Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Homer
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Original:
Hom.Il.10.260-271
260 Μηριόνης δ᾽ Ὀδυσῆϊ δίδου βιὸν ἠδὲ φαρέτρην
καὶ ξίφος, ἀμφὶ δέ οἱ κυνέην κεφαλῆφιν ἔθηκε
ῥινοῦ ποιητήν: πολέσιν δ᾽ ἔντοσθεν ἱμᾶσιν
ἐντέτατο στερεῶς: ἔκτοσθε δὲ λευκοὶ ὀδόντες
ἀργιόδοντος ὑὸς θαμέες ἔχον ἔνθα καὶ ἔνθα
265 εὖ καὶ ἐπισταμένως: μέσσῃ δ᾽ ἐνὶ πῖλος ἀρήρει.
τήν ῥά ποτ᾽ ἐξ Ἐλεῶνος Ἀμύντορος Ὀρμενίδαο
ἐξέλετ᾽ Αὐτόλυκος πυκινὸν δόμον ἀντιτορήσας,
Σκάνδειαν δ᾽ ἄρα δῶκε Κυθηρίῳ Ἀμφιδάμαντι:
Ἀμφιδάμας δὲ Μόλῳ δῶκε ξεινήϊον εἶναι,
270 αὐτὰρ ὃ Μηριόνῃ δῶκεν ᾧ παιδὶ φορῆναι:
δὴ τότ᾽ Ὀδυσσῆος πύκασεν κάρη ἀμφιτεθεῖσα.
Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: A.T. Murray
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Übersetzung:
Hom.Il.10.260-271
[260] And Meriones gave to Odysseus a bow and a quiver and a sword, and about his head he set a helm wrought of hide, and with many a tight-stretched thong was it made stiff within, while without the white teeth of a boar of gleaming tusks were set thick on this side and that, [265] well and cunningly, and within was fixed a lining of felt. This cap Autolycus on a time stole out of Eleon when he had broken into the stout-built house of Amyntor, son of Ormenus; and he gave it to Amphidamas of Cythem to take to Scandeia, and Amphidamas gave it to Molus as a guest-gift, [270] but he gave it to his own son Meriones to wear; and now, being set thereon, it covered the head of Odysseus.
Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Leitfragen:
1) Was ist ein Eberzahnhelm?
2) Welche Funktion hatte der Eberzahnhelm?
3) Was sagt uns der Eberzahnhelm über die Entstehung der Ilias?
Kommentar:
Der in diesen Versen der Ilias beschriebene Helm, den König Odysseus von Meriones zur Verfügung gestellt bekommt, war der am häufigsten verwendete Helm in der ägäischen Bronzezeit und ein mykenisches Unikat. Bisher wurden in mehr als fünfzig Gräbern die aus Eberzähnen bestehenden Platten gefunden, die in einen Zeitraum zwischen 1650 und 1150 v. Chr. datieren. Der sogenannte Eberzahnhelm begegnet dabei aber über die ganze mykenische Periode hinweg nicht nur in Gräbern, sondern erscheint auch auf zahlreichen Darstellungen von Kriegern in der mykenischen Kunst.
Der Eberzahnhelm bestand aus einer mit Filz gefütterten Lederkappe auf die in eng aneinander liegenden Reihen kleine, halbmondförmige Eberzahnplatten, die in den Ecken mit Löchern durchbohrt waren, aufgenäht waren. Dass die Zähne auf eine Lederkappe genäht wurden, erfahren wir lediglich aus der Beschreibung in der Ilias, da das Material, auf das die Zähne genäht wurden, nicht erhalten geblieben ist. Um einen solchen Helm vollständig mit Eberzähnen zu bedecken, wurden die Zähne von etwa 50 bis 60 Ebern benötigt. Die jüngeren Exemplare der Eberzahnhelme besaßen Wangen- und/oder Nackenschutz.
Der Eberzahnhelm war Teil der klassischen Rüstung eines mykenischen Kriegers. Man verwendete Eberzähne, weil Metallarbeiten in dieser Zeit erst entwickelt wurden, und die Herstellung eines bronzenen Helmes, der einerseits leicht sein, andererseits aber auch schützen musste, noch eine Herausforderung darstellte. Später, als bronzene Rüstungen entstanden, hatte sich der Eberzahnhelm etabliert und erwies sich offenbar als so nützlich, dass vorerst keine Bronzehelme produziert wurden.
Der Eberzahnhelm besaß dabei gleichzeitig auch kulturelle Bedeutung, weil die Wildschweinjagd ein wichtiger Teil der mykenischen Kriegskultur war. Nur die mutigsten und begabtesten Krieger waren in der Lage, einen Eber zu erlegen. Vielleicht diente der Helm insofern auch als Zeichen von Mut und Können. Wahrscheinlich war der Eberzahnhelm auch ein Hinweis auf den hohen sozialen Status des Kriegers. Die Funde in den mykenischen Kriegsgräbern weisen darauf hin, dass er bei ehrenvollen Begräbnissen als kostbare Beigabe verwendet wurde. Seine Funktion als Statussymbol zeigt sich auch daran, dass man 50-60 Eber benötigte, um einen einzigen Helm herzustellen. Wahrscheinlich besaß also nicht jeder Krieger einen solchen Helm. Und auch die Verse in der Ilias lassen vermuten, dass der Eberzahnhelm kostbar war, da er nicht nur erbeutet und der Held Odysseus damit ausgerüstet, sondern sodann auch als kostbares Gastgeschenk und später als bedeutendes Erbstück weitergegeben wurde.
Der Eberzahnhelm, der in den Versen der Ilias so detailliert beschrieben ist, gehört in die Lebenswelt der Mykener. Die genaue Beschreibung deckt sich mit den erhaltenen Exemplaren und den vielen Darstellungen von Eberzahnhelmen auf Fresken, Siegeln oder Gefäßen aus mykenischer Zeit. Das homerische Epos wurde jedoch etwa 400 Jahre später, um 800 v. Chr., niedergeschrieben und bezieht sich auch größtenteils auf diese Zeit. Dass der Dichter der Ilias an dieser Stelle den Eberzahnhelm, also einen mykenischen Gegenstand, erwähnt, zeigt, dass die Dichtung im Zuge ihrer mündlichen Überlieferung und der damit einhergehenden Anpassung an die Lebenswelt der Zuhörer über Jahrhundert zu einer Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart geworden ist. Nur auszugsweise wird noch auf die mykenische Realität verwiesen. Wenn der Schreiber der Ilias dieses durch die Erwähnung des mykenischen Eberzahnhelmes tut und damit eine mykenische Kulisse aufleben lässt, diente dies vielleicht dazu, die Handlung absichtlich zu „archaisieren“ und ihr durch eine „epische Distanz“ den Glanz der heroischen Vorzeit zu verschaffen.