Nationalgeschichtsschreibung

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Livius
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Liv.pr.1 – Original:

pr. facturusne operae pretium sim, si a primordio urbis res populi Romani perscripserim, nec satis scio nec, [2] si sciam, dicere ausim, quippe qui cum veterem tum vulgatam esse rem videam, dum novi semper scriptores aut in rebus certius aliquid allaturos se aut scribendi arte rudem vetustatem superaturos credunt. utcumque erit, [3] iuvabit tamen rerum gestarum memoriae principis terrarum populi pro virili parte et ipsum consuluisse; et si in tanta scriptorum turba mea fama in obscuro sit, nobilitate ac magnitudine eorum me, qui nomini officient meo, consoler. [4] res est praeterea et inmensi operis, ut quae supra septingentesimum annum repetatur et quae ab exiguis profecta initiis eo creverit, ut iam magnitudine laboret sua; et legentium plerisque haud dubito quin primae origines proximaque originibus minus praebitura voluptatis sint festinantibus ad haec nova, quibus iam pridem praevalentis populi vires se ipsae conficiunt; [5] ego contra hoc quoque laboris praemium petam, ut me a conspectu malorum, quae nostra tot per annos vidit aetas, tantisper certe, dum prisca illa tota mente repeto, avertam, [p. 2] omnis expers curae, quae scribentis animum etsi non flectere a vero, sollicitum tamen efficere posset.

Text zum downloaden

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: William Heinemann
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Whether I am likely to accomplish anything worthy of the labour, if I record the achievements of the Roman people from the foundation of the city, I do not really know, nor if I knew would I dare to avouch it; [2] perceiving as I do that the theme1 is not only old but hackneyed, through the constant succession of new historians, who believe either that in their facts they can produce more authentic information, or that in their style they will prove better than the rude attempts of the ancients. [3] Yet, however this shall be, it will be a satisfaction to have done myself as much as lies in me to commemorate the deeds of the foremost people of the world; and if in so vast a company of writers my own reputation should be obscure, my consolation would be the fame and greatness of those whose renown will throw mine into the shade. [4] Moreover, my subject involves infinite labour, seeing that it must be traced back [p. 5]above seven hundred years, and that proceeding from slender beginnings it has so increased as now to be burdened by its own magnitude; and at the same time I doubt not that to most readers the earliest origins and the period immediately succeeding them will give little pleasure, for they will be in haste to reach these modern times, in which the might of a people which has long been very powerful is working its own undoing. [5] I myself, on the contrary, shall seek in this an additional reward for my toil, that I may avert my gaze from the troubles which our age has been witnessing for so many years, so long at least as I am absorbed in the recollection of the brave [6] days of old, free from every care which, even if it could not divert the historian’s mind from the truth, might nevertheless cause it anxiety.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Liv.pr.1

Leitfragen:

1) Welche Bedeutung hatte die antike Historiographie?

2) Auf welche Problematik verweist Livius?

3) Wo findet sich eine ähnliche Intention?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um das Vorwort zu dem bekannten Geschichtswerk „Ab urbe condita“ des Titus Livius (ca. 59-17 n. Chr.). Livius war ein römischer Gelehrter aus der Stadt Patavium, dem heutigen Padua. Einen Großteil seiner Ausbildung wird er auch dort absolviert haben, insbesondere, da in Rom, bedingt durch die Bürgerkriege, schwere Unruhen herrschten. Erst nach der Machtergreifung durch Augustus 27 v. Chr. und der damit einhergehenden pax Augusta wird es Livius in die Hauptstadt gezogen haben. Obwohl er dort nie ein öffentliches Amt bekleidet und damit, im Gegensatz zu Sallust oder Tacitus keinerlei politische Erfahrungen gesammelt hatte, stand er wohl in einem mehr oder weniger engen Verhältnis zum Princeps, wahrscheinlich auch aufgrund des großen Ansehens, welches Livius als Autor schon zu Lebzeiten genoss. Diese Beliebtheit spielgelt sich auch in einer bei Plinius d.J. überlieferten Anekdote wieder: „Hast Du nie davon gelesen, daß ein Mann aus Cadiz, von Namen und Ehre des Titus Livius vom Ende der Welt her angereist kam, um ihn zu sehen, und der sofort nachdem er ihn gesehen hatte, wieder nach Hause gegangen ist?“ (Plin.epist 2,3,8).

Livius umfangreiches Werk „Ab urbe condita“ – Von der Gründung der Stadt Rom“ ist seine einzige überlieferte Schrift. Das Werk behandelt einen Zeitraum von 753 v. Chr., der mythischen Gründung der Stadt, bis zur Herrschaftszeit des Augustus und endet mit dem Tode Drusus 9 v. Chr. Einiges spricht dafür, dass das Werk noch bis zum Tode des Princeps hätte weitergeführt werden sollen, dass allerdings der Gesundheitszustand von Livius dies nicht mehr zuließ. Von den ursprünglich 142 Büchern hat sich nur ungefähr ein Viertel erhalten. Einige Abschnitte konnten allerdings durch Textzeugen und Fragmente teilweise rekonstruiert werden. Die Abbildung zeigt zusätzlich eine der mittelalterlichen Handschriften aus dem 15. Jh. n. Chr.

Bereits in seiner Einleitung betont Livius die Komplexität seines Werkes und auch dass sich bereits vor ihm einige Schriftsteller, wie Quintus Fabius Pictor oder Sallust, an einer Gesamtdarstellung der Geschichte des römischen Volkes versucht hätten. Vielfach handelt es sich bei den Werken dieser frühen Historiographen allerdings nicht um historisch akkurate Darstellungen der Ereignisse, sondern vielmehr um eine mögliche Interpretation der Vergangenheit, die vor allem als literarische Werke zu verstehen sind. Im Gegensatz zur modernen Geschichtswissenschaft war diese Form der Geschichtsschreibung eben nur zum Teil um Objektivität bemüht. Dies wird besonders deutlich, wenn Livius schreibt, dass er sich von den Übeln der jüngsten Zeit (Bürgerkriege) ein Stück weit abwenden und sich lieber der Vergangenheit zu wenden möchte. Er nimmt an, dass seine Leser vor allem an den Beschreibungen der zeitgenössischen Ereignisse, die die res publica beinahe zerstört hätten, interessiert seien.

Mit diesem deutlichen Rückbezug auf die Frühzeit Roms und die Gründungsmythen der Stadt, hatte das Werk eine ähnliche Funktion wie die Aeneis des Vergil inne. Während Vergil dem „neuen“ Rom unter Augustus ein Staatsepos schuf, war das historische Werk von Livius als „Nationalgeschichtsschreibung“ gedacht, die ebenfalls geschickt die Geschichte der Stadt mit dem Schicksal des Princeps verflocht. Damit war sein Werk in erster Linie darauf ausgelegt, die römische Selbsterneuerungsideologie, die Augustus offiziell in seine Politik aufgenommen hatte, zu verbreiten.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Literatur der Kaiserzeit“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
Hier geht’s zum Podcast

 

Sehen Sie hierzu auch den Beitrag „Vergils Aeneis als römischer Gründungsmythos“.

