Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Euergetismus
Leitfragen:
Géza, Alföldy: Städte, Eliten und Gesellschaften in der Gallia Cisalpina, (=Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien, Bd. 30), Steiner, Stuttgart 1999, 243.
1.) Mit welcher Intention wurde die Inschrift aufgestellt?
2.) Was ist der Inhalt der Inschrift?
3.) Was bedeutet Euergetismus?
Kommentar:
Der sog. Euergetismus ist ein geläufiges Phänomen der griechisch-römischen Welt und bezeichnet die größeren oder kleineren öffentlichen Wohltaten, die der Gemeinschaft einer Stadt von Individuen erwiesen wurden.
Dabei war der wechselseitige Austausch von Wohltätigkeiten und dem damit verbundenem Dank dafür ein Kernelement des sozialen gesellschaftlichen Lebens, wie etwa auch das römische Klientel- respektive Patronageverhältnis deutlich macht. Grundsätzlich stand es Personen aus allen sozialen Gruppen offen, Stiftungen und testamentarische Verfügungen aller Art vorzunehmen. In der Kaiserzeit zielte der Euergetismus allerdings besonders darauf ab, die Sympathien der Mitbürger oder fremder Mächte zu gewinnen, andere Bewegründe wären Frömmigkeit und der Wunsch nach Andenken.
Die hier gezeigte epigraphische Quelle macht dies Konzept besonders deutlich. Es handelt sich um eine Inschrift, die zu Ehren Plinius d.J. nach seinem Tod in seiner Heimatstadt Como aufgestellt wurde.
Die Inschrift listet zum einen auf beeindruckende Weise die einzelnen Etappen des Cursus honorum, der politischen Laufbahn von Plinius d.J. auf. Zum anderen verweist sie auf die testamentarischen Verfügungen, die er vor seinem Tod veranlasst hatte. Plinius d.J. ließ nach seinem Tod u.a. (öffentliche) Bäder errichten und stiftete zudem eine Geldsumme für deren Unterhalt. Außerdem sorgte er für eine Versorgung der Bürger von Como mit kostenlosen Speisen.
Auch die Wohltaten, die er zu Lebzeiten vollbracht hatte, führt die Inschrift auf; er hatte eine Geldsumme für die Versorgung und evtl. auch für die Ausbildung bedürftiger Kinder beiderlei Geschlechtes gestiftet und eine Bibliothek errichten lassen und dieser wiederum eine hohe Geldsumme für deren Unterhalt überschrieben.
Damit fällt diese Inschrift grundsätzlich in den Bereich der sozialen Stiftungen, die im Gegensatz zu den religiösen oder kultischen Weihungen oder den kaiserlichen politisch-öffentlichen Weihinschriften stehen.
Diese dem Gemeinwohl zuträglichen Stiftungen waren Teil eines komplexen sozialen Konstruktes, welches tief in das kollektive Gedächtnis der kaiserzeitlichen Gesellschaft eingebrannt war und aus diesem Grund auch eine gewisse Erwartungshaltung bei den Zeitgenossen hervorrief. Seinen Ursprung hatte dieses Konzept in der besonderen Wertschätzung des Alten und Traditionsreichen und darf unter keinen Umstanden mit der Idee einer grundsätzlichen Versorgung von Armen und Bedürftigen verwechselt werden, eine solche taucht erst in der Spätantike mit der Etablierung des frühen Christentums auf.
Vielmehr hing die politische und gesellschaftliche Stellung eines Individuums und seiner Familie vom Einhalten eben dieses Konzeptes ab. Die Teilhabe am politischen Leben Roms war zum einen an bestimmte Geldsummen gebunden, die der Bewerber aufbringen musste, um eines der öffentlichen Ämter bekleiden zu dürfen. Der Ruf eines Kandidaten spielte hierbei auch in der Kaiserzeit mindestens eine genauso wichtige Rolle. Nach dem Leitspruch Panem et Circenses (Iuv. 10,81) waren die Ausrichtung pompöser Spiele, die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide oder die gezielte Errichtung oder Wiederherstellung bestimmter Bauwerke oftmals entscheidende Elemente im politischen Machtkampf. Dies wird u.a. auch am Bauprogramm des Augustus deutlich.
Die Freigebigkeit, die sich in Leistungen für die Gemeinschaft äußerte, war auch hier die Basis gesellschaftlicher Reputation und Macht. Nicht nur der Kaiser, sondern auch Privatpersonen, die öffentliche Ämter innehatten, wie eben Plinius, machten davon Gebrauch. Insgesamt trugen die unterschiedlichen Stiftungen nicht unwesentlich zur Lebensqualität in den Städten des römischen Reiches bei. Die Stifter und ihre Nachkommen genossen ein soziales Prestige bzw. Kapital, welches sich wiederum in öffentlichen Dankesbekundungen der Stadt niederschlug und damit das Andenken und die Taten bestimmter Bewohner wahrten sowie das Ansehen einer Familie weiter steigern konnte.