Hansen, M., Die Athenische Demokratie […]

Hansen, M., Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, Berlin: Akademie Verlag 1995 (Kapitel 6, 10).

 

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
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1) Skizzieren Sie zunächst die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Volksversammlung tagte: die soziale Zusammensetzung, den Versammlungsort und dessen Größe, die Zulassung und Anzahl der Teilnehmer sowie die Einberufung und Anzahl der Sitzungen (insges. Textseiten 128-138).

2) Fassen Sie nun die Eröffnung der Volksversammlung, die Art und den Ablauf der Reden, die Rolle und Ausbildung der Redner, die Reaktion der Zuhörer und das Abstimmungsverfahren zusammen (Textseiten 146-153).

3) Lenken Sie Ihren Blick nun auf den Rat der 500: Beschreiben Sie dessen Macht, Befugnisse und sein Aussehen (Textseiten 255-256), die Sitzungen (Textseiten 260-262) sowie das Verfahren in den Ratssitzungen (Textseiten 262-263).

4) Vergleichen Sie die Betätigungsfelder der Volksversammlung (Textseiten 161-166) und des Rates der 500 (Textseiten 269-275) miteinander.

5) Hansen schreibt: „Dieses ‚probuleumatische Verfahren‘, wie Historiker es gerne nennen, wirft die Frage auf, ob die athenische Politik wirklich vom Volk in freier Debatte in der Volksversammlung gemacht wurde, oder ob die Versammlung nur Entschlüsse billigte (oder zurückwies), die schon vom Rat getroffen worden und als (konkrete) probuleumata weitergereicht waren“ (Textseite 143). Beschreiben Sie das ‚probuleumatische Verfahren‘ nach der Darstellung von Hansen, erörtern Sie die aufgeworfene Frage Hansens in Bezug auf die Volksversammlung und den Rat der 500 (besonders unter Zuhilfenahme der Textseiten 142-144 und 266-267) und geben Sie abschließend ein Sachurteil für diese Frage ab.

Kommentar

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Mogens Herman Hansen ist ein dänischer klassischer Philologe und Althistoriker. Nach seinem Studium und der Promotion in Kopenhagen forscht und lehrt er dort seit 1968. Hansen war von 1993 bis 2005 ebenfalls Leiter des ‚Copenhagen Polis Centre‘. Besonders hervorzuheben sind Hansens Verdienste um die Erforschung der athenischen Geschichte, vornehmlich der athenischen Demokratie und Verfassung. Mehrere seiner Werke wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und fanden internationale Anerkennung.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Die Erforschung der athenischen Demokratie ist eines der zentralen Betätigungsfelder der Alten Geschichte. Bis heute faszinieren die Forscherwelt die direkte Form der Demokratie und der hohe Beteiligungsgrad der Bevölkerung an politischen Abstimmungsprozessen.

Hansen geht in dem hier wiedergegebenen Auszug seines Standardwerkes ‚Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes‘ auf zwei der drei wichtigsten Institutionen des klassischen Athen ein: die Volksversammlung und den Rat der 500 (auch Boule genannt). Die dritte Institution, die im Auszug nicht zu finden ist, stellt das Volksgericht dar. Da insbesondere die Zusammenarbeit von Volksversammlung und Boule von großer Bedeutung ist, konzentriert sich der folgende Kommentar auf die Zusammensetzung von Volksversammlung und Boule sowie den politischen Bezug dieser Institutionen aufeinander.

Wenn man zunächst die Zusammensetzung der Boule betrachtet, dann fällt auf, dass ihre Bildung direkt aus den Reformen des Kleisthenes hervorgeht, deren Kenntnis Hansen hier voraussetzt: Kleisthenes schuf eine neue soziale Strukturierung Athens, die auf der Einteilung der zehn sogenannten ‚Phylen‘ beruhte. Jede Phyle bestand aus drei Trittyen, die jeweils einen Bevölkerungsteil der Stadt, Küste oder des Inlands Attikas repräsentierten. So gewährleistete Kleisthenes, dass in jeder Phyle ein territorialer Querschnitt der Bevölkerung Attikas vorhanden war. Jede Trittye ihrerseits bestand nun aus einer oder mehreren Demen, den örtlichen Gemeinden. Aus diesen Demen sei nun, so Hansen, eine Auswahl an Kandidaten getroffen worden, die als mögliche Ratsmitglieder entsandt worden seien (Textseite 256). Die endgültigen Ratsmitglieder seien nun aus den vorgeschlagenen Kandidaten der Demen mithilfe des kleroterion, der athenischen Losmaschine, ausgelost worden (Textseite 257).

Auch wenn somit das Vorschlagsrecht für Kandidaten bei den Demen lag, muss herausgestellt werden, dass die Geschäftsführung im Rat der 500 bei den Phylen lag und nicht bei den Demen: Diese seien im Wechsel für jeweils ein Zehntel des zehnmonatigen Ratsjahres als „geschäftsführender Ausschuß des Rates“ (Textseite 259) tätig gewesen.

Neben umfassenden Kompetenzen, wie der Repräsentation nach außen, der Finanzverwaltung (beide Textseite 256), der Inspizierung der Heiligtümer, Veranstaltung religiöser Feste und der militärischen Aufsicht (Textseite 269), habe die Boule vor allem die Aufgabe besessen, die Gegenstände der Volksversammlung zu diskutieren, die Tagesordnungen vorzubereiten und Dekrete vorzubereiten, über die die Volksversammlung entscheiden sollte (Textseite 266).

Wirft man nun einen Blick auf die Volksversammlung, so stellt sie die zentrale Volksvertretung dar und werde auch ekklesia genannt (Textseite 128). Wichtig ist, wie Hansen auch betont, dass als athenische Bürger nur Männer über 20 Jahre zugelassen waren, aber neben Frauen auch Metöken, Sklaven und rechtlose Bürger, die sog. atimoi, von der Volksversammlung ausgeschlossen waren (Textseiten 132-133). Die ekklesia, die auf dem Hügel Pnyx getagt habe, der 400m südwestlich der Agora zu finden und zweimal umgebaut worden sei (Textseiten 131-132), habe für ein beschlussfähiges Quorum wohl in der Regel eine Anzahl von 6.000 Teilnehmern besessen (Textseite 135) und 40 Mal im Jahr getagt (Textseiten 137-138). Abgestimmt worden sei mithilfe von Handzeichen, die von den Aufsehern, den Proedroi, geschätzt worden seien (Textseiten 152-153).

Wichtig ist es zu betonen, dass die Volksversammlung in enger Zusammenarbeit mit der Boule die probuleumata (Sg. probuleuma), Dekrete, verabschiedete (im Folgenden Textseiten 142-144). Es gab sogenannte ‚konkrete‘ und ‚offene‘ probuleumata, von denen die erstgenannten bereits ausgearbeitet worden seien und die zweitgenannten eine Diskussion innerhalb der Volksversammlung nötig gemacht hätten. Hier entzünde sich laut Hansen ein Diskurs innerhalb der Alten Geschichte: Wenn die Boule also die Sitzungen der Volksversammlung vorstrukturieren konnte, sei es dann überhaupt zutreffend, dass das athenische Volk in der Volksversammlung in freier Diskussion über diese Fragen entscheiden konnte oder habe sie nur die Dekrete der Boule gebilligt?