Kanonisierung antiker Mythologie

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Pyramus und Thisbe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ov.met. 4,145-165 – Original:

pallidiora gerens exhorruit aequoris instar,
quod tremit, exigua cum summum stringitur aura.
sed postquam remorata suos cognovit amores,
percutit indignos claro plangore lacertos
et laniata comas amplexaque corpus amatum
vulnera supplevit lacrimis fletumque cruori
miscuit et gelidis in vultibus oscula figens
„Pyrame,“ clamavit, „quis te mihi casus ademit?
Pyrame, responde! tua te carissima Thisbe
nominat; exaudi vultusque attolle iacentes!“
ad nomen Thisbes oculos a morte gravatos
Pyramus erexit visaque recondidit illa.
‚Quae postquam vestemque suam cognovit et ense
vidit ebur vacuum, „tua te manus“ inquit „amorque
perdidit, infelix! est et mihi fortis in unum
hoc manus, est et amor: dabit hic in vulnera vires.
persequar extinctum letique miserrima dicar
causa comesque tui: quique a me morte revelli
heu sola poteras, poteris nec morte revelli.
hoc tamen amborum verbis estote rogati,
o multum miseri meus illiusque parentes,
ut, quos certus amor, quos hora novissima iunxit,
conponi tumulo non invideatis eodem;
at tu quae ramis arbor miserabile corpus
nunc tegis unius, mox es tectura duorum,
signa tene caedis pullosque et luctibus aptos
semper habe fetus, gemini monimenta cruoris.“
dixit et aptato pectus mucrone sub imum
incubuit ferro, quod adhuc a caede tepebat.
vota tamen tetigere deos, tetigere parentes;
nam color in pomo est, ubi permaturuit, ater,
quodque rogis superest, una requiescit in urna.‘

Text zum downloaden

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Reinhard Suchier
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Wurde sie bleicher als Buchs und schauderte ähnlich dem Meere,
Welches erbebt, wenn leicht hinstreift an dem Spiegel ein Lufthauch.
Aber sobald sie erkannt nach kurzem Verzug den Geliebten,
Schlägt sie mit hallendem Schlag die schuldlos leidenden Arme,
Rauft sich das Haar und umschlingt den teuren Leib, und die Wunde
Füllt mit Tränen sie an und mischt mit dem Blute der Zähren
Heißen Erguss und bedeckt mit Küssen das eisige Antlitz.
‚Pyramus‘, jammert sie laut, was raubte dich mir für ein Schicksal?
Pyramus, rede zu mir! Sieh, deine geliebteste Thisbe
Ruft dich. Höre mich doch und erhebe das liegende Antlitz!‘
Als sie Thisbe gesagt, schlug wieder die brechenden Augen
Pyramus auf und schloss, wie er Thisbe geschaut, sie für immer.
Jetzt gewahrt sie ihr eignes Gewand und die elfene Scheide
Ohne das Schwert. ,Dein Arm, Unglücklicher‘, ruft sie, ,und Liebe
Haben den Tod dir gebracht. Auch mir ist der Arm zu dem einen
Stark; auch mir wird Kraft zu Wunden verleihen die Liebe.
Ja, dir folg‘ ich im Tod; dann heiß‘ ich deines Verderbens
Grund und Begleiterin auch, und den allein mir entreißen
Konnte der bittere Tod, soll Tod auch nicht mir entreißen.
Um dies Einzige nur seid noch von uns beiden gebeten,
O von mir und von ihm ihr viel unglücklichen Väter:
Uns, die entschlossene Lieb‘ in der Stunde des Todes vereinte,
Uns missgönnet es nicht, beisammen zu ruhen im Grabe.
Doch du, Baum, der du jetzt die traurige Leiche des einen
Deckst mit deinem Gezweig, bald deckst du von zweien die Leichen:
Wahre die Zeichen der Tat und behalte für immer der Trauer
Ziemende dunkle Frucht als Mal zwiefältigen Mordes.‘
Sprach’s, und unter die Brust sich stemmend die Spitze des Schwertes,
Stürzte sie sich in den Stahl, der noch von dem Morde gewärmt war.
Aber es rührt‘ ihr Wunsch die Götter und rührte die Eltern.
Denn, wenn ganz sie gereift, ist schwarz an den Beeren die Farbe,
Und was die Flammen verschont, das ruht in gemeinsamer Urne.“

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ov.met. 4,145-165

Leitfragen:

1) Was ist das Besondere an den Metamorphosen Ovids?

2) Zu welcher Literaturgattung werden sie gezählt?

3) Welche Beziehung hatte Ovid zum Principat?

Kommentar:

Der vorliegende Ausschnitt stammt aus den Metamorphosen (Verwandlungen) des Publius Ovidius Naso; kurz Ovid (ca. 43 v. Chr. – 17 n. Chr.). Beschrieben wird die dramatische Geschichte um das junge Liebespaar Pyramus und Thisbe. Ovid gilt ohne Frage als einer der wichtigsten Dichter der römischen Kaiserzeit. Im Gegensatz zu anderen großen Dichtern, wie Vergil und Horaz, erlebte Ovid die Bürgerkriege nicht selbst mit, sondern wuchs in der Sicherheit des augusteischen Friedens auf. Da Ovid aus einem aristokratischen Haus stammte, ist anzunehmen, dass er eine umfassende Bildung – auch in Griechenland – erfuhr und dann eine römische Beamtenlaufbahn im Sinne des cursus honorum ausübte. Der Dichter entschied sich jedoch schnell dafür, sich aus dem politischen Alltag zurückzuziehen und sich ganz der Dichtung zu widmen. Nichtsdestoweniger wurde er im Jahre 8 n. Chr. von Augustus nach Tomi (heute Constanza), am Schwarzen Meer verbannt. Ovid selber benannte als Gründ für seine Verbannung carmen et error (Gedicht und Verfehlung), worin dieser genau lag, lässt sich heutzutage nicht mehr nachvollziehen. Ein möglicher Grund könnte in der Veröffentlichung seines Werkes Ars amatoria liegen, die dem sittenstrengen Princeps missfallen haben dürfte. Unter Umständen spielte allerdings auch die Nähe zu Iulia, der Enkelin des Augustus, eine gewisse Rolle für sein Schicksal. Ovid kehrte nie wieder nach Rom zurück und starb schließlich auch im Exil.

Ovids Metamorphosen stammen aus seiner mittleren Schaffensphase, die er noch in Rom verbrachte. Sie bestehen aus 15 Büchern, die jeweils ca. 700-900 in Hexametern verfasst, Verse beinhalten. Der Dichter fasst in seinem Werk verschiedene Erzählungen und Geschichten zusammen, die die Entstehung und die Geschichte der Welt bis zur Herrschaft Augustus beschrieben. Diese sind so angeordnet, dass es trotz der Komplexität und Vielfältigkeit der Erzählungen immer wieder zu Querverweisen kommt und damit ein mit Proömium und Epilog in sich geschlossenes Werk entsteht. Die Sage von Pyramus und Thisbe war bereits vorher weit verbreitet, allerdings von Ovid – ähnlich den Märchen der Gebrüdern Grimm – das erste Mal schriftlich festgehalten worden. Ovid legt die Erzählung einer Mänade in den Mund, die die Geschichte erzählen möchte, warum die einst weiße Maulbeere, vom Blut bespritzt, schwarz geworden ist. Inhaltlich geht es um ein junges Liebespaar in Babylon, welches in zwei benachbarten Häusern lebt. Die Möglichkeit einer Hochzeit steht durch eine Fehde zwischen den beiden Familien außer Frage. Die einzige Möglichkeit zu kommunizieren ist ein Spalt in der Grundstücksmauer.

Nachdem sich das Paar eines Tages entschließt durchzubrennen und für diese nächtliche Aktion einen Maulbeerbaum, der schneeweiße Früchte trägt, als Treffpunkt auswählt, beginnt das Drama. Thisbe trifft früher ein, muss sich allerdings vor einer Löwin verstecken. Auf der Flucht verliert sie ihr Manteltuch, welches die Löwin – aus einer Laune heraus – zerfetzt. Als Pyramus das Tier und den blutbefleckten Schal erblickte, denkt er, dass er seine Geliebte verloren habe und bringt sich selbst um. Der vorliegende Ausschnitt beschreibt diese Szene und das Auffinden des jungen Mannes durch Thisbe. Diese beschließt sich nun ebenfalls das Leben zu nehmen. Die Veränderung, auf die der Titel der Metamorphosen anspielt, findet sich in den Früchten des Maulbeerbaumes wieder. Thisbe bittet vor ihrem Tod die Götter darum, dass diese die Früchte in Gedenken an das Schicksal der beiden Liebenden dunkelrot färben sollten. Durch die Metapher des Maulbeerbaumes wird die Zugehörigkeit von Ovids Lyrik zu den Erklärungssagen deutlich; diese zielen darauf ab, die Ursprünge zum einen von Naturphänomenen, zum anderen aber auch von Kulten und Namen zu erklären; auf diese Weise gibt zum Beispiel auch die Aeneis des Vergil eine Erklärung für den Erfolg und die Macht des Römischen Reiches unter der Herrschaft des Augustus.

