Der Schiffskatalog der Ilias

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Hom. Il. 2, 493-545 – Original

ἀρχοὺς αὖ νηῶν ἐρέω νῆάς τε προπάσας.
Βοιωτῶν μὲν Πηνέλεως καὶ Λήϊτος ἦρχον
Ἀρκεσίλαός τε Προθοήνωρ τε Κλονίος τε,
οἵ θ᾽ Ὑρίην ἐνέμοντο καὶ Αὐλίδα πετρήεσσαν
Σχοῖνόν τε Σκῶλόν τε πολύκνημόν τ᾽ Ἐτεωνόν,
Θέσπειαν Γραῖάν τε καὶ εὐρύχορον Μυκαλησσόν,
οἵ τ᾽ ἀμφ᾽ Ἅρμ᾽ ἐνέμοντο καὶ Εἰλέσιον καὶ Ἐρυθράς,
οἵ τ᾽ Ἐλεῶν᾽ εἶχον ἠδ᾽ Ὕλην καὶ Πετεῶνα,
Ὠκαλέην Μεδεῶνά τ᾽ ἐϋκτίμενον πτολίεθρον,
Κώπας Εὔτρησίν τε πολυτρήρωνά τε Θίσβην,
οἵ τε Κορώνειαν καὶ ποιήενθ᾽ Ἁλίαρτον,
οἵ τε Πλάταιαν ἔχον ἠδ᾽ οἳ Γλισᾶντ᾽ ἐνέμοντο,
οἵ θ᾽ Ὑποθήβας εἶχον ἐϋκτίμενον πτολίεθρον,
Ὀγχηστόν θ᾽ ἱερὸν Ποσιδήϊον ἀγλαὸν ἄλσος,
οἵ τε πολυστάφυλον Ἄρνην ἔχον, οἵ τε Μίδειαν
Νῖσάν τε ζαθέην Ἀνθηδόνα τ᾽ ἐσχατόωσαν:
τῶν μὲν πεντήκοντα νέες κίον, ἐν δὲ ἑκάστῃ
κοῦροι Βοιωτῶν ἑκατὸν καὶ εἴκοσι βαῖνον.
οἳ δ᾽ Ἀσπληδόνα ναῖον ἰδ᾽ Ὀρχομενὸν Μινύειον,
τῶν ἦρχ᾽ Ἀσκάλαφος καὶ Ἰάλμενος υἷες Ἄρηος
οὓς τέκεν Ἀστυόχη δόμῳ Ἄκτορος Ἀζεΐδαο,
παρθένος αἰδοίη ὑπερώϊον εἰσαναβᾶσα
Ἄρηϊ κρατερῷ: ὃ δέ οἱ παρελέξατο λάθρῃ:
τοῖς δὲ τριήκοντα γλαφυραὶ νέες ἐστιχόωντο.
αὐτὰρ Φωκήων Σχεδίος καὶ Ἐπίστροφος ἦρχον
υἷες Ἰφίτου μεγαθύμου Ναυβολίδαο,
οἳ Κυπάρισσον ἔχον Πυθῶνά τε πετρήεσσαν
Κρῖσάν τε ζαθέην καὶ Δαυλίδα καὶ Πανοπῆα,
οἵ τ᾽ Ἀνεμώρειαν καὶ Ὑάμπολιν ἀμφενέμοντο,
οἵ τ᾽ ἄρα πὰρ ποταμὸν Κηφισὸν δῖον ἔναιον,
οἵ τε Λίλαιαν ἔχον πηγῇς ἔπι Κηφισοῖο:
τοῖς δ᾽ ἅμα τεσσαράκοντα μέλαιναι νῆες ἕποντο.
οἳ μὲν Φωκήων στίχας ἵστασαν ἀμφιέποντες,
Βοιωτῶν δ᾽ ἔμπλην ἐπ᾽ ἀριστερὰ θωρήσσοντο.
Λοκρῶν δ᾽ ἡγεμόνευεν Ὀϊλῆος ταχὺς Αἴας
μείων, οὔ τι τόσος γε ὅσος Τελαμώνιος Αἴας
ἀλλὰ πολὺ μείων: ὀλίγος μὲν ἔην λινοθώρηξ,
ἐγχείῃ δ᾽ ἐκέκαστο Πανέλληνας καὶ Ἀχαιούς:
οἳ Κῦνόν τ᾽ ἐνέμοντ᾽ Ὀπόεντά τε Καλλίαρόν τε
Βῆσσάν τε Σκάρφην τε καὶ Αὐγειὰς ἐρατεινὰς
Τάρφην τε Θρόνιον τε Βοαγρίου ἀμφὶ ῥέεθρα:
τῷ δ᾽ ἅμα τεσσαράκοντα μέλαιναι νῆες ἕποντο
Λοκρῶν, οἳ ναίουσι πέρην ἱερῆς Εὐβοίης.
οἳ δ᾽ Εὔβοιαν ἔχον μένεα πνείοντες Ἄβαντες
Χαλκίδα τ᾽ Εἰρέτριάν τε πολυστάφυλόν θ᾽ Ἱστίαιαν
Κήρινθόν τ᾽ ἔφαλον Δίου τ᾽ αἰπὺ πτολίεθρον,
οἵ τε Κάρυστον ἔχον ἠδ᾽ οἳ Στύρα ναιετάασκον,
τῶν αὖθ᾽ ἡγεμόνευ᾽ Ἐλεφήνωρ ὄζος Ἄρηος
Χαλκωδοντιάδης μεγαθύμων ἀρχὸς Ἀβάντων.
τῷ δ᾽ ἅμ᾽ Ἄβαντες ἕποντο θοοὶ ὄπιθεν κομόωντες
αἰχμηταὶ μεμαῶτες ὀρεκτῇσιν μελίῃσι
θώρηκας ῥήξειν δηΐων ἀμφὶ στήθεσσι:
τῷ δ᾽ ἅμα τεσσαράκοντα μέλαιναι νῆες ἕποντο.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: A.T. Murray
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Übersetzung