Gschnitzer, F., Griechische Sozialgeschichte […]

Gschnitzer, F., Griechische Sozialgeschichte. Von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Stuttgart: Steiner 22013, 150-208.

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Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Josephine Jung
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1) Gschnitzer legt zu Beginn des Textes die theoretische Grundlage seiner Untersuchung. Die klassische athenische Gesellschaft sei in Stände aufgeteilt (Textseite 151). Er beschreibt den Stand der Sklaven (Textseiten 153-156), den der Fremden (Textseiten 156-161) und den der Bürgerschaft (Textseiten 161-163). Erläutern Sie in je zwei Sätzen, deren kennzeichnende Merkmale.

2) Ein Großteil der Ausführungen bezieht sich auf den Faktor Wirtschaft. Nennen Sie die zwei großen wirtschaftlichen Betätigungsfelder im klassischen Athen (Textseiten 161-163) und beschreiben Sie diese in wenigen Worten.

3) Die wirtschaftliche Tätigkeit eines Bewohners von Athen war nicht direkt durch seinen Stand rechtlich vorgeschrieben. Das bedeutete, die Tätigkeiten konnten von allen Ständen ausgeführt werden (Textseiten 163-172). Erläutern Sie konkret an einem Beispiel die Überschneidung, die Ihnen persönlich besonders aufgefallen ist und erklären Sie warum.

4) Zwar ist die Tätigkeit eines freien griechischen Mannes eben nicht per Gesetz vorgeschrieben, aber es herrschte eine moralische Idealvorstellung. Welche nennt Gschnitzer und warum war sie seiner Meinung nach nicht nur ein Ideal, sondern zum Großteil auch Realität (Textseiten 172-178)?

5) Gschnitzer definiert auf der letzten Seite (Textseite 208) nur kurz den Begriff „athenische Demokratie“. Was versteht er Ihrer Meinung nach unter dem Phänomen und inwieweit steht seine Definition in Verbindung zum „System der Stände“ (u.a. Textseite 151) und den jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten der Bewohner Athens?

Kommentar

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Autor_in: Josephine Jung
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Forschungstradition des Autors

Prof. em. Dr. Fritz Gschnitzer († 27. Nov 2008) lehrte an der Universität Heidelberg das Fach Alte Geschichte. Er forschte vor allem zur griechischen Geschichte. Sein Fokus lag u.a. auf der mykenischen Schriftkunde, sogenannte Linear B-Schrift, auf den griechischen Inschriften sowie auf griechischen Staatsverträgen. Er sah den wichtigen Ursprung des antiken Griechenlands in der mykenischen Frühgeschichte, welche er auch in seiner Monographie zur Sozialgeschichte weitreichend erörtert.

Zur Monographie

Mit der 1981 erschienenen Monographie betrat Gschnitzer in der Forschung Neuland. Er nutzte den damals aktuellen soziologischen Zugang basierend auf der Theorie einer Ständegesellschaft bestehend aus Sklaven, Fremden und freien Bürgern. Heute wird die antike Sozialgeschichte von zahlreichen zusätzlichen Perspektiven aus den Sozialwissenschaften ergänzt. Altertumswissenschaft und Soziologie befruchten sich folglich immer noch. Gefragt wird heute nach Aspekten von Geschlecht, Emotionen, Sexualität, Gewalt oder Ritualen. Hervorzuheben ist, dass sein Zugang zur Sozialgeschichte vor allem auch durch eine politische und wirtschaftliche Perspektive geprägt ist. Das Werk ist im Jahr 2013 in einer zweiten, nahezu unveränderten Auflage, die auch hier verwendet wurde, mit einer ergänzenden Bibliographie erschienen. Es ist noch immer ein Standardwerk.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Zu Anfang seiner Ausführungen weist Gschnitzer inhaltlich auf vorherige Kapitel hin. Das vorliegende Kapitel ist das letzte in der Monographie. Er spricht zu Beginn von einer hohen Anzahl an unfreien Bauern, welche von Solon, einem großen Reformer, befreit wurden (Textseiten 150-151). Er beschreibt damit den Schuldenerlass, die sogenannte Seisachtheia. Athenische freie Bürger hatten sich selbst und ihr Land in letzter Instanz aufgrund sehr hoher Schulden in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Gläubiger begeben, um ihre Schulden zu tilgen. Dies war jedoch zumeist aufgrund der Höhe der Schulden nicht möglich. Sie verblieben daher in dieser Schuldknechtschaft. Solon beendete diese Praxis per Gesetz.

Grundsätzlich sollte im Hinblick auf die gesamte Darstellung betont werden, dass Athen als klassischer Stadtstaat in der Forschung vielfach im Vordergrund steht. Auch wenn Gschnitzer beständig auf andere Stadtstaaten wie Theben und natürlich Sparta verweist, so bleibt Athen immer der Hauptbezugspunkt, da Athen für den Historiker die Polis mit der besten Quellenlage ist.

Weiterhin ergänzt Gschnitzer sein Stände-Modell durch antik-griechische soziale Ordnungsprinzipien der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Einkommens (Textseiten 161-163). Bezüglich der wirtschaftlichen Tätigkeit werden Handwerk und landwirtschaftliche Tätigkeiten im weitesten Sinne unterschieden. Das Ordnungsprinzip Einkommen wird nicht direkt in Geldwert gemessen, sondern an der Verfügungsgewalt über Grund und Boden. Nicht der wohlhabende freie Bürger, war auch der angesehene und reiche Bürger. Reich war der „Besitzende“, der freie Eigentümer eines Stücks Land, welches er selbst bewirtschaften konnte. Die „Besitzlosen“ waren hingegen arm, völlig unabhängig von der Höhe ihres Einkommens.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass nicht der vermeintlich gut begüterte Bürger als Handwerker oder Händler reich war, er war ein πένης (penes), ein Mann, der für sein tägliches Auskommen arbeiten musste. Der mit vergleichsweise niedrigem Einkommen lebende freie Bauer mit seinem kleinen Stück Land war hingegen πλούσιος (ploúsios) – reich. Dass diese Darstellung nicht immer mit einem weitreichenden politischen Einfluss deckungsgleich war, betont Gschnitzer (Textseiten 163-178).

Deutlich tritt bei Gschnitzer eine Fragestellung hervor, die Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung und der damit einhergehenden Verarmung großer Bevölkerungsteile erstmals gestellt wurde. Er stellt fest, dass die Schere zwischen Arm und Reich im 4. Jahrhundert immer weiter aufging und er fragt, warum die Demokratie als Staatsform des Stadtstaates Athen diese Entwicklung nicht verhindern konnte. Er spricht von einem nicht eingesetzten Nivellierungsprozess (Textseiten 179-180). Er meint damit, dass die athenische Demokratie als System der gleichberechtigten Partizipation an der politischen Willensbildung selbst Vermögensunterschiede hätte ausgleichen sollen.

Diese moderne Fragestellung ist selbstverständlich an Gschnitzers Zeithorizont gebunden. Diese Forschungsperspektive ist jedoch nicht mit den Anforderungen der Athener an ihr eigenes politisches System gleichzusetzen. Gschnitzer hebt am Ende seiner Ausführungen selbst deutlich hervor, dass den Athenern die Idee einer finanziell egalitären Demokratie fremd war. Es sind uns keine geplanten Änderungen der ökonomischen und sozialen Strukturen bekannt. Zwar stand es jedem Bürger frei, unabhängig von seinem Vermögen jedes politische Amt bekleiden zu können, jedoch waren die höheren Ämter meist von den Vermögenden und Gebildeten besetzt. Nur sie waren zu diesen Ämtern auch befähigt und in der finanziellen Lage, diese Ämter, zumeist Ehrenämter, zu übernehmen (Textseiten 170, 179-187).