Die gut überlieferten lyrischen Werke Ovids wurden besonders stark im Mittelalter rezipiert und hatten damit einen großen Einfluss auf die mittelalterliche Dichtung und Kunst. Die wohl bekannteste Adaption des Inhaltes findet sich allerdings in William Shakespeares Sommernachtstraum und Romeo und Julia wieder.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Literatur der Kaiserzeit“. Um einen breiteren Einblick in die Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
Hier geht’s zum Podcast

 

Sehen Sie hierzu auch den Beitrag „Gründung eines Nationalepos“.

Duces

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Notitia Dignitatum

Leitfragen:

1.) Was ist die Notitia Dignitatum?
2.) Welchen Zweck hatte diese Schrift?
3.) Was sind die Aufgaben eines Dux?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Quelle handelt es sich um das Frontispiz zum Amt und Kommandobereich des Dux Mogontiacensis in der sog. Notitia Dignitatum. Bei dieser handelt es sich, wie der vollständige Name bereits vermuten lässt, um eine Art römisches Staatshandbuch, welches verschiedene zivile und militärische Ämter in Ost- und Westrom auflistet. Die Urfassung ist wahrscheinlich im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. entstanden. Die vorliegende colorierte Darstellung ist allerdings erst in einer mittelalterlichen Handschrift, dem Codex Spirensis aus dem 9. oder 10. Jahrhundert auf uns gekommen. Die Notitia Dignitatum umfasst 90 Kapitel, die neben dem Text zusätzlich farbige Illustrationen zeigen. Diese stellen u.a. die Insignien verschiedener Beamter, die Schildzeichen der Truppenteile und allegorische Darstellungen der Provinzen dar.

Der genaue Zweck dieses umfassenden administrativen Nachschlagewerks ist nicht bekannt. Eine Möglichkeit ist, dass die Urfassung als Arbeitsinstrument im Sinne eines Handbuches gedacht gewesen war, die aufwendig illustrierten mittelalterlichen Ausgaben des Prachtkodex mit Sicherheit nicht. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dieser Quelle um eine für den Historiker einzigartige Darstellung der Hierarchie der zivilen und militärischen Würden und ihrer Organisation. Die Notitia Dignitatum zeigt zudem deutlich die Auswirkungen der Heeresreform unter Diocletian und Constantin auf, welche die für sie spätantike charakteristische Trennung von ziviler und militärischer Gewalt zur Folge hatte.

Bei dem hier dargestellten Dux Mogontiacensis handelt es sich um den Heerführer bzw. Oberbefehlshaber über die Region entlang des Mittel- oder Oberrheins nahe der Stadt Mainz. Das Amt des Dux ist eine Entwicklung des ausgefeilten Ämterapparates der spätantiken Verwaltung der beiden Reichshälften. Im Großen und Ganzen waren Duces Heerführer, die vor allem in den Grenzgebieten agierten. Sie waren für die Sicherung der unterschiedlichen Provinzen verantwortlich und wie die Notitia Dignitatum zeigt, waren ihnen eine Reihe von militärischen und administrativen Kräften unterstellt. Der Aufbau des Kapitels zum Dux Mogontiacensis entspricht zum Großteil dem der übrigen; zuerst wird in einer Überschrift der Amtstitel benannt, danach folgt eine erste Bildtafel. Dieses Frontispiz bietet einen ersten groben Überblick über den Kommandobereich des Dux. Daran schließt sich eine Auflistung der Truppenkommandeure inklusive der vom Dux befehligten Einheiten und ihrer Standorte sowie eine Liste des administrativen Personals unter seinem Kommando an.

Das Amt des Dux Mogontiacensis lässt sich ausschließlich in der vorliegenden Quelle greifen. Dabei ist der genaue Entstehungszeitpunkt des Mainzer Dukates nicht überliefert, wahrscheinlich stand dieser in der Nachfolge des Dux Germaniae primae. Dabei ist auffällig, dass das Attribut Mogontiacensis im Gegensatz zu den meisten anderen Benennungen in der Notitia Dignitatum nicht auf eine Diözese oder Provinz, sondern auf eine Stadt hindeutet. Das Frontispitz verweist durch die Dokumentrolle im linken oberen Teil der Darstellung darauf, dass der Dux als comes ordinis primi zur höchsten Rangklasse innerhalb der viri spectabiles, der Amtsträger der mittleren senatorischen Rangklasse, zählte. Die 11 sechseckigen Vignetten stehen symbolisch für die unterschiedlichen Kastelle und Garnisonsorte, die dem Dux unterstanden. Dabei handelt es sich um einen standardisierten Typus von Darstellung, der keine Rückschlusse auf Größe oder Bedeutung der dargestellten Kastelle schließen lässt. Die gesamte Darstellung ist in unterschiedlichen Blautönen gehalten, was – ähnlich den Vignetten – eher einen dekorativen Zweck innehatte. Die außerordentliche Bedeutung des Amtes wird durch die akribische Auflistung der einzelnen Elemente des Aufgabenbereichs des Dux deutlich. Zusätzlich dazu verweist die Entstehung dieses Amtes nochmals auf die politisch unruhigen Zeiten in den Grenzgebieten des Weströmischen Reiches und den Versuch, diese wieder unter Kontrolle zu bringen.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Kaiser, Hof, Verwaltung, Heer“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Caesaropapismus

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Caesaropapismus

Leitfragen:

1.) Was wird auf dem Mosaik dargestellt?
2.) Was ist Caesaropapismus?
3.) Inwiefern lässt sich dieses Konzept in der Spätantike wiederfinden?

Kommentar:

Bei dem hier dargestellten Mosaik handelt es sich um eine figürliche Darstellung aus dem 5. Jh. n. Chr. in der spätantiken-frühbyzantinischen Kirche San Vitale in Ravenna. Die Darstellung ist Teil der besonders reichen und farbenprächtigen Mosaikausstattung der Kirche und befindet sich an einer Seite der großen Apsis. Zu sehen sind ca. 11 männliche Figuren. Das Zentrum der Darstellung dominiert der Kaiser Justinian (ca. 482-565 n. Chr.), der von seinem klerikalen Hofstaat und einigen Leibwachen umringt wird. Er hebt sich vor allem durch die aufwendig gestaltete Ikonographie von den anderen dargestellten Personen ab; er trägt ein purpurfarbenes Manteltuch, das von einer prächtigen Gewandfibel gehalten wird und die goldbesetzte Tabula – ein rechteckiges Stoffstück, welches als Ehrensymbol am Hof fungierte. In den Händen hält er eine Hostienschale. Im Gegensatz zu den dargestellten Klerikern – allein der Bischof Maximianus wird hier durch eine Inschrift namentlich benannt – schmückt den Kopf des Kaisers ein prächtiges Diadem und zusätzlich noch ein Nimbus.

Dieses Zusammenspiel von religiösen und weltlichen Attributen der Herrschaft war schon immer ein typisches Charakteristikum der Kaiserzeit. In der Spätantike wird dieses vor allem durch das Aufgreifen von orientalischen Elementen, wie dem Diadem, noch einmal gesteigert. Dies findet sich insbesondere bei den Darstellungen der oströmischen Kaiser, wie eben auch Justinian, wieder. Im byzantinischen Osten des Reiches nahm der Einfluss der Kaiser auf das Christentum immer mehr zu, während im Westen des Imperiums vor allem die Bischöfe – aufgrund der Absetzung des letzten Kaisers Romulus Augustus 476 n. Chr. – an Bedeutung gewannen. Der Kaiser im Osten verstand sich dabei als weltlicher und geistlicher Herrscher, über dem nur noch Gott selbst stand und dem dadurch eine gewisse Mittlerrolle zukam. Diese Form des Gottesgnadentums war für die antiken Zeitgenossen, man vergleiche dies mit dem Konstrukt des Kaiserkultes, allerdings keine Neuheit. Das Novum hierbei ist die Ausprägung einer Herrschaftsform, die von der modernen Forschung als „Caesaropapismus“ bezeichnet wird. Hierbei repräsentiert der Kaiser nicht mehr allein die weltliche und kirchliche Macht, sondern war in der Lage, selbst in dogmatische Streitigkeiten einzugreifen und damit letzte Instanz in allen kirchlichen Fragen zu sein. Dieses aktive Eingreifen in innerkirchliche Auseinandersetzungen, zum Beispiel durch das Einberufen von Konzilien zur Klärung schismatischer Konflikte, wäre in der frühen Kaiserzeit und in den paganen Kulten undenkbar gewesen.

