Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Andreas Bigelmair
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Übersetzung
[12] „Mein höchster Wunsch war es, meine Freunde, mich euer Versammlung erfreuen zu können, und da ich ihn erfüllt sehe, spreche ich offen dem Herrscher der Welt meinen Dank aus, daß er mir zu allem andern auch noch dieses Glück zu erleben gewährt hat, das jedes andere übersteigt; ich meine das Glück, euch alle hier versammelt zu finden und zu sehen, daß alle ein und dieselbe einträchtige Gesinnung haben. Nicht also soll ein neidischer Feind unser Glück trüben, nicht soll der Dämon, der Freund alles Schlechten, nachdem durch die Macht des Erlöser-Gottes die gegen Gott ankämpfenden Tyrannen aus dem Wege geräumt sind, das göttliche Gesetz auf andere Weise bekriegen, indem er es mit Lästerungen überschüttet. Denn für schlimmer als jeder Krieg und jeder furchtbare Kampf gilt mir der innere Zwist der Kirche Gottes und schmerzlicher scheint mir dies als Kämpfe nach außen. Als ich so die Siege über die Feinde durch des Höchsten Willen und Beistand errungen hatte, glaubte ich, es erübrige mir nur Gott Dank zu sagen und mich zu freuen mit denen, die er durch mich befreit hat. Als ich aber wider alles Erwarten von eurem Zwiste vernahm, hielt ich, was hörte, durchaus nicht für unbedeutend, sondern von dem Wunsche beseelt, daß auch hierin durch meine Vermittlung Abhilfe geschaffen werden, rief ich ohne Verzug euch alle zusammen und ich freue mich nun, eure Versammlung zu sehen; dann aber, glaube ich, sind am allermeisten meine Wünsche erfüllt, wenn ich finde, daß ihr alle eines Herzens seid und daß ein allgemeiner Friede und eine Eintracht unter euch allen herrscht, die ihr als Priester Gottes in geziemender Weise auch andern predigen müßt. Zögert also nicht, o geliebte Diener Gottes und getreue Knechte des gemeinsamen Herrn und Erlösers von uns allen, die Veranlassung zu eurem Zwiste sogleich vorzubringen und die ganze Kette von Streitigkeiten durch Gesetze des Friedens zu lösen. Denn so werdet ihr sowohl zustande bringen, was dem höchsten Gott angenehm ist, als auch mir eurem Mitknechte übergroßen Gefalen erzeigen.“
[13] Nachdem der Kaiser also in lateinischer Sprache gesprochen hatte und ein anderer seine Worte verdolmetscht hatte, gab er den Vorsitzenden der Synode das Wort. Da begannen die einen die anderen anzuklagen, diese aber verteidigten sich und erhoben Gegenbeschuldigungen. Als nun so von beiden Seiten sehr viel vorgebracht wurde und anfänglich ein großer Streit tobte, hörte der Kaiser langmütig allen zu und nahm mit gespannter Aufmerksamkeit das Vorgebrachte entgegen, und indem er sich in einzelnen Punkten für das aussprach, was von einer jeden Partei gesagt wurde, brachte er allmählich die streitsüchtigen Gemüter einander näher. Und weil er sich in ruhiger Milde an die einzelnen wandte und sich dabei der griechischen Sprache bediente, die ihm auch nicht unbekannt war, erschien er freundlich und gefällig; so konnte er die einen überzeugen, andere durch seine Worte beschämen, die, welche trefflich redeten, loben, alle aber zur Eintracht anfeuern, bis er es schließlich erreichte, daß sie über alle strittigen Punkte eines Sinnes und einer Meinung waren.
[14] So drang ein einheitlicher Glaube durch und für das Osterfest einigten sich alle auf denselben Zeitpunkt. Besiegelt wurden aber auch gleich die gemeinsamen Beschlüsse, nachdem sie aufgezeichnet worden waren, durch die Unterschriften der einzelnen Bischöfe. Danach erklärte der Kaiser, hiermit habe er einen zweiten Sieg über den Feind der Kirche errungen, und er ließ darum Gott zu ehren ein Siegesfest feiern.
Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Euseb. De vita Constantini 3, 11-14
Leitfragen:
1) Wie gelingt es Konstantin nach Eusebius‘ Darstellung die streitenden Parteien in Nicäa zu versöhnen?