Now will I tell the captains of the ships and the ships in their order. Of the Boeotians Peneleos and Leïtus were captains, and Arcesilaus and Prothoënor and Clonius; these were they that dwelt in Hyria and rocky Aulis and Schoenus and Scolus and Eteonus with its many ridges, Thespeia, Graea, and spacious Mycalessus; and that dwelt about Harma and Eilesium and Erythrae; and that held Eleon and Hyle and Peteon, Ocalea and Medeon, the well-built citadel, Copae, Eutresis, and Thisbe, the haunt of doves; that dwelt in Coroneia and grassy Haliartus, and that held Plataea and dwelt in Glisas;that held lower Thebe, the well-built citadel, and holy Onchestus, the bright grove of Poseidon; and that held Arne, rich in vines, and Mideia and sacred Nisa and Anthedon on the seaboard. Of these there came fifty ships, and on board of each went young men of the Boeotians an hundred and twenty. And they that dwelt in Aspledon and Orchomenus of the Minyae were led by Ascalaphus and Ialmenus, sons of Ares, whom, in the palace of Actor, son of Azeus, Astyoche, the honoured maiden, conceived of mighty Ares, when she had entered into her upper chamber; for he lay with her in secret. And with these were ranged thirty hollow ships. And of the Phocians Schedius and Epistrophus were captains, sons of great-souled Iphitus, son of Naubolus; these were they that held Cyparissus and rocky Pytho, and sacred Crisa and Daulis and Panopeus; and that dwelt about Anemoreia and Hyampolis, and that lived beside the goodly river Cephisus, and that held Lilaea by the springs of Cephisus. With these followed forty black ships. And their leaders busily marshalled the ranks of the Phocians, and made ready for battle hard by the Boeotians on the left. And the Loerians had as leader the swift son of Oïleus, Aias the less, in no wise as great as Telamonian Aias, but far less. Small of stature was he, with corselet of linen, but with the spear he far excelled the whole host of Hellenes and Achaeans. These were they that dwelt in Cynus and Opus and Calliarus and Bessa and Scarphe and lovely Augeiae and Tarphe and Thronium about the streams of Boagrius. With Aias followed forty black ships of the Locrians that dwell over against sacred Euboea. And the Abantes, breathing fury, that held Euboea and Chalcis and Eretria and Histiaea, rich in vines, and Cerinthus, hard by the sea, and the steep citadel of Dios; and that held Carystus and dwelt in Styra,— all these again had as leader Elephenor, scion of Ares, him that was son of Chalcodon and captain of the great-souled Abantes. And with him followed the swift Abantes, with hair long at the back, spearmen eager with outstretched ashen spears to rend the corselets about the breasts of the foemen. And with him there followed forty black ships.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Agnes von der Decken
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Leitfragen:

1) Was ist der Schiffskatalog?

2) Welche Funktion hat der Schiffskatalog in der Ilias?

3) Welche Kontroverse geht mit dem Schiffskatalog einher?

Kommentar:

Die hier vorliegende Quelle ist ein Auszug aus dem sogenannten Schiffskatalog (νεῶν κατάλογος) des zweiten Gesangs der Ilias (hier V. 493 – 545). Im gesamten Schiffskatalog werden alle griechischen Heeres- bzw. Flottenkontingente und ihre Anführer aufgelistet, die sich zur Eroberung Trojas zusammenfanden. Genauer gesagt geht es hier um einen Aufmarsch der Griechen gegen die Streitmacht der Troianer bei einer Feldschlacht im 10. Jahr des Trojanischen Krieges. Die jeweiligen Herrschaftsbereiche der Achaierkönige sind dabei im Schiffskatalog nach geographischen Gesichtspunkten geordnet (beginnend mit den Mannschaften Mittelgriechenlands) und die Zahl ihrer Schiffe sowie die Größe ihrer Mannschaften ausführlich aufgeführt. Auf diese Weise werden 29 Truppenkontingente, 45 Anführer und 187 Orte aufgezählt, womit die griechische Streitmacht insgesamt 1186 Schiffe aufweist. Der Schiffskatalog bildet dabei die griechische Welt in geographischer Hinsicht ab: Vom nördlichen Thessalien, über Mittel- und Westgriechenland, die Peloponnes, die Ionischen Inseln bis zu den Inseln der Dodekanes im Südosten der Ägäis werden Truppenkontingente aufgezählt. Das kleinasiatische Festland und die Kykladen-Inseln werden allerdings nicht angeführt.

Interessant ist, dass sich der Schiffskatalog nicht homogen in das Handlungsgefüge der Ilias einfügt. So geht es bei der Aufzählung der Heereskontingente im Schiffskatalog um eine Schlacht im 10. Jahr des Krieges. Vom erzählerischen Standpunkt aus würde die Auflistung im Schiffskatalog jedoch am Beginn der Expedition, etwa beim Aufbruch der griechischen Flotte nach Troja, sinnvoller erscheinen. Zudem gibt es auch inhaltlich einige Unstimmigkeiten. Dies könnte darauf hinweisen, dass der Schiffskatalog in seinem Konzept aus einem anderen mythischen Kontext (vielfach angenommen wird die Ausfahrt von Aulis aus dem Kyklischen Epos Kyprien) mit entsprechenden Modifikationen in die Ilias übertragen wurde. Welche Funktion hatte der Schiffskatalog aber dann für die Ilias? Grundsätzlich diente er dazu, zu Beginn der Handlung die wichtigsten Protagonisten des Krieges einzuführen. Dabei kommt der Aufzählung im Schiffskatlog auch eine integrative Bedeutung zu: Das griechische Publikum konnte sich mit den Helden identifizieren, denn das Publikum der homerischen Epen war größtenteils in Griechenland beheimatet, so wie die Helden des Epos‘ auch aus Regionen in Griechenland stammten. Die Auflistung der Mannschaften im Schiffskatalog bot den Zuhörern dadurch also eine konkrete Identifikationsebene. Zudem verweist der Schiffskatalog etwa durch die Nennung der Helden Philoktetes und Protesilaos auf größere mythische Erzählkomplexe, an die das Publikum durch sein Vorwissen anknüpfen konnte. Damit gewinnt die Erzählung der Ilias, die sich insgesamt lediglich auf einen Handlungszeitraum von 51 Tagen beschränkt, an inhaltlicher Tiefe und wird Teil eines mythischen Gesamtzusammenhangs. Diese Wirkung wollte der Dichter vielleicht auch durch die Darstellung der immensen Größe des Heeres erzielen: Nach den Angaben der Truppen und Schiffe kann das Heer auf etwa 100.000 Mann geschätzt werden. Es handelt sich hierbei wahrscheinlich um eine epische Hyperbel zur Darstellung der Kraft des griechischen Heeres.

