Der Herrscherkult des Demetrios

Die Münze ist hier einsehbar.

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Athenaios
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Athen. 6.62-63 – Original:

[62] φησὶ γοῦν ὁ Δημοχάρης ἐν τῇ πρώτῃ καὶ εἰκοστῇ γράφων ‘ἐπανελθόντα δὲ τὸν Δημήτριον ἀπὸ τῆς Λευκάδος καὶ Κερκύρας εἰς τὰς Ἀθήνας οἱ Ἀθηναῖοι ἐδέχοντο οὐ μόνον θυμιῶντες καὶ στεφανοῦντες καὶ οἰνοχοοῦντες, ἀλλὰ καὶ προσοδιακοὶ χοροὶ καὶ ἰθύφαλλοι μετ᾽ ὀρχήσεως καὶ ᾠδῆς ἀπήντων αὐτῷ καὶ ἐφιστάμενοι κατὰ τοὺς ὄχλους ᾖδον ὀρχούμενοι καὶ ἐπᾴδοντες ὡς εἴη μόνος θεὸς ἀληθινός, οἱ δ᾽ ἄλλοι καθεύδουσιν ἢ ἀποδημοῦσιν ἢ οὐκ εἰσίν, γεγονὼς δ᾽ εἴη ἐκ Ποσειδῶνος καὶ Ἀφροδίτης, τῷ δὲ κάλλει διάφορος καὶ τῇ πρὸς πάντας φιλανθρωπίᾳ κοινός, δεόμενοι δὲ αὐτοῦ ἱκέτευον, φησί, καὶ προσηύχοντο.’ [63] ὁ μὲν οὖν Δημοχάρης τοσαῦτα εἴρηκε περὶ τῆς Ἀθηναίων κολακείας: Δοῦρις δ᾽ ὁ Σάμιος ἐν τῇ δευτέρᾳ καὶ εἰκοστῇ τῶν ἱστοριῶν καὶ αὐτὸν τὸν ἰθύφαλλον:

ὡς οἱ μέγιστοι τῶν θεῶν καὶ φίλτατοι
τῇ πόλει πάρεισιν
ἐνταῦθα γὰρ Δήμητρα καὶ Δημήτριον
ἅμα παρῆγ᾽ ὁ καιρός,
χἠ μὲν τὰ σεμνὰ τῆς Κόρης μυστήρια
ἔρχεθ᾽ ἵνα ποιήσῃ,
ὁ δ᾽ ἱλαρός, ὥσπερ τὸν θεὸν δεῖ, καὶ καλὸς
καὶ γελῶν πάρεστι.
σεμνόν τι φαίνεθ᾽, οἱ φίλοι πάντες κύκλῳ,
ἐν μέσοισι δ᾽ αὐτός,
ὅμοιον ὥσπερ οἱ φίλοι μὲν ἀστέρες,
ἥλιος δ᾽ ἐκεῖνος,
ὦ τοῦ κρατίστου παῖ Ποσειδῶνος θεοῦ,
χαῖρε, κἀφροδίτης.
ἄλλοι μὲν ἢ μακρὰν γὰρ ἀπέχουσιν θεοὶ
ἢ οὐκ ἔχουσιν ὦτα
ἢ οὐκ εἰσὶν ἢ οὐ προσέχουσιν ἡμῖν οὐδὲ ἕν,
σὲ δὲ παρόνθ᾽ ὁρῶμεν,
οὐ ξύλινον οὐδὲ λίθινον, ἀλλ᾽ ἀληθινόν.
εὐχόμεσθα δή σοι:
πρῶτον μὲν εἰρήνην ποίησον, φίλτατε:
κύριος γὰρ εἶ σύ.
τὴν δ᾽ οὐχὶ Θηβῶν, ἀλλ᾽ ὅλης τῆς Ἑλλάδος
Σφίγγα περικρατοῦσαν,
ὁ Αἰτωλὸς ὅστις ἐπὶ πέτρας καθήμενος,
ὥσπερ ἡ παλαιά,
τὰ σώμαθ᾽ ἡμῶν πάντ᾽ ἀναρπάσας φέρει,
κοὐκ ἔχω μάχεσθαι
Αἰτωλικὸν γὰρ ἁρπάσαι τὰ τῶν πέλας,
νῦν δὲ καὶ τὰ πόρρω:
μάλιστα μὲν δὴ κόλασον αὐτός: εἰ δὲ μή,
τὴν Σφίγγα ταύτην ὅστις ἢ κατακρημνιεῖ
ἢ σπίλον ποιήσει.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: C. D. Yonge
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