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Gehrke, H.-J., Alexander der Grosse […]

Gehrke, H.-J., Alexander der Grosse, München 62013, 85-101 (Kapitel IV und V).

 

Leitfragen

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Autor_in: Jan Seehusen
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1) Beschreiben Sie, wie Alexander sein Reich nach der Rückkehr vom Indienfeldzug konsolidierte (Textseiten 85-86).

2) Beschreiben Sie die den Ablauf der Massenhochzeit von Susa und erläutern Sie den von Gehrke angesprochenen Symbolcharakter, den die Hochzeit besaß (Textseiten 87-88).

3) Erklären Sie, warum das Dekret Alexanders, die Verbannten in die griechischen Städte zurückkehren zu lassen, für Verwirrung in den griechischen Poleis des Mutterlandes sorgte, und skizzieren Sie die Beziehungen Griechenlands zu Alexander am Ende seines Lebens (Textseiten 89-92).

4) Charakterisieren Sie das Königtum Alexanders (Textseiten 92-94) und gehen Sie besonders auf den persönlichen Zuschnitt der Herrschaft auf Alexander ein. Ziehen Sie ggf. den Podcast „Alexander“ (Hellenismus) heran.

5) Erklären Sie Gehrkes Deutung von Alexanders Persönlichkeit (Textseiten 98-100). Nehmen Sie danach unter Heranziehung eigener Beispiele Stellung zur folgenden These des Autors: „Gerade Alexander ist ein gutes, vielleicht das beste Beispiel dafür, daß in der Tat ganz erhebliche Veränderungen von welthistorischer Bedeutung durch das Handeln eines Individuums möglich sind“ (Textseite 99).

Kommentar

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Autor_in: Jan Seehusen
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Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. em. Hans-Joachim Gehrke ist für die Erforschung der griechischen Antike einer der führenden Althistoriker im deutschsprachigen Raum. Nach Promotion und Habilitation bei Alfred Heuß in Göttingen wurde Gehrke zunächst auf eine Professur an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, dann an die FU Berlin berufen. Von 1987 bis 2008 hatte er den Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg inne. Zu seinen wichtigsten Monographien zählen neben dem Auszug aus dem vorliegenden Band die ‚Geschichte des Hellenismus‘ und ‚Geschichte der Antike – Ein Studienbuch‘.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Der vorliegende Textauszug setzt am Ende von Alexanders Leben ein: Nach dem Ende des Indienfeldzuges im Jahre 324 galt es zunächst, das riesige Reich, das sich von Griechenland über Ägypten und Syrien bis nach Indien spannte, zu befrieden. Gehrke schildert zu Anfang die Aufstände der Söldnertruppen und Satrapen, die Alexander rasch und energisch niedergeschlagen habe (Textseite 85-86).

Charakteristisch für das Verständnis von Alexander ist die ebenfalls auch von Gehrke betonte Verbindung makedonischer und iranischer Herrschaftsrepräsentation, die sich nach Meinung des Autors besonders in der Massenhochzeit von Susa zeige (Textseite 87). Alexander sei mit etwa neunzig seiner engsten Gefolgsleute und 10.000 Soldaten Ehen mit Frauen aus der persisch-iranischen Spitze eingegangen; die Partnerschaften, die Makedonen bereits mit einheimischen Frauen führten, seien ebenfalls legalisiert worden (Textseiten 87-88). Der Herrscher selbst habe Stateira, die älteste Tochter des Dareios III., und Parysatis, die Tochter des Vorgängers Artaxerxes III., geheiratet. Nach einer genauen sozialen Rangabstufung hätten nun die Gefolgsleute des Herrschers auch Ehefrauen erhalten, so vermählte sich Hephaistion als engster der Hetairoi (Gefährten) mit einer anderen Tochter des Dareios. Entgegen früherer Meinungen deutet Gehrke die Massenhochzeit jedoch nicht als „generelle Verschmelzungspolitik“ (Textseite 88), sondern als „Rekrutierungsreservoir“ (Textseite 88), da die Nachkommen, die aus den Ehen hervorgegangen seien, als „Funktionseliten für Regierung und Militär“ (Textseite 88) dienen sollten.

Die Verbindung makedonischer und iranischer Herrschaftselemente führte sogar zu einer Aufstockung des Heeres mit iranischen Einheiten, die der makedonische Teil des Heeres mit Unbehagen betrachtete (Textseite 88). Dass Alexander seinen Beschluss, weitere Makedonen zu entlassen und als Veteranen anzusiedeln, gegen den entschiedenen Protest des Heeres durchsetzte, verdeutliche nach Gehrke den Zuschnitt der Herrschaft auf die absolute Figur des Königs Alexander (Textseite 89). Im Folgenden erläutert Gehrke dies im Hinblick auf das Königtum Alexanders in einer Art Herrschaftspyramide (Textseiten 92-93): Im Allgemeinen habe Alexander unterschiedliche lokale Traditionen der sehr heterogenen Bevölkerungsgruppen toleriert. Den Zusammenhalt im Reich hätte die makedonisch-iranische Elite garantieren sollen, die eng miteinander und vor allem auch durch freundschaftliche Bande mit dem König verbunden war. Unerreichbar habe an der Spitze jedoch Alexander als König gestanden, der in einer „‘Egokratie‘“ (Textseite 93) unbeschränkt über personelle und materielle Ressourcen verfügen konnte.

Kennzeichnend für Gehrkes Alexanderbild ist die Betonung des pothos, „des inneren Antrieb[s]“ (Textseite 100) des Herrschers, der die Eroberung des riesigen Reiches erst möglich gemacht habe. Alexander sei stets auf das Handeln der Heroen und Götter fixiert gewesen, habe sich selbst zu diesen zugehörig gefühlt und sein Handeln immer wieder auf diese bezogen (vgl. die Textseiten 98-100). Dieser Drang, Großes zu vollbringen und zu schaffen, sei eng mit einer Sachlogik gepaart gewesen, die zu professionellen militärischen Strategien und performativen Inszenierungen wie die Massenhochzeit in Susa geführt habe (vgl. Textseite 99): In dieser Kombination seien erst die Eroberung des Reiches und die vielfältigen Akkulturationsprozesse, die vor allem Alexanders Städtegründungen hervorriefen, möglich gewesen.

Funke, P., Athen in klassischer Zeit […]

Funke, P., Athen in klassischer Zeit, München: Beck ³ 2007, S. 14-29; 58-69.

 

Leitfragen

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Autor_in: Josephine Jung
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1) Funke erläutert die neue demokratisch-politische Struktur der athenischen Polis mit einem Schaubild (Textseiten 18-21). Versuchen Sie in wenigen Sätzen zu erklären, was Phylen, Trittyen und Demen sind und warum diese neue Struktur des Stadtstaates demokratischer war als die Vorherige.

2) Geschaffen wird ein neues Verfahren zur Verhinderung von Korruption, Landesverrat und Bestechung – der Ostrakismos -. Worin sehen Sie jeweils den größten Vor- und Nachteil des neuen politischen Machtmittels Ostrakismos (Textseiten 21-23)?

