorgt beim Absprung für Hilfestellung). Dafür spricht auch die unterschiedliche Farbgebung der Figuren: Die springende Figur ist rot, die anderen beiden sind weiß.

Der auf diesem Fresko dargestellte Stiersprung ist eine rein männliche Angelegenheit. Das Geschlecht der Figuren lässt sich hier anhand ihrer Kleidung und anatomischer Merkmale wie der Penistasche, der fehlenden weiblichen Brust oder der Bein- und Bauchmuskulatur eindeutig bestimmen. Ob auch Frauen an Stiersprüngen teilnahmen, ist umstritten aber nicht sehr wahrscheinlich. Unbestritten ist hingegen, dass die Akteure, die dieses Fresko zeigt, jungen Alters und edler Abstammung waren. Dies zeigen ihre Physis, ihr gepflegtes und elegantes Aussehen sowie der edle Schmuck, den sie tragen. Die Größe des Stieres ist dabei wohl keine künstlerische Übertreibung – Knochenfunde beweisen, dass auf Kreta der bos primigenius lebte, der riesige Vorfahre der heutigen Stiere. Dieser wurde vermutlich gefangen und eine Zeit lang am Hof oder in Gutshöfen gehalten, bis er dann für das Spektakel geholt wurde. Hierbei wurde er so lange gereizt und provoziert, bis der Sprung über das heranrasende Tier möglich war.

Wo die Stiersprünge aufgeführt wurden, ist nicht eindeutig bestimmbar. In Erwägung gezogen wurden freie Plätze in der Stadt oder in Palastnähe oder sogar die Zentralhöfe der minoischen Paläste. Dies erscheint jedoch unwahrscheinlich, weil die Gefahr der Verletzung für Stier und Springer durch die Pflastersteine in den Höfen zu groß gewesen sein muss. Zudem hätte ein Zentralhof aufgrund seiner Größe die Anzahl an Zuschauern deutlich beschränkt, was in Anbetracht der Tatsache, dass der Stiersprung vermutlich der ganzen Gemeinde zugänglich gemacht werden sollte, kaum sinnvoll erscheint. Weil aber anzunehmen ist, dass in den Zentralhöfen Rituale abgehalten wurden, soll nicht ausgeschlossen werden, dass hier Stieropfer vollzogen wurden. Das Spektakel der Stiersprünge ist hingegen eher an einem Ort mit weichem, erdigen Boden zu verorten.

Die Bedeutung des Stiersprunges zeigt sich durch die enorme Signifikanz des Motives und seinen palatialen Charakter. Nicht nur in unzähligen Reliefs und Fresken in Knossos, sondern auch auf Goldringen, Siegeln, Steingefäßen oder Reliefverzierungen begegnet das Motiv des Stiersprungs. Dabei ähneln sich die Darstellungen und zeigen eine stereotype Sequenz. Alles spricht daher dafür, dass die Stiersprünge kultischen Charakter hatten. Dies ist auch deswegen anzunehmen, weil der Stier eine zentrale Rolle im Kult der Minoer spielte. Nicht nur hatte Zeus sich in einen Stier verwandelt, um die Europa nach Kreta zu entführen, sondern auch Minos, König von Knossos, ließ sich von Poseidon einen Stier schenken, der zusammen mit Minos‘ Frau Pasiphae den berühmten Minotauros zeugte. Ob der Stier im Anschluss an die Stiersprünge geopfert wurde, ist fraglich.

Es ist möglich, dass es sich bei dem Stiersprung um Teil eines Ernte- oder Vegetationsfestes handelte: Der Stier galt auch in der ägyptischen Religion als Symbol der Fruchtbarkeit. Denkbar ist auch, dass die gefährliche Begegnung zwischen Mensch und Tier – der Stier stand symbolisch für Stärke und Potenz – ein Initiationsritual minoischer Eliten war. Junge Adlige stellten ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten unter Beweis. Einige Fresken zeigen dabei einen städtischen Kontext sowie Zuschauer, die dem Spektakel beiwohnen und verweisen damit auf das städtische Kollektiv, das am Ritualgeschehen teilnahm.
Schlussendlich kann keine klare Unterscheidung zwischen Sport, Spiel und Ritual vorgenommen werden. Dass der Stiersprung dabei jedoch eine hohe kulturelle Bedeutung hatte, ist nicht von der Hand zu weisen.

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Stierkopf Rhyton

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Stierkopf Rhyton

Leitfragen

1) Was ist ein Rhyton?

2) Wozu wurde das Rython verwendet?

3) Welche Bedeutung hat die Stierkopf-Form?

Kommentar:

Hier zu sehen ist ein sogenanntes Rhyton in Form eines Stierkopfes. Ein Rhyton ist ein Trinkgefäß, das meist oben offen ist und an seinem unteren Ende in einem Kopf oder Protom eines Tieres endet. Am Boden des Gefäßes, also im Maulbereich, befindet sich ein kleines Loch, aus der Flüssigkeit, die in eine Öffnung im Nacken des Tieres eingegossen wird, austreten kann. Dies erklärt auch den Namen des Gefäßes, da sich der Begriff Rhyton von ῥυσις/rhýsis = „Strom“ ableitet.
Dieses Stierkopf-Rython, das in die jüngere Palastzeit datiert, ist das beste und vollständigste Beispiel dieser Art Gefäß aus minoischer Zeit. In der ersten Hälfte des 15. Jh. v. Chr. waren Rhyta überaus gängig: Zahllose Rhyta wurden in den Ruinen von Palästen und Häusern gefunden, die wohl im Zuge der Zerstörung der jüngeren Paläste zwischen 1500 und 1450 v. Chr. vernichtet wurden. Arthur Evans entdeckte das Stierkopf-Rhyton Anfang des 20. Jh. bei Ausgrabungen des sogenannten „Kleinen Palastes von Knossos“, der nordwestlich des großen Palastes liegt. Das aus schwarzem Speckstein gefertigte Rhyton zeichnet sich durch seinen detailgetreuen Stil aus und zeugt von großer handwerklicher Leistung bei seiner Herstellung. Die Hörner des Stiers, die rekonstruiert wurden, sind aus vergoldetem Holz, die Augen aus Bergkristall und die Schnauze aus Muschel. Detaillgetreu wurden Locken und zotteliges Fell eingraviert.

Die minoischen Rhyta sind von den späteren griechischen Rhyta zu unterscheiden. Letztere begegnen auf bildlichen Darstellungen vorrangig als Trinkgefäße. Dabei wurde vermutlich Wein oder ein anders Getränk in das Rhyton gegossen, was dann in einem Strom aus dem Loch im Boden des Gefäßes in den Mund floss. Die minoischen Rhyta sind hingegen wahrscheinlich primär im Kult verwendet worden. Allerdings ist ihre sakrale Verwendung nicht abschließend bewiesen, und es darf nicht ausgeschlossen werden, dass Rhyta in minoischer Zeit auch in alltäglichem Gebrauch waren. So könnten sie etwa als Behältnisse für Wein oder andere Getränke bei Festen oder Banketts gedient haben. Für eine sakrale Verwendung spricht jedoch das Fehlen einer für Trinkzwecke ausgebildeten Mündung oder Gefäßlippe. Auch waren die Rhyta – zumal, wenn sie wie hier aus Stein waren – oft sehr schwer, was einen alltäglichen Gebrauch eher ausschließt.