2)Wieso befasst sich Konstantin mit den innerkirchlichen Konflikten seiner Zeit?
3) Welche Rückschlüsse lässt das auf seine Herrschaftspraxis zu?
Kommentar:
Eusebius von Cäsarea war Bischof und Zeitgenosse Konstantins, mit dem er auf sehr gutem Fuße stand. In diesem Abschnitt der Biographie des Kaisers beschreibt Eusebius ein Ereignis, an dem er selbst teilgenommen hatte: das Konzil von Nicäa. Es war einberufen worden, um zentrale Streitfragen zwischen den christlichen Strömungen zu klären, wie beispielsweise die Frage nach dem Wesen Gottes und Jesu sowie dem Termin des Osterfestes. Um beide Punkte herrschte ein heftiger Konflikt innerhalb der Kirche.
In der Darstellung des Eusebius tritt Kaiser Konstantin auf dem Konzil als Gastgeber in vermittelnder Rolle auf. Er hört alle Seiten an, zwingt die Anwesenden mit seiner Ruhe zur Ordnung, wir dürfen uns wohl tatsächlich tumultartige Szenen unter den Bischöfen vorstellen, wissen wir doch aus anderen Quellen, dass man mitunter auch nicht vor Handgreiflichkeiten zurückschreckte. Konstantin bleibt besonnen und greift vermittelnd in die Gespräche ein, versucht Gemeinsamkeiten zu finden. Das gelingt ihm, aber wohl auch deshalb, weil er in einer Rede auf seine Machtposition hingewiesen hatte und daran, dass auch andere Feinde der Kirche (beispielsweise sein Rivale Maxentius) ihm unterlegen waren. So gelingt es ihm am Ende, den Beschluss von Nicäa durchzubringen, der neben dem Termin für das Osterfest auch ein gemeinsames Glaubensbekenntnis enthält, das im Wesentlichen heute noch für die protestantische und die katholische Kirche gilt.
Interessant ist die Frage, wieso sich der Kaiser, der durchaus auch andere Probleme in Form von Usurpatoren oder äußeren Feinden hatte, mit einem auf den ersten Blick trivialen Konflikt innerhalb der Kirche befasst. Wieso sollte es den Kaiser angehen, ob Gott und Jesus nun wesensähnlich oder wesensgleich waren oder welche Gemeinde wann das Osterfest feierte? Die Antwort liegt auf der Hand: Der Kaiser möchte den inneren Frieden erhalten. In vielen Gegenden des Reiches, besonders im Osten, wo der Konflikt am heftigsten tobte, war dieser gefährdet. In Alexandria, wo die Strömungen besonders intensiv aufeinander trafen, kam es auch zu Ausschreitungen, Straßenkämpfen und Toten. Die Gefahr bestand also durchaus, dass zwischen den Hardlinern auf beiden Seiten eine Art innerchristlicher Bürgerkrieg ausbrechen konnte – das wollte Konstantin, der das Reich gerade einigermaßen befriedet hatte, um jeden Preis vermeiden.
Dies lässt auch Rückschlüsse auf seine Herrschaftspraxis zu. Konstantin erkennt das gewaltige Potential zu religiös motivierter Gewalt in seinem Reich und merkt, dass er dringend gegensteuern muss. Bemerkenswert ist dabei, dass er zu vermitteln versucht, damit er nicht sich und der Kirche zu viele Feinde schafft – offenbar konnte der Kaiser seine eigenen religiösen Überzeugungen von der politischen Notwendigkeit durchaus trennen. Ebenfalls auffallend ist, dass Konstantin keine Probleme damit hat, direkt in die Kirche hineinzuregieren und den Bischöfen (verhüllte) Anweisungen zu geben. Hier werfen schon Ereignisse ihre Schatten voraus, die viel später eintreten sollten, so beispielsweise der Konflikt zwischen Papst und Kaiser im Mittelalter.
Siehe zu Konstantins religiöser Einstellung auch die Berichte über seine Vision (Laktanz; Eusebius) und seine Münzprägung. Zur religiösen Gewalt in der Spätantike siehe auch die Berichte zur Christenverfolgung(I; II; III).