Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Aristoteles
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Original:
Aristot. Pol. 5. 1310b
φανερὸν δ᾽ ἐκ τῶν συμβεβηκότων. σχεδὸν γὰρ οἱ πλεῖστοι τῶν τυράννων γεγόνασιν ἐκ δημαγωγῶν ὡς εἰπεῖν, πιστευθέντες ἐκ τοῦ διαβάλλειν τοὺς γνωρίμους. αἱ μὲν γὰρ τοῦτον τὸν τρόπον κατέστησαν τῶν τυραννίδων, ἤδη τῶν πόλεων ηὐξημένων, αἱ δὲ πρὸ τούτων ἐκ τε τῶν βασιλέων παρεκβαινόντων τὰ πάτρια καὶ δεσποτικωτέρας ἀρχῆς ὀρεγομένων, αἱ δὲ ἐκ τῶν αἱρετῶν ἐπὶ τὰς κυρίας ἀρχάς (τὸ γὰρ ἀρχαῖον οἱ δῆμοι καθίστασαν πολυχρονίους τὰς δημιουργίας καὶ τὰς θεωρίας), αἱ δ᾽ ἐκ τῶν ὀλιγαρχιῶν, αἱρουμένων ἕνα τινὰ κύριον ἐπὶ τὰς μεγίστας ἀρχάς. πᾶσι γὰρ ὑπῆρχε τοῖς τρόποις τούτοις τὸ κατεργάζεσθαι ῥᾳδίως, εἰ μόνον βουληθεῖεν, διὰ τὸ δύναμιν προϋπάρχειν τοῖς μὲν βασιλικῆς ἀρχῆς τοῖς δὲ τὴν τῆς τιμῆς:
Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: H. Rackham
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Übersetzung:
Aristot. Pol. 5. 1310b
And this is manifest from the facts of history. For almost the greatest number of tyrants have risen, it may be said, from being demagogues, having won the people’s confidence by slandering the notables. For some tyrannies were set up in this manner when the states had already grown great, but others that came before them arose from kings departing from the ancestral customs and aiming at a more despotic rule, and others from the men elected to fill the supreme magistracies (for in old times the peoples used to appoint the popular officials and the sacred embassies for long terms of office), and others from oligarchies electing some one supreme official for the greatest magistracies. For in all these methods they had it in their power to effect their purpose easily, if only they wished, because they already possessed the power of royal rule in the one set of cases and of their honorable office in the other, […]
Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Leitfragen:
1) Wovon handelt die Quellenstelle?
2) Welche Ursachen nennt Aristoteles für die Entstehung einer Tyrannis?
3) Welche Aussagen lassen sich über eine Tyrannis im Allgemeinen treffen?
Kommentar:
Nach dem Zusammenbruch der mykenischen Welt war das Königtum in Griechenland keine weit verbreitete Institution mehr. Seit der Mitte des 7. Jh. v. Chr. gelang es Usurpatoren in verschiedenen Poleis (Stadtstaaten) die Macht zu ergreifen und für eine kurze Dauer Dynastien einzurichten. Später, als sich die Demokratie in einigen Poleis als Staatsform entwickelte, bestand bei den Griechen, insbesondere den Menschen des demokratischen Athens, ein großes Interesse an dieser frühen Form der Herrschaft, was sich in der Literatur des 5. und 4. Jh. v. Chr. niederschlug. Immer wieder wurde hier nach den Gründen für die Entstehung der Tyrannenherrschaft in der archaischen Zeit gesucht. So auch bei Aristoteles, zu dessen Lebzeiten es in Griechenland schon seit Generationen keine Tyrannenherrschaft mehr gegeben hat. In seinem Werk Politik, in welchem er über den Staat, seine Verfassung und seine ökonomischen Grundlagen schreibt, thematisiert der Philosoph im fünften Buch den Wandel und den Erhalt von Verfassungen. In der oben angeführten Quellenstelle beschreibt Aristoteles dabei, auf welch unterschiedliche Weise sich eine Tyrannenherrschaft durchsetzen konnte.
Die Quellenpassage wird mit den Worten eingeleitet, dass sich die Zustände in der Geschichte zeigten. Grundsätzlich, so Aristoteles, seien alle Tyrannen dabei ursprünglich Führer des Volkes gewesen. Im Folgenden differenziert Aristoteles jedoch. So unterscheidet er systematisch zwischen unterschiedlichen Ursachen der Entstehung einer Tyrannenherrschaft. Dabei lassen sich vier verschiedene von Aristoteles genannte Ursachen aus der angeführten Quellenstelle herauslesen: So seien Männer zu Tyrannen aufgestiegen, die ursprüngliche Volksführer gewesen sind, indem sie durch die Bekämpfung von Angesehenen das Vertrauen des Volkes gewannen. Eine andere Ursache für die Entstehung einer Tyrannis sieht Aristoteles darin, dass Könige die alten Traditionen verletzt und eine Despotenherrschaft angestrebt hätten. Eine weitere Variante, sich zum Tyrannen aufzuschwingen, sei der Missbrauch eines Amtes innerhalb der Polis gewesen, dass jemand für eine lange Dauer innehatte. Eine letzte Ursache sieht Aristoteles darin, wenn einem Einzelnen innerhalb eines oligarchischen Systems die höchste Gewalt übertragen werde.
In dieser Quellenpassage erklärt Aristoteles also, auf welche Weise ein Tyrann die Macht erlangen konnte. So ist der Tyrann nach Aristoteles zumeist ein gewöhnlicher Volksführer, der das Volk vor der zuvor herrschenden Klasse schützt. Oft ist er sogar selbst Teil dieser alten Regierungsschicht. Dabei ergreift der Tyrann die Macht meist wider die Verfassung. Daraus lässt sich ein gewisses Muster in der Entwicklung einer Tyrannenherrschaft ablesen: Die Tyrannis war demnach ursprünglich eine volksverbundene Regierungsform, die sich gegen die alte Aristokratie stellte. Insofern deckten sich die Interessen des Tyrannen anfänglich mit denen des Volkes. Im Laufe der Zeit und mit steigendem Selbstvertrauen verlor der Tyrann jedoch oftmals seine Basis, zumal er außerhalb der verfassungsgemäßen Institutionen wie Volksversammlung oder Rat regierte, die es in vielen großen Poleis in Griechenland gab. Aufgrund des mangelnden Rückhaltes und etwaiger neu geschlossener Allianzen gegen ihn kam es mit der Zeit häufig zu stärker werdender Willkür und brutalerer Machtausübung durch den Tyrannen oder seinen Sohn. Dies führte wiederrum schlussendlich nicht selten zum Sturz des Tyrannen.