Dass das Rython die Form eines Stierkopfes hat, so wie viele andere Rhyta auch, verweist auf die besondere Rolle des Stieres in der minoischen Kultur und insofern auf den sakralen Charakter des Gefäßes. So könnte dieses Rhyton vor einem kultischen Hintergrund verwendet worden sein, um etwa das Blut von geopferten Stieren zu sammeln, das im Anschluss an die Opferung als Libation, also als Trankopfer, vergossen werden konnte. Eine interessante Theorie in Bezug auf die Verwendung des Stierkopf-Rython ist auch, dass das Rython Teil eines „re-enactment“ gewesen sein könnte, bei welcher es symbolisch für den geopferten Stier stand, der dabei noch einmal metaphorisch stirbt, während die Flüssigkeit aus dem Stierkopf tropft.

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Die Schlangengöttin

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Die Schlangengöttin

Leitfragen

1) Wie sieht die Statuette aus?

2) Welcher Kult verbindet sich mit der Schlangengöttin?

3) Warum trägt das Idol eine Schlange?

Kommentar:

Das Idol der hier abgebildeten und von Evans so genannten „Schlangengöttin“ entstammt einem Fund aus Knossos: Unter dem Fußboden eines Zimmers im südwestlichen, also dem kultischen, Teil des Palastes, wurden zwei Steinkisten gefunden, in denen eine große Anzahl verschiedener Gegenstände entdeckt wurden. In einer der beiden Kisten wurden zwei relativ gut erhaltene weibliche Figuren mit Schlangen gefunden, von denen eine die hier abgebildete Schlangengöttin ist. Neben den beiden Schlangengöttinnen befanden sich in den Steinkisten weitere Fayencefunde, wie Votivgürtel und -kleidungsstücke für die Figuren oder Modelle von Fischen und Muscheln. Der Fund datiert in das Ende der mittel-minoischen Periode, wie an Vasen, die ebenfalls in den Steinkisten gefunden wurden, nachgewiesen werden konnte.
Die Statuette der Schlangengöttin ist aus Fayence, einer Metallmischung aus gestoßenem Quarzkristall. Sie ist etwa 35 cm groß. Die Schlangengöttin hält eine kleine Schlange in der Hand des ausgestreckten rechten Armes. Ihr linker Arm sowie ihr Kopf sind abgebrochen. Die Figur trägt einen bodenlangen Volantrock. Um ihre Taille hängt eine Schürze und ihre Brüste sind freigelegt.
Wie so oft in der minoischen Kultur, stellt sich bei menschlichen Gestalten wie der Fayencestatuette der Schlangengöttin die Frage, ob sie Götter oder menschliche Verehrer darstellen oder gar Priesterinnen oder Königinnen sind, die Götter imitieren. Möglich ist auch, dass hier eine Epiphanie gezeigt wird, wobei die Gottheit im Körper der Schlange erscheint. Meist wurde jedoch aufgrund der erhobenen Arme der Figur angenommen, dass es sich bei dem Idol um die Göttin selbst handelt. Die in der Hand gehaltene Schlange könnte dabei auf einen übermenschlichen Status hinweisen.

Fraglich ist, in welchem genauen Zusammenhang die Schlangengöttin zur minoischen Religion stand. Zwar existieren keine architektonischen Überreste eines Heiligtums, jedoch gehört das Schlangenidol dem Fundort nach zu urteilen einem Kult an, der in Häusern vonstattenging. Die minoische Religion pflegte Kulträume in den Palästen und Häusern und kannte keine Tempel. Ausgrabungen und Funde haben gezeigt, dass der Kultraum dabei eine gewisse Grundausstattung hatte: So war es etwa üblich, dass neben anderen Kulteinrichtungen (unterschiedliche Kultgefäße und ein in die Mitte gestellter Dreifußtisch) eine Bank aus Stein oder Lehm an der Hauswand stand, auf welcher wichtige oder heilige Gegenstände aufgestellt waren. So könnte auch unsere Schlangengöttin für eine ähnliche Aufstellung gedacht gewesen sein. Dieser Art Idole wurden lediglich in Hausheiligtümern gefunden. Die neben der Schlangengöttin entdeckten Fayencefunde in den Steinkisten könnten demnach ihre Kultausstattung gewesen sein. Die detailreiche Ausgestaltung der Funde zeigt uns darüber hinaus übrigens auch, dass das kretische Handwerk von besonders hohem technischen Niveau gewesen ist.

Interessant ist zudem die Frage, warum die Figur eine Schlange in der Hand hält (bzw. zwei Schlangen, da sie vermutlich in der anderen Hand ebenfalls eine Schlange hält) und insofern auch, in welchem Zusammenhang Hauskult und Schlange standen. Eine Vermutung ist, dass die Schlange symbolisch als Wächterin des Hauses fungierte. Die Schlange, seit je her ein angsteinflößendes Tier, könnte dieser Erklärung nach als Abschreckung und Schutz vor Bösem und Fremdem dienen. Kleine Futternäpfchen, die man in Knossos gefunden hat, wurden deshalb dahingehend interpretiert. Eine andere Deutung erkennt in dem weiblichen Idol eine Herrin der Tiere. Wenn man die Schlange mit der Erde und der Unterwelt in Verbindung bringt, wie es einige Forscher für die minoische Religion angenommen haben, so könnte die weibliche Figur als Göttin der Erde angesprochen werden. Weilbliche Idole in Verbindung mit Fischen (besonders Delphinen) oder Vögeln, können den Herrschaftsbereich Meer und Himmel abdecken. Die Fayencefunde, die neben der Schlangengöttin in Knossos entdeckt wurden, können dieser Interpretation zur Folge auch den Herrschaftsbereich der Göttin repräsentieren. Eine weitere These ist es, dass in der Schlange, die sich immer wieder häutet, ein Symbol von Heilung und Wiedergeburt zu erkennen ist.
Die Vielfalt der unterschiedlichen Erklärungsmodelle zeigt, dass eine abschließende Klärung der Frage nach der Bedeutung der Schlange jedoch nicht möglich ist.

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Die Doppelaxt

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Die Doppelaxt

Leitfragen

1) Wie sehen die Doppeläxte aus?

2) Welche Rückschlüsse lassen sich anhand des Aussehens über die Doppelaxt ziehen?

3) Welche Rolle spielte die Doppelaxt in der minoischen Kultur?

Kommentar:

Doppeläxte gehören zu den zentralen Elementen der minoischen Kultur, weil sie sowohl zahlreich in Gräbern, Palästen oder andern Kultstätten gefunden wurden als auch fortwährend auf Pfeilern, Wänden, Goldringen, Siegeln oder Sarkophagen abgebildet ist. Hier zu sehen sind eine Reihe kleiner, metallener Doppeläxte, die Anfang des 20. Jahrhunderts in einer Höhle bei Arkalochori entdeckt wurden. Charakteristisch für Doppeläxte ist, dass zu beiden Seiten des runden Schaftes zwei gegenüberliegende Klingen abgehen, die stark geschwungen sind. Die Schneiden der Doppeläxte sind hier mit feinen Querornamenten verziert und auf beiden Klingen identisch, jedoch spiegelverkehrt. Der Schaft ist dicker und am unteren Ende befindet sich manchmal eine Öse, sodass die Axt aufgehängt werden kann.

Doppeläxte konnten als Handwerkszeug etwa zum Baumfällen oder zur Bearbeitung des Holzes fungieren. Auch in ihrer Funktion als Waffe ist die Doppelaxt geläufig. Jedoch war sie in diesen Fällen schwer und ihre Schneide kaum gekrümmt. Die hier vorliegenden Doppeläxte können aufgrund ihrer Größe (maximal 70 cm) und ihres Materials (Gold, Silber oder Bronze) nicht als Handwerkszeug in Gebrauch gewesen sein. Bei diesen Doppeläxten muss es sich daher um Nachbildungen handeln. Solche Nachbildungen waren überaus häufig und wurden aus Gold, Blei, Bronze, Silber oder Stein hergestellt. Welche genaue Funktion die Nachbildung einer Doppelaxt besaß, ist nicht mehr nachvollziehbar. Aufgrund ihres Fund- und Darstellungskontextes kann jedoch vermutet werden, dass eine besondere Verbindung zur minoischen Religion bestand.

