Der 3. karthagisch-römische Vertrag (Philinosvertrag)

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Polybios
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Pol. III, 26,1-7 – Original

τούτων δὴ τοιούτων ὑπαρχόντων, καὶ τηρουμένων τῶν συνθηκῶν ἔτι νῦν ἐν χαλκώμασι παρὰ τὸν Δία τὸν Καπετώλιον ἐν τῷ τῶν ἀγορανόμων ταμιείῳ, [2] τίς οὐκ ἂν εἰκότως θαυμάσειεν Φιλίνου τοῦ συγγραφέως, οὐ διότι ταῦτ᾽ ἠγνόει — τοῦτο μὲν γὰρ οὐ θαυμαστόν, ἐπεὶ καθ᾽ ἡμᾶς ἔτι καὶ Ῥωμαίων καὶ Καρχηδονίων οἱ πρεσβύτατοι καὶ μάλιστα δοκοῦντες περὶ τὰ κοινὰ σπουδάζειν ἠγνόουν — [3] ἀλλὰ πόθεν ἢ πῶς ἐθάρρησε γράψαι τἀναντία τούτοις, διότι Ῥωμαίοις καὶ Καρχηδονίοις ὑπάρχοιεν συνθῆκαι, καθ᾽ ἃς ἔδει Ῥωμαίους μὲν ἀπέχεσθαι Σικελίας ἁπάσης, [4] Καρχηδονίους δ᾽ Ἰταλίας, καὶ διότι ὑπερέβαινον Ῥωμαῖοι τὰς συνθήκας καὶ τοὺς ὅρκους, ἐπεὶ ἐποιήσαντο τὴν πρώτην εἰς Σικελίαν διάβασιν, μήτε γεγονότος μήθ᾽ ὑπάρχοντος παράπαν ἐγγράφου τοιούτου μηδενός. [5] ταῦτα γὰρ ἐν τῇ δευτέρᾳ λέγει βύβλῳ διαρρήδην. περὶ ὧν ἡμεῖς ἐν τῇ παρασκευῇ τῆς ἰδίας πραγματείας μνησθέντες εἰς τοῦτον ὑπερεθέμεθα τὸν καιρὸν κατὰ μέρος περὶ αὐτῶν ἐξεργάσασθαι διὰ τὸ καὶ πλείους διεψεῦσθαι τῆς ἀληθείας ἐν τούτοις, πιστεύσαντας τῇ Φιλίνου γραφῇ. [6] οὐ μὴν ἀλλ᾽ εἰ κατὰ τοῦτό τις ἐπιλαμβάνεται Ῥωμαίων περὶ τῆς εἰς Σικελίαν διαβάσεως, ὅτι καθόλου Μαμερτίνους προσέλαβον εἰς τὴν φιλίαν καὶ μετὰ ταῦτα δεομένοις ἐβοήθησαν, οἵτινες οὐ μόνον τὴν Μεσσηνίων πόλιν ἀλλὰ καὶ τὴν Ῥηγίνων παρεσπόνδησαν, εἰκότως ἂν δόξειεν δυσαρεστεῖν. [7] εἰ δὲ παρὰ τοὺς ὅρκους καὶ τὰς συνθήκας ὑπολαμβάνει τις αὐτοὺς πεποιῆσθαι τὴν διάβασιν, ἀγνοεῖ προφανῶς.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Evelyn S. Shuckburgh
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Übersetzung

Seeing that such treaties exist and are preserved to this day, engraved on brass in the treasury of the Aediles in the temple of Jupiter Capitolinus, the historian Philinus certainly does give us some reason to be surprised at him. Not at his ignorance of their existence: for even in our own day those Romans and Carthaginians, whose age placed them nearest to the times, and who had the reputation of taking the greatest interest in public affairs, were unaware of it. But what is surprising is, that he should have ventured on a statement exactly opposite: „That there was a treaty between Rome and Carthage, in virtue of which the Romans were bound to keep away from the whole of Sicily, the Carthaginians from the whole of Italy; and that the Romans broke the treaty and their oath when they first crossed over to Sicily.“ Whereas there does not exist, nor ever has existed, any such written compact at all. Yet this assertion he makes in so many words in his second book. I referred to this in the preface of my work, but reserved a more detailed discussion of it to this place; which was necessary, because the assertion of Philinus has misled a considerable number of people on this point. I have nothing to say if a man chooses to attack the Romans for crossing into Sicily, on the grounds of their having taken the Mamertines into alliance at all; or in having thus acted in answer to their request, after these men’s treachery to Rhegium as well as Messene: but if any one supposes that in so crossing they broke oaths or treaties, he is manifestly ignorant of the truth.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Falk Wackerow
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Leitfragen:

1) Welche Beziehungen bestanden zu jener Zeit zwischen Karthago und Rom?

2) Wodurch änderten sich die Verhältnisse der beiden Großmächte zueinander?

