Augusteische Münze

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Augusteischer Cistophor, 28. v. Chr.

Leitfragen

1) Was ist auf der Münze im Einzelnen zu sehen?

2) Warum hat Augustus/Octavian diese Motive auf die Münze prägen lassen?

3) Warum kann eine einzelne Münze eine zentrale Quelle der Alten Geschichte darstellen?

Kommentar:

Eine zentrale Quelle zu Augustus‘ Herrschaftsrepräsentation und Propaganda stellen die Münzen dar, die in seinem Auftrag von diversen, über das Imperium Romanum verteilten Münzstätten geprägt wurden. Münzen sind eines der effektivsten Mittel antiker Propaganda, denn ohne moderne Medien oder Telekommunikation stellte ihre Verbreitung einen der wenigen Wege dar, auf denen Herrscher Einfluss auf den Großteil ihrer Untertanen nehmen konnten.

Was ist nun auf dieser speziellen Münze zu sehen? Unser Beispiel ist ein Cistophor (Münze mit Darstellung einer cista mystica im Wert von 3 Denaren) des Augustus aus dem Jahre 28 v. Chr. Auf der Vorderseite (avers) sehen wir den Kopf des Augustus, mit einem Lorbeerkranz auf dem Haar, dem Zeichen für den Triumphator. Wir wissen, dass es sich um Augustus handelt, weil wir sein Bild gut kennen und in diesem Fall auch sein Name auf der Münze steht: IMP CAES DIVI COS VI LIBERTATIS P R VINDEX. Dieser Name und die dazugehörigen Titel teilen dem, der die Münze hält, die zentralen Botschaften mit. Zuerst der Princeps: Er ist Imperator (IMP), eigentlich Titel eines Feldherrn, Augustus nahm ihn als neuen Vornamen (praenomen) an. Weiterhin sein Name, Caesar (CAES), der auf die Adoption durch Gaius Iulius Caesar verweist, ebenso wie DIVI: Die Kurzform für „Sohn des Vergöttlichten/des Gottes“ (DIVI FILIUS) weist auf zwei Dinge hin. Erstens ist Julius Caesar nach seinem Tod zum Gott erklärt worden und zweitens behaupten sowohl er, als auch sein Adoptivsohn Augustus, von Göttern abzustammen, speziell von Venus, der Ahnherrin der Familie der Julier. Auf späteren Münzen wird sich Octavian auch unter dem heute bekannteren Namen, Augustus, vorstellen, 28 v. Chr. trägt er diesen Titel noch nicht. Es folgt der Hinweis darauf, dass Augustus zu diesem Zeitpunkt zum 6. Mal Konsul ist (COS=Consul, VI als Zahl), was zusammen mit dem Fehlen des Augustustitels auf das Jahr 28 v. Chr. als Prägejahr hindeutet. Hier macht Augustus deutlich, dass nominell die Republik noch existiert, denn er nennt sich nicht Dictator, Rex oder Princeps, sondern weist nur auf den offiziellen, republikanischen Titel hin: Consul. Dabei muss man natürlich beachten, dass Augustus zwar einen Kollegen als zweiten Konsul neben sich hatte, es aber niemand gewagt hätte, dem Mann, der alle Armeen des Reiches kontrollierte, zu widersprechen.

Die ersten Teile der Münzinschrift finden sich so auf vielen Münzen, die letzten vier Einträge sind speziell für diese Münze. Augustus präsentiert sich hier als „Retter der Freiheit des römischen Volkes“ (LIBERTATIS POPULI ROMANI VINDEX). Die Freiheit meint dabei die der römischen Republik, die durch Octavian vor seinem Hauptwidersacher Marcus Antonius gerettet wurde. Diesen hatte er wenige Jahre zuvor bei Actium besiegt und damit die Bürgerkriege beendet.

Auf der Rückseite (revers) finden wir die Göttin des Friedens (Pax) mit einem Merkurstab in der Hand, die auf einem Schwert steht. Ein Symbol für den Triumph des Friedens über den Krieg, erreicht durch den Sieg, auf den der Lorbeerkranz referiert. Neben ihr befindet sich eine cista mystica mit einer Schlange, beides Anspielungen auf die Eleusinischen Mysterien und damit die Fruchtbarkeit.

Die Botschaft, die Augustus mit dieser Münze unter das Volk bringen will, ist eindeutig. Durch den militärischen Erfolg des Augustus wurden das römische Volk und die römische Republik vor der Willkür seiner Feinde gerettet. Göttlichen Beistand bekam er zwar auch von der Friedensgöttin, aber er ist schließlich auch selbst von göttlicher Abstammung – allerdings nicht selbst ein Gott, so weit geht Augustus noch nicht. Mittels der vielen im Umlauf befindlichen Münzen bleibt diese Botschaft unter dem Volk bekannt, es soll ja nicht vergessen, dass es gerettet wurde, und