Schon in frühminoischer Zeit wurden Doppeläxte in ihrer Funktion als kultische Symbole in Gräbern oder an andern kultischen Orten wie Höhlen und Palästen (etwa in großer Zahl im Palast von Knossos) aber auch Häusern, entdeckt. Doch welche genaue Funktion erfüllte die Doppelaxt im Kult? Eine Möglichkeit ist eine rein praktische Funktion: Die Doppelaxt war das Instrument, mit dem Opfertiere getötet wurden. Damit erhielt die Doppelaxt in ihrer Rolle als Gebrauchsgerät eine säkulare Konnotation und wäre selbst Kultgegenstand gewesen. Bestätigt werden könnte diese These durch die vielen Abbildungen von Doppeläxten zwischen den Hörnern von Rinderschädeln. Gleichzeitig konnte die Doppelaxt damit auch zum Symbol des Standes der OpferpristerInnen werden, was für Kultgegenstände nicht unüblich war. Gegen die These der Doppelaxt als Schlachtinstrument spricht allerdings die Beschaffenheit vieler Doppeläxte, die zum Töten von Tieren nicht geeignet schien (Material, Größe, Stärke). Auch die vielen Darstellungen von Doppeläxten, die in keinem Zusammenhang zu einem Opfer stehen, sprechen dagegen. Dass die hier abgebildeten Doppeläxte zum Opfern von Tieren gedacht waren, kann aufgrund ihrer Größe ebenfalls ausgeschlossen werden. Jedoch soll nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass eine Doppelaxt auch diese praktische Funktion gehabt haben kann.
Eine andere Erklärung ist, dass viele Doppeläxte als Votivbeigaben gedient haben. Diese These ergibt sich aus ihrem Fundort in Gräbern und Heiligtümern. So könnte die Doppelaxt als Werkzeug-Votiv von Schmieden oder Zimmermännern dargebracht worden sein, von Priestern als Opferinstrument-Votiv und von Kriegern als Waffen-Votiv. Teilweise wird auch angenommen, dass kleine, goldene Doppeläxte aufgrund ihrer Wertigkeit der Vermehrung des Tempelschatzes gedient haben und insofern als Weihgabe fungierten. Andererseits könnte die Existenz von Doppeläxten in Gräbern und Heiligtümern auch bedeuten, dass ein heiliger Ort markiert werden sollte. So wird die Doppelaxt vielfach als Symbol göttlicher Macht interpretiert, das sogar eine göttliche Gegenwart anzeigen konnte.
Großer Beliebtheit erfreute sich schließlich auch die These, dass die Doppelaxt Zeichen eines minoischen Matriarchates gewesen sei, weil sie auf Darstellungen häufig von vermeintlichen Göttinnen, Frauen oder Kultdienerinnen getragen wurde. Die Doppelaxt avancierte deswegen zu einem Symbol feministischer oder lesbischer Frauenbewegungen. Die Vorstellung eines minoischen Matriarchates, die wesentlich auf Evans Annahme der Existenz einer großen Muttergöttin zurückgeht, sieht die Forschung heute allerdings als pazifistische Utopie an. Und so müssen die tatsächliche Bedeutung und Funktion der Doppelaxt daher, wie Vieles in der minoischen Kultur, im Reich der Spekulationen bleiben.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Minoer“. Um einen breiteren Einblick in die Archaik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte I – Archaik“.
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Der Tag von Eleusis

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Livius / Polybios
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Original:

Liv. 45.11.5-1

[5] apparebat claustra Aegypti teneri, ut, cum vellet, rursus exercitum induceret; bello intestino cum fratre eum exitum fore, ut victor fessus certamine nequaquam par Antiocho futurus esset. [6] haec prudenter animadversa a maiore cum adsensu minor frater quique cum eo erant acceperunt; soror plurimum adiuvit non consilio modo, sed etiam precibus. [7] itaque consentientibus cunctis pace facta Alexandream recipitur, […] [8] his cum laetari Antiochum conveniens esset, si reducendi eius causa exercitum Aegyptum induxisset, quo specioso titulo ad omnis Asiae et Graeciae civitates legationibus recipiendis litterisque dimittendis usus erat, adeo est offensus ut multo acrius infestiusque adversus duos quam ante adversus unum pararet bellum. [9] cyprum extemplo classem misit; ipse primo vere cum exercitu Aegyptum petens in Coelen Syriam processit. [10] circa Rhinocolura Ptolemaei legatis agentibus gratias, quod per eum regnum patrium recepisset, petentibusque ut suum munus tueretur et diceret potius quid fieri vellet quam hostis ex socio factus vi atque armis ageret, [11] respondit non aliter neque classem revocaturum neque exercitum reducturum, nisi sibi et tota Cypro et Pelusio agroque, qui circa Pelusiacum ostium Nili esset, cederetur, diemque praestituit intra quam de condicionibus peractis responsum acciperet.

Pol. 29.27.1-11

[1] ὅτι τοῦ Ἀντιόχου πρὸς Πτολεμαῖον ἕνεκεν τοῦ Πηλούσιον κατασχεῖν ἀφικομένου, [2] ὁ Ποπίλιος ὁ τῶν Ῥωμαίων στρατηγός, τοῦ βασιλέως πόρρωθεν ἀσπαζομένου διὰ τῆς φωνῆς καὶ τὴν δεξιὰν προτείνοντος, πρόχειρον ἔχων τὸ δελτάριον, ἐν ᾧ τὸ τῆς συγκλήτου δόγμα κατετέτακτο, προύτεινεν αὐτῷ καὶ τοῦτ᾽ ἐκέλευσε πρῶτον ἀναγνῶναι τὸν Ἀντίοχον, [3] ὡς μὲν ἐμοὶ δοκεῖ, μὴ πρότερον ἀξιώσας τὸ τῆς φιλίας σύνθημα ποιεῖν πρὶν ἢ τὴν προαίρεσιν ἐπιγνῶναι τοῦ δεξιουμένου, πότερα φίλιος ἢ πολέμιός ἐστιν. [4] ἐπεὶ δ᾽ ὁ βασιλεὺς ἀναγνοὺς ἔφη βούλεσθαι μεταδοῦναι τοῖς φίλοις ὑπὲρ τῶν προσπεπτωκότων, ἀκούσας ὁ Ποπίλιος ἐποίησε πρᾶγμα βαρὺ μὲν δοκοῦν εἶναι καὶ τελέως ὑπερήφανον: [5] ἔχων γὰρ πρόχειρον ἀμπελίνην βακτηρίαν περιέγραφε τῷ κλήματι τὸν Ἀντίοχον ἐν τούτῳ τε τῷ γύρῳ τὴν ἀπόφασιν ἐκέλευσε δοῦναι περὶ τῶν γεγραμμένων: [6] ὁ δὲ βασιλεὺς ξενισθεὶς τὸ γινόμενον καὶ τὴν ὑπεροχήν, βραχὺν χρόνον ἐναπορήσας ἔφη ποιήσειν πᾶν τὸ παρακαλούμενον ὑπὸ Ῥωμαίων. οἱ δὲ περὶ τὸν Ποπίλιον τότε τὴν δεξιὰν αὐτοῦ λαμβάνοντες ἅμα πάντες ἠσπάζοντο φιλοφρόνως. [7] ἦν δὲ τὰ γεγραμμένα λύειν ἐξ αὐτῆς τὸν πρὸς Πτολεμαῖον πόλεμον. [8] διὸ καὶ δοθεισῶν αὐτῷ τακτῶν ἡμερῶν, οὗτος μὲν ἀπῆγε τὰς δυνάμεις εἰς τὴν Συρίαν, βαρυνόμενος καὶ στένων, εἴκων δὲ τοῖς καιροῖς κατὰ τὸ παρόν: [9] οἱ δὲ περὶ τὸν Ποπίλιον καταστησάμενοι τὰ κατὰ τὴν Ἀλεξάνδρειαν καὶ παρακαλέσαντες τοὺς βασιλεῖς ὁμονοεῖν, ἅμα δὲ προστάξαντες αὐτοῖς Πολυάρατον ἀναπέμπειν εἰς Ῥώμην, ἀνέπλευσαν ἐπὶ τῆς Κύπρου, βουλόμενοι καὶ τὰς ἐκεῖ καθυπαρχούσας δυνάμεις ἐκβαλεῖν ἐκ τῆς νήσου κατὰ σπουδήν. [10] ἀφικόμενοι δὲ καὶ καταλαβόντες ἡττημένους μάχῃ τοὺς τοῦ Πτολεμαίου στρατηγοὺς καὶ καθόλου φερόμενα τὰ κατὰ τὴν Κύπρον ἄνω καὶ κάτω ταχέως ἀνέστησαν τὸ στρατόπεδον ἐκ τῆς χώρας καὶ παρήδρευσαν, ἕως ἀπέπλευσαν αἱ δυνάμεις ἐπὶ Συρίας. [11] καὶ Ῥωμαῖοι μὲν ὅσον οὔπω καταπεπονημένην τὴν Πτολεμαίου βασιλείαν τούτῳ τῷ τρόπῳ διέσωσαν […].

