Alltag der Stadtbevölkerung

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Iuvenal
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Iuv. 3,190-210 – Original:

Quis timet aut timuit gelida Praeneste ruinam
aut positis nemorosa inter iuga Volsiniis  aut                              190
simplicibus Gabiis aut proni Tiburis arce?
nos urbem colimus tenui tibicine fultam
magna parte sui; nam sic labentibus obstat
vilicus et, veteris rimae cum texit hiatum,                                      195
securos pendente iubet dormire ruina.
vivendum est illic, ubi nulla incendia, nulli
nocte metus. iam poscit aquam, iam frivola transfert
Ucalegon, tabulata tibi iam tertia fumant:
tu nescis; nam si gradibus trepidatur ab imis,                               200
ultimus ardebit quem tegula sola tuetur
a pluvia, molles ubi reddunt ova columbae.
ultimus ardebit quem tegula sola tuetur
a pluvia, molles ubi reddunt ova columbae.
lectus erat Cordo Procula minor, urceoli sex
ornamentum abaci, nec non et parvulus infra
cantharus et recubans sub eodem marmore Chiron,                   205
iamque vetus Graecos servabat cista libellos
et divina opici rodebant carmina mures.
nil habuit Cordus, quis enim negat? et tamen illud
perdidit infelix totum nihil. ultimus autem
aerumnae cumulus, quod nudum et frusta rogantem                 210
nemo cibo, nemo hospitio tectoque iuvabit.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: G. G. Ramsay
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

„Who at cool Praeneste, or at Volsinii amid its leafy hills, was ever afraid of his house tumbling down? Who in modest Gabii, or on the sloping heights of Tivoli? But here we inhabit a city propped up for the most part by slender flute-players: for that is how the bailiff patches up the cracks in the old wall, bidding the inmates sleep at ease under a roof ready to tumble about their ears. No, no, I must live where there are no fires, no nightly alarms. Ucalegon below is already shouting for water and shifting his chattels; smoke is pouring out of your third-floor attic above, but you know nothing of it; for if the alarm begins in the ground-floor, the last man to burn will be he who has nothing to shelter him from the rain but the tiles, where the gentle doves lay their eggs. Codrus possessed a bed too small for the dwarf Procula, a marble slab adorned by six pipkins, with a small drinking cup, and a recumbent Chiron below, and an old chest containing Greek books whose divine lays were being gnawed by unlettered mice. Poor Codrus had nothing, it is true: but he lost that nothing, which was his all; and the last straw in his heap of misery is this, that though he is destitute and begging for a bite, no one will help him with a meal, no one offer him board or shelter.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Iuv. 3,190-210

Leitfragen:

1) Wie werden die Wohnverhältnisse in Rom von Iuvenal beschrieben?

2) Wie stellt sich der Wohnalltag in Rom dar?

3) Welche Probleme gab es in einer Stadt wie Rom?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um einen Auszug aus den Satiren des Iuvenal. Bei diesen handelt es sich um das einzig überlieferte Werk des Iuvenal, die auf ironische Weise einen Einblick in das Alltagsleben Roms am Ende des 1. Jh. n. Chr. geben. Über das Leben des kaiserzeitlichen Literaten ist nur sehr wenig bekannt. Die dritte von insgesamt sechzehn Satiren, aus welchem auch der vorliegende Ausschnitt stammt, beschäftigt sich vor allem mit dem Großstadtleben. Das Siedlungsgebiet Roms war aufgrund seiner geographischen Eigenschaften stark räumlich eingeschränkt. Während die Stadtelite meistens in größeren sog. Atriums- oder Peristylhäusern gelebt hat, die mehrere Räume mit unterschiedlichen Funktionen aufwiesen und oftmals über eine große Eingangshalle sowie einen Lichthof verfügten, verfügte die soziale Mittel- und Unterschicht über einen wesentlich geringeren Wohnluxus. Ein Großteil der römischen pleps wohnte in sog. Insulae. Bei diesen handelte es sich um mehrstöckige Wohnhäuser für mehrere Mietparteien, deren Außenwände auf allen Seiten von Straßen umgeben waren, was den Eindruck einer „Wohninsel“ machte.

In der frühen Kaiserzeit führte der vermehrte Zuzug von Menschen aus der Umgebung Roms in die Urbs zu einer Wohnraumverknappung, die wiederum dazu führte, dass viele Einzelhäusern in Mietshäuser respektive Insulae umgewandelt wurden und somit das Stadtbild (einiger Stadtteile) maßgeblich prägten. Die Problematik dieser Wohnform, auf die auch Iuvenal eingeht, war, dass die Vermieter sich vielfach nur in geringem Maße an die Bauvorschriften hielten. Dies betraf den eigentlichen Zustand der Bausubstanz, der oftmals Mängel aufwies, die nur notdürftig behoben wurden. Zudem wurde allzu oft wesentlich höher gebaut als eigentlich erlaubt war, was zu Einstürzen der Bauwerke führen konnte. Die Wohnungen in den oberen Stockwerken waren aufgrund dieses Risikopotentiales und wegen ihrer geringeren Ausstattung – vielfach vielleicht auch wegen ihres illegalen Bestehens gegen die Bauvorschriften – wesentlich günstiger als die ebenerdigen Wohnräume, die oft zusätzlich noch kleine Ladengeschäfte einschlossen. Dies hatte auch zur Folge, dass aufgrund der überaus engen Bauweise und der vielfachen Verwendung von leicht brennbaren Materialien, wie Holz, Rom immer wieder von gefährlichen Bränden heimgesucht wurde, die nicht selten ganze Stadtteile verheerten – erst unter dem Principat des Augustus wurde eine Art Feuerwehr eingeführt.

Über eigene Wasseranschlüsse, um diesen Bränden entgegenzuwirken, aber auch für den privaten Verbrauch verfügten nur die wenigsten Privathäuser, die meisten Bewohner werden ihre tägliche Wasserversorgung über die zahlreichen öffentlichen Brunnen gedeckt haben. Es darf nicht unterschätzt werden, dass das römische Stadtbild, neben den prächtigen öffentlichen Bauwerken aus Marmor eben auch durch diese Mietshäuser geprägt war. Die engen Gassen, das wenige Licht, welches aufgrund der hohen Häuser durchkam und der allgegenwärtige Lärm, den die Bewohner der Hauptstadt mit sich brachten, prägten den Alltag der Bevölkerung maßgeblich und versorgten die Schriftsteller mit reichlich Stoff für Satiren und Spottgedichte über das (arme) Stadtleben. Wenn man sich also diese Zustände Roms, des caput mundi vorstellt, kann man Iuvenal nur zustimmen, der an anderer Stelle sagte „difficile est saturam non scibere“ – es ist schwierig, keine Satire zu schreiben.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Gesellschaft der Kaiserzeit“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
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