02 – Valentinian bis Theodosius

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in:
Werner Rieß
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Römische Geschichte III: Die Spätantike

02 – Valentinian bis Theodosius (364-378, 379-395)

Nach dem Tod Julians wird ein gewisser Jovianus zum Kaiser ausgerufen, der einen sogenannten Schmachfrieden mit den Persern schließt. Er war Christ und erneuerte sofort die Privilegien der Kirche. Er stirbt 364. Der Offiziersrat bestimmt Flavius Valentinianus zum Nachfolger, der noch im Jahre 364 seinen Bruder Flavius Valens zum Augustus erhebt. Die Brüder teilen sich die Verwaltung des Reiches an der Sprachgrenze auf (Große Syrte – Save), Valentinian regiert von Mailand, Paris und Trier aus, Valens von Konstantinopel. Die Reichseinheit bleibt aber gewahrt, alle offiziellen Beschlüsse ergehen im Namen beider Kaiser. Valentinian führt im Westen schwere Kämpfe gegen Franken und Alemannen, auch in Britannien gilt es, das Reich gegen Picten und Scoten zu verteidigen. Der Hadrianswall wird zum letzten Mal befestigt. In Africa greifen Berbernomaden ständig Tripolitanien an, v.a. Leptis Magna hat zu leiden. Valentinian betritt Rom nie und versteht den Senatorenstand nicht, es kommt 368-371 zu Prozessen gegen Senatoren. Die Militärs werden dagegen aufgewertet, die magistri militum werden zu viri ilustrissimi erhoben und mit den Präfekten gleichgestellt. Valentinian ist katholisch, aber religiös ist es im Westen viel ruhiger als im Osten. 375 verhandelt er mit Quaden in Pannonien; er bekommt in diesen Verhandlungen einen solchen Tobsuchtsanfall, dass er an den Folgen eines Blutsturzes stirbt.
367 hatte er aber schon seinen ältesten Sohn Gratian als Achtjährigen zum Mitkaiser im Westen ausrufen lassen. Allerdings hatte Valentinian noch einen zweiten Sohn, Valentinian II., den die Heermeister Merobaudes und Equitius in Aquincum zum Kaiser ausriefen. Valentinian II. war damals erst vier Jahre alt. Gratian, jetzt 16, ist damit einverstanden, das Westreich wird zwischen den beiden Halbbrüdern aufgeteilt: Illyricum, Italien und Africa sollen Valentinian II gehören, Gallien Gratian. Er ist Vormund für seinen Halbbruder. In den Jahren 375-383 regiert Gratian von Trier aus, das jetzt als Hauptstadt eine Blütephase erlebt. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass Gratian von dem Rhetoriklehrer Ausonius erzogen wurde, der seinen Zögling wieder zu einer senatsfreundlichen Politik bewegen konnte. Ausonius gewinnt als Vertrauter des Kaisers besonderen Einfluss am Hof. Er wird quaestor sacri palatii, dann praefectus praetorio und schließlich, 379, Konsul. In die Literaturgeschichte ist Ausonius aufgrund seines berühmten Gedichtes auf die Mosel, Mosella, eingegangen. Während Valentinian und Gratian im Westen die Germanen in Schach halten konnten, hat Valens im Osten große Probleme:
Nach erfolgreichen Gotenkriegen an der unteren Donau in den späten 360ern befestigt Valens die Donaugrenze. Valens ist, wie Constantius II. vor ihm, Arianer, während die drei großen kappadokischen Kirchenväter, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa und Basilius für die Orthodoxie streiten, v.a. Basilius wendet sich persönlich gegen Valens. Er schickt Athanasius zum fünften Mal ins Exil, er darf aber 366 nach Alexandria zurück, wo er 373 stirbt. Unter seinen vielen Schriften ragt besonders die Vita Antonii heraus, die das östliche Mönchtum auch an den Westen vermittelt. Wie Valentianian I. ist auch Valens gegenüber den Heiden tolerant, viel toleranter als es später Theodosius sein würde. Unter dieser offiziellen Ebene konnte Valens jedoch die Fanatiker im Osten, v.a. in Ägypten, nicht daran hindern, in quasi bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen aufeinander loszugehen.