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Alfred C. Schlesinger / Evelyn S. Shuckburgh
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Liv. 45.11.5-1

[5] It was evident that the key to Egypt was in Antiochus‘ hands, so that he could reinvade it when he wished. The upshot of a civil war between the brothers would be that the winner, worn out by the struggle, would be no match for Antiochus. [6] This wise reasoning by the elder brother was gratefully accepted by the younger brother and his associates; the sister gave much assistance not only by her advice, but by her entreaties. [7] Accordingly, peace was made by general agreement […] [8] It would have been in order for Antiochus to rejoice at this conclusion had he led his army into Egypt for the purpose of restoring Ptolemy —the specious plea that he had employed in statements to all the states of Asia and Greece either when he received embassies or sent out messages. But he was so incensed that he prepared for war against the two brothers with much more urgency and bitterness than against the one. [9] He immediately sent a fleet to Cyprus; and in early spring he himself advanced with his army into Hollow Syria on his way to Egypt. [10] Near Rhinocolura envoys from Ptolemy met him, offering thanks for his assistance in recovering Ptolemy’s ancestral throne and requesting that he should not undo his act of kindness and rather say what he wanted done than shift from ally to enemy and act by force of arms. Antiochus replied that he would recall his fleet and lead back his army on no other terms than the cession to him of all Cyprus, Pelusium, and the region which lies around the Pelusian mouth of the Nile. [11] He also named a day before which he must receive the report of the execution of his terms.

 

Pol. 29.27.1-11

When Antiochus had advanced to attack Ptolemy in order to possess himself of Pelusium, he was met by the Roman commander Gaius Popilius Laenas. Upon the king greeting him from some distance, and holding out his right hand to him, Popilius answered by holding out the tablets which contained the decree of the Senate, and bade Antiochus read that first: not thinking it right, I suppose, to give the usual sign of friendship until he knew the mind of the recipient, whether he were to be regarded as a friend or foe. On the king, after reading the despatch, saying that he desired to consult with his friends on the situation, Popilius did a thing which was looked upon as exceedingly overbearing and insolent. Happening to have a vine stick in his hand, he drew a circle round Antiochus with it, and ordered him to give his answer to the letter before he stepped out of that circumference. The king was taken aback by this haughty proceeding. After a brief interval of embarrassed silence, he replied that he would do whatever the Romans demanded. Then Popilius and his colleagues shook him by the hand, and one and all greeted him with warmth. The contents of the despatch was an order to put an end to the war with Ptolemy at once. Accordingly a stated number of days was allowed him, within which he withdrew his army into Syria, in high dudgeon indeed, and groaning in spirit, but yielding to the necessities of the time. Popilius and his colleagues then restored order in Alexandria; and after exhorting the two kings to maintain peaceful relations with each other, and charging them at the same time to send Polyaratus to Rome, they took ship and sailed towards Cyprus, with the intention of promptly ejecting from the island the forces that were also gathered there. When they arrived, they found that Ptolemy’s generals had already sustained a defeat, and that the whole island was in a state of excitement. They promptly caused the invading army to evacuate the country, and remained there to keep watch until the forces had sailed away for Syria. Thus did the Romans save the kingdom of Ptolemy, when it was all but sinking under its disasters.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Niklas Rempe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Leitfragen:

1) Beschreiben Sie die Begegnung zwischen Gaius Popilius Laenas und Antiochos.

2) Wie ist das Auftreten des Gaius Popilius Laenas gegenüber Antiochos zu bewerten?

3) Beurteilen Sie die Politik Antiochos‘ und die der Römer, wie man sie aus den beiden Quellenpassagen nachvollziehen kann.

Kommentar:

Polybios beschreibt in der Quellenpassage das Treffen des Königs des Seleukidenreichs Antiochos IV. mit dem römischen Gesandten Gaius Popilius Laenas bei Eleusis in Ägypten. Antiochos war zu der Zeit mit seinem Heer auf dem Weg nach Alexandria in Ägypten – der Hauptstadt des Ptolemäerreichs. Antiochos soll dem römischen Gesandten anfangs die Hand zum Gruß ausgestreckt haben. Diese Geste soll allerdings nicht erwidert worden sein und anstatt der Hand soll Antiochos ein Senatsbeschluss überreicht worden sein, der den vollständigen Abzug der seleukidischen Truppen aus Ägypten gefordert haben soll. Davon überrumpelt erbat sich der Seleukidenherrscher nach Polybios eine Besprechung mit seinen Beratern und Freunden (philoi) aus. Nicht nur hätte Popilius diesem Gesuch nicht stattgegeben, sondern er hätte Antiochos darüber hinaus gezwungen, an Ort und Stelle auf den Senatsbeschluss zu reagieren. Im Zuge dessen soll er um Antiochos eine Linie im Sand gezogen haben und ihn nicht eher heraustreten lassen, bevor dieser Popilius eine Antwort auf das Schreiben aus Rom gegeben habe. Antiochos soll keine andere Wahl gehabt haben als nachzugeben und damit dem Abzug seiner Truppen aus dem Ptolemäerreich zuzustimmen.

Gaius Popilius Laenas tritt ungemein schroff und überheblich gegenüber dem König des Seleukidenreichs auf. Allerdings – so wird es jedenfalls bei Polybios deutlich – kann sich der römische Abgesandte dieses Auftreten sehr wohl erlauben. Nicht nur versagt er Antiochos die Beratung mit seinem Stab, sondern zwingt ihn darüber hinaus zu einer sofortigen Entscheidung. Dass Antiochos klein bei gibt, obwohl er im Gegensatz zu dem Römer ein Heer vor Ort hat, ist erstaunlich und zeigt die Machtposition, welche die Römer zu dieser Zeit einzunehmen begannen. Dass Popilius den gedemütigten Herrscher der Seleukiden nach dessen Zusage seine Truppen abzuziehen, dann doch noch die Hand gereicht habe und ihn warmherzig begrüßt haben soll, unterstreicht nur einmal mehr die neuen Kräfteverhältnisse im Mittelmeeraum.