3) Fassen Sie zusammen: Welche politischen Organe werden geschaffen, die ein demokratisches Mitspracherecht der männlichen freien Bürger möglich machen (Textseiten 21-25)?

4) Funke erläutert die genauen Rahmenbedingen für das politische Mitspracherecht bei den Athenern. Nennen Sie die Bedingungen für den Status eines athenischen Vollbürgers und erläutern Sie mindestens drei gesellschaftliche Vorteile für Vollbürger außerhalb der politischen Sphäre (Textseiten 58-61). Vergleichen Sie diese Darstellung vor allem auch mit den Nachteilen für Sklaven und Fremde (Textseiten 63-66).

5) Funke erörtert die besonderen wirtschaftlichen Rechte und Pflichten für Vollbürger (Textseiten 61-62). Worin bestehen für Sie die drei größten Unterschiede zwischen den sozialen und kulturellen Verpflichtungen des deutschen Staates gegenüber seinen Bürgern (z.B. Sozialhilfe, Rente, Straßenbau, Rundfunk, Theater) und den Leiturgien der Athener?

Kommentar

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Autor_in: Josephine Jung
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Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Peter Funke lehrt seit 1988 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster das Fach Alte Geschichte. Es ist Experte für die griechische Geschichte. Er forscht vor allem zur politischen Geschichte sowie zur Verfassungsgeschichte und greift dabei gleichzeitig immer auf die soziale Wirklichkeit zurück. Darüber hinaus ist er der griechischen Epigraphik stark verbunden. Sein Werk ‚Athen in klassischer Zeit‘ ist in der Reihe ‚Wissen‘ vom Beck Verlag bereits in der dritten Auflage erschienen.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Zu Beginn des Textabschnittes greift Funke auf die vorherige politische Struktur der Tyrannis zurück (Textseiten 15-16). Er erläutert, in welcher Weise die Tyrannis den Weg für die Demokratie geebnet hatte. Die athenische Tyrannis, die Vorherrschaft eines Mannes vor allen anderen adligen Familien in Athen, ermöglichte eine lange Friedenszeit seit der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. Der Tyrann Peisistratos veränderte die bestehenden politischen Strukturen für die freien Bürger und die Adligen nicht. Er hatte lediglich eine Vormachtstellung. Diese Friedenszeit war jedoch an einen charismatischen Herrscher gebunden, der die Machtkämpfe der Adligen in die richtigen Bahnen zu lenken wusste. Die Söhne des Peisistratos Hippias und Hipparchos konnten diese Herrschaft des Vaters nicht behaupten. Sie wurden für die Bevölkerung Athens zum Sinnbild des machthungrigen Tyrannen.

Der zweigeteilte Textausschnitt behandelt zunächst die politischen Entwicklungen Athens während des Umbruchs zur Demokratie mit dem Ende des 6. Jhs v. Chr. Funke erläutert detailliert die besondere Bedeutung der veränderten politischen Organisation der athenischen Bürger (Textseiten 17-20). Wichtig ist es hervorzuheben, dass das alte politische Ordnungssystem, das gentilizische, auf großen Familien- bzw. Ahnenverbänden basierte. Funke behauptet, dieses System sei fiktiv (Textseite 17). Er meint damit, dass sich ein Familienverband, gemeint ist hier eine sehr große Gruppe an Menschen zu mehreren 1000 Personen, über einen bestimmten fiktiven Ahnvater oder eine Familie definierte. Die neue Ordnung, die von Kleisthenes eingeführt wurde, durchbricht diese Strukturen indem neue territoriale Ordnungssysteme geschaffen wurden, die nicht zwingend auf lokaler Nähe beruhten, sondern vor allem die gleiche Anzahl an Vollbürgern für jede Verwaltungseinheit garantieren sollten (Textseiten 20-22)

In diesem Zusammenhang kann auch die Veränderung der politischen Strukturen bereits unter Solon im frühen 6. Jh. v. Chr. näher erläutert werden. Solon wurde dazu berufen, grundlegende Reformen durchzuführen. Am politischen System des frühen Athens änderte er, wie Funke kurz erwähnt, die Möglichkeit der Teilhabe an der Polis. Solon knüpft sie an das Vermögen der Bürger (Textseite 17). Er teilte die Bürger in vier Vermögensklassen ein, wobei er bereits auf vorherige Strukturen zurückgriff. Solon gab jedoch jedem Bürger, abgestuft nach Einkommen, ein politisches Mitspracherecht. Die größte Gruppe unter der Bevölkerung war die vierte, die der Theten. Diese Gruppe hatte das Recht an den Vollversammlungen teilzunehmen, dort selbstverständlich abzustimmen und Richter zu sein. Weitere Ämter waren ihnen jedoch verwehrt. Durch Kleisthenes‘ Reformen hatten alle Bürger mehrere Vertreter ihrer Gemeinde im Rat, die für sie sprechen konnten (Textseite 23). Zuvor konnte sich jeder nur durch seine eigene Stimme selbst in der Vollversammlung vertreten.

Funke führt anschließend die Rechte und Pflichten der athenischen Bürger aus. Er nennt den Besuch des Theaters ein Privileg des athenischen Bürgers (Textseiten 60-61). Das Besondere am Thea-terbesuch war im 4. Jahrhundert jedoch nicht der gewährte Zutritt, sondern die Besoldung für den Besuch. Der athenische Vollbürger musste also für seinen Besuch keinen Eintritt zahlen, sondern die Polis subventionierte die Teilhabe. Es handelte sich gewissermaßen um eine politische Erziehung und einen Dienst am Gemeinwesen.
Weiterhin erläutert Funke auf Textseite 62, dass die Leiturgien, die Finanzierung von verschiedenen öffentlichen Aufgaben durch wohlhabende Bürger und Fremde, immer teurer wurden. Eine einzige Leiturgie, zum Beispiel die Finanzierung eines Festes, teilweise für die gesamte Polis, wurde so aufwendig und teuer, dass ein einzelner Bürger oder Fremder, trotz seines hohen Vermögens, diese Last nicht mehr tragen konnte. Das sogenannte Symmorien-System des 4. Jahrhunderts, welches Funke nennt, fing dieses Ungleichgewicht auf. Eine Symmorie bestand aus einer festen Anzahl von Bürgern mit jeweils unterschiedlich hohem Vermögen. Als Gruppe verfügten sie aber über das gleiche Vermögen wie alle anderen Symmorien. Lasten wurden somit gleichmäßiger verteilt.

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Flaig, E., Politisierte Lebensführung […]

Flaig, E., Politisierte Lebensführung und ästhetische Kultur: eine semiotische Untersuchung am römischen Adel, in: Historische Anthropologie 1, 1993, 193-217.

 

Zum Artikel

Der folgende Artikel markiert in herausragender Weise die Wende zur Kulturanthropologie in der Alten Geschichte und wurde deshalb ausgewählt. Später musste der Autor nach einem Forschungsdiskurs, der sich um diesen Artikel entspann, jedoch einige Hypothesen zurücknehmen. Die Ergebnisse dieser Forschungsdiskussionen schlugen sich nieder in folgender Publikation: Flaig, E., Ritualisierte Politik: Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
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1) Fassen Sie in höchstens fünf Sätzen das Thema des Aufsatzes zusammen, das E. Flaig im ersten Kapitel beschreibt (1. Politisches System und plebeischer Gehorsam, Textseiten 193-197).