Es ist seit Constantin ein erheblicher Einfluss der Kaiser auf religiöse Fragen und kirchliche Organisationsformen nicht von der Hand zu weisen, genauso wie die Anerkennung der Heiligkeit der Kaiserwürde. Dennoch ist die Machtposition der oströmischen Kaiser keinesfalls so unumstößlich, wie es den Anschein hat, denn diese konnten vor allem von Bischöfen, z.B. durch die Androhung der Exkommunikation, stark unter Druck gesetzt werden. Der Begriff des „Caesaropapismus“ lässt sich demnach nur bedingt auf das spätantike/byzantinische Herrschaftssystem anwenden. Dieses war in erster Linie aus der Allgegenwärtigkeit der Religion in der antiken Gesellschaft entstanden und von der Notwendigkeit geprägt, dass der Kaiser in der Verantwortung stand entstehende (innerkirchliche und gesellschaftliche) Konflikte schlichten zu müssen. Der oströmische Kaiser stand zu keinem Zeitpunkt unangefochten an der Spitze der Kirche und hatte diese auch nie vollständig unter Kontrolle, so räumt auch Justinian dem lokalen Klerus den angemessenen Platz an seiner Seite ein.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Kaiser, Hof, Verwaltung, Heer“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Einfluss der Mütter auf minderjährige Kaiser

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Einfluss der Mütter auf minderjährige Kaiser

Leitfragen:

1.) Woher kam das soziale Kapital von Galla Placidia?
2.) Wie drückte sich ihre Teilhabe am öffentlichen Leben aus?
3.) Welche Rollte spielten ihre verwandtschaftlichen Beziehungen dabei?

Kommentar:

Bei der hier dargestellten Frau handelt es sich um Galla Placidia (392-450 n. Chr.). Sie verkörperte durch ihre Verwandtschaftsbeziehungen – als Tochter von Theodosius I., Enkelin von Valentinian I. und Mutter von Valentinian III. – in Perfektion das dynastische Prinzip, welches seit jeher das politische Denken Roms prägte. Galla Placidia war bereits in jungen Jahren eng in das komplizierte Geflecht des (politisch-)öffentlichen Lebens eingebunden gewesen. Eine Zeit lang war sie dadurch sogar eine der einflussreichsten Frauen im Weströmischen Reich.

Nach dem Tod ihres Vaters Theodosius I. brachte man sie von Konstantinopel nach Mailand und später von dort nach Rom, wo sie 410 n. Chr. beim Einfall der Westgoten unter Alarich als Geisel genommen und schließlich nach Gallien gebracht wurde. Trotz ihrer Geiselnahme sprechen die literarischen Überlieferungen dafür, dass sie im Allgemeinen ihrem Status als Mitglied des römischen Kaiserhauses gemäß behandelt worden ist. 414 n. Chr. wurde sie mit Athaulf, dem Nachfolger Alarichs, vermählt. Einige Quellen verweisen bereits für diese Beziehung auf den politischen Einfluss, den Galla Placidia auf ihren Mann auszuüben vermochte – der ggf. sogar zu einer entspannteren Rompolitik führte. Zudem wird auch den Westgoten der dynastische Einfluss nicht unwichtig gewesen sein, der – insbesondere nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Theodosius, der allerdings im Jahr seiner Geburt starb – auf einen Ausgleich zwischen Römern und Goten hatte hoffen lassen. Ein Jahr später starb auch ihr Mann Athaulf, was dazu führte, dass Galla Placidia nach einigen Wirren schließlich 416 n. Chr. im Austausch gegen eine große Getreidelieferung wieder nach Rom zurückkehren durfte.

Ihr Bruder Honorius, der mittlerweile Kaiser war, verheiratete sie mit seinem Heermeister Constantius. Mit ihm bekam sie einige Jahre später die beiden Kinder Honoria und Valentinian III. Das Schlüsselereignis im Leben von Galla Placidia war 421 n. Chr. die Ernennung ihres Mannes zum Mitregenten (Caesar) und damit einhergehend auch ihre Ernennung zur Augusta, die ihr einen höheren sozialen Rang garantierte und dafür sorgte, dass ihr Sohn in der kaiserlichen Nachfolge bedacht werden würde. Dies wiederum einige Jahre später auch geschah; nach dem Tod von Honorius 423 n. Chr. war Theodosius II. kurzzeitig alleiniger Regent, bis er sich – auch durch Druck von Außen – dazu entschloss, seinen fünfjährigen Cousin Valentinian III. zuerst zum Caesar und später auch zum Augustus zu erklären. Dieses neue Bündnis wurde wiederum mit einer Verlobung zwischen dem fünfjährigen Valentinian III. und der zweijährigen Licinia Eudoxia, der Tochter von Theodosius II. besiegelt.

Bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes wurde Galla Placidia die Verantwortung für die Staatsgeschäfte im weströmischen Reich übertragen. Ihr politischer Einfluss lässt sich besonders gut in den von ihr geprägten Münzen fassen. Zusätzlich dazu wird sie einige Gesetze im Namen ihres Sohnes erlassen haben. Vor allem aber tritt sie in der Öffentlichkeit als gottesfürchtige Christin und Euergetin, Stifterin verschiedener Bauwerke, vor allem Kirchen und Sakralbauten, in Erscheinung. Obwohl sich auch einige Stiftungen in Rom und Rimini finden lassen, ist ihr Name vor allem mit der Stadt Ravenna verbunden, die sie baulich – als Kaisersitz ihres Sohnes – maßgeblich geprägt hat.

Auch nach der Volljährigkeit ihres Sohnes zog sie sich nicht vollständig aus dem öffentlichen Leben zurück, es ist fraglich, ob sich Valentinian III. jemals von seiner Mutter emanzipiert hat. Dennoch lässt sich über ihre Rolle als Regentin des Weströmischen Reiches nur wenig sagen, die Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben drückte sich vor allem durch ihre Heiraten aus, die bestimmte politische Bande bzw. Allianzen begründen oder stärken sollten. Über den Einfluss der Frauen auf ihr Umfeld schweigen die Quellen in der Regel, dennoch lässt sich im Falle von Galla Placidia wohl zu Recht davon ausgehen, dass ihr Einfluss auf das Geschehen im Weströmischen Reich nicht zu unterschätzen war.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Kaiser, Hof, Verwaltung, Heer“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Konflikte in den Grenzgebieten

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Donau-Iller-Rhein-Limes

Leitfragen:

1.) Zu welchem Zweck wurde der Donau-Iller-Rhein-Limes errichtet?
2.) Welche Funktion hatte ein römischer Grenzwall?
3.) Welche Schlüsse lassen sich daraus über die politische Situation ab dem 3. Jh. n. Chr. ziehen?

Kommentar:

Bei dem Donau-Iller-Rhein-Limes (DIR-Limes) handelt es sich um ein spätantikes Verteidigungssystem, welches im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts n.Chr. errichtet wurde, um das Römische Reich zu schützen. Der Grenzwall befindet sich im heutigen Baden-Württemberg zwischen dem Bodensee (Lacus Brigentinus) und der Donau (Danubius). „Limes“ wird im modernen Sprachgebrauch zwar immer wieder als lückenlos konzipierte Reichsgrenze verstanden, allerdings handelt es sich dabei vielmehr um eine Art Grenzkontrollsystem, welches vorrangig den Waren- und Personenverkehr überwacht. Solche Grenzwälle wurden oftmals durch den Zusammenschluss aus mehreren Kastellen und Wachtürmen gebildet. Im Schatten dieser Kastelle siedelten sich außerdem kleinere civitates an, die durch ihre Nähe zu den militärischen Einrichtungen (land)wirtschaftlich florierten. Keinesfalls sollte dieser Grenzwall mit dem bekannteren obergermanisch-raetischen Limes aus dem 1. Jahrhundert verwechselt werden, der bis ins 3. Jahrhundert eine Art Demarkationslinie gegen die Germanen, zwischen Rhein und Donau bildete.

