Christenverfolgung in Palästina

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Übersetzung: Andreas Bigelmair
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Übersetzung

[3] Im Verlauf des zweiten Jahres entbrannte der Kampf gegen uns noch furchtbarer. Zu der Zeit, da Urbanus Statthalter der Provinz (Palästina) war, erging nämlich zum ersten Male ein Schreiben der Kaiser, das den allgemein verpflichtenden Befehl enthielt: allenthalben haben alle Einwohner den Götterbildern Opfer und Trankspenden zu entrichten. Damals legte Timotheus in Gaza, einer Stadt in Palästina, durch seine Ausdauer in allen Leiden eine glänzende Probe von der Echtheit seines Glaubens an Gott ab und erlangte die Krone der Sieger in den heiligen Kämpfen für die Religion: nach zahllosen Folterqualen, die er erdulden mußte, wurde er einem kleinen und langsam brennenden Feuer übergeben. Gleichzeitig mit ihm bewährten auch Agapius und unsere Zeitgenossin Thekla edelste Standhaftigkeit: sie wurden verurteilt, den wilden Tieren zum Fraße vorgeworfen zu werden. Doch wen hätte nicht Staunen erfaßt, wenn er mit ansah, was weiter geschah, wen hätte es nicht bis in die Seele hinein ergriffen, wenn er auch nur davon gehört? Als nämlich die Heiden ein Volksfest und die dabei üblichen Schauspiele feierten, sprach man vielfach davon, daß außer denen, die sonst schon vor ihnen zu kämpfen hatten, auch die jüngst zu den wilden Tieren Verurteilten zum Kampf erscheinen würden. Als das Gerücht hiervon sich immer weiter verbreitete und mehr und mehr zu allen drang, banden sich sechs Jünglinge, um ihre völlige Bereitwilligkeit zum Martyrium auszurücken, selbst die Hände, traten in raschem Schritte vor Urbanus, der eben gehen wollte und bekannten sich vor ihm als Christen. Ihr Aufnehmen eines Kampfes mit allen Schrecknisse zeigte es, daß diejenigen, welche sich des Glaubens an den Gott des Alls rühmen dürfen, auch vor den Angriffen von wilden Tieren kein Bangen empfinden. Der eine von ihnen hieß Timolaus und stammte aus dem Pontus, der zweite, aus Tripolis in Phönizien gebürtig, nannte sich Dionysius, der dritte von ihnen, mit Namen Romulus, war Subdiakon der Kirche in Diospolis; dazu kamen zwei Ägypter, Paesis und Alexander, und ein mit dem letzteren gleichnamiger Alexander von Gaza. Nicht gering war das Erstaunen, in das sie den Statthalter und seine Umgebung versetzten. Sofort wurden sie in das Gefängnis gebracht. Nachdem wenige Tage später ihnen zwei andere zugestellt worden waren – der eine, ebenfalls mit dem Namen Agapius, hatte schon vor ihnen ob seines wiederholten früheren Bekenntnisses schreckliche und mannigfache Foltern zu überstehen gehabt, der andere, der auch den Namen Dionysius trug, hatte ihnen das zum Lebensunterhalt nötige gebracht – , wurden alle, jetzt acht an der Zahl, an einem Tage in Cäsarea enthauptet, am vierundzwanzigsten Tage des Monats Dystrus, das ist am neunten Tage vor den Aprilkalenden.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Euseb. De. Mart. Palaest. 3,1

Leitfragen:

1) Wie ist der Ablauf der Verfolgung in Palästina hier geschildert?

2) Welche Botschaft möchte der Autor mit diesem Bericht übermitteln?

3) Welche Rückschlüsse lässt die Quelle auf die Erfolgsaussichten der Verfolgung zu?

Kommentar:

Eusebius von Cäsarea war ein Schriftsteller um die Wende vom dritten zum vierten Jahrhundert n. Chr., seine Kirchengeschichte ist eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte der Spätantike, besonders des Christentums. In diesem Abschnitt berichtet er von den Verfolgungen unter Diokletian, deren Zeitzeuge er selbst war.

Ebenso wie in den anderen Teilen des Reiches wurde das Opfergebot Diokletians auch in Palästina umgesetzt. Hier war das Christentum besonders stark, da es dort schließlich auch entstanden war. Wie vom Kaiser befohlen, ordnete der Statthalter an, dass alle Bürger opfern sollten. Die Christen, die sich aus Glaubensgründen weigerten, wurden verhaftet und zum Tode verurteilt. Dabei wichen viele, so berichtet Eusebius, nicht einmal unter Folter von ihrem Glauben ab, sondern gingen bereitwillig in den Tod. Diese sogenannten „Zeugen“ (martyroi – Märtyrer) wurden für die Kirche später zu Helden. Eusebius berichtet uns hier von Szenen, in denen die Christen so demonstrativ todesverachtend auftraten, dass der Statthalter sie nicht im Circus hinrichten, sondern nach weiteren Tagen im Gefängnis enthaupten ließ. Da es Eusebius auch darum ging, das Andenken an das Vorbild der Märtyrer hochzuhalten, nennt er viele von ihnen hier namentlich.

Die Botschaft des Autors ist deutlich aus dem Text zu sehen. Die Verfolger, in diesem Fall der Statthalter, schrecken vor keiner Brutalität zurück, um die Christen entweder zum Opfer zu zwingen, oder hinzurichten. Die Christen jedoch, so Eusebius‘ Botschaft, wehrten sich standhaft, indem sie für ihren Glauben bereitwillig in den Tod gingen, so qualvoll er auch sein mochte. Diese Opferbereitschaft trug sicherlich einen großen Teil dazu bei, dass die Verfolgungen nur wenige Jahre später von Galerius als offensichtlich aussichtslos eingestellt wurden. Allerdings ist zu erwähnen, dass nicht alle Christen sich so verhielten, wie es Eusebius hier suggeriert. Viele brachen mit ihrem Glauben und opferten, wie es verlangt wurde, um der Folter zu entgehen und ihr Leben zu retten. Der Umgang mit diesen „Gestrauchelten“ (lapsi) war später für die Kirche kein geringes Problem.

Aus der Quelle lässt sich denn auch einiges auf die Erfolgsaussichten der Verfolgungen schließen. Zuerst einmal ist die große Zahl offensichtlich, die die Christen inzwischen darstellten. Eine derartig brutale Behandlung so großer Teile der Bevölkerung hätte womöglich früher oder später auch zu Aufständen geführt, trotz der hier so eindrücklich demonstrierten Gewaltfreiheit der Märtyrer. Gleichzeitig sind diese Märtyrer auch das eigentliche Problem für die Verfolger. Wenn die Christen nicht vor der Hinrichtung zurückschrecken und sich sogar absichtlich aneinander fesseln, um ihre Opferbereitschaft auszudrücken, kann der Statthalter so viele hinrichten wie er will: Er hat den Kampf auf der moralischen und massenpsychologischen Ebene schon verloren. Seine Reaktion zeigt, dass er dies begriffen hatte. Anstatt den Märtyrern im Circus eine Bühne zu bieten, lässt er sie Tage später enthaupten, damit sie sich nicht in derart performativer Art und Weise für ihren Glauben würden opfern können.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Die Entwicklung des Christentums“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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Siehe zur Christenverfolgung auch den anderen Bericht des Eusebius, den des Laktanz und zu den frühen Verfolgungen den des Tacitus. Zum Toleranzedikt siehe die entsprechende Stelle.