Zu kontroversen Diskussionen hat die Frage nach dem Alter des Schiffskataloges geführt. Stammt der Schiffskatalog im Kern noch aus mykenischer Zeit oder ist er ein Reflex der politischen und geographischen Lebenswert der Zeit der Niederschrift des Epos, also ca. 800 – 700 v. Chr.? Ein Argument der Vertreter der Auffassung, der Schiffskataloges gehe auf mykenische Zeit zurück, ist die der Hinweis darauf, dass keine Kontingenten aus griechischen Kolonien aufgezählt werden. Weil in mykenischer Zeit noch keine Kolonien existierten, konnten diese auch nicht in den Katalog aufgenommen werden, was auf das hohe Alter des Schiffskatalogs verweise. Andererseits würden Orte, die in mykenischer Zeit politische Zentren waren, wie etwa Pylos oder Mykene, im Schiffskatalog eine herausgehobene Rolle spielen. Im 8. Jh. v. Chr. hätten sie jedoch keine Bedeutung mehr gehabt und wären somit wahrscheinlich nicht in der Art herausgestellt worden. Ein weiteres Argument für diese These ist, dass viele Orte, die im Schiffskatalog aufgezählt werden, im 8. Jh. v. Chr. gar nicht mehr identifizierbar waren. Diese Orte stammten deswegen aus älterer Zeit und seien mündlich tradiert worden.

Auf diese Argumente Bezug nehmend, argumentiert die Gegenseite, dass sich die besondere Betonung der genannten mykenischen Orte den Überresten dieser Orte und der dichterischen Imagination verdanke. Grundsätzlich sei es dem Dichter ohnehin ein Anliegen gewesen, sein Epos zu archaisieren weswegen etwa auch bestimmte sozio-politische Gegebenheiten der eigenen Zeit, wie die griechischen Kolonien, ausgeblendet worden seien. Ferner gäbe es grundsätzlich auffällige geographische und politische Unstimmigkeiten zwischen Ilias und der mykenischen Vorzeit. Zudem sei bemerkenswert, dass wichtige mykenische Orte nicht genannt werden, wie Orchomenos oder Midea.

Auch wenn das Für und Wider der jeweiligen Argumente hier im Einzelnen nicht abgewogen werden kann, erscheint eine Verortung des Schiffskatalogs in mykenischer Zeit schwieriger zu sein als eine Datierung ins 8. Jh. v. Chr. Es erscheint schlüssiger, dass der Schiffskatalog im 8. Jh. v. Chr. neu und mit konkreter Abstimmung auf die Ilias konzipiert wurde. Die Forschungsdiskussion zeigt jedoch grundsätzlich, welche entscheidende Rolle dem Schiffskatalog in Bezug auf die Frage nach einer Faktentradierung von mykenischer Zeit bis ins 8. Jh. v. Chr. zukommt.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Homer“. Um einen breiteren Einblick in die Archaik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte I – Archaik“.
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Sehen Sie zu diesem Beitrag auch den Kommentar zum Eberzahnhelm.