Anlass zur Errichtung des DIR-Limes waren die verstärkt vorkommenden Einfälle der Alemannen in das Hinterland des obergermanisch-raetischen Limes seit 233 n. Chr. Die Allemannen zerstörten große Teile des alten Limes. Verschiedene archäologische Funde belegen durch Zerstörungshorizonte in mehreren Kastellen und Siedlungen sowie durch vergrabene Münzschätze, dass sich die Sicherheitslage seit 230 n. Chr. massiv verschlechterte. Viele Menschen verließen das Gebiet, was gleichzeitig zu einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Situation führte. Diese lässt sich u.a. durch die schlechtere Qualität der lokalen Terra Sigillata-Keramik und den verringerten Import von Waren, wie Garum (Fischsoße), Olivenöl und Wein belegen.

Nach dem sog. „Limesfall“ – der Aufgabe des obergermanisch-raetisches Limes und dem Rückzug der kaiserlichen Truppen aus dem Provinzialgebiet jenseits von Rhein und Donau – war eine neue Grenzanlage notwendig geworden. Nach wiederholten Auseinandersetzungen mit verschiedenen germanischen Stämmen wurden, um der Situation wieder Herr zu werden, unter Diokletian umfassende Reformen durchgeführt. Im Jahr 294 n. Chr. wurden mehrere Kastelle errichtet und die Rhein-Donaufront weiter befestigt. Zudem wurden germanische foederati am linken Rheinufer angesiedelt, mit der Intention, das „Germanenproblem“ so einzudämmen. Valentinian I. führte die Befestigung des südlichen Limes, z.B. durch die Errichtung steinerner Signaltürme, im 4. Jahrhundert weiter aus.

Bis ins 5. Jahrhundert bildete der Donau-Iller-Rhein-Limes die römische Reichsgrenze zum freien Germanien. Die germanische Expansion konnte jedoch – einigen Erfolgen zum Trotz – nicht aufgehalten werden. Das Ende der der zentral organisierten Grenzsicherung lässt sich auf das Jahr 401 n. Chr. mit Stilichos Abzug der militärischen Truppen festlegen. Es kann allerdings nicht mit Sicherheit festgestellt werden, wann die unterschiedlichen Kastelle und Anlagen im Einzelnen aufgegeben wurden, da es sich dabei eher um einen langsamen Verfallsprozess handelte. Schließlich konnten die Germanen im Jahr 455 n. Chr. ungehindert nach Oberitalien übertreten. Die Grenzbefestigung zeugt von der äußerst unsicheren Zeit und der angespannten politischen Situation, welche die sog. „Krise des 3. Jahrhunderts“ mit sich brachte sowie von der allgemeinen Instabilität, die das Ende des Weströmischen Reiches markierte.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Kontinuität paganer Kulte

Original und Übersetzung zum downloaden

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Kontinuität paganer Kulte

Leitfragen:

1.) Um was für eine Art Text handelt es sich?
2.) Welche Rolle spielen die jeweiligen paganen und christlichen Elemente?
3.) Was für Rückschlüsse können auf die religiöse Praxis in Ägypten im 4./5. Jahrhundert gezogen werden?

Kommentar:

Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen Auszug aus einem Papyrus, der ca. im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. wahrscheinlich im ägyptischen Theben verfasst worden ist. Es handelt sich um eine Rolle (80,2 x 33,5 cm), auf der in 5 Kolumnen und 347 Zeilen Anweisungen für den Empfang einer Weissagung, Unsichtbarkeitszauber, Mittel zur Vorbereitung einer magischen Tinte und ein Zauber mit Hymne zur Anrufung einer prophetischen Gottheit gegeben werden. Der Text ist auf Griechisch verfasst. Texte wie dieser haben sich in dem heißen und trockenen Wüstenklima Ägyptens vor allem auf Papyrus oder Pergament erhalten – äußert selten auch auf Leinen.

Ägypten nahm mit seiner jahrtausendealten Kultur schon immer eine Sonderrolle in der griechisch-römischen Welt ein. Diese spiegelte sich besonders in den traditionsreichen und vielschichtigen Kulthandlungen, die sich seit der Zeit der Ptolemäer (ca. 4.-2. Jh. v. Chr.) aus dem alten Götterkult der Pharaonenzeit, den verschiedenen Kulten der griechischen Religion und einem griechisch-römischen Mischkult zusammensetzten. Auch monotheistische Religionen, wie das Judentum und Christentum fassten in Ägypten schnell Fuß. Daneben war das tägliche Leben der Zeitgenossen stark von Magie und magischen Riten durchzogen. Die Unterscheidung zwischen Magie und Religion ist eine komplexe Frage, die die moderne Forschung bis heute beschäftigt und die noch nicht abschließend geklärt werden konnte, allerdings kann festgehalten werden, dass viele Riten, die auf den ersten Blick magisch erscheinen, für die antiken Zeitgenossen gängige religiöse Praxis waren – zum Beispiel die Befragung von Orakeln oder das Durchführen von Auspizien.

Der in dem Ausschnitt dargestellte Hymnus wendet sich an Apollon und ist mit der Durchführung bestimmter magischer Rituale verbunden. Hierbei sind die magischen Symbole besonders auffällig, die sich wahrscheinlich auf – im römischen Ägypten bereits vergessene – Hieroglyphen zurückführen lassen und zusammen mit den sog. voces magicae, merkwürdig klingenden Zauberwörtern oder Phrasen, den mystischen Charakter vieler Zauberpapyri und Fluchtäfelchen ausmachen.

Diese Riten konnten oftmals nur zu bestimmten Tagen an besonderen Orten durchgeführt werden, die von einer magiekundigen Person als heilig anerkannt wurden. In diesem Fall findet eine direkte Befragung eines physisch anwesend-gedachten Gottes statt, dem Opfer dargebracht werden sollen. Auffallend ist, dass der Text neben diesen paganen Symbolen auch christliche Bilder aufgreift. Die paganen Gottheiten Apollon, Paieon, Zeus Iao, Adonai und Pakerbeth werden in einem Atemzug mit den christlichen Figuren Michael, Gabriel und Abraham genannt.

Der Text kann darauf hinweisen, dass trotz des allgemeinen Opferverbotes unter Theodosius im Jahr 391/2 n. Chr. immer noch pagane magische Riten durchgeführt wurden. Der hier aufgezeigte Synkretismus ist dabei beispielhaft für den Umgang mit Religion zu dieser Zeit im traditionsreichen Ägypten. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch in christlicher Zeit immer noch eine große Nachfrage nach magischen Ritualen und Orakeln bestand. Insbesondere im Bereich der Magie und Medizin lassen sich ägyptisch-mythologische Motive sogar bis ins 8. Jahrhundert. n. Chr. nachweisen.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Trier als Sitz des Kaisers

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Trier als Sitz des Kaisers

Leitfragen:

1.) Wer ließ die Palastaula errichten?
2.) Um was für eine Art Bauwerk handelt es sich bei der sog. Palastaula?
3.) Was für Rückschlüsse lassen sich über Trier als Kaiserresidenz ziehen

Kommentar:

Die Stadt an der Mosel wurde ca. 18 v. Chr. von den Römern gegründet und nach Kaiser Augustus Augusta Treverorum benannt. Im Verlauf der Spätantike nahm die Bedeutung Triers mehr und mehr zu. Unter Diokletian und Maximian wurde Trier im Jahre 286 n. Chr. zur Hauptstadt der Provinz Gallia Belgica prima ernannt und sollte sich in den folgenden Jahren zur größten Stadt nördlich der Alpen entwickeln. Die reichsweite Ausstrahlung der Stadt als Kaiserresidenz und die überragende wirtschaftliche Bedeutung manifestierten sich auch darin, dass Trier 293/4 n. Chr. als Reichsmünzstätte fungierte. Schließlich erfuhr die Stadt unter Constantius Chlorus (293-305 n. Chr.) und Constantin (306-337 n. Chr.) ein umfassendes Bauprogramm. Während ihrer Blütezeit im 4. Jahrhundert n. Chr. war Trier nicht nur Residenzstadt der römischen Kaiser, Gratian, Valentinian I. (376-383 n. Chr.) und Valentinian II. (388-392) residierten hier, sondern auch Treffpunkt vieler berühmter Persönlichkeiten, wie Ambrosius von Mailand, Athanasius und Ausonius – von denen letzterer dem Gebiet mit seinem Gedicht „Mosella“ über die Mosel ein literarisches Denkmal schuf.