2) Beschreiben Sie, wie ein römischer Adliger in der Öffentlichkeit stets seine Toga zu tragen hatte und erläutern Sie, inwiefern die Toga seitens der römischen Adligen ein „semiotisches Angebot an die Unterschichten“ (S. 202) war (Textseiten 202-203).

3) Definieren Sie das römische Klientel wie seine Besonderheiten (Textseite 210) und stellen Sie die ersten zwei Konsequenzen dar, die sich für den Patron im Umgang mit dem Beherrschten ergeben (Textseite 211).

4) Auf der Basis der römischen Klientel stellt Flaig sieben verschiedene Verhaltensweisen dar, mit denen der römische Adel sich das Wohlwollen der Plebs sichern und zu militärischen Opfern anspornen konnte (Textseiten 211-213). Beschreiben Sie die Verhaltensweisen unter 4., 5. und 6. und erklären Sie, wie diese Verhaltensweisen den Adligen zum Wohlwollen der Plebs verhalfen.

5) Viele Forscher sprechen davon, dass sich das Militärwesen in der Zeit der Krise der Römischen Republik entscheidend veränderte: Feldherren rüsteten besitzlose Proletarier zu Soldaten aus, sicherten deren Versorgung und wurden demnach zu deren Patronen, die Proletarier wiederum zur Klientel der Feldherren (vgl. Podcast V: Sulla und die Bürgerkriege). Erläutern Sie vor dem Hintergrund des Aufsatzes von E. Flaig die Auswirkungen, die diese Veränderung des Militärwesens für die Interessen der Feldherren mit sich brachte. Nennen Sie danach ein Beispiel für eine solche Beziehung in der Krise der Römischen Republik.

 

Kommentar

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Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. em. Egon Flaig war bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2014 auf dem Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität Rostock tätig. Kennzeichnend für Flaigs Forschung ist insbesondere sein interdisziplinäres Arbeiten, das Theorien aus der Soziologie und Anthropologie für die Alte Geschichte fruchtbar zu machen sucht. Aufgrund von Flaigs Beschäftigung mit der politischen Geschichte im Römischen Reich wird seine Herangehensweise daher auch als ‚politische Anthropologie‘ bezeichnet. Flaig nimmt neben seiner fachlichen Arbeit äußerst rege an öffentlichen Diskursen teil; beispielhaft sei an dieser Stelle nur sein Essay ‚Der Islam will die Welteroberung‘ genannt, der die Öffentlichkeit polarisierte.

Im vorliegenden Aufsatz ist von großer Bedeutung, dass der Verfasser das Konzept der Semiotik (d.h. der Zeichenlehre) auf die Epoche der Römischen Republik anwendet. Wie können bestimmte politische Handlungsweisen des Römischen Adels als zeichenhaft, d.h. symbolisch, verstanden werden? Der Autor erhofft sich durch die Anwendung dieser Theorien ein tieferes Verständnis der politischen Kommunikation und römischen Kultur (vgl. Textseite 193).

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Als Ausgangspunkt einer Erklärung für die militärische Opferbereitschaft der Plebs fokussiert Flaig sich auf ‚Performanzen‘ des Adels, d.h. dessen öffentliche Inszenierung, die das Ziel hatte, die Plebs von der Rechtmäßigkeit der adligen Herrschaft zu überzeugen und die Opferbereitschaft für die militärischen Unternehmungen des Adels aufrecht zu erhalten (Textseite 197). Im Folgenden betrachtet Flaig pro Kapitel verschiedene Felder dieser Performanzen, welche die Zeichenhaftigkeit der politischen Kultur in der Römischen Republik verdeutlichen.

Voraussetzungsreich ist dabei das Kapitel ‚2. Agonalität und Rangklassensystem‘, in dem man den Unterschied zwischen dem griechischen und römischen Adel verstehen muss. Der griechische Adel war im Gegensatz zum römischen von der Archaik an durch ‚Agonalität‘ geprägt, d.h. durch die Konkurrenz der Adelsmitglieder in verschiedenen Bereichen (Kampf, Sport, musische Künste). Da sich ein römischer Adliger nicht durch diese Agonalität, sondern durch das von ihm innegehabte Amt im Zuge der Ämterlaufbahn (cursus honorum) qualifizierte, meint Flaig, dass sich „Konkurrenz, Rivalität und Streit“ (S. 198) in Rom auf die politischen Ämter beschränkt hätten und damit von Anfang an stärker limitiert gewesen seien als in Griechenland.

Flaig versucht auch in den anderen Kapiteln, Unterschiede zwischen dem antiken Griechenland und Rom und die daraus folgende Zeichenhaftigkeit der Inszenierung des römischen Adels deutlich werden zu lassen. Nachfolgend wird auf einzelne Kapitel verwiesen: Römische Kleidung sei im Gegensatz zu griechischer differenzierter gewesen und habe auf den sozialen Status und das politische Amt ihres Trägers hingedeutet (Kapitel 3); darüber hinaus sei die römische Ahnenverehrung im Gegensatz zum griechischen Totenkult durch den Vergleich eines römischen Adligen mit seinen Vorfahren geprägt gewesen (Kapitel 4). Im Rahmen dessen wurde der römische Adlige seitens der römischen Aristokratie und der Plebs an seinen Verdiensten um die res publica, d.h. den römischen Staat, im Vergleich mit seinen Vorfahren gemessen. Das Bemühen der adligen Nachfahren, es ihren Verwandten gleichzutun, inszenierte den römischen Adel in den Augen der Plebs als Träger einer umfassenden politischen Fürsorge wie Verantwortung für die Gemeinschaft (Textseiten 203-207).

Das Kernstück von Flaigs Artikel ist das römische Klientelwesen, auf dessen Definition der Autor nur kurz zu sprechen kommt (Textseite 210), welches aber für das Verständnis der römischen Gesellschaft von eminent wichtiger Bedeutung ist. Das zentrale Merkmal des römischen Klientelwesens ist das wechselseitige Nah- und Treuverhältnis zwischen einem Patron und einem Klienten. Der Patron (Schirmherr) wahrte die Interessen seines Klienten, z.B. vor Gericht, während der Klient sich zu Dienstleistungen, wie dem leiblichen Schutz des Patron, verpflichtete. Flaig meint nun, in sieben verschiedenen „charakteristischen Gesten“ (S. 211) des römischen Adels, die im oben genannten Sinne als zeichenhaft zu verstehen sind, zeige sich das römische Klientelwesen. Diese sieben Gesten erläutert er auf den Folgeseiten (Textseiten 211-213).

Christ, K., Sulla. Eine römische Karriere […]

Christ, K., Sulla. Eine römische Karriere, München: Beck 42011, 122-155. (V. Diktatur und VI.I Wirkung. Die Destruktion der sullanischen Ordnung)

 

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
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1) Fassen Sie in höchstens vier Sätzen das Ziel, die Motivation und den Charakter des Sullanischen Gesetzeswerkes zusammen, das der Diktator um 80 v. Chr. erließ (Textseiten 122-124).

2) Skizzieren Sie im Folgenden das Reformwerk Sullas im Hinblick auf den Senat, die Magistrate, die Ritter, die Plebs, die Volkstribune, die Gerichtshöfe und die römische Religion (Textseiten 124-130). Erläutern Sie anschließend, inwiefern diese zu einer Stärkung der senatorischen Macht führten.

