Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA
Religionspolitik
Leitfragen:
1.) Was steht in den Opferbescheinigungen?
2.) Von wem mussten diese Ausgestellt werden?
3.) Wie lässt sich diese Quelle in den Kontext der Ereignisse des 3. Jh. einordnen?
Kommentar:
Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um zwei ägyptischen Opferbescheinigungen, sog. libelli, die ein wichtiges Zeugnis für die Geschichte des frühen Christentums darstellen. Sie lassen sich auf ein Edikt des Kaisers Decius aus dem Jahr 249 n. Chr. zurückführen, in welchem er ein allgemeines Opfergebot für alle römischen Bürger und ihre Haushalte forderte. Im Rahmen dieses Opfergebotes war jeder Bürger gezwungen, durch eine schriftliche Bescheinigung das durchgeführte Opfer an die Götter und den Kaiser nachzuweisen. Bei einer Missachtung dieses Dekretes konnten schwere Strafen bis hin zur Todesstrafe verhängt werden.
Die Papyri (Meyer 6 und 23) stellen zwei Beispiele für ebenjene Opferbescheinigungen dar. Die Dokumente stammen aus der Stadt Arsinoe und dem Dorf Thedelphia in Ägypten. Durch das trockene Klima haben sich die Papyri aus dem Jahr 250 n. Chr. bis heute erhalten.
Beide Texte weisen ein ähnliches Formular auf: es wird der Name des Opfernden genannt und bestätigt, dass dieser immer den Göttern geopfert habe und auch zu dem Zeitpunkt der Ausstellung dieses Bescheides – nach Vorschrift des Ediktes – den Göttern und dem Kaiser ein Trank- und Speiseopfer dargebracht und von dem Opferfleisch gekostet habe. Zudem wird unter Angabe des Datums erwähnt, dass dieser vor Zeugen geopfert habe, dabei konnte es sich um Einzelpersonen oder um eine offizielle Kommission gehandelt haben.
Oftmals werden auch weitere Familienmitglieder, wie Frauen, Kinder oder Sklaven in den Bescheinigungen mitbenannt oder zumindest indirekt inkludiert.
Dieses Vorgehen richtete sich dabei keinesfalls speziell gegen das Christentum, vielmehr reagierte Decius, der von 249-251 n. Chr. Kaiser des Römischen Reiches war, durch das allgemeine Opfergebot auf die innen- und außenpolitischen Krisen Roms. Das Imperium wurde im Westen durch die Germanen und im Osten durch die Sassaniden stark unter Druck gesetzt. Zeitgleich kam es auch im Inneren immer wieder zu Aufständen und Putschversuchen – auch der ehemalige Offizier Decius war durch einen Militärputsch an die Macht gekommen.
In diesem Sinne wurde das Opferdekret mit unterschiedlichen Intentionen verfasst. Zum einen hatte Decius die Absicht, die Götter im Zuge dieses Krisenzustandes zu besänftigen und gleichzeitig durch eine Rückbesinnung auf die altrömischen Sitten wieder Struktur in die innere Ordnung des Imperiums zu bringen. Zum anderen sollte dieses Opfer als Loyalitätsbekundung dem Kaiser gegenüber fungieren, der als Usurpator auf diese Weise seine Herrschaft legitimieren wollte.
Dass sich diese Verfolgung allerdings weniger gegen das Christentum, als gegen einen generellen Abfall von den römischen Göttern und dem Kaiser richtete, zeigt insbesondere der zweite libellus, in dem auch eine pagane Priesterin des Petesuchos aufgefordert wird zu opfern. Die Christen fielen erst durch eine besonders öffentliche und demonstrative Form der Verweigerung dieser Opfer auf und gerieten erst dadurch so stark in den Fokus der Autoritäten.
Nichtsdestotrotz löste Decius damit – wahrscheinlich sogar mehr oder weniger unbeabsichtigt – die erste gesamtstaatliche Christenverfolgung aus.
Während in dieser Zeit einige Christen zu Märtyrern wurden, fälschten andere diese Opferbescheinigungen, um einer Bestrafung zu entgehen. Wiederum andere gaben diesem Druck nach und opferten. Diese von Glauben „abgefallenen Christen“, die sog. lapsi und die spätere Frage nach der Möglichkeit ihrer Wiedereingliederung in die Kirchenstrukturen, sollte in den Folgejahren zu massiven innerkirchlichen Konflikten führen.