Die sog. Palastaula (oder Basilika) wurde ca. im 4. Jahrhundert im Rahmen dieser größeren Baumaßnahmen errichtet. Sie ist ca. 71 m lang (inklusive der 12,4 m langen Apsis) und 32,6 m breit. Mit einer Höhe von ca. 30 m dürfte es sich um eines der höchsten Gebäude im römischen Trier gehandelt haben. Der Bau wurde aus Ziegelmauerwerk errichtet, wobei die Außenmauern eine Dicke von 2,7 m aufwiesen. Der Innenraum war mit prächtigen mono- und polychromen Marmorplatten ausgekleidet. Besonders eindrucksvoll ist die große Hypokaustenanlage – eine Art Warmluftheizung, die unter dem Boden verlegt wurde und in der Lage war, den 1600m2 großen Innenraum zu beheizen. Außen war dem Bauwerk eine ebenfalls beheizbare Vorhalle mit repräsentativem Giebelschmuck vorgesetzt. Die Längsseiten der Aula umfassten zudem zwei U-förmige Portiken (Säulenhallen).

Die Palastaula bzw. Konstantinsbasilika bildet einen Komplex mit den Kaiserthermen und dem Circus. Dabei ist die Bezeichnung als Konstantinsbasilika irreführend, denn weder der Gebäudetypus noch seine Funktion waren der einer Basilika – zu keinem Zeitpunkt handelte es sich bei diesem Bauwerk um eine katholische Kirche. Vielmehr handelte es sich bei diesem Monument um eine Audienzhalle, die seit Diocletian als Kulisse für Empfänge und das ausgefeilte kaiserliche Hofzeremoniell fungierte.

Am Ende des 4. Jahrhunderts verlor Trier mehr und mehr an Bedeutung; 394 n. Chr. zog der Kaiserhof nach Mailand und die Prätorianerpräfekten wurden von Trier nach Arles verlegt und damit auch die Reichsmünzstätte. Im 5. Jahrhundert hatte sich die Bevölkerung stark verringert, und die Stadt ging langsam unter. 480 n. Chr. schließlich fiel die Stadt endgültig an die Franken und damit auch die Palastaula, die unter der fränkischen Herrschaft im Mittelalter als Residenz der Erzbischöfe und Kurfürsten umgewandelt wurde. 1844 verfügte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. einen Wiederaufbau der teilweise zerstörten Palastaula für die neu gegründete evangelische Erlöserkirche. Heute gehört das Bauwerk zum UNESCO Weltkulturerbe.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Auseinandersetzung um den Viktorienaltar

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Quintus Aurelius Symmachus
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Symm.rel. 3,7-10 – Original:

7. Accipiat aeternitas vestra alia eiusdem principis facta, quae in usum dignius trahat. Nihil ille decerpsit sacrarum virginum privilegiis, decrevit nobilibus sacerdotia, Romanis caerimoniis non negavit inpensas et per omnes vias aeternae urbis laetum secutus senatum vidit placido ore delubra, legit inscripta fastigiis deorum nomina, percontatus templorum origines est, miratus est conditores cumque alias religiones ipse sequeretur, has servavit imperio.
8. Suus enim cuique mos, suus cuique ritus est. Varios custodes urbibus cultus mens divina distribuit. Ut animae nascentibus, ita populis fatales genii dividuntur. Accedit utilitas, quae maxime homini deos adserit. Nam cum ratio omnis in operto sit, unde rectius quam de memoria atque documentis rerum secundarum cognitio venit numinum? Iam si longa aetas auctoritatem religionibus faciat, servanda est tot saeculis fides et sequendi sunt nobis parentes, qui secuti sunt feliciter suos
9. Romam nunc putemus adsistere atque his vobiscum agere sermonibus: Optimi principum, patres patriae, reveremini annos meos, in quos me pius ritus adduxit! Utar caerimoniis avitis; neque enim paenitet. Vivam meo more, quia libera sum! Hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. Ad hoc ergo servata sum, ut longaeva reprehendar?
10. Videro, quale sit, quod instituendum putatur; sera tamen et contumeliosa emendatio senectutis. Ergo diis patriis, diis indigetibus pacem rogamus. Aequum est, quidquid omnes colunt, unum putari. Eadem spectamus astra, commune caelum est, idem nos mundus involvit. Quid interest, qua quisque prudentia verum requirat? Uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum. Sed haec otiosorum disputatio est. Nunc preces, non certamina offerimus.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Philip Schaff
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

7. But the divine Constantius is said to have done the same. Let us rather imitate the other actions of that Prince, who would have undertaken nothing of the kind, if any one else had committed such an error before him. For the fall of the earlier sets his successor right, and amendment results from the censure of a previous example. It was pardonable for your Grace’s ancestor in so novel a matter to fail in guarding against blame. Can the same excuse avail us if we imitate what we know to have been disapproved?
8. Will your Majesties listen to other actions of this same Prince, which you may more worthily imitate? He diminished none of the privileges of the sacred virgins, he filled the priestly offices with nobles, he did not refuse the cost of the Roman ceremonies, and following the rejoicing Senate through all the streets of the eternal city, he contentedly beheld the shrines with unmoved countenance, he read the names of the gods inscribed on the pediments, he enquired about the origin of the temples, and expressed admiration for their builders. Although he himself followed another religion, he maintained its own for the empire, for everyone has his own customs, everyone his own rites. The divine Mind has distributed different guardians and different cults to different cities. As souls are separately given to infants as they are born, so to peoples the genius of their destiny. Here comes in the proof from advantage, which most of all vouches to man for the gods. For, since our reason is wholly clouded, whence does the knowledge of the gods more rightly come to us, than from the memory and evidence of prosperity? Now if a long period gives authority to religious customs, we ought to keep faith with so many centuries, and to follow our ancestors, as they happily followed theirs.
9. Let us now suppose that Rome is present and addresses you in these words: “Excellent princes, fathers of your country, respect my years to which pious rites have brought me. Let me use the ancestral ceremonies, for I do not repent of them. Let me live after my own fashion, for I am free. This worship subdued the world to my laws, these sacred rites repelled Hannibal from the walls, and the Senones from the capitol. Have I been reserved for this, that in my old age I should be blamed? I will consider what it is thought should be set in order, but tardy and discreditable is the reformation of old age.”
10. We ask, then, for peace for the gods of our fathers and of our country. It is just that all worship should be considered as one. We look on the same stars, the sky is common, the same world surrounds us. What difference does it make by what pains each seeks the truth? We cannot attain to so great a secret by one road; but this discussion is rather for persons at ease, we offer now prayers, not conflict.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Symm.rel. 3,7-10

Leitfragen:

1) Was war die politische Ausgangslage für die Auseinandersetzung?

2) Mit welchen Punkten argumentiert Symmachus?

3) Welche Auswirkungen hatte die Auseinandersetzung?