3) Schildern Sie die Lage nach Sullas Tod und gehen Sie dabei besonders auf die Rolle des Pompeius ein (Textseiten 140-145). Erläutern Sie dann, in welchen Bereichen das Sullanische Gesetzeswerk zurückgenommen wurde (Textseiten 146-147) und in welchen es Bestand hatte (Textseite 154).

4) Christ geht in dem vorliegenden Auszug ebenfalls darauf ein, dass spätere Feldherrn und Lenker der späten Römischen Republik ähnlich wie Sulla handelten. Der Autor schreibt: „Sullas Handeln wurde dann in den neuen Bürgerkriegssituationen von 49 und 43 v. Chr. in erschreckender Weise wiederholt oder zumindest geplant“ (Textseite 154). Beurteilen Sie dieses Zitat im Zusammenhang mit den Protagonisten, die Sie aus dieser Zeit kennen. Ziehen Sie bei Unsicherheiten ggf. den Podcast 6 (Römische Republik) zu Rate.

Kommentar

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
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Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Karl Christ (†) war Professor für Alte Geschichte an der Universität Marburg. Nach dem Studium und der Promotion in Tübingen und Zürich habilitierte er sich 1959 in Marburg, wo er danach den Lehrstuhl für Alte Geschichte innehatte. Trotz Rufen an die Universitäten Aachen und Zürich forschte und lehrte er dort bis zu seiner Emeritierung 1988.

Christs großes Vermächtnis, das er der Alten Geschichte hinterlassen hat, besteht vor allem in der Veröffentlichung von Standardwerken wie der ‚Römischen Geschichte‘, die bis heute in Studium, Forschung und Lehre Eingang finden. Christ, der vor seinem Studium bis 1944 im Kriegsdienst war und danach in sowjetische Gefangenschaft geriet, beschäftigte sich ebenfalls mit der Geschichte des Nationalsozialismus; sein akademischer Schüler Volker Losemann wurde über die Rolle des Fachs Alte Geschichte im Nationalsozialismus promoviert.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Karl Christ widmet sich in seinem vorliegenden Buchauszug einer prominenten Gestalt der späten Römischen Republik, deren Handeln für andere Potentaten dieser Zeit wegweisend werden sollte: Lucius Cornelius Sulla. Als römischer Konsul stieg Sulla im cursus honorum der Republik auf und konnte sich gegen den popularen Politiker und Feldherrn Marius durchsetzen, um den Oberbefehl im Krieg gegen Mithridates VI. zu erhalten. Für Sullas Handeln ist erstens sein erster Marsch auf Rom von Bedeutung, den er vollzog, um sich dieses Oberbefehls zu versichern und politische Gegner kaltzustellen. In einer bisher beispiellosen Grausamkeit fanden die ersten Proskriptionen statt: die Verfolgung und Ermordung politischer Gegner, deren Vermögen daraufhin eingezogen wurde.

Der vorliegende Textauszug setzt nach dem Krieg gegen Mithridates (auch der 1. Mithridatische Krieg) ein. Als Sulla sich in erneuten Schlachten und einem zweiten Marsch auf Rom gegen weitere politische Oppenenten durchgesetzt hatte, erließ er sein Gesetzeswerk, das Althistoriker bis heute beschäftigt. Kennzeichnend für die sogenannten leges Corneliae ist Sullas Handeln als Optimat, d.h. als konservativer Politiker der Senatorenschicht. Sullas Gesetze, denen seine Stellung als vom Senat offiziell ernannter Diktator zugrunde gelegen habe (Textseite 122), seien nicht mit dem Ziel zur Errichtung einer „absoluten Monarchie“ (Textseite 122), sondern zur Restitution der aristokratischen Machtstellung (v.a. des Senats) erlassen worden (Textseite 122). Dementsprechend seien ebenfalls alte Traditionen respektiert und beibehalten, aber auch ergänzt worden (Textseite 123). Insgesamt lasse sich deutlich erkennen, dass es keine „Summe von Einzel- oder Fallentscheidungen“ (Textseite 123), die Sulla traf, sondern dass die Gesetze Teil eines umfassenden Corpus mit der eben erläuterten Motivation waren (Textseiten 123-124).

Dies soll an ausgewählten Stellen deutlich gemacht werden, die Christ bespricht. Der Senat sei die bedeutendste Institution unter Sulla geworden; Christ verdeutlicht dies daran, dass die Zahl der Senatsmitglieder auf 600 erhöht worden sei (Textseite 124). Alle 20 Quaestoren, d.h. die Magistrate mit dem niedrigsten Amt, seien nach dem Ablauf ihrer einjährigen Amtszeit automatisch in die Körperschaft aufgenommen worden (Textseite 124). Der Konsulat sei unter dem Diktator ebenfalls gestärkt worden: Allein die Zunahme der Kompetenzen des Senats, den der Konsul leitete, verdeutliche dies (Textseite 126). Wichtige weitere Maßnahmen Sullas seien ebenfalls die Beschneidung des Volkstribunats, das vor Sulla ein Vetorecht für die Gesetze des Senats besaß, und die ausschließliche Besetzung der Gerichtshöfe für Straftatbestände mit Senatoren gewesen (Textseite 128-129).

Christ ist deutlich um eine differenzierte Beurteilung der Sullanischen Reformen bemüht und wendet sich etwa gegen die in der Forschung verbreitete Meinung, das Volkstribunat sei durch Sulla „völlig kupiert“ (Textseite 128) worden. Dennoch kann er nicht umhin auszuführen, dass Sullas Handeln von seinen Nachfolgern vielfach kopiert und so der Fall der Republik beschleunigt wurde (Textseiten 152-153). Führt man sich bekannte Beispiele vor Augen, steht an vorderster Stelle die Überquerung des Rubicon durch Caesar und dessen Marsch auf Rom im Jahre 49 v. Chr., als der Senat vom Feldherrn die Niederlegung seines Konsulates und die Auflösung seines Heeres forderte. Was die unter Sulla erstmals durchgeführten Proskriptionen betrifft, so ist vor allem auf den Terror des Zweiten Triumvirats, bestehend aus Marcus Antonius, Octavian und Lepidus, hinzuweisen, dem als berühmteste Figur Cicero 43 v. Chr. zum Opfer fiel.

 

 

Alföldy, G., Römische Sozialgeschichte […]

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
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1) Alföldy beginnt in dem hier wiedegegebenen Auszug damit, den Strukturwandel innerhalb der Römischen Gesellschaft im zweiten Jahrhundert v. Chr. zu beschreiben. Stellen Sie in eigenen Worten die Führungsposition des römischen Adels (Textseiten 63-67), den zunehmenden Einfluss der römischen Ritter (Textseiten 68-70), den Niedergang des römischen Bauerntums (Textseiten 71-73) und die Lage der römischen Sklaven (Textseiten 75-79) dar.

2) Auf den Folgeseiten (79-82) wird der Weg in die Krise der Römischen Republik skizziert. Nennen und erläutern Sie mindestens drei der Hauptfaktoren, die in die Krise führten.