Nicht nur die neue Vormachtstellung Roms zu dieser Zeit kann aus der Quellenpassage herausgelesen werden, sondern in Verbindung mit Livius‘ Darstellung der Politik des Antiochos vor dem Aufeinandertreffen bei Eleusis in Ägypten, auch die politischen Grundsätze und Ziele beider Reiche. Antiochos war wie seine Vorgänger und die anderen Herrscher der hellenistischen Reiche, wie zu Beginn des Zeitalters der Diadochen, weiterhin daran interessiert seinen Einfluss- und Machtbereich zu erweitern. Dafür soll er unter dem Vorwand, Ptolemaios VI. bei seinem Anspruch auf die Herrschaft über das Ptolemäerreich gegen dessen Bruder Ptolemaios V. zu unterstützen, den Sechsten Syrischen Krieg begonnen haben. Als die beiden Brüder sich allerdings einigten, soll Antiochos keineswegs von dem Krieg abgelassen haben und dadurch seine nun offensichtliche Absicht, selber ägyptische Gebiete zu kontrollieren, verraten haben. Die Geschehnisse bei Eleusis in Ägypten zeigen nunmehr, dass Rom derartige Machtveränderungen bzw. Machtzunahmen einzelner Reiche nicht duldete. Kurz zuvor hatten die Römer schon das Ende des makedonischen Reiches in der Schlacht von Pydna besiegelt, um ihre Interessen in Griechenland durchzusetzen. Auch Antiochos‘ Machtstreben konnte so nicht geduldet werden, wollte sich Rom nicht in einigen Jahren mit einem deutlich stärkeren Feind im Osten konfrontiert sehen. Dass die Römer nach Polybios sicherstellten, dass die relativ schwache Regierung der beiden Ptolemaios-Brüder weiterhin Bestand hatte, verstärkt diesen Eindruck. Außerdem zeigt die Demütigung des Antiochos nur allzu deutlich, dass diese römische Politik von Erfolg gekrönt war. Ebenfalls zeigt sie, dass das Ende der Vormachtstellung der einst so mächtigen hellenistischen Reiche gekommen war.

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Die Schlacht bei Kynoskephalai

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Polybios
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Pol. 18.25-26.8 – Original:

[1] γενομένης δὲ τῆς ἐξ ἀμφοῖν συμπτώσεως μετὰ βίας καὶ κραυγῆς ὑπερβαλλούσης, ὡς ἂν ἀμφοτέρων ὁμοῦ συναλαλαζόντων, ἅμα δὲ καὶ τῶν ἐκτὸς τῆς μάχης ἐπιβοώντων τοῖς ἀγωνιζομένοις, ἦν τὸ γινόμενον ἐκπληκτικὸν καὶ παραστατικὸν ἀγωνίας. [2] τὸ μὲν οὖν δεξιὸν τοῦ Φιλίππου λαμπρῶς ἀπήλλαττε κατὰ τὸν κίνδυνον, ἅτε καὶ τὴν ἔφοδον ἐξ ὑπερδεξίου ποιούμενον καὶ τῷ βάρει τῆς συντάξεως ὑπερέχον καὶ τῇ διαφορᾷ τοῦ καθοπλισμοῦ πρὸς τὴν ἐνεστῶσαν χρείαν πολὺ παραλλάττον: [3] τὰ δὲ λοιπὰ μέρη τῆς δυνάμεως αὐτῷ τὰ μὲν ἐχόμενα τῶν κινδυνευόντων ἐν ἀποστάσει τῶν πολεμίων ἦν, τὰ δ᾽ ἐπὶ τῶν εὐωνύμων ἄρτι διηνυκότα τὰς ὑπερβολὰς ἐπεφαίνετο τοῖς ἄκροις. [4] ὁ δὲ Τίτος, θεωρῶν οὐ δυναμένους τοὺς παρ᾽ αὑτοῦ στέγειν τὴν τῆς φάλαγγος ἔφοδον, ἀλλ᾽ ἐκπιεζουμένους τοὺς ἐπὶ τῶν εὐωνύμων, καὶ τοὺς μὲν ἀπολωλότας ἤδη, τοὺς δ᾽ ἐπὶ πόδα ποιουμένους τὴν ἀναχώρησιν, ἐν δὲ τοῖς δεξιοῖς μέρεσι καταλειπομένας τῆς σωτηρίας τὰς ἐλπίδας, [5] ταχέως ἀφορμήσας πρὸς τούτους, καὶ συνθεασάμενος [τῆς] τῶν πολεμίων τὰ μὲν συνεχῆ τοῖς διαγωνιζομένοις, τὰ δ᾽ ἐκ τῶν ἄκρων ἀκμὴν ἐπικαταβαίνοντα, τὰ δ᾽ ἔτι τοῖς ἄκροις ἐφεστῶτα, προθέμενος τὰ θηρία προσῆγε τὰς σημαίας τοῖς πολεμίοις. [6] οἱ δὲ Μακεδόνες, οὔτε τὸν παραγγελοῦντ᾽ ἔχοντες οὔτε συστῆναι δυνάμενοι καὶ λαβεῖν τὸ τῆς φάλαγγος ἴδιον σχῆμα διά τε τὰς τῶν τόπων δυσχερείας καὶ διὰ τὸ τοῖς ἀγωνιζομένοις ἑπόμενοι πορείας ἔχειν διάθεσιν καὶ μὴ παρατάξεως, [7] οὐδὲ προσεδέξαντο τοὺς Ῥωμαίους εἰς τὰς χεῖρας ἔτι, δι᾽ αὐτῶν δὲ τῶν θηρίων πτοηθέντες καὶ διασπασθέντες ἐνέκλιναν. [1] οἱ μὲν οὖν πλείους τῶν Ῥωμαίων ἑπόμενοι τούτους ἔκτεινον: [2] εἷς δὲ τῶν χιλιάρχων τῶν ἅμα τούτοις, σημαίας ἔχων οὐ πλείους εἴκοσι, καὶ παρ᾽ αὐτὸν τὸν τῆς χρείας καιρὸν συμφρονήσας ὃ δέον εἴη ποιεῖν, μεγάλα συνεβάλετο πρὸς τὴν τῶν ὅλων κατόρθωσιν. [3] θεωρῶν γὰρ τοὺς περὶ τὸν Φίλιππον ἐπὶ πολὺ προπεπτωκότας τῶν ἄλλων καὶ πιεζοῦντας τῷ βάρει τὸ σφέτερον εὐώνυμον, ἀπολιπὼν τοὺς ἐπὶ τοῦ δεξιοῦ νικῶντας ἤδη καταφανῶς, ἐπιστρέψας ἐπὶ τοὺς ἀγωνιζομένους καὶ κατόπιν ἐπιγενόμενος προσέβαλλε κατὰ νώτου τοῖς Μακεδόσι. [4] τῆς δὲ τῶν φαλαγγιτῶν χρείας ἀδυνάτου καθεστώσης ἐκ μεταβολῆς καὶ κατ᾽ ἄνδρα κινδυνεύειν, οὗτος μὲν ἐπέκειτο κτείνων τοὺς ἐν ποσίν, οὐ δυναμένους αὑτοῖς βοηθεῖν, [5] ἕως οὗ ῥίψαντες τὰ ὅπλα φεύγειν ἠναγκάσθησαν οἱ Μακεδόνες, συνεπιθεμένων αὐτοῖς ἐκ μεταβολῆς καὶ τῶν κατὰ πρόσωπον ἐγκεκλικότων. ὁ δὲ Φίλιππος ἐν μὲν ταῖς ἀρχαῖς, [6] καθάπερ εἶπα, τεκμαιρόμενος ἐκ τοῦ καθ᾽ αὑτὸν μέρους ἐπέπειστο τελέως νικᾶν: [7] τότε δὲ συνθεασάμενος ἄφνω ῥιπτοῦντας τὰ ὅπλα τοὺς Μακεδόνας καὶ τοὺς πολεμίους κατὰ νώτου προσβεβληκότας, βραχὺ γενόμενος ἐκ τοῦ κινδύνου μετ᾽ ὀλίγων ἱππέων καὶ πεζῶν συνεθεώρει τὰ ὅλα. [8] κατανοήσας δὲ τοὺς Ῥωμαίους κατὰ τὸ δίωγμα τοῦ λαιοῦ κέρως τοῖς ἄκροις ἤδη προσπελάζοντας, ἐγίνετο πρὸς τὸ φεύγειν, ὅσους ἐδύνατο πλείστους ἐκ τοῦ καιροῦ συναθροίσας τῶν Θρᾳκῶν καὶ Μακεδόνων.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Evelyn S. Shuckburgh
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Pol. 18.25-26.8 – Übersetzung:

The charge was made with great violence and loud shouting on both sides: for both advancing parties raised their war cry, while those who were not actually engaged shouted encouragement to those that were; and the result was a scene of the wildest excitement, terrible in the last degree. Philip’s right wing came off brilliantly in the encounter, for they were charging down hill and were superior in weight, and their arms were far more suited for the actual conditions of the struggle: but as for the rest of the army, that part of it which was in the rear of the actual fighters did not get into contact with the enemy; while the left wing, which had but just made the ascent, was only beginning to show on the ridge. Seeing that his men were unable to stand the charge of the phalanx, and that his left wing was losing ground, some having already fallen and the rest slowly retiring, but that hopes of saving himself still remained on the right, Flamininus hastily transferred himself to the latter wing; and when he perceived that the enemy’s force was not well together—part being in contact with the actual fighters, part just in the act of mounting the ridge, and part halting on it and not yet beginning to descend,— keeping the elephants in front he led the maniples of his right against the enemy. The Macedonians having no one to give them orders, and unable to form a proper phalanx, owing to the inequalities of the ground and to the fact that, being engaged in trying to come up with the actual combatants, they were still in column of march, did not even wait for the Romans to come to close quarters: but, thrown into confusion by the mere charge of the elephants, their ranks were disordered and they broke into flight. [26] The main body of the Roman right followed and slaughtered the flying Macedonians. But one of the tribunes, with about twenty maniples, having made up his mind on his own account what ought to be done next, contributed by his action very greatly to the general victory. He saw that the division which was personally commanded by Philip was much farther forward than the rest of the enemy, and was pressing hard upon the Roman left by its superior weight; he therefore left the right, which was by this time clearly victorious, and directing his march towards the part of the field where a struggle was still going on, he managed to get behind the Macedonians and charge them on the rear. The nature of the phalanx is such that the men cannot face round singly and defend themselves: this tribune, therefore, charged them and killed all he could get at; until, being unable to defend themselves, they were forced to throw down their shields and fly; whereupon the Romans in their front, who had begun to yield, faced round again and charged them too. At first, as I have said, Philip, judging from the success of his own division, felt certain of a complete victory; but when he saw his Macedonians all on a sudden throwing away their shields, and the enemy close upon their rear, he withdrew with a small body of foot and horse a short distance from the field and took a general survey of the whole battle: and when he observed that the Romans in their pursuit of his left wing were already approaching the tops of the hills, he rallied as many Thracians and Macedonians as he could at the moment, and fled.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Niklas Rempe
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Pol. 18.25-26.8

Leitfragen:

1) Beschreiben Sie den Ablauf der Schlacht.

2) Was ist nach Polybios ausschlaggebend für den römischen Sieg?

3) Welche Rückschlüsse lässt ein Vergleich zwischen der römischen und makedonischen Kampfweise zu?

Kommentar:

An den Hängen der Bergkette Kynoskephalai kam es im Frühjahr 197 v. Chr. zur entscheidenden Schlacht des zweiten Makedonisch-Römischen Krieges. Polybios gibt an, dass die beiden Heere unter lautem Geschrei aufeinander gestürmt seien. Die Makedonen unter der Führung ihres Königs Philipp V. sollen vom Berghang hinunter vorgerückt und auf halber Höhe auf die Römer, die wiederum aus dem Tal heraufgezogen sein sollen, getroffen sein. Die rechte Flanke der Makedonen – als Phalanx aufgestellte Fußsoldaten – soll sich anfänglich gegen die bergauf kämpfenden römischen Truppen durchgesetzt haben. Die restlichen Truppen Philipps waren nach Polybios allerdings durch ihren Abstieg vom Berg noch nicht bzw. nur ungeordnet in den Kampf eingetreten. Der römische Feldheer, der Konsul Titus Quinctius Flamininus, soll dies von seiner Position aus – anders als Philipp – rechtzeitig erkannt und so seine Truppen entsprechend auf den rechten Flügel der römischen Schlachtreihe verlagert haben. Außerdem soll Flamininus das römische Kontingent an Kriegselefanten gegen die Makedonen gesendet haben und die gegnerischen Truppen dadurch genügend verwirrt haben, um deren linke Flanke zur Flucht zu treiben. Die römischen Truppen sollen so auf ihrer rechten Seite durchgebrochen und Philipps restlicher Phalanx in den Rücken gefallen sein. Dies soll nach Polybios für Philipp völlig überraschend gekommen sein, zumal er sich auf seiner Flanke im Vorteil gesehen habe. Erst als er sich auf eine Position zurückgezogen hatte, von der aus er den ganzen Kampf überblicken konnte, soll er sich schlussendlich der Gefahr bewusst geworden sein und die Schlacht durch seine Flucht aufgegeben haben.

Polybios betont verschiedene Elemente, die den Sieg der Römer gegen Philipp V. bei Kynoskephalai bewirkten. Zum einen ist auf die topographische Lage hinzuweisen. Die Makedonen hatten zwar auf ihrer rechten Flanke durch das bergab Kämpfen einen Vorteil gegen die römischen Truppen, doch machte das unwegsame Gelände es den restlichen Teilen des Heeres unmöglich, sich zur gleichen Zeit am Kampf zu beteiligen. Anders als Philipp, der seine Truppen nach Polybios weder richtig aufgestellt hatte, noch den Überblick über die zerfahrene Situation behielt, soll Flamininus schnell auf die Gegebenheiten reagiert und so den Vorteil der Makedonen zunichte gemacht haben. Das strategische Geschick des jeweiligen Feldheeres ist entsprechend als weiterer ausschlaggebender Grund für den römischen Sieg zu nennen.

