Frühe Besiedlung Griechenlands

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Thukydides
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Thuk. 1.2 – Original:

φαίνεται γὰρ ἡ νῦν Ἑλλὰς καλουμένη οὐ πάλαι βεβαίως οἰκουμένη, ἀλλὰ μεταναστάσεις τε οὖσαι τὰ πρότερα καὶ ῥᾳδίως ἕκαστοι τὴν ἑαυτῶν ἀπολείποντες βιαζόμενοι ὑπό τινων αἰεὶ πλειόνων. [2] τῆς γὰρ ἐμπορίας οὐκ οὔσης, οὐδ᾽ ἐπιμειγνύντες ἀδεῶς ἀλλήλοις οὔτε κατὰ γῆν οὔτε διὰ θαλάσσης, νεμόμενοί τε τὰ αὑτῶν ἕκαστοι ὅσον ἀποζῆν καὶ περιουσίαν χρημάτων οὐκ ἔχοντες οὐδὲ γῆν φυτεύοντες, ἄδηλον ὂν ὁπότε τις ἐπελθὼν καὶ ἀτειχίστων ἅμα ὄντων ἄλλος ἀφαιρήσεται, τῆς τε καθ᾽ ἡμέραν ἀναγκαίου τροφῆς πανταχοῦ ἂν ἡγούμενοι ἐπικρατεῖν, οὐ χαλεπῶς ἀπανίσταντο, καὶ δι᾽ αὐτὸ οὔτε μεγέθει πόλεων ἴσχυον οὔτε τῇ ἄλλῃ παρασκευῇ. [3] μάλιστα δὲ τῆς γῆς ἡ ἀρίστη αἰεὶ τὰς μεταβολὰς τῶν οἰκητόρων εἶχεν, ἥ τε νῦν Θεσσαλία καλουμένη καὶ Βοιωτία Πελοποννήσου τε τὰ πολλὰ πλὴν Ἀρκαδίας, τῆς τε ἄλλης ὅσα ἦν κράτιστα. [4] διὰ γὰρ ἀρετὴν γῆς αἵ τε δυνάμεις τισὶ μείζους ἐγγιγνόμεναι στάσεις ἐνεποίουν ἐξ ὧν ἐφθείροντο, καὶ ἅμα ὑπὸ ἀλλοφύλων μᾶλλον ἐπεβουλεύοντο. [5] τὴν γοῦν Ἀττικὴν ἐκ τοῦ ἐπὶ πλεῖστον διὰ τὸ λεπτόγεων ἀστασίαστον οὖσαν ἄνθρωποι ᾤκουν οἱ αὐτοὶ αἰεί. [6] καὶ παράδειγμα τόδε τοῦ λόγου οὐκ ἐλάχιστόν ἐστι διὰ τὰς μετοικίας ἐς τὰ ἄλλα μὴ ὁμοίως αὐξηθῆναι: ἐκ γὰρ τῆς ἄλλης Ἑλλάδος οἱ πολέμῳ ἢ στάσει ἐκπίπτοντες παρ᾽ Ἀθηναίους οἱ δυνατώτατοι ὡς βέβαιον ὂν ἀνεχώρουν, καὶ πολῖται γιγνόμενοι εὐθὺς ἀπὸ παλαιοῦ μείζω ἔτι ἐποίησαν πλήθει ἀνθρώπων τὴν πόλιν, ὥστε καὶ ἐς Ἰωνίαν ὕστερον ὡς οὐχ ἱκανῆς οὔσης τῆς Ἀττικῆς ἀποικίας ἐξέπεμψαν.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Richard Crawley
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

For instance, it is evident that the country now called Hellas had in ancient times no settled population; on the contrary, migrations were of frequent occurrence, the several tribes readily abandoning their homes under the pressure of superior numbers. [2] Without commerce, without freedom of communication either by land or sea, cultivating no more of their territory than the exigencies of life required, destitute of capital, never planting their land (for they could not tell when an invader might not come and take it all away, and when he did come they had no walls to stop him ), thinking that the necessities of daily sustenance could be supplied at one place as well as another, they cared little for shifting their habitation, and consequently neither built large cities nor attained to any other form of greatness. [3] The richest soils were always most subject to this change of masters; such as the district now called Thessaly, Boeotia, most of the Peloponnese, Arcadia excepted, and the most fertile parts of the rest of Hellas. [4] The goodness of the land favoured the aggrandizement of particular individuals, and thus created faction which proved a fertile source of ruin. It also invited invasion. [5] Accordingly Attica, from the poverty of its soil enjoying from a very remote period freedom from faction, never changed its inhabitants. [6] And here is no inconsiderable exemplification of my assertion, that the migrations were the cause of there being no correspondent growth in other parts. The most powerful victims of war or faction from the rest of Hellas took refuge with the Athenians as a safe retreat; and at an early period, becoming naturalized, swelled the already large population of the city to such a height that Attica became at last too small to hold them, and they had to send out colonies to Ionia.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Niklas Rempe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Thuk. 1.2

Leitfragen:

1) Geben Sie Thukydides Darstellung der frühen Besiedlung Griechenlands wieder.