3) In der heutigen althistorischen Forschung wird kaum noch von einer ‚Revolution‘ als Bezeichnung für die kontinuierlichen Bürgerkriege Roms zwischen 133-30 v. Chr. gesprochen. Der Begriff ‚Krise‘ hat sich dahingegen vielfach etabliert. Beschreiben Sie in Bezug auf Alföldys Darstellung (Textseiten 85-87), warum sich der Begriff ‚Revolution‘ nicht zu eignen scheint.

4) Nennen Sie die vier Haupttypen der Konflikte während der Krise der Römischen Republik (Textseite 87). Begründen Sie anschließend, warum der vierte Haupttyp die meisten und blutigsten Konflikte der Römischen Republik auslöste (Textseiten 88-89). Ziehen Sie bei Unsicherheiten ggf. den Podcast 4 (Römische Republik) zu Rate.

5) Zählen Sie die Sklavenkriege Roms (Textseiten 90-92) und die Konflikte Roms mit der unterdrückten Bevölkerung aus den Provinzen (Textseiten 93-94) auf. Erläutern Sie dann, warum diese Aufstände keine Veränderungen innerhalb des römischen Gesellschaftssystems hervorriefen.

6) Alföldy schreibt:

„Ferner wurde der soziale Inhalt der Konflikte zwischen Optimaten und Popularen immer stärker in den Hintergrund gedrängt, während die Bedeutung der Frage nach der politischen Macht auf Schritt und Tritt zunahm, bis am Schluss nur noch um die Herrschaft einzelner politischer Gruppierungen und vor allem ihrer Führer gerungen wurde.“ (Textseite 88)

Erklären Sie dieses Zitat im Hinblick auf die im Textauszug weiter hinten geschilderten politischen Konflikte der Römischen Republik ab den Heeresreformen des Marius (Textseiten 100-107).

Kommentar

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Jan Seehusen
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Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Géza Alföldy (†) zählt zu den herausragenden Forschern der Alten Geschichte aus den letzten Jahrzehnten. Nach Professuren in Bonn und Bochum war er von 1975-2002 Professor für Alte Geschichte an der Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählten unter anderem die Römische Epigraphik und die Römische Sozial-, Heeres- und Verwaltungsgeschichte. Alföldy wirkte in vielfacher Hinsicht für die Alte Geschichte, neben der Vielzahl der betreuten Promotionen und Habilitationen ist der Aufbau der Epigraphischen Datenbank Heidelberg hervorzuheben (http://edh-www.adw.uni-heidelberg.de/home?lang=de), die über 70.000 lateinische Inschriften aus den Provinzen des Römischen Reiches beinhaltet. Zu Alföldys breitem literarischen Œuvre, das mehrere Standardwerke beinhaltet, zählt die ‚Römische Sozialgeschichte‘, aus der der folgende Auszug entnommen ist.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Alföldy widmet sich in diesem Textauszug einem vielbeachteten Themenkomplex der althistorischen Forschung; der sogenannten ‚Krise‘ der Römischen Republik, die eine lange Kette von Bürgerkriegen im Zeitraum von 133-30 v. Chr. beschreibt und politisch in der Etablierung des römischen Kaisertums unter Augustus, dem ersten römischen Kaiser, mündet. Al-földy beschreibt an dieser Stelle, inwiefern die Krise aus dem Zusammenhang zwischen den römischen Expansionen in Ost und West, insbesondere nach dem Zweiten Punischen Krieg (218-201 v. Chr.), sowie den sozialen Verschiebungen innerhalb der römischen Schichten und den daraus resultierenden Konflikten zu erklären ist.

Zentral für das Verständnis der Krise sind dabei die Strukturmerkmale, die nach Alföldy die verschiedenen römischen Schichten im zweiten Jahrhundert v. Chr. aufweisen. Innerhalb des römischen Adels habe die Nobilität, eine Elite von ungefähr 25 Familien, hartnäckig die höchsten Ämter der Römischen Republik, die Prätur und den Konsulat, in ihrer Hand behalten; Rittern sei ein Aufstieg zu diesen Ämtern kaum möglich gewesen (Textseiten 63-65). Neben diesem Reibungspotenzial, das zu Unzufriedenheit wirtschaftlich mächtiger, aber politisch machtloser Familien geführt habe (Textseiten 65-67), hätten die Mitglieder der Nobilität selbstverständlich auch untereinander um die Macht im Staat konkurriert.

Der wirtschaftliche Aufstieg des Ritter- und Senatorenstandes ging laut Alföldy allerdings zulasten der Unterschichten, von denen hier exemplarisch die Lage der Bauern geschildert wird (Textseiten 71-79). Infolge des Zweiten Punischen Krieges habe sich die Lage der Bauern erheblich verschlimmert: Der Blutzoll im Krieg gegen Hannibal sei riesig gewesen und die Kriegsjahre hätten zu einer Zerstörung der landwirtschaftlichen Geräte und zur Schlachtung des Viehs geführt (Textseiten 71-72). Hinzu kam eine ganz eigene Entwicklung, auf die Alföldy mehrfach zu sprechen kommt, da sie von entscheidender Bedeutung ist: Großgrundbesitzer kauften mit ihren finanziellen Mitteln die Agrarflächen der Bauern auf, worauf diese ihrerseits ihrer Existenzgrundlage beraubt waren und in großer Zahl nach Rom strömten oder sich als Tagelöhner auf den riesigen Latifundien der Großgrundbesitzer verdingten (Textseiten 72-73). Die Präsenz der besitzlosen Bauern in Rom sowie die Bildung eines dortigen Proletariats habe seinerseits für großen Sprengstoff innerhalb der Hauptstadt des Reiches gesorgt.

 

Unter anderem die Frage, wie mit der Lage der Bauern umzugehen war, führte schließlich dazu, dass sich ab 133 eine Bewegung um die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus bildete, um die aufgetretenen Probleme durch Reformen zu lösen. Ein Hauptanliegen der Brüder war es, die Agrarfrage zu lösen und ein Agrargesetz zu verabschieden, das niemandem eine größere Agrarfläche als 500 Joch zusprach und verelendeten Bauern ein Grundstück von 30 Joch zuteilt (Textseiten 97-99). Beide Brüder wurden jedoch aus konservativen Kreisen des römischen Adels ermordet, und in der Folge etablierte sich als Haupttyp der Konflikte während der Krise der Römischen Republik die Auseinandersetzung zwischen den Popularen, reformbereiten Politikern, und Optimaten, konservativen Oligarchen.

Weder die Sklavenaufstände, die blutig niedergeschlagen wurden und durch das Fehlen eines einheitlichen Interesses und einer revolutionären Ideologie gescheitert seien (Textseiten 89-91), noch die Auseinandersetzungen mit den Italikern, die durch die Verleihung des Bürgerrechts an alle Italiker (89 v. Chr.) beendet wurden (Textseiten 94-95), hätten Rom dermaßen in den Strudel von Bürgerkriegen gezogen wie die Konflikte mächtiger Potentaten aus diesen Kreisen. Entscheidend ist, und das betont Alföldy an mehreren Stellen (beispielsweise Textseite 88), dass sich die Konflikte der Popularen und Optimaten am Anfang, wie das Beispiel der Gracchen veranschaulicht, um die Lösung der sozialen Probleme drehten, später jedoch lediglich das militärische Ringen um politische Macht im Vordergrund stand.