Der Vergleich der römischen und makedonischen Kampfweise ist im Kontext von Polybios Darstellung der Schlacht von Kynoskephalai besonders fruchtbar. Zu der schnellen Auffassungsgabe ihres Feldherren Flamininus kommt die Flexibilität der römischen Truppen hinzu. Ihre – im Gegensatz zu der schweren Phalanx der Makedonen – leichte Ausrüstung macht es ihnen möglich, die topographischen Nachteile auszugleichen und sich schnell auch auf unebenem Gelände zu bewegen und entsprechende Truppen zu verschieben. Die starre Phalanx der Makedonen war zwar, sobald richtig aufgestellt, den römischen Truppen überlegen, doch bleib dieser Vorteil aus, sofern sie sich nicht formieren konnten oder noch auf dem Marsch waren. Genau in dieser Situation befand sich allerdings der linke Flügel der Makedonen bei Kynoskephalai, und entsprechend erfolgreich gingen die Römer hier aus der Schlacht hervor. Weiterhin sei betont, dass die Makedonen nach Polybios allzu abhängig von ihrem Feldherren waren. Durch seine schlechte strategische Position konnte er der Niederlage auf der einen Flanke nicht entgegenwirken, und seine Soldaten entschlossen sich derart führerlos zur Flucht. Beim römischen Herr allerdings, welches durch seine strenge militärische Hierachie hervorstach, konnten die Unterführer auch ohne Flamininus‘ direkten Befehl klug und erfahren agieren. Eben dies sei in der Schlacht passiert, wenn einer dieser Unterführer seine Truppen der makedonischen Phalanx aus eigener Initiative hin in den Rücken fallen ließ. Abschließend sei auch noch auf das von Polybios erwähnte Kontingent an Kriegselefanten hingewiesen. Diese Einheit zeigt, wie anpassungsfähig die Römer mit ihrer Kriegstechnik waren, insofern als dass sie diese in Italien keineswegs einheimischen Tiere in ihr Heer eingliederten, nachdem die Kämpfe mit Karthago und Pyrrhos sie mit diesen konfrontiert hatten. Zusammenfassend zeigt die Schlacht bei Kynoskephalai, dass das römischen Militär durch seine Anpassungsfähigkeit den konservativ kämpfenden Griechen – sie kämpften seit der Archaik in der Phalanxformation – überlegen war. Diese Überlegenheit war ein wesentlicher Grund für die sich nach der Schlacht von Kynoskephalai durchsetzende Hegemonialstellung der Römer – erst in Griechenland und dann auch in den restlichen Teilen des östlichen Mittelmeerraums.

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Hellenistische Außenpolitik

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Polybios
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Pol. 2.45, 47, 51 – Original:

[45] ὁλοσχερεστέρας δὲ γενομένης αὐξήσεως διὰ ταῦτα καὶ προκοπῆς περὶ τὸ ἔθνος, Αἰτωλοὶ διὰ τὴν ἔμφυτον ἀδικίαν καὶ πλεονεξίαν φθονήσαντες, τὸ δὲ πλεῖον ἐλπίσαντες καταδιελέσθαι τὰς πόλεις, καθάπερ καὶ πρότερον τὰς μὲν Ἀκαρνάνων διενείμαντο πρὸς Ἀλέξανδρον, τὰς δὲ τῶν Ἀχαιῶν ἐπεβάλοντο πρὸς Ἀντίγονον τὸν Γονατᾶν, καὶ τότε παραπλησίαις ἐλπίσιν ἐπαρθέντες ἀπετόλμησαν Ἀντιγόνῳ τε τῷ κατ᾽ ἐκείνους τοὺς καιροὺς προεστῶτι Μακεδόνων, ἐπιτροπεύοντι δὲ Φιλίππου παιδὸς ὄντος, καὶ Κλεομένει τῷ βασιλεῖ Λακεδαιμονίων κοινωνεῖν καὶ συμπλέκειν ἀμφοτέροις ἅμα τὰς χεῖρας. ὁρῶντες γὰρ τὸν Ἀντίγονον κυριεύοντα μὲν τῶν κατὰ Μακεδονίαν ἀσφαλῶς, ὁμολογούμενον δὲ καὶ πρόδηλον ἐχθρὸν ὄντα τῶν Ἀχαιῶν διὰ τὸ τὸν Ἀκροκόρινθον πραξικοπήσαντας καταλαβεῖν, ὑπέλαβον, εἰ τοὺς Λακεδαιμονίους προσλαβόντες ἔτι κοινωνοὺς σφίσι τῆς ἐπιβολῆς προεμβιβάσαιεν εἰς τὴν πρὸς τὸ ἔθνος ἀπέχθειαν, ῥᾳδίως ἂν καταγωνίσασθαι τοὺς Ἀχαιοὺς ἐν καιρῷ συνεπιθέμενοι καὶ πανταχόθεν περιστήσαντες αὐτοῖς τὸν πόλεμον […] [47] […] προορώμενος Ἄρατος τὸ μέλλον καὶ δεδιὼς τήν τε τῶν Αἰτωλῶν ἀπόνοιαν καὶ τόλμαν ἔκρινε πρὸ πολλοῦ λυμαίνεσθαι τὴν ἐπιβολὴν αὐτῶν. κατανοῶν δὲ τὸν Ἀντίγονον καὶ πρᾶξιν ἔχοντα καὶ σύνεσιν καὶ πίστεως ἀντιποιούμενον, τοὺς δὲ βασιλεῖς σαφῶς εἰδὼς φύσει μὲν οὐδένα νομίζοντας οὔτε συνεργὸν οὔτε πολέμιον, ταῖς δὲ τοῦ συμφέροντος ψήφοις αἰεὶ μετροῦντας τὰς ἔχθρας καὶ τὰς φιλίας, ἐπεβάλετο λαλεῖν πρὸς τὸν εἰρημένον βασιλέα καὶ συμπλέκειν τὰς χεῖρας, ὑποδεικνύων αὐτῷ τὸ συμβησόμενον ἐκ τῶν πραγμάτων. […] [51] καταφεύγειν ἐπὶ τὰς τῶν φίλων βοηθείας. ἐπισημηναμένου δὲ τοῦ πλήθους, ἔδοξε μένειν ἐπὶ τῶν ὑποκειμένων καὶ δι᾽ αὑτῶν ἐπιτελεῖν τὸν ἐνεστῶτα πόλεμον. ἐπεὶ δὲ Πτολεμαῖος ἀπογνοὺς μὲν τὸ ἔθνος Κλεομένει χορηγεῖν ἐπεβάλετο, βουλόμενος αὐτὸν ἐπαλείφειν ἐπὶ τὸν Ἀντίγονον διὰ τὸ πλείους ἐλπίδας ἔχειν ἐν τοῖς Λακεδαιμονίοις ἤπερ ἐν τοῖς Ἀχαιοῖς τοῦ δύνασθαι διακατέχειν τὰς τῶν ἐν Μακεδονίᾳ βασιλέων ἐπιβολάς, οἱ δ᾽ Ἀχαιοὶ τὸ μὲν πρῶτον ἠλαττώθησαν περὶ τὸ Λύκαιον, συμπλακέντες κατὰ πορείαν τῷ Κλεομένει, τὸ δὲ δεύτερον ἐκ παρατάξεως ἡττήθησαν ἐν τοῖς Λαδοκείοις καλουμένοις τῆς Μεγαλοπολίτιδος, ὅτε καὶ Λυδιάδας ἔπεσε, τὸ δὲ τρίτον ὁλοσχερῶς ἔπταισαν ἐν τῇ Δυμαίᾳ περὶ τὸ καλούμενον Ἑκατόμβαιον, πανδημεὶ διακινδυνεύοντες, τότ᾽ ἤδη τῶν πραγμάτων οὐκέτι διδόντων ἀναστροφὴν ἠνάγκαζε τὰ περιεστῶτα καταφεύγειν ὁμοθυμαδὸν ἐπὶ τὸν Ἀντίγονον. ἐν ᾧ καιρῷ πρεσβευτὴν τὸν υἱὸν ἐξαποστείλας Ἄρατος πρὸς Ἀντίγονον ἐβεβαιώσατο τὰ περὶ τῆς βοηθείας. παρεῖχε δ᾽ αὐτοῖς ἀπορίαν καὶ δυσχρηστίαν μεγίστην τὸ μήτε τὸν βασιλέα δοκεῖν ἂν βοηθῆσαι χωρὶς τοῦ κομίσασθαι τὸν Ἀκροκόρινθον καὶ λαβεῖν ὁρμητήριον πρὸς τὸν ἐνεστῶτα πόλεμον τὴν τῶν Κορινθίων πόλιν, μήτε τοὺς Ἀχαιοὺς ἂν τολμῆσαι Κορινθίους ἄκοντας ἐγχειρίσαι Μακεδόσι. […]

