Einfluss der Mütter auf minderjährige Kaiser

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Einfluss der Mütter auf minderjährige Kaiser

Leitfragen:

1.) Woher kam das soziale Kapital von Galla Placidia?
2.) Wie drückte sich ihre Teilhabe am öffentlichen Leben aus?
3.) Welche Rollte spielten ihre verwandtschaftlichen Beziehungen dabei?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Frau handelt es sich um Galla Placidia (392-450 n. Chr.). Sie verkörperte durch ihre Verwandtschaftsbeziehungen – als Tochter von Theodosius I., Enkelin von Valentinian I. und Mutter von Valentinian III. – in Perfektion das dynastische Prinzip, welches seit jeher das politische Denken Roms prägte. Galla Placidia war bereits in jungen Jahren eng in das komplizierte Geflecht des (politisch-)öffentlichen Lebens eingebunden gewesen. Eine Zeit lang war sie dadurch sogar eine der einflussreichsten Frauen im Weströmischen Reich.

Nach dem Tod ihres Vaters Theodosius I. brachte man sie von Konstantinopel nach Mailand und später von dort nach Rom, wo sie 410 n. Chr. beim Einfall der Westgoten unter Alarich als Geisel genommen und schließlich nach Gallien gebracht wurde. Trotz ihrer Geiselnahme sprechen die literarischen Überlieferungen dafür, dass sie im Allgemeinen ihrem Status als Mitglied des römischen Kaiserhauses gemäß behandelt worden ist. 414 n. Chr. wurde sie mit Athaulf, dem Nachfolger Alarichs, vermählt. Einige Quellen verweisen bereits für diese Beziehung auf den politischen Einfluss, den Galla Placidia auf ihren Mann auszuüben vermochte – der ggf. sogar zu einer entspannteren Rompolitik führte. Zudem wird auch den Westgoten der dynastische Einfluss nicht unwichtig gewesen sein, der – insbesondere nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Theodosius, der allerdings im Jahr seiner Geburt starb – auf einen Ausgleich zwischen Römern und Goten hatte hoffen lassen. Ein Jahr später starb auch ihr Mann Athaulf, was dazu führte, dass Galla Placidia nach einigen Wirren schließlich 416 n. Chr. im Austausch gegen eine große Getreidelieferung wieder nach Rom zurückkehren durfte.

Ihr Bruder Honorius, der mittlerweile Kaiser war, verheiratete sie mit seinem Heermeister Constantius. Mit ihm bekam sie einige Jahre später die beiden Kinder Honoria und Valentinian III. Das Schlüsselereignis im Leben von Galla Placidia war 421 n. Chr. die Ernennung ihres Mannes zum Mitregenten (Caesar) und damit einhergehend auch ihre Ernennung zur Augusta, die ihr einen höheren sozialen Rang garantierte und dafür sorgte, dass ihr Sohn in der kaiserlichen Nachfolge bedacht werden würde. Dies wiederum einige Jahre später auch geschah; nach dem Tod von Honorius 423 n. Chr. war Theodosius II. kurzzeitig alleiniger Regent, bis er sich – auch durch Druck von Außen – dazu entschloss, seinen fünfjährigen Cousin Valentinian III. zuerst zum Caesar und später auch zum Augustus zu erklären. Dieses neue Bündnis wurde wiederum mit einer Verlobung zwischen dem fünfjährigen Valentinian III. und der zweijährigen Licinia Eudoxia, der Tochter von Theodosius II. besiegelt.

Bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes wurde Galla Placidia die Verantwortung für die Staatsgeschäfte im weströmischen Reich übertragen. Ihr politischer Einfluss lässt sich besonders gut in den von ihr geprägten Münzen fassen. Zusätzlich dazu wird sie einige Gesetze im Namen ihres Sohnes erlassen haben. Vor allem aber tritt sie in der Öffentlichkeit als gottesfürchtige Christin und Euergetin, Stifterin verschiedener Bauwerke, vor allem Kirchen und Sakralbauten, in Erscheinung. Obwohl sich auch einige Stiftungen in Rom und Rimini finden lassen, ist ihr Name vor allem mit der Stadt Ravenna verbunden, die sie baulich – als Kaisersitz ihres Sohnes – maßgeblich geprägt hat.

Auch nach der Volljährigkeit ihres Sohnes zog sie sich nicht vollständig aus dem öffentlichen Leben zurück, es ist fraglich, ob sich Valentinian III. jemals von seiner Mutter emanzipiert hat. Dennoch lässt sich über ihre Rolle als Regentin des Weströmischen Reiches nur wenig sagen, die Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben drückte sich vor allem durch ihre Heiraten aus, die bestimmte politische Bande bzw. Allianzen begründen oder stärken sollten. Über den Einfluss der Frauen auf ihr Umfeld schweigen die Quellen in der Regel, dennoch lässt sich im Falle von Galla Placidia wohl zu Recht davon ausgehen, dass ihr Einfluss auf das Geschehen im Weströmischen Reich nicht zu unterschätzen war.

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