Schwerwiegend für die Folgezeit werden die Probleme mit den Goten. Sie kamen ursprünglich aus Schweden und siedelten ab 200 n. Chr. am Schwarzen Meer. Als die Hunnen, abgelenkt von der Chinesischen Mauer, nach Westen drängten, setzten sie die Goten in Bewegung. Die Ostgoten werden von den Hunnen unterworfen, auch die Westgoten werden vernichtend geschlagen. Sie kommen an die Donau und bitten um Siedlungsplätze innerhalb des römischen Reiches, sie schicken sogar eine Bittgesandtschaft an Valens, der zu dem Zeitpunkt in Antiochia weilt. Valens kamen die Goten nicht ungelegen, sie konnten einen Puffer gegenüber den Hunnen bilden und waren sogar arianischen Glaubens. Valens hat wohl Kontingente erteilt; die Römer wollten beim Grenzübergang zählen, wie viele Goten ins Reich übersiedelten, aber die Grenzposten verloren die Kontrolle: Tag und Nacht setzten die Goten in Schiffen über die Donau über, auch Ostgoten schlossen sich an, das Zählen war unmöglich geworden. Bald kam es auf römischer Seite zu Versorgungsengpässen, die römischen Offiziere waren korrupt, den Goten wurde der Zugang zum Markt von Marcianopel verwehrt, es kam zu ersten Rangeleien. Die Römer machten die Anführer der Goten verantwortlich. Ein comes Thraciae wird jetzt von den Goten geschlagen, sie erbeuten römische Waffen. Die Situation gerät nun allmählich außer Kontrolle. Gotische Hilfstruppen, die seit Jahren in römischen Diensten gestanden hatten, sowie germanische Sklaven schlossen sich den Goten bei Plünderungszügen durch Thrakien an. Valens eilt nach Konstantinopel. Hunnen und Alanen schließen sich nun den Goten an. Gratian möchte zu Hilfe eilen und marschiert nach Osten. Er steht bei Sirmium. Die Heermeister, die er voraussendet, sind noch nicht bei Valens eingetroffen, als dieser, auch aufgrund einer Fehlinformation über die Stärke des feindlichen Heeres und trotz der Warnungen Gratians, auf ihn zu warten, am 9. August 378 die Schlacht bei Adrianopel wagt. Das Westgotenheer war mittlerweile durch den Zustrom von Taifalen, Hunnen, Alanen und Ostgoten zu einer gewaltigen Streitmacht angewachsen, der sich die Römer nicht gewachsen zeigten: Zwei Drittel des römischen Heeres werden aufgerieben, zwei magistri militum fallen, auch Valens findet den Tod. Obwohl die Goten Adrianopel und Konstantinopel nicht erobern können, bedeutet diese vernichtende Niederlage der Römer eine tiefe Zäsur in der römischen Geschichte, vielleicht ist diese Niederlage sogar der Anfang vom Ende des römischen Reiches. Der Osten des Reiches lag nun vollkommen offen, er hat kein intaktes römisches Heer mehr. Manche Althistoriker gehen heute davon aus, dass das römische Reich nicht aufgrund innenpolitischer Strukturdefekte unterging, sondern von außen zerstört wurde, wozu die Goten ganz wesentlich beigetragen hätten. Den Zeitgenossen war die Bedeutung der Schlacht auch bewusst: Ammian vergleicht die Schlacht von Adrianopel mit der von Cannae und beschließt hier sein großes Geschichtswerk, Hieronymus beendet hier seine Chronik.
Die Westgoten beherrschen nun den Balkan. Gratian macht 379 Flavius Theodosius zum neuen Kaiser über den Osten. Sein Vater hatte als Heermeister für Valentinian gekämpft. Er hatte eine immens schwierige Aufgabe zu bewältigen, d.h. die römische Herrschaft auf dem Balkan wiederherzustellen. Die Römer fahren zweigleisig: Immer wieder werden Goten angesiedelt, gegen die Hunnen wird gekämpft. Gratian überstellt Theodosius gallische Truppen; der versucht, wieder ein römisches Heer aufzubauen, für das er auch Goten anwirbt. Auch Veteranen werden wieder einberufen. Theodosius kommt 380 nach Konstantinopel und schließt 382 einen bedeutenden Frieden mit den Westgoten. Goten werden hier zum ersten Mal als freie Krieger auf Reichsgebiet, in Niedermösien, angesiedelt. Sie erhalten Grundbesitz steuerfrei und dienen unter eigenen Anführern. Dafür erkennen sie die Oberhoheit der Römer an, insbesondere respektieren sie den Kaiser als höchste Autorität, dienen aber faktisch ihren Königen. Im Notfall stellen sie Truppen gegen Bezahlung. Faktisch verschwimmen hier Innen und Außen des Reiches, das Beispiel sollte Schule machen.
