Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Falk Wackerow
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Etruskische Mantik
Leitfragen
1) Wie ist die Bronzeleber aufgebaut?
2) Welchen Einfluss hatte die etruskische auf die römische Mantik?
3) Wie wichtig war die Vorzeichendeutung für die römische Gesellschaft?
Kommentar:
Die oben abgebildete sog. Bronzeleber von Piacenza, gefunden 1877 auf einem Acker bei Settima (Emilia Romagna), ist eine detailgetreue Nachbildung einer Schafsleber aus etruskischer Zeit. Die Abmessungen betragen 12,4×6,6 cm. Die unregelmäßige Oberfläche ist in etwa vierzig Flächen eingeteilt, wobei der Rand in sechzehn Abschnitte unterteilt ist, entsprechend der Sechzehnteilung des Himmels in der etruskischen Religion. Jeder Abschnitt enthält dabei eingeritzte Namen von Gottheiten. Besonders bemerkenswert ist das sechsspeichige Rad, wohl als Zeichen für den Lauf des Mondes. Die Verhältnisse der verschiedenen astronomischen Gebilde zueinander entsprechen recht genau den tatsächlichen Bahnen des Mondes bzw. der Sonne am Himmel. Dies belegt eine große astronomische Kenntnis der Etrusker. Drei Erhöhungen, eine tropfenförmig, eine pyramidal und eine schalenförmig, stechen heraus. Erstere ist mithilfe der nebenstehenden Inschrift hercl(es) als Keule des Herkules gedeutet worden, während die Pyramide wohl den Götterberg darstellt. Das Ellipsoid ist mit dem Nabel der Welt identifiziert worden.
Der Einfluss der Etrusker auf die römische Mantik war enorm. Schon der Begriff haruspex (Seher, Vorzeichendeuter) beruht wahrscheinlich auf der Zusammensetzung eines etruskischen Wortes -haru mit der lateinischen Form spex (spicere = sehen). Ebenso bezeichnet Cicero verschiedene Formen der Mantik, die von römischen Priestern angewandt wurden, als disciplina etrusca. Die aus spätantiker Zeit überlieferten Himmelsdeutungen bei Marcianus Capella (Mart. Cap. I, 45-61) stimmen nicht nur mit der Sechzehnteilung des etruskischen Himmels, sondern auch in den Nennungen der Götter mit der Bronzeleber überein. Daraus folgt, dass selbst in spätantiker Zeit die etruskische Mantik noch ein wichtiger Teil römischer Lebenswelt war.
Die Lebenswelt der Römer war stark durch Mantik geprägt. Keine wichtige politische Entscheidung konnte getroffen, kein Feldzug begonnen werden, ohne zuvor den Willen der Götter festgestellt zu haben. Caesar und andere Feldherren ließen sich im Felde von ihren eigenen Priestern begleiten, die ihnen vor jeder Schlacht die himmlischen Vorzeichen deuteten. In der Stadt selbst etablierten sich mit der Zeit verschiedene Formen der Mantik, zum Beispiel die Eingeweideschau, die Interpretation von Blitzen, das Fressverhalten der heiligen Hühner oder die sog. Auspizien (Deutung des Vogelflugs). Diese Vorgänge waren stets öffentlich, damit ein jeder sehen konnte, dass die Götter ihren guten Willen (oder Unwillen) zu einem Vorhaben bekundeten.