3) Was ist für und gegen die Historizität des Philinosvertrages anzuführen?

Kommentar:

Vor Beginn des Ersten Punischen Krieges hatten die Römer mit den Karthagern vier Vertragswerke geschlossen, die die politischen Beziehungen zwischen ihnen regelten. Besonders aufschlussreich sind die Verträge für die Veränderung der Kräfteverhältnisse zwischen den beiden Staaten und die Kriegsschuldfrage des Ersten Punischen Krieges. Im ersten Schriftstück, dessen Inhalt ausschließlich durch Polybios überliefert ist, ist noch ein deutliches Machtgefälle zugunsten Karthagos zu erkennen. Scheinbar verspürte es die Notwendigkeit, angesichts der aufstrebenden Mittelmacht Rom seine Interessensphäre abzusichern. So durften die Römer nicht über das „Schöne Vorgebirge“, wahrscheinlich Kap Farina nördlich der Stadt Karthago hinaussegeln und keinen Handel in diesem Gebiet treiben. Die einzige Einschränkung der Karthager war das Verbot der Einmischung in die römischen Angelegenheiten Roms in Latium. Probleme bereitet die Datierung dieses ersten Kontrakts. Gemeinhin wird das Jahr 508 v. Chr. angenommen, also unmittelbar nach dem Sturz des letzten Etruskerkönigs Tarquinius Superbus. Es ist dies auch das Jahr des Feldzugs des Porsenna. Aufgrund dieses Ereignisse ist es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die gerade entstandene und noch recht schwache Republik sich mit der Großmacht Karthago auf Interessensphären einigte, insbesondere sich Latium ausbedang, von dessen Kontrolle Rom noch weit entfernt war. Eine realistischere Datierung geht daher eher von der Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. aus. Im zweiten Vertrag, der auf etwa 348 v. Chr. datiert wird, ist deutlich die Annäherung Roms an die karthagische Macht zu erkennen. Nun durften die Römer wie die Karthager in der jeweils anderen Stadt Handel treiben, beider Staatsgebiet und Interessensphären waren aber darüber hinaus für den anderen unzugänglich. Der dritte Vertrag ist der interessanteste, denn Polybios als namhafte Quelle bezeichnet ihn als Fälschung, die auf den von ihm oft gescholtenen sikeliotischen (sizilisch-griechischen) Historiker Philinos von Akragas zurückgehe. Dieser habe aufgrund seiner prokarthagischen Einstellung den Vertrag frei erfunden, um die Karthager von der Schuld am Ersten Punischen Krieg reinzuwaschen. Nur so sei zu erklären, dass keine Abschrift des Vertragstextes im Aerarium (dem röm. Staatsarchiv) zu finden gewesen sei. Zunächst zum Inhalt des Vertrages: Laut dem bei Polybios wiedergegeben Philinos (das Original ist leider verloren gegangen) heißt es, die Römer dürften nicht in kriegerischer Absicht Sizilien betreten, die Karthager nicht Italien. Bekanntlich führte der Streit um die Stadt Messene in Nordostsizilien zum Ausbruch des Ersten Punischen Krieges. Folglich wäre es den Römern unmöglich gewesen, die Schuld am Krieg von sich zu weisen, wenn der Philinosvertrag historisch wäre und den Römern verboten hätte, auf der Insel Krieg zu führen. Genau dies könnte aber der Grund sein, aus dem Polybios das Schriftstück nicht hatte finden können: Es war ein unwiderlegbarer Beweis für die Kriegsschuld der Römer. Da sie stets darauf beharrten, nur Verteidigungskriege zum eigenen Schutz oder dem ihrer Verbündeten zu führen oder um Hilfe gerufen worden zu sein, also „gerechte Kriege“ (iusta bella) zu führen, musste dies im Falle des Konflikts um Sizilien genauso sein. Es wäre daher durchaus denkbar, dass der Philinosvertrag nach Kriegsausbruch aus dem Archiv entfernt wurde, um die römische Position nicht zu schwächen. Livius berichtet von einem Vertrag im Jahre 306 v. Chr. zwischen Römern und Karthagern. Auch die Vertragsbestimmungen passen zum Machtgefüge am Ende des vierten Jhdts. v. Chr. Die Römer hatten sich über weite Teile Mittelitaliens ausgebreitet und waren im Begriff, auch den Rest der Halbinsel zu unterwerfen. Karthago wollte sich nach jahrhundertelangen Kämpfen endlich Sizilien sichern. Die Echtheit des Philinosvertrags würde auch erklären, warum ein großer Teil der Senatoren so lange zögerte, in den Konflikt um Sizilien einzugreifen. Denn bis heute lautet der von den Römern erfundene politische Leitspruch: „Pacta sunt servanda“.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Unterwerfung Italiens/ Das Ausgreifen nach Westen“. Um einen breiteren Einblick in die Zeit der Römischen Republik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte I – Republik“.
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