Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Notitia Dignitatum
Leitfragen:
1.) Was ist die Notitia Dignitatum?
2.) Welchen Zweck hatte diese Schrift?
3.) Was sind die Aufgaben eines Dux?
Kommentar:
Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um das Frontispiz zum Amt und Kommandobereich des Dux Mogontiacensis in der sog. Notitia Dignitatum. Bei dieser handelt es sich, wie der vollständige Name bereits vermuten lässt, um eine Art römisches Staatshandbuch, welches verschiedene zivile und militärische Ämter in Ost- und Westrom auflistet. Die Urfassung ist wahrscheinlich im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. entstanden. Die vorliegende colorierte Darstellung ist allerdings erst in einer mittelalterlichen Handschrift, dem Codex Spirensis aus dem 9. oder 10. Jahrhundert auf uns gekommen. Die Notitia Dignitatum umfasst 90 Kapitel, die neben dem Text zusätzlich farbige Illustrationen zeigen. Diese stellen u.a. die Insignien verschiedener Beamter, die Schildzeichen der Truppenteile und allegorische Darstellungen der Provinzen dar.
Der genaue Zweck dieses umfassenden administrativen Nachschlagewerks ist nicht bekannt. Eine Möglichkeit ist, dass die Urfassung als Arbeitsinstrument im Sinne eines Handbuches gedacht gewesen war, die aufwendig illustrierten mittelalterlichen Ausgaben des Prachtkodex mit Sicherheit nicht. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dieser Quelle um eine für den Historiker einzigartige Darstellung der Hierarchie der zivilen und militärischen Würden und ihrer Organisation. Die Notitia Dignitatum zeigt zudem deutlich die Auswirkungen der Heeresreform unter Diocletian und Constantin auf, welche die für sie spätantike charakteristische Trennung von ziviler und militärischer Gewalt zur Folge hatte.
Bei dem hier dargestellten Dux Mogontiacensis handelt es sich um den Heerführer bzw. Oberbefehlshaber über die Region entlang des Mittel- oder Oberrheins nahe der Stadt Mainz. Das Amt des Dux ist eine Entwicklung des ausgefeilten Ämterapparates der spätantiken Verwaltung der beiden Reichshälften. Im Großen und Ganzen waren Duces Heerführer, die vor allem in den Grenzgebieten agierten. Sie waren für die Sicherung der unterschiedlichen Provinzen verantwortlich und wie die Notitia Dignitatum zeigt, waren ihnen eine Reihe von militärischen und administrativen Kräften unterstellt. Der Aufbau des Kapitels zum Dux Mogontiacensis entspricht zum Großteil dem der übrigen; zuerst wird in einer Überschrift der Amtstitel benannt, danach folgt eine erste Bildtafel. Dieses Frontispiz bietet einen ersten groben Überblick über den Kommandobereich des Dux. Daran schließt sich eine Auflistung der Truppenkommandeure inklusive der vom Dux befehligten Einheiten und ihrer Standorte sowie eine Liste des administrativen Personals unter seinem Kommando an.
Das Amt des Dux Mogontiacensis lässt sich ausschließlich in der vorliegenden Quelle greifen. Dabei ist der genaue Entstehungszeitpunkt des Mainzer Dukates nicht überliefert, wahrscheinlich stand dieser in der Nachfolge des Dux Germaniae primae. Dabei ist auffällig, dass das Attribut Mogontiacensis im Gegensatz zu den meisten anderen Benennungen in der Notitia Dignitatum nicht auf eine Diözese oder Provinz, sondern auf eine Stadt hindeutet. Das Frontispitz verweist durch die Dokumentrolle im linken oberen Teil der Darstellung darauf, dass der Dux als comes ordinis primi zur höchsten Rangklasse innerhalb der viri spectabiles, der Amtsträger der mittleren senatorischen Rangklasse, zählte. Die 11 sechseckigen Vignetten stehen symbolisch für die unterschiedlichen Kastelle und Garnisonsorte, die dem Dux unterstanden. Dabei handelt es sich um einen standardisierten Typus von Darstellung, der keine Rückschlusse auf Größe oder Bedeutung der dargestellten Kastelle schließen lässt. Die gesamte Darstellung ist in unterschiedlichen Blautönen gehalten, was – ähnlich den Vignetten – eher einen dekorativen Zweck innehatte. Die außerordentliche Bedeutung des Amtes wird durch die akribische Auflistung der einzelnen Elemente des Aufgabenbereichs des Dux deutlich. Zusätzlich dazu verweist die Entstehung dieses Amtes nochmals auf die politisch unruhigen Zeiten in den Grenzgebieten des Weströmischen Reiches und den Versuch, diese wieder unter Kontrolle zu bringen.