2) Was für Gefahren lassen sich für die Lebensweise der Griechen feststellen?

3) Welche Voraussetzungen für die frühe Siedlungs- und Staatenbildung in Griechenland lassen sich in der Quelle nachvollziehen?

Kommentar:

Thukydides beschreibt in diesen einführenden Überlegungen seines Werkes über den Peloponnesischen Krieg die frühe Besiedlung Griechenlands. Auch für ihn – er schrieb im letzten Drittel des fünften Jahrhunderts v. Chr. – liegen diese Geschehnisse lange vor seinem Leben. Er ist damit zwar keine zeitgenössische Quelle, doch ist seine Beschreibung nichtsdestoweniger eine interessante Darstellung dieser so schwer in den Quellen zu fassenden Dunklen Jahrhunderte. Thukydides beginnt damit, die Lebensweise der frühen Griechen wiederzugeben: Sie ist durch umherziehende Stämme geprägt. Als Nomaden ziehen sie durch das Land und bleiben an keinem Ort lange ansässig – die Menschen treiben Subsistenzwirtschaft. Zum einen, weil ihre Wanderungen eine Landwirtschaft, die mehr als den zum Überleben benötigten Ertrag erbringen könnte, nicht zulässt und zum anderen, weil Handelsbeziehungen mit anderen Stämmen, die einen etwaigen Überschuss an Gütern abnehmen würden, nicht existieren. Entsprechend sind feste Siedlungen selten, und die Stämme müssen um die Gebiete mit den besten natürlichen Voraussetzungen konkurrieren.

Diese Konkurrenz der verschiedenen griechischen Stämme untereinander bedeutet zu dieser Zeit eine Bedrohung für die Existenz der Griechen. Thukydides erwähnt gewalttätige Konflikte der Stämme untereinander, da sie sich in Ermangelung an Nahrung und fruchtbaren Gebieten gegenseitig das Land abspenstig machen wollen und sogar müssen, um ihr Überleben zu gewährleisten. Entsprechend waren es die fruchtbaren Landschaften wie Thessalien oder große Teile der peloponnesischen Halbinsel, die am meisten umkämpft waren. Es handelte sich allerdings nicht um groß angelegte Kriege oder Feldzüge – für derartiges gab es weder genügend Männer, noch die entsprechende Ausrüstung. Die griechischen Stämme wurden demnach sowohl durch den Mangel an Nahrung – bedingt durch ihre nomadische Lebensweise – als auch durch die konkurrierenden Gruppen bedroht.

Die Bodenbeschaffenheit, das wird aus der Quelle nur allzu deutlich, ist nach Thukydides ein wichtiger Faktor in der frühen Siedlungs- und Polisbildung. Um eine Vielzahl an Menschen mit Nahrung zu versorgen, musste eine größere Fläche fruchtbaren Bodens für eine ertragreiche Landwirtschaft vorhanden sein. Sofern diese existierte, drohte jedoch sofort Gefahr von anderen Stämmen. So erklärt Thukydides die paradoxe Situation, dass in den kargen Gebieten um Athen die Menschen am friedlichsten lebten und so lange sesshaft bleiben konnten. Entsprechend kamen immer weitere Stämme, die zuvor mit anderen um die fruchtbaren Gebiete konkurriert hatten, nach Attika. Dies wiederum führte zu einem Bevölkerungs- und Machtzuwachs der Athener. Thukydides – selber ein Athener – überhöht hier die Rolle seiner Heimatstadt sicherlich, nichtsdestoweniger zeigt er plausibel, wie gute landwirtschaftliche Bedingungen nur ein Weg von mehreren zur Sesshaftigkeit und damit zur Macht war. Auch ohne diesen natürlichen Vorteil konnten sich die Athener im Laufe der Zeit zu einer der mächtigsten Poleis Griechenlands erheben – freilich blieben sie zu ihrem Leidwesen immer vom Nahrungsimport abhängig.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Dunklen Jahre“. Um einen breiteren Einblick in die griechische Archaik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte I – Archaik“.
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