Burghartz, S., Historische Anthropologie/Mikrogeschichte, in: J. Eibach – G. Lottes (Eds.), Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein Handbuch, Göttingen 2002, 206-218.
Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
Lizenz: CC-BY-NC-SA
1) Skizzieren Sie die Entwicklung der historischen Methode ‚Historische Anthropologie‘ und definieren Sie sie (Textseiten 206-208).
2) Burghartz führt in ihrem Artikel in verschiedene Themenfelder der Historischen Anthropo-logie ein (Textseiten 209-213). Wählen Sie zwei dieser Themenfelder aus und erläutern Sie, wie sich die Historische Anthropologie mit ihnen beschäftigt.
3) Unter den Stichwörtern ‚Dezentrierung der Perspektive‘ (Textseite 215) und ‚’Eingeborene Theorien‘ statt Modernisierung‘ (Textseiten 215-216) arbeitet Burghartz zwei Gemeinsamkei-ten der historischen Methoden ‚Historische Anthropologie‘ und ‚Mikrogeschichte‘ heraus. Geben Sie diese in eigenen Worten wieder.
4) An mehreren Stellen benennt Burghartz die Herausforderung der Geschichtswissenschaft, eine makroperspektivisch ausgerichtete mit einer mikroperspektivischen Sichtweise zu verbin-den (Textseiten 216, 218). Erläutern Sie die Versuche, beide Sichtweisen zu vereinen.
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Autor_in: Jan Seehusen
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Forschungstradition des Autors
Prof. Dr. Susanna Burghartz ist Professorin für die Geschichte des Spätmittelalters und der Renaissance an der Universität Basel. Nach ihrer Promotion über Kriminalität im Spätmittelal-ter in Basel habilitierte sie sich ebenda in einer Untersuchung über Ehe und Sexualität wäh-rend der Frühen Neuzeit. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Geschich-te städtischer Gesellschaften in Renaissance und Früher Neuzeit (15.-18. Jh.), der frühen eu-ropäischen Expansion, der historischen Kriminalitätsforschung und der Frauen- und Ge-schlechtergeschichte. Burghartz ist seit 2004 ebenfalls Mitherausgeberin der Zeitschrift ‚Histo-rische Anthropologie‘.
Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis
In ihrem Artikel liefert Susanna Burghartz verschiedene Definitionsversuche und einen kom-pakten Überblick über die Entwicklung der geschichtswissenschaftlichen Methode ‚Histori-sche Anthropologie‘ in Beziehung zur verwandten Methode der ‚Alltagsgeschichte‘.
In den 1970er-Jahren habe es eine Abkehr von der Strukturgeschichte gegeben, die stärker den Menschen als handelnde Entität sowie dessen „Erfahrungen und Wahrnehmungen im Wandel der Zeit“ (Textseite 206) thematisierte. Sei die Entwicklung zunächst in Frankreich angestoßen worden, deren Vertreter (z.B. Jacques Le Goff) eine ‚nouvelle histoire‘ im Sinne einer ‚anthropologie historique‘ forderten (Textseite 206), so hätten einige deutsche Historiker seit Thomas Nipperdey die Fokussierung von menschlichen Elementar- und Grunderfahrungen postuliert, „wie Geburt und Tod, Krankheit, Geschlechterrollen, Familie, Arbeit, Mangel, Überfluss“ (Textseite 207). Nach weiteren Entwicklungen der Methode, insbesondere in Aus-einandersetzung mit der Schule der Annales (1929) zeige sich, dass die ‚Historische Anthropo-logie‘ keine allzeit gültigen Universalia menschlichen Lebens herausarbeiten wolle, sondern sich durch die Untersuchung von Brüchen, Veränderungen und Entwicklungen identitärer menschlicher Erfahrungen, sowohl singulärer als auch gesellschaftlicher Natur, auszeichne (Textseite 208).
Veranschaulichen ließe sich das nach der Meinung der Autorin beispielsweise am Themenfeld ‚Familie und Sozialisation‘: Die Historische Anthropologie untersuche „die Familiengeschichte als wesentliches Prinzip der Vergesellschaftung“ (Textseite 209), womit bereits die anthropo-logische Natur des Untersuchungsfelds deutlich wird. Etwa die Rolle von „Haus“, „Familie“, „Verwandtschaft“ (alle Textseite 209) würden in ihrer Wandelbarkeit und ihrer Bedeutung als Institutionen für historische Akteure analysiert. Darüber hinaus seien ebenso ethnologische und volkskundliche Theorien in die Betrachtungsweise einbezogen worden, die wie die Be-trachtung der ‚rites de passage‘ (Schwellenrituale) zur Erforschung von „Übergangssituationen wie Geburt, Heirat und Tod“ (Textseite 209) angeregt hätten.
Eine Herausforderung in Bezug zur verwandten Methode der ‚Alltagsgeschichte‘ stelle jedoch weiterhin die Beziehung zwischen Mikro- und Makroperspektive dar. Durch die „Betrachtung aus der Nähe“ (Textseite 216), was der Mikroperspektive entspricht, würden andere histori-sche Sachverhalte sichtbar und der übergreifende strukturelle Blick ermögliche seinerseits Er-kenntnisse, die eine Mikroperspektive nicht biete. Neben dem Versuch Kracauers, diese zwei Erkenntniswege zu vereinen (Textseite 216), erhebt die Autorin die Forderungen, weiter an einer Kombination beider Methoden zu arbeiten sowie in Auseinandersetzung mit anderen Forschungsdisziplinen, etwa der Kultur- und Literaturwissenschaft, die theoretische Grundla-ge der Historischen Anthropologie weiter zu entwickeln (Textseite 218).