Kontinuität paganer Kulte

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Kontinuität paganer Kulte

Leitfragen:

1.) Um was für eine Art Text handelt es sich?
2.) Welche Rolle spielen die jeweiligen paganen und christlichen Elemente?
3.) Was für Rückschlüsse können auf die religiöse Praxis in Ägypten im 4./5. Jahrhundert gezogen werden?

Kommentar:

Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen Auszug aus einem Papyrus, der ca. im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. wahrscheinlich im ägyptischen Theben verfasst worden ist. Es handelt sich um eine Rolle (80,2 x 33,5 cm), auf der in 5 Kolumnen und 347 Zeilen Anweisungen für den Empfang einer Weissagung, Unsichtbarkeitszauber, Mittel zur Vorbereitung einer magischen Tinte und ein Zauber mit Hymne zur Anrufung einer prophetischen Gottheit gegeben werden. Der Text ist auf Griechisch verfasst. Texte wie dieser haben sich in dem heißen und trockenen Wüstenklima Ägyptens vor allem auf Papyrus oder Pergament erhalten – äußert selten auch auf Leinen.

Ägypten nahm mit seiner jahrtausendealten Kultur schon immer eine Sonderrolle in der griechisch-römischen Welt ein. Diese spiegelte sich besonders in den traditionsreichen und vielschichtigen Kulthandlungen, die sich seit der Zeit der Ptolemäer (ca. 4.-2. Jh. v. Chr.) aus dem alten Götterkult der Pharaonenzeit, den verschiedenen Kulten der griechischen Religion und einem griechisch-römischen Mischkult zusammensetzten. Auch monotheistische Religionen, wie das Judentum und Christentum fassten in Ägypten schnell Fuß. Daneben war das tägliche Leben der Zeitgenossen stark von Magie und magischen Riten durchzogen. Die Unterscheidung zwischen Magie und Religion ist eine komplexe Frage, die die moderne Forschung bis heute beschäftigt und die noch nicht abschließend geklärt werden konnte, allerdings kann festgehalten werden, dass viele Riten, die auf den ersten Blick magisch erscheinen, für die antiken Zeitgenossen gängige religiöse Praxis waren – zum Beispiel die Befragung von Orakeln oder das Durchführen von Auspizien.

Der in dem Ausschnitt dargestellte Hymnus wendet sich an Apollon und ist mit der Durchführung bestimmter magischer Rituale verbunden. Hierbei sind die magischen Symbole besonders auffällig, die sich wahrscheinlich auf – im römischen Ägypten bereits vergessene – Hieroglyphen zurückführen lassen und zusammen mit den sog. voces magicae, merkwürdig klingenden Zauberwörtern oder Phrasen, den mystischen Charakter vieler Zauberpapyri und Fluchtäfelchen ausmachen.

Diese Riten konnten oftmals nur zu bestimmten Tagen an besonderen Orten durchgeführt werden, die von einer magiekundigen Person als heilig anerkannt wurden. In diesem Fall findet eine direkte Befragung eines physisch anwesend-gedachten Gottes statt, dem Opfer dargebracht werden sollen. Auffallend ist, dass der Text neben diesen paganen Symbolen auch christliche Bilder aufgreift. Die paganen Gottheiten Apollon, Paieon, Zeus Iao, Adonai und Pakerbeth werden in einem Atemzug mit den christlichen Figuren Michael, Gabriel und Abraham genannt.

Der Text kann darauf hinweisen, dass trotz des allgemeinen Opferverbotes unter Theodosius im Jahr 391/2 n. Chr. immer noch pagane magische Riten durchgeführt wurden. Der hier aufgezeigte Synkretismus ist dabei beispielhaft für den Umgang mit Religion zu dieser Zeit im traditionsreichen Ägypten. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch in christlicher Zeit immer noch eine große Nachfrage nach magischen Ritualen und Orakeln bestand. Insbesondere im Bereich der Magie und Medizin lassen sich ägyptisch-mythologische Motive sogar bis ins 8. Jahrhundert. n. Chr. nachweisen.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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