Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Bronzedolch Löwenjagd
Leitfragen:
1) Welche Motive sind auf dem Dolch zu erkennen?
2) Wozu diente der Löwendolch?
3) Was kann uns der Dolch über die Mykener sagen?
Kommentar:
Diese bronzene Dolchklinge (von hier ab an der Einfachheit halber „Löwendolch“ genannt) stammt aus Schachtgrab IV. des Gräberrundes A aus dem 16. Jahrhundert v. Chr., das Heinrich Schliemann 1878 in Mykene entdeckte und ausgrub. Der Löwendolch ist einer von unzähligen Grabbeigaben, die Schliemann in den Schachtgräbern in Mykene entdeckte. Neben anderen (künstlerisch) wertvollen Gegenständen ist der Löwendolch Teil des großen Waffenbestandes (Speere, Wurfmesser, Pfeilspitzen, Streitäxte u.v.m.), der in den Gräbern gefunden wurde. Schliemann entdeckte sowohl ehemals funktionale Waffen als auch eine Anzahl von Waffen, die von großem künstlerischen Aufwand zeugen. Hierunter fällt aufgrund seiner in Edelmetall gearbeiteten eingelegten und gravierten Miniaturszene auch der Löwendolch. Er ist damit einer der fünf Dolche mit eingelegter Verzierung, die in den Gräbern IV und V entdeckt wurden.
Der Löwendolch aus Bronze ist 23,7 cm lang und 6,3 cm breit. Er zeigt auf der einen Seite der Klinge fünf bewaffnete Figuren, die einen angreifenden Löwen abwehren (eine Figur liegt bereits entwaffnet unter dem Löwen, seine (?) Lanze steckt im Maul des Tieres) sowie zwei flüchtende Löwen in der Dolchspitze. Drei Jäger heben Lanzen, ein anderer hält einen gespannten Bogen als Waffe in der Hand. Die Jäger tragen Schurze und sind zudem mit großen Ganzkörperschilden bewaffnet, wovon zwei Schilde die Form einer Acht haben, die andern beiden hingegen rechteckige Turmschilde sind. Auf der anderen Seite der Klinge ist ein Löwe vor felsigem Terrain abgebildet, der eine Gruppe Antilopen jagt.
Das Nebeneinander von Beute und Jäger, wie die Darstellung auf dem Löwendolch, war ein häufiges Motiv in der mykenischen Welt. Dabei stand der Löwe, der in der Bronzezeit wohl noch in manchen Gebieten Griechenlands gejagt worden ist, für große Stärke. Damit stellte er eine angemessene Beute für einen tapferen mykenischen Krieger dar. Der verzierte Löwendolch als Grabbeigabe fungiert daher wohl symbolisch als Zeugnis der Kraft des verstorbenen Kriegers und zollte ihm dadurch Respekt. Vermutlich hatte dieser Löwendolch jedoch nie praktischen Nutzen, sondern wurde aufgrund seiner reichen Verzierung eher bei feierlichen Anlässen als in der Schlacht verwendet.
Der große Fund an Waffen in den mykenischen Schachtgräbern zeichnet das Bild einer kriegerischen Kultur. Zwar wäre es zu einfach, die Mykener – insbesondere im Gegensatz zu den vermeintlich friedlichen Minoern – lediglich als kriegerisch darzustellen, dennoch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Mykener viel in die Entwicklung ihrer militärischen Infrastruktur investierten. Dass der Kampf für die Mykener große Bedeutung hatte, zeigt sich dabei auch in der aufwändigen und kunstvollen Verarbeitung des Löwendolches. Hieran wird daneben gleichzeitig ersichtlich, dass die Mykener in den Metallarbeiten versiert waren. Die Metalle bezogen sie dabei aus der ganzen damals bekannten Welt: Das Kupfer des Dolches stammte vermutlich aus Zypern, das Zinn für die Herstellung von Bronze wahrscheinlich aus Zentralasien. Aus Ägypten und Anatolien (vielleicht auch aus dem Balkan- und Schwarzmeerraum) kam das Gold. Der aus diesen Metallen aufwendig gearbeitete Löwendolch markiert damit nicht nur die Wichtigkeit des Kampfes und die Bedeutung des Gestorbenen, sondern auch die Verbindung der Mykener zur Außenwelt.