[62] […] Accordingly Demochares, in the twenty-first book of his Histories, says—“And the Athenians received Demetrius when he came from Leucadia and Corcyra to Athens, not only with frankincense, and crowns, and libations of wine, but they even went out to meet him with hymns, and choruses, and ithyphalli, and dancing and singing, and they stood in front of him in multitudes, dancing and singing, and saying that he was the only true god, and that all the rest of the gods were either asleep, or gone away to a distance, or were no god at all. And they called him the son of Neptune and Venus, for he was eminent for beauty, and affable to all men with a natural courtesy and gentleness of manner. And they fell at his feet and addressed supplications and prayers to him.” [63] Demochares, then, has said all this about the adulatory spirit and conduct of the Athenians. And Duris the Samian, in the twenty-second book of his Histories, has given the very ithyphallic hymn which they addressed to him –

„Behold the greatest of the gods and dearest
Are come to this city,
For here Demeter and Demetrius are
Present in season.
She indeed comes to duly celebrate
The sacred mysteries
Of her most holy daughter—he is present
Joyful and beautiful,
As a god ought to be, with smiling face
Showering his blessings round.
How noble doth he look! his friends around,
Himself the centre.
His friends resemble the bright lesser stars,
Himself is Phœbus.
Hail, ever-mighty Neptune’s mightier son;
Hail, son of Venus.
For other gods do at a distance keep,
Or have no ears,
Or no existence; and they heed not us—
But you are present,
Not made of wood or stone, a genuine god.
We pray to thee.
First of all give us peace, O dearest god—
For you are lord of peace—
And crush for us yourself, for you’ve the power,
‚This odious Sphinx;
Which now destroys not Thebes alone, but Greece—
The whole of Greece—
I mean th‘ Aetolian, who, like her of old,
Sits on a rock,
And tears and crushes all our wretched bodies.
Nor can we him resist.
For all th‘ Aetolians plunder all their neighbours;
And now they stretch afar
Their lion hands; but crush them, mighty lord,
Or send some Œdipus
Who shall this Sphinx hurl down from off his precipice,
Or starve him justly.“

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Niklas Rempe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Athen. 6.62-63

Leitfragen:

1) Beschreiben Sie, was Demochares und Duris nach Athenaios über Demetrios geschrieben haben.

2) Vergleichen Sie Athenaios‘ Darstellung mit der von Demetrios geprägten Münze.

3) Welche Rückschlüsse lassen sich aus den beiden Quellen über den Herrscherkult des Demetrios ziehen?

Kommentar:

Athenaios gibt in der Quellenpassage die Worte des athenischen Redners Demochares über den Empfang des Demetrios I. Poliorketes in Athen wieder, den dieser selber miterlebte. Nach Demochares wurde der Diadochenherrscher überschwänglich in der Stadt empfangen. Neben Gaben und Trankopfern habe man ihm auch Lieder gedichtet. In diesen habe man ihn als Gott bezeichnet und ihn von Poseidon und Aphrodite bzw. Neptun und Venus abstammend bezeichnet. Als ein solcher Gott sei er – im Gegensatz zu den anderen Göttern – sowohl mächtig und bewirke außerdem etwas Greifbares und Fassbares in der Welt der Menschen. Eines dieser Lieder gibt Athenaios in den Worten des Duris wieder. Wiederum wird die Göttlichkeit des Demetrios betont und auch hier wird er als Sohn des Poseidon bezeichnet. Seine göttliche Anwesenheit in der Polis erhöhe außerdem seinen Einfluss auf menschliche Belange gegenüber den anderen Göttern – mit Ausnahme der Demeter, welche durch ihre Mysterien in Athen umhergehe. Ihn könne man entsprechend durch Gebete und Bitten überzeugen, und das Lied des Duris zeigt, was die Athener der Zeit von ihrem vergöttlichten Herrscher erwarteten: Die Hilfe im Sieg gegen den immer mächtiger werdenden Aitolischen Bund.

Die Darstellung Athenaios‘ ist gut mit der vorliegenden Münze zu vergleichen. Diese silberne Tetradrachme wurde unter der Herrschaft des Demetrios I. Poliorketes geprägt (ca. 291-290 v. Chr.). Auf der Vorderseite ist das Abbild des hellenistischen Herrschers zu sehen; auffällig ist hier vor allem das ihm aus dem Kopf wachsende Stierhorn. Die Rückseite der Münze ziert in der Mitte ein Abbild des Poseidon – deutlich am Dreizack zu erkennen. Auf der linken Seite ist der Name Demetriog bzw. Demetrios und auf der rechten das Wort basileos bzw. basileus (König) zu erkennen. Im Vergleich zur literarischen Quelle ist demnach die ebenfalls nachzuvollziehende Verbindung mit dem Meeresgott Poseidon auffällig. Auch das gehörnte Abbild des Königs ist ein Zeichen dafür, dass Demetrios hier göttliche Züge und Eigenschaften zu haben scheint. Ob die Stierhörner weiterhin die Abstammung von Poseidon betonen sollen – Flussgötter werden des Öfteren mit Hörnern dargestellt – oder eventuell eine Verbindung zu dem oftmals mit Hörnern beschriebenen Dionysos darstellt, ist hier aber nicht sicher zu sagen.

Sowohl Athenaios‘ literarische Beschreibung der Verehrung des Demetrios in Athen als auch die von dem Diadochen zu seiner Herrschaft geprägte Münze lassen verschiedene Rückschlüsse über den entsprechenden Herrscherkult zu. Zum einen zeigt die Münze klar, wie sich der König mit göttlichen Attributen ausstattete. Die enge Verbindung mit dem Meeresgott Poseidon lag spätestens seit dem ruhmreichen Sieg in der Seeschlacht von Salamis (306 v. Chr.) für Demetrios nahe. Seine Untertanen durch Poseidon – manchmal auch durch die sich auf einem Schiff befindende Siegesgöttin Nike – an diesen Sieg zu erinnern, war sicherlich im Interesse des Herrschers. Dass eben jene Untertanen dies durchaus taten und seine göttliche Abstammung entsprechend ehrten, zeigt das Lied, welches Athenaios wiedergibt. Ob die Athener Demetrios wirklich als Gott verehrten und religiöse Gefühle ihm gegenüber hatten, ist aber letzten Endes nicht sicher zu sagen. Auf der einen Seite zeugt der Hymnus davon, dass die einst so mächtigen Athener sich von den Göttern im Stich gelassen fühlten, wohingegen Demetrios sowohl präsent als auch mächtig war. Auf der anderen Seite zeigt das Lied aber auch, dass die Athener den Herrscher aus einem bestimmten Grund derart huldigen. Sie erhoffen sich Hilfe von ihm im Kampf gegen den Aitolischen Bund. Ein rein praktischer bzw. opportunistischer Umgang mit dem Herrscherkult ist somit durchaus möglich.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Entwicklungen im Hellenismus“. Um einen breiteren Einblick in den Hellenismus zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte III – Hellenismus“.
Hier geht’s zum Podcast