Theodosius ist erzkatholisch und verzichtet, wie auch Gratian, auf den Titel pontifex maximus. Unter dem Einfluss des Ambrosius hebt Theodosius 379 die von Gratian verkündete Toleranz auf und richtet einen Erlass an alle Völker, zum katholischen Glauben überzutreten. Der Streit um den Arianismus war um diese Zeit schon abgeklungen, Konstantinopel war aber noch in der Hand eines arianischen Bischofs, den Theodosius nun aber ausweist. 381 wird das Nizänische Glaubensbekenntnis von 325 noch einmal für verbindlich erklärt. Im Zweiten Ökumenischen Konzil wird der Patriarch von Konstantinopel denen von Antiochia und Alexandria übergeordnet und nur dem römischen untergeordnet. Ab 381/382 ist das Christentum Staatsreligion, ab jetzt herrscht Glaubenszwang. Es hat also rund 70 Jahre gedauert von der Erlaubnis, Christ zu sein bis hin zur Etablierung des Christentums als verbindliche Religion, die nun daranging, andere Kulte zu unterdrücken.
383 erhob sich ein gewisser Magnus Maximus in Britannien zum Kaiser. Gratian eilt ihm entgegen, wird aber bei Paris von einem Heermeister des Maximus ermordet. Maximus residiert in Trier und kämpft energisch gegen die Germanen. Theodosius anerkennt Maximus in gewisser Weise. Bis 388 regiert Maximus den Westen.
In Italien liefern sich Christen und heidnische Senatoren noch große rhetorische Auseinandersetzungen. Gratian hatte den Victoria-Altar aus der Curie entfernen lassen. Der heidnische Senator Symmachus erbittet nun in seiner Funktion als Stadtpräfekt 384 von Valentinian die Rückkehr des Altares. In seiner berühmten Dritten Relatio begründet der hochgebildete Symmachus mit allen Registern der antiken Rhetorik die Sinnhaftigkeit des alten Glaubens. Er scheitert jedoch am streitbaren Bischof von Mailand, Ambrosius, der dem jungen Kaiser die Exkommunikation androht, sollte er den Heiden in irgendeiner Weise entgegenkommen.
Die Streitigkeiten eskalieren weiter um die Basilica Portiana, denn der Kaiser, der Arianer geworden ist, verlangt ein arianisches Gotteshaus in Mailand. Ambrosius wehrt sich mit allen Mitteln und lässt alle Kirchen Mailands Tag und Nacht besetzen; die Truppen Valentinians II. weigern sich, gegen die Gläubigen vorzugehen, wieder muss der Kaiser nachgeben! Seine Stellung ist in Mailand stark geschwächt, er weicht nach Aquileia aus.
Als Valentinian Probleme mit Barbaren in Pannonien hat, ruft er Maximus zu Hilfe. Weil dieser katholisch ist, schlägt ihm in Italien viel Sympathie entgegen. Valentinian II. sucht bei Theodosius in Thessaloniki Zuflucht. Theodosius rüstet nun zum Krieg gegen den Usurpator Maximus. Theodosius siegt, Maximus wird geköpft. Zum letzten Mal ist die Reichsgewalt in einer Hand, nämlich in der des Theodosius. Jedoch gerät er, wie vor ihm Valentinian II., in Mailand in einen heftigen Konflikt mit dem streitbaren Ambrosius. Ein Bischof am Euphrat hatte eine Synagoge zerstört, worauf Theodosius Schadenersatz für die jüdische Gemeinde verlangte. Nach heftigem Protest des Ambrosius nahm Theodosius diese Schadensersatzforderung zurück. Doch noch Gravierenderes geschah: In Thessaloniki war ein Wagenlenker verhaftet worden, die Fans stürmten das Gefängnis und töteten auch einen Heermeister. Zur Strafe ließ Theodosius tausende Menschen niedermachen. Ambrosius forderte ihn daraufhin auf, öffentlich Buße zu tun. Bis dahin wäre er von der Kommunion ausgeschlossen. Theodosius wollte diese öffentliche Demütigung unbedingt vermeiden, doch es blieb ihm nichts anderes übrig: 390 wurde er wieder zu Weihnachten in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen und kehrte 391 nach Konstantinopel zurück. Die Parallele zu Canossa ist deutlich zu greifen. Die Welt hatte sich grundlegend verändert. Kein römischer Kaiser unter dem Prinzipat war aufgrund religiöser Überzeugungen so in Schwierigkeiten geraten und wurde so von einem Priester gemaßregelt und gedemütigt.