Kommentar:

In einer Epoche, die wie kaum eine andere geprägt war von politischen und militärischen Konflikten, scheint auf den ersten Blick dem Streit um die Aufstellung des Viktorienaltars in der Curia Iulia eine relativ geringe Bedeutung zuzukommen. Und doch steht dieser Streit sinnbildlich für die Auseinandersetzung, die im Kontext des allgemeinen Erlöschens der altrömischen Traditionen zwischen den Anhängern des traditionellen römischen Staatskultes und den Christen geführt wurde. Der Altar der Siegesgöttin und ihr vergoldetes Abbild, welches einen Palmzweig und einen Lorbeerkranz in den Händen hielt, wurde bereits 29 v.Chr. von Kaiser Augustus anlässlich seines Sieges in Actium (31 v.Chr.) in der Curia geweiht. Von diesem Zeitpunkt an war es Brauch, dass die Senatoren vor jeder Sitzung im Senatsgebäude dem Standbild der geflügelten Göttin ein Opfer darbrachten. Der Altar stand damit nicht nur für den Sieg von Augustus über Antonius, sondern vielmehr allgemein für die militärische Stärke Roms und des Principats. Constantius II. ließ im Jahre 357 n.Chr. im Zuge des allgemeinen Opferverbotes als erster den Altar aus der Curia entfernen. Sein Nachfolger Julian – auch Apostata, der Abgefallene genannt – ließ den Altar 361/63 n.Chr. allerdings wieder aufstellen mit der Intention, die paganen Kulte wiederzubeleben – ein Versuch, der durch die umfassende Etablierung des Christentums zum Scheitern verurteilt war. Im Jahr 382/83 n.Chr. entfernte Gratian den Altar erneut und stellte zusätzlich dazu auch die staatliche Finanzierung des Vestakultes ein.

Als Reaktion der zum Großteil immer noch paganen Senatorenschaft Roms wurde Quintus Aurelius Symmachus in seiner Funktion als Stadtpräfekt beauftragt, sich mit einer Gesandtschaft an den Kaiser in Mailand zu wenden, um ihn davon zu überzeugen, den Altar wiederaufstellen sowie den Kulten wieder eine staatliche Förderung zukommen zulassen; zudem sollten den Priestern ihre Privilegien wieder eingeräumt werden. Der Entzug der staatlichen Grundlage der paganen Kulte, ohne die diese nicht mehr bestehen konnten, kann wohl als der wichtigste Auslöser für die Gesandtschaft gesehen werden. Der römische Senator qualifizierte sich für diese Aufgabe durch seinen hohen Bekanntheitsgrad als Redner, der ihm den Ruf eines zweiten Ciceros einbrachte. Allerdings wies ihn Gratian vor den Toren Mailands ab. Der vorliegende Quellenausschnitt stammt aus einer Bittschrift, der 3. Relatio, die er nach dem Tode Gratians verfasste und an den jungen Kaiser Valentinian richtete. In seinem Schreiben bittet Symmachus diesen darum, die Entscheidungen seines Vorgängers zurückzunehmen. Valentinian schien ihm, wohl auch aufgrund seines noch jungen Alters, beeinflussbarer als Gratian es gewesen war.

Das Schreiben ist stilistisch auf einem sehr hohen Niveau verfasst. Symmachus plädiert nicht nur für die Wichtigkeit der paganen Kulte, sondern untermauert seine Argumentation sorgfältig mit den Ideen des philosophischen Pluralismus im Sinne des Neuplatonismus und dem Konzept der inneren Gleichheit der verschiedenen Glaubensformen. Am Höhepunkt seiner Ausführungen lässt er eine Prosopopoiie der Ewigen Stadt das Wort ergreifen. Die personifizierte Roma sollte für eine Verbindung mit der glorreichen Vergangenheit des Imperiums und ein garantiert glückliches Weiterbestehen der Stadt stehen. Symmachus greift damit auf die Romidee zurück, die der Stadt eine universelle Vorrangstellung im politischen, kulturellen und religiösen Bereich zuspricht. Gleichzeitig erinnert er an die ruhmreiche Vergangenheit und greift Bilder von historisch wichtigen Erfolgen auf, die sich tief in das kollektive Gedächtnis der Römer eingebrannt hatten. Seinen Aussagen nach verdanke Rom seine ruhmreiche Vergangenheit und den Aufstieg zum caput mundi in erster Linie dem treuen Vollzug des Staatskultes und der Verehrung der traditionellen Götter.

Interessanterweise geht er nicht auf den Umkehrschluss ein, dass der „neue Glaube“ verantwortlich sei für die jüngsten Misserfolge Roms, wie dem Verlust der Schlacht bei Adrianopel – vielleicht auch, um den Kaiser nicht auf seine Niederlagen hinzuweisen. Lediglich indirekt fragt er, wer denn den Barbaren so freundlich gesinnt wäre, als dass er die Wiedererrichtung des Altars der Victoria nicht wünsche? Er macht deutlich, dass die geschichtlichen Erfahrungen und eine generelle Klugheit ein Festhalten an den traditionellen Staatskult gebieten würden. Die Bittschrift machte am Mailänder Hof durchaus Eindruck und wäre unter Umständen sogar erfolgreich gewesen, wenn sich nicht auch der Bischof von Mailand, Ambrosius, in den Streit eingemischt hätte. Seinen ersten Brief verfasste er, ohne die Bittschrift gelesen zu haben. Eindringlich warnt er den Kaiser davor, seine Pflicht als Christ und Verteidiger des Glaubens zu vernachlässigen und droht ihm indirekt sogar mit Exkommunikation.

Bei seinem zweiten Brief hingegen handelt es sich um eine argumentative Widerlegung der Bittschrift, in der er argumentiert, dass 387 v.Chr. Rom lediglich von einer Schar Gänse und nicht von dem Gott Jupiter befreit worden sei und Hannibal dieselben Götter angebetet hätte wie die Römer – die aus diesem Grund mal dem einen, mal dem anderen Vorzug gaben. Valentinian folgte schließlich der Argumentation des Erzbischofes. Im Jahr 393 n.Chr. wurden in Rom zum letzten Mal die traditionellen paganen Kultfeiern begangen. Ein Jahr später wurde der Altar schließlich endgültig aus der Curia entfernt. Das Entfernen des Altars bedeutete nicht nur eine wirkungsmächtige symbolische Niederlage für die Anhänger der paganen Kulte, sondern zeigte auch, dass in Rom ein neues Zeitalter angebrochen war, in dem die Kultausübung nicht mehr Sache des Kaisers war, er aber sehr wohl von der Kircher beeinflusst werden konnte.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast

Einfall der Goten und anderer Völker

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Ammianus Marcellinus
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Amm. 31,12,1-7 – Original:

1 Isdemque diebus exagitatus ratione gemina Valens, quod Lentienses conpererat superatos, quodque Sebastianus subinde scribens facta dictis exaggerabat, e Melanthiade signa commovit, aequiperare facinore quodam egregio adulescentem properans filium fratris, cuius virtutibus urebatur: ducebatque multiplices copias nec contemnendas nec segnes, quippe etiam veteranos isdem iunxerat plurimos, inter quos et honoratiores alii et Traianus recinctus est, paulo ante magister armorum. 2 Et quoniam exploratione sollicita cognitum est cogitare hostes fortibus praesidiis itinera claudere, per quae commeatus necessarii portabantur, occursum est huic conatui conpetenter, ad retinendas oportunitates angustiarum, quae prope erant, peditibus sagittariis et equitum turma citius missa. 3 Triduoque proximo cum barbari gradu incederent leni et metuentes eruptionem per devia, quindecim milibus passuum a civitate discreti stationem peterent Nicen incertum quo errore procursatoribus omnem illam multitudinis partem, quam viderant, in numero decem milium esse firmantibus, imperator procaci quodam calore perculsus isdem occurrere festinabat. 4 Proinde agmine quadrato incedens prope suburbanum Hadrianopoleos venit, ubi vallo sudibus fossaque firmato, Gratianum inpatienter operiens, Richomerem comitem domesticorum suscepit ab eodem imperatore praemissum cum litteris, ipsum quoque venturum mox indicantibus. 5 Quarum textu oratus ut praestolaretur paulisper periculorum participem, neve abruptis discriminibus temere semet committeret solum, adhibitis in consilium potestatibus variis, quid facto opus esset deliberabat. 6 Et cum Sebastiano auctore quidam protinus eundum ad certamen urgerent, Victor nomine magister equitum, Sarmata sed cunctator et cautus, eadem sentientibus multis imperii socium exspeetari eensebat, ut incrementis exercitus Gallicani adscitis opprimeretur levius tumor barbaricus flammans. 7 Vicit tamen funesta principis destinatio et adulabilis quorundam sententia regiorum, qui, ne paene iam partae victoriae ut opinabantur consors fieret Gratianus, properari cursu celeri suadebant.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J.C. Rolfe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