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Evelyn S. Shuckburgh
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Pol. 2.45, 47, 51 – Übersetzung:

[45] But the increased power and national advancement which these events brought to the Achaeans excited the envy of the Aetolians; who, besides their natural inclination to unjust and selfish aggrandisement, were inspired with the hope of breaking up the union of Achaean states, as they had before succeeded in partitioning those of Acarnania with Alexander, and had planned to do those of Achaia with Antigonus Gonatas. Instigated once more by similar expectations, they had now the assurance to enter into communication and close alliance at once with Antigonus (at that time ruling Macedonia as guardian of the young King Philip), and with Cleomenes, King of Sparta. They saw that Antigonus had undisputed possession of the throne of Macedonia, while he was an open and avowed enemy of the Achaeans owing to the surprise of the Acrocorinthus; and they supposed that if they could get the Lacedaemonians to join them in their hostility to the league, they would easily subdue it, by selecting a favourable opportunity for their attack, and securing that it should be assaulted on all sides at once. […] [47] […] seeing clearly what would happen, and fearing the reckless audacity of the Aetolians, Aratus determined that his first duty was to be well beforehand in frustrating their plans. He satisfied himself that Antigonus was a man of activity and practical ability, with some pretensions to the character of a man of honour; he however knew perfectly well that kings look on no man as a friend or foe from personal considerations, but ever measure friendships and enmities solely by the standard of expediency. He, therefore, conceived the idea of addressing himself to this monarch, and entering into friendly relations with him, taking occasion to point out to him the certain result of his present policy. […] [51] But when Ptolemy, despairing of retaining the league’s friendship, began to furnish Cleomenes with supplies,—which he did with a view of setting him up as a foil to Antigonus, thinking the Lacedaemonians offered him better hopes than the Achaeans of being able to thwart the policy of the Macedonian kings; and when the Achaeans themselves had suffered three defeats,—one at Lycaeum in an engagement with Cleomenes whom they had met on a march; and again in a pitched battle at Ladocaea in the territory of Megalopolis, in which Lydiades fell; and a third time decisively at a place called Hecatomboeum in the territory of Dyme where their whole forces had been engaged,—after these misfortunes, no further delay was possible, and they were compelled by the force of circumstances to appeal unanimously to Antigonus. Thereupon Aratus sent his son to Antigonus, and ratified the terms of the subvention. The great difficulty was this: it was believed to be certain that the king would send no assistance, except on the condition of the restoration of the Acrocorinthus, and of having the city of Corinth put into his hands as a base of operations in this war; and on the other hand it seemed impossible that the Achaeans should venture to put the Corinthians in the king’s power against their own consent.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Niklas Rempe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Pol. 2.45, 47, 51

Leitfragen:

1) Geben Sie die Bündniskonstellationen wieder, wie sie Polybios darstellt.

2) Wie versucht Aratos Antigonos von der Sache des Achaiischen Bundes zu überzeugen?

3) Was kann aus der Quellenpassage über die außenpolitischen Verhältnisse der Zeit gesagt werden?

Kommentar:

Polybios beginnt in der Quellenpassage damit, die Spannungen zwischen dem Aitolischen und dem Achaiischen Bund darzustellen. So soll die außenpolitische Lage die Aitoler dazu veranlasst haben, gegen den Achaiischen Bund Hilfe sowohl bei Kleomenes III. – König von Sparta – als auch bei Antigonos III. Doson – König der Makedonen – zu suchen. Ersterer soll diesem Gesuch nachgekommen sein und sich mit ihnen gegen den Achaiischen Bund gestellt haben, um sich die spartanische Vorherrschaft im Süden Griechenlands zu sichern. Aratos von Siykon – der Anführer des Achaiischen Bundes – habe dieses Bündnis mit Kleomenes zwar nicht mehr verhindern können, doch soll er nach Polybios das Bündnis mit Antigonos vorausgeahnt haben. Um dieses zu durchkreuzen, soll er deswegen versucht haben, die eigentlich feindlich gesinnten Makedonen von der Sache des Achaiischen Bundes zu überzeugen. Das potentielle Eingreifen des Antigonos soll wiederum dessen Konkurrenten Ptolemaios III. – Herrscher des Ptolemäerreichs in Ägypten – auf den Plan gerufen haben, der sich in den Konflikt eingeschaltet haben soll, indem er nunmehr Sparta Unterstützung anbot, um mit Kleomenes einen weiteren Verbündeten gegen die Makedonen zu erlangen. Dadurch sollen Kleomenes und der Aitolische Bund anfänglich einige militärische Siege erreicht haben, welche Aratos und den Achaiiern nur noch das schon vorbereitete Hilfsgesuch an Antigonos als Ausweg offen gelassen haben soll. Antigonos wiederum hätte für seine Hilfe sowohl die Kontrolle über Akrokorinth als auch Kortinth gefordert.

Aratos war sich nach Polybios der Gefahr bewusst, vor welcher der Achaiische Bund stehen würde, sofern sich Antigonos auf die Seite der Aitoler stellen sollte. Das Verhältnis zwischen dem Achaiischen Bund und den Makedonen war allerdings schon lange angespannt bzw. sogar feindselig. Nichtsdestoweniger soll sich Aratos um Verhandlungen bemüht haben, da er Antigonos als pragmatischen Mann angesehen habe. Nach Polybios soll Antigonos nicht anders als die übrigen Könige der hellenischen Reiche gewesen sein. Sie alle hätten sich nicht so sehr von ihren Gefühlen oder Freundschaften leiten lassen, sondern allein ihr eigener Vorteil hätte bei derartigen Entscheidungen eine Rolle gespielt. Entsprechend verhält sich Antigonos auch, wenn er durchaus bereit dazu scheint, sich gegen die Aitoler, Sparta und später auch das Ptolemäerriech zu stellen, sofern er einen Vorteil für sich sieht. In diesem Falle soll er die Kontrolle über Akrokorinth und Korinth gefordert haben.

Dieser sich in der Entscheidung Antigonos‘ abzeichnende Pragmatismus bzw. Opportunismus ist ein wesentliches Merkmal der Außenpolitik der hellenischen Staatenwelt. So wird aus Polybios die vertrackte Bündniskonstellation deutlich, zu der sich der Konflikt zwischen dem Aitolischen und Achaiischen Bund entwickelte. Vorherige Bündnisse oder Feindschaften wurden beiseite geschoben, um auf die neue Situation zu reagieren. Die Aitoler ersuchten die Spartaner und Makedonen um Hilfe – erstere gingen darauf ein. Danach suchten auch die Achaiier Unterstützung bei den Makedonen. Deren Beteiligung wiederum rief andere Diadochenreiche auf den Plan und auch sie versuchten, aus der Situation Profit zu erzielen. Überhaupt ist zu betonen, wie ausufernd derartige lokale Konflikte werden konnten. Einzelne griechische Poleis wie Sparta waren zu der Zeit nicht mehr in der Lage, sich aus eigener Kraft als Machtfaktor zu etablieren – Kleomenes und auch sein Sohn Nabis scheitern damit. Bünde zwischen verschiedenen Städten und allen voran die immer noch großen und mächtigen Diadochenreiche bestimmten die Politik. Deren Herrscher versuchten weiterhin, genau wie es ihre Vorgänger seit der Entstehung der Diadochenreiche nach Alexanders Tod taten, sich gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen und die eigene Herrschaft auszubauen.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Grundzüge der Ereignisgeschichte bis ca. 200 v. Chr.“. Um einen breiteren Einblick in den Hellenismus zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte III – Hellenismus“.
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