Noch gab es viele Heiden unter den Senatoren und auch unter den Offizieren, die Universitäten waren neuplatonisch geprägt. Christliche Bildungseinrichtungen gab es noch nicht. Theodosius verschärfte nun aber den Kampf gegen die Heiden: Die Ehe zwischen Juden und Christen wird 388 verboten. Opfer und Magie werden unter strenge Strafe gestellt. 391 wird jede Form der alten Religionsausübung verboten. Fanatische Mönche fühlen sich nun den Heiden überlegen und ermuntert, Götterbilder und Tempel zu zerstören. In Alexandria kam es zu schweren Auseinandersetzungen, in deren Folge Theophilos mit seinen Mönchshorden das Serapeion, das Herz der Alexandriner Universität und eines der schönsten Gebäude im ganzen Osten, vollkommen zerstörte. Um diese Zeit kommen altehrwürdige Einrichtungen der alten Religion zum Erliegen, z. B. das Orakel von Delphi, die Olympischen Spiele und auch die eleusinischen Mysterien sowie der Vesta-Kult in Rom.
Doch das Heidentum war immer noch nicht gebrochen. Es kam eher aus politischen Gründen zu einer kurzen Nachblüte. Wahrscheinlich ließ der Heermeister Arbogast Valentinian II. ermorden. Als Theodosius keinen Kaiser nach Westen schickte, machte Arbogast kurzerhand den Rhetor Flavius Eugenius zum Kaiser des Westens. Es war das erste Mal, dass ein germanischer Heermeister einen Kaiser einsetzte. Theodosius ignorierte diese Entscheidung und machte jetzt seinen Sohn Honorius zum Mitkaiser. Arbogast und Eugenius konnten sich der Unterstützung der heidnischen Senatoren versichern. Führend bei dieser kurzen heidnischen Renaissance war der Prätorianerpräfekt Nicomachus Flavianus. Sogar die Victoria wurde wieder in die Curie zurückgebracht. Theodosius rüstet zum Krieg gegen die beiden Herrscher des Westens und überträgt seinem Sohn Arcadius den Osten. Am Frigidus kam es 394 zur Entscheidungsschlacht. Theodosius siegt, Arbogast nimmt sich das Leben, Eugenius wird erschlagen. Das Heidentum war in Gestalt einer politischen Opposition gegen Theodosius zum letzten Mal gescheitert. Honorius kam mittlerweile mit seiner Stiefschwester Galla Placidia in Mailand an, um die Herrschaft im Westen anzutreten. Theodosius starb 395 in Mailand, wo Ambrosius die Leichenrede auf ihn hielt.
Das Konzil von Chalkedon nannte Theodosius 451 n. Chr. zum ersten Mal den Großen. Seine Verdienste sind nicht gering: Es gelang ihm, nach der Schlacht von Adrianopel den Osten zu stabilisieren. Er sah sich als Kaiser des Ostens und stand der valentinianischen Dynastie absolut loyal gegenüber, indem er keine Usurpatoren im Westen akzeptierte. Er handelte immer im Sinne eines dynastisch legitimierten Mehrkaisertums. Bzgl. der Germanen zeichnete ihn Einsicht in das Machbare aus. Die Germanen wurden soweit wie möglich integriert, indem sie Siedlungsplätze zugewiesen bekamen und in die römische Armee aufgenommen wurden. Um den Preis der Unterdrückung Andersgläubiger machte die Festigung des Katholizismus Fortschritte. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb kam es in konservativen römischen Kreisen zu einer Spätblüte des Heidentums in den Kreisen um Symmachus und Nicomachus Flavianus. Bedenklich mutet an, dass Theodosius im Osten den Caesaropapismus mit großer Rigorosität vertreten konnte (allerdings war dieser schon von Constantin vorgeprägt worden), während er sich im Westen mehrmals in demütigender Weise der Kirche beugen musste, was sicher auch mit der überragenden Autorität und Streitbarkeit des Ambrosius zu tun hat.
Nach dem Tod des Theodosius 395 n. Chr. regierte im Westen Honorius, im Osten Arcadius. Wieder handelte es sich um keine Reichsteilung, sondern um eine Kontinuität der Verwaltungsteilung.

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