Grundlage dieses Ringens war die Heeresform des popularen Politikers Marius 103 v. Chr., die Alföldy am Ende dieses Auszugs schildert (Textseite 100). Während römische Soldaten zuvor aus dem Bauernstand rekrutiert wurden, der seine Ausrüstung auf eigene Kosten stellte, rüstete Marius nun besitzlose Proletarier auf Staatskosten aus und war sowohl für ihren Sold als auch für die Zuteilung von Land als spätere Veteranen zuständig (Textseiten 100-101). Diese Reform machte Schule: Die Folge war, dass die Bindung zwischen Feldherrn und Soldaten so sehr gestärkt wurde, dass sich mächtige Feldherrn Privatarmeen aufstellen konnten, die sie als sogenannte ‚Klientel‘ nutzten, um eigene Interessen durchzusetzen (vgl. auch Podcast Römische Republik V: Sulla und das Zeitalter der Bürgerkriege): Weder der Auftritt mächtiger Gestalten des ersten Jahrhunderts v. Chr. wie Sulla und Caesar, deren Biographien Alföldy auf den Textseiten 102-103 schildert, noch der Aufstieg des jungen Octavian zum Kaiser Augustus lässt sich ohne diese Reform erklären.

Alföldy, G., Augustus […]

Leitfragen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Josephine Jung
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1) Alföldy beschreibt die Funktion der Inschriften unter den veränderten Herrschaftsbedingungen des Prinzipats durch Kaiser Augustus. Nennen Sie die unterschiedlichen Formen von Inschriften, die Alföldy in seinem Aufsatz unter den Gliederungspunkten zwei bis sechs untersucht.

2) Definieren Sie in eigenen Worten in je einem Satz die jeweilige Art von Inschrift, die Sie eben unter erstens genannt haben.

3) Geben Sie jeweils ein Beispiel und nennen Sie die Besonderheiten, die nach Alföldy die epigra-phische Gestaltung der Inschrift unter Augustus von der vorherigen Gestaltung in der Römischen Republik unterscheiden.

4) Alföldy stellt an den Beginn seines Aufsatzes zwei leitende Fragestellungen (Textseite 202). Er fragt als erstes nach der Bedeutung der Inschriften für den Kaiser als Politiker. Versuchen Sie, diese Frage für die eben genannten Inschriften zu beantworten.

Kommentar

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Josephine Jung
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Forschungstradition des Autors

Prof. Dr. Géza Alföldy (†) zählt zu den herausragenden Forschern der Alten Geschichte aus den letz-ten Jahrzehnten. Nach Professuren in Bonn und Bochum war er von 1975-2002 Professor für Alte Geschichte an der Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählten unter ande-rem die Römische Epigraphik und die Römische Sozial-, Heeres- und Verwaltungsgeschichte. Alföldy wirkte in vielfacher Hinsicht für die Alte Geschichte, neben der Vielzahl der betreuten Promotionen und Habilitationen ist der Aufbau der Epigraphischen Datenbank Heidelberg hervorzuheben (http://edh-www.adw.uni-heidelberg.de/home?lang=de), die über 70.000 lateinische Inschriften aus den Provinzen des Römischen Reiches beinhaltet. Zu Alföldys breitem literarischen Œuvre, das meh-rere Standardwerke beinhaltet, zählt die ‚Römische Sozialgeschichte‘, aus der der folgende Auszug entnommen ist.

Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis

Alföldy widmet sich in seinem Aufsatz einer der großen Persönlichkeiten der römischen Antike. Die Erforschung des ersten Kaisers des Römischen Reiches hat eine weitreichende Tradition in der Alten Geschichte. Dem modernen Forscher des 21. Jhs. erscheint es oft so, dass zu „großen“ Personen der Geschichte, wie Caesar, Pompeius, Cicero oder eben Augustus nichts Neues mehr gesagt werden könnte. Alföldy zeigt jedoch, dass eine Quellengattung kaum systematisch untersucht worden war. Die Inschriften, die später z.B. von Kolb als Kommunikationsmedien bezeichnet und untersucht wurden, waren 1991 nicht ins Zentrum der Beobachtung geraten.

Alföldy sieht sich selbst als ein kritischer Historiker der Nachkriegszeit. Von dem verklärten Au-gustus-Bild des deutschen Faschismus distanziert er sich und fragt einerseits nach der Bedeutung der Inschriften als Medium für das politische Programm des Augustus. Andererseits fragt Alföldy, ob die Inschriftenkulutur des Augustus weitreichenden Vorbildcharakter für das gesamte Reich hat-te. Folglich sieht Alföldy Augustus nicht als einen später ideologisch verklärten Alleinherrscher, sondern in einem moderneren Sinne als Politiker.

Bezüglich der ersten Fragestellung ist es wichtig zu klären, was grundsätzlich unter einem politi-schen Programm des Augustus verstanden werden kann. Inwieweit kann man von Augustus tatsäch-lich als Politiker sprechen?

Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich der „Beruf“ des Politikers einerseits erst in der späten Römi-schen Republik etablierte. Andererseits gab es erste Entwicklungen bereits im 3. Jh. v. Chr. Die Fa-milie der Scipionen war erstmals über Generationen hinweg immer wieder in den höchsten politi-schen Ämtern vertreten. Erste namhafte Persönlichkeiten der späten Republik waren u.a. Tiberius Sempronius Gracchus, sein Bruder Gaius Sempronius Gracchus und Lucius Cornelius Sulla Felix. Wohlhabende römische Bürger waren sowohl finanziell als auch durch ihre finanziellen Mittel durch Schulbildung intellektuell dazu befähigt, den cursus honorum, die römische Ämterlaufbahn zu ab-solvieren. Bezahlt wurden Sie für ihre Dienste von Staats wegen jedoch nicht. Dahingehend unter-scheidet sich der moderne vom antiken Politiker.

Innerhalb dieses Systems der Römischen Republik, welches vor allem auf kurzen Amtszeiten basier-te, war es für den Inhaber eines Amtes sehr schwierig, ein wirkliches Programm zu verfolgen. Ein-zelne größere Reformen, wie die Gracchische Reform, bei der es um Landverteilung ging, waren möglich, aber auch nur als einzelne Aktionen. Die Politik der Römischen Republik bestand vor allem in der Spätzeit des 2. bis 1. Jhs. v. Chr. vielmehr aus einem Wechselspiel von persönlichen Bindun-gen und Abhängigkeiten sowie der Suche nach dem eignen Vorteil.

Augustus etablierte eine Politik, die er vor allem durch Kunst (Textseite 292) und Architektur, das „Bauprogramm“ des Augustus, zum Ausdruck brachte (u.a. Textseite 293-294, 306). Er konnte durch seine herausragenden dauerhaften Ämter seine eigene Agenda durchsetzen, die jedoch grund-sätzlich von modernen politischen Programmen zu unterscheiden ist. Das Programm beinhaltete letztlich vor allem die Legitimation seiner Stellung und die Machterhaltung (Textseite 323), jedoch hatte es auch darüber hinausgehende inhaltliche Schwerpunkte. Folgende Aspekte sind hervorzuhe-ben: 1. Augustus als Friedenstifter, der nach dem Bürgerkrieg in der Spätphase der Republik ein stabiles politisches System ermöglichte (Textseiten 305-312); 2. Augustus als Eroberer, der das Rö-mische Reich massiv vergrößerte (Textseiten 299-302); 3. Augustus als Wahrer der Sitten und Moral. Der letzte Faktor spielt jedoch für Alföldy keine weitreichende Rolle.

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