1 In those same days Valens was troubled for two reasons: first, by the news that the Lentienses had been defeated; secondly, because Sebastianus wrote from time to time exaggerating his exploits. He therefore marched forth from Melanthias, being eager to do some glorious deed to equal his young nephew, whose valiant exploits consumed him with envy. He had under his command a force made up of varying elements, but one neither contemptible, nor unwarlike; for he had joined with them also a large number of veterans, among whom were other officers of high rank and Trajanus, shortly before a commander-in chief, whom he had recalled to active service. 2 And since it was learned from careful reconnoitring that the enemy were planning with strong guards to block the roads over which the necessary supplies were being brought, he tried competently to frustrate this attempt by quickly sending an infantry troop of bowmen and a squadron of cavalry, in order to secure the advantages of the narrow passes, which were near by. 3 During the next three days, when the barbarians, advancing at a slow pace and through unfrequented places, since they feared a sally, were •fifteen miles distant from the city, and were making for the station of Nice, through some mistake or other the emperor was assured by his skirmishers that all that part of the enemy’s horde which they had seen consisted of only ten p465 thousand men, and carried away by a kind of rash ardour, he determined to attack them at once. 4 Accordingly, advancing in square formation, he came to the vicinity of a suburb of Hadrianopolis, where he made a strong rampart of stakes, surrounded by a moat, and impatiently waited for Gratian; there he received Richomeres, general of the household troops, sent in advance by Gratian with a letter, in which he said that he himself also would soon be there. 5 Since the contents besought him to wait a while for the partner in his dangers, and not rashly to expose himself alone to serious perils, Valens called a council of various of his higher officers and considered what ought to be done. 6 And while some, influenced by Sebastianus, urged him to give battle at once, the man called Victor, a commander of cavalry, a Sarmatian by birth, but foresighted and careful, with the support of many others recommended that his imperial colleague be awaited, so that, strengthened by the addition of the Gallic army, he might the more easily crush the fiery over-confidence of the barbarians. 7 However, the fatal insistence of the emperor prevailed, supported by the flattering opinion of some of his courtiers, who urged him to make all haste in order that Gratian might not have a share in the victory which (as they represented) was already all but won.

Text zum downloaden

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Amm. 31,12,1-7

Leitfragen:

1) Was war die Ausgangslage der Auseinandersetzung?

2) Welche Gründe führt Ammian für die Niederlage an?

3) Was waren die Folgen der Niederlage?

Kommentar:

Der vorliegende Quellenausschnitt zeigt einen Auszug aus den Res Gestae des Ammianus Marcellinus (ca. 330-395 n. Chr.). Das Werk des römischen Historikers umfasst 31 Bücher, die wahrscheinlich einen Zeitraum vom Regierungsantritt Nervas (96 n. Chr.) bis zur Schlacht von Adrianopel (378 n. Chr.) behandelten. Überliefert sind allerdings nur die Beschreibungen der Jahre 353-378 n. Chr. – einige der beschriebenen Ereignisse hatte Ammian durch seine Zeit als Soldat unter Constantius II. somit selbst miterlebt. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei diesem Werk um die umfangreichste historiographische Schrift der Spätantike, die sich durchaus mit dem Werk des Tacitus vergleichen lassen kann. Inhaltlich handelt es sich um eine Mischung aus Kaiserbiographien und Reichsgeschichte. Um das stadtrömische Publikum anzusprechen, verfasste Ammian sein Werk auf Latein und nicht in seiner griechischen Muttersprache – er selbst kam aus Antiochia.

Der vorliegende Abschnitt behandelt den Zeitraum kurz vor der fatalen Entscheidung von Kaiser Valens, bei Adrianopel gegen die Goten zu ziehen. Die Ursache dieser militärischen Auseinandersetzung lässt sich grob auf die Migrationsbewegungen verschiedener germanischer Truppen in das Römische Reich zurückführen (oftmals auch als „Völkerwanderung“ bezeichnet). In diesem Kontext ersuchten auch die tervingischen Goten um Aufnahme in das Imperium, im Gegenzug waren sie bereit, Kriegsdienst für die Römer zu leisten. Dieses Anliegen wurde ihnen von römischer Seite aus gestattet, wohl auch in der Hoffnung, dadurch die eigene Armee zu stärken. Die Goten wurden aber ihrerseits stark von den Hunnen bedrängt. Dies führte dazu, dass neben den tervingischen Goten weitere Germanen die Donau überschritten und weite Teile Thrakiens – auch aufgrund einer allgemeinen Hungersnot – verwüsteten.

Nachdem die lokalen römischen Beamten die Situation nicht mehr unter Kontrolle bringen konnten, schickten sie nach Hilfe von kaiserlicher Seiter. Kaiser Valens hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch in Antiochia auf, schickte von dort aus zuerst einige Truppen und entschied sich daraufhin mit seinem eigenen Heer nach Thrakien zu kommen. Auch Gratian sicherte seine Hilfe zu und setzte sich mit seinem Heer von Westen aus ebenfalls in Richtung Thrakien in Bewegung.

Ammian beschreibt, dass Gratian in einem Brief Valens darum bittet, mit seinem Vorstoß noch zu warten, bis er einträfe. Allerdings entschied sich Valens am 9. August 378 in Erwartung eines leichten Sieges zu einem – in der Forschung oftmals als kopflos oder überstürzt charakterisierten – Vorstoß noch bevor die Hilfstruppen unter Gratian eingetroffen waren. Ammian nennt als möglichen Grund für dieses Handeln den Drang von Valens, einen ruhmriechen Sieg zu erringen, welchen er Gratian nicht gönnte. Dieser Drang nach einem militärischen Erfolg und eine falsche Einschätzung der ausgesendeten Späher werden von Ammian als Gründe für das Handeln von Valens angeführt. Zudem ließ sich der Kaiser, seiner Meinung nach, zu leicht von den „Schmeicheleien“ der ihn beratenden Höflinge beeinflussen, die sich für ein rasches Eingreifen aussprachen.

Im weiterführenden Abschnitt widmet Ammian den detaillierten Beschreibungen der militärischen Aktionen bei Adrianopel besondere Aufmerksamkeit, die sich wohl insbesondere auf seine eigene Erfahrung als Soldat zurückführen lässt. Nach einem äußerst blutigen Kampf erlitten die Römer eine verheerende Niederlage. Insgesamt fielen ca. zwei Drittel des römischen Heeres, darunter kamen auch Kaiser Valens nebst einer Vielzahl seiner Offiziere ums Leben.

Die Goten konnten erst vor den Toren Konstantinopels aufgehalten werden. Rom hatte durch diese Niederlage nicht nur einen Kaiser, sondern auch sein bewegliches kaiserliches Heer verloren, welches bis dahin als mobile Reserve an unterschiedlichen Fronten eingesetzt worden war. Dies führte dazu, dass immer mehr Kriegsverbände in das Imperium einfielen.

Nach dem Tod des Valens wurde im Jahr 379 Theodosius zum „Seniorkaiser“, zum Augustus erklärt. Er bemühte sich darum, die Situation durch einen Vertragsabschluss mit den terwingischen Goten zu lösen. Die Goten erhielten Land im römischen Thrakien und waren als foederati zur Waffenhilfe verpflichtet, allerdings waren sie ansonsten autark und handelten als halbautonome Einheiten innerhalb der römischen Armee – Theodosius schuf damit eine Art Präzedenzfall. Den Römern blieb nichts anderes übrig, als den einfallenden Germanenstämmen mehr Freiheiten zuzugestehen. Immer mehr germanische Truppen wurden in die römische Armee integriert, was zu einer Art „Barbarisierung“ des Militärs führte und prägend für diese Epoche werden sollte. Mit der in diesem Auszug beschriebenen katastrophalen Niederlage der römischen Armee gegen die Germanen bei Adrianopel beschließt Ammian sein Werk – vielleicht sogar in der Überzeugung, dass der Untergang des Römischen Reiches ebenfalls feststehe.

Text zum downloaden

Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Valentinian bis Theodosius“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
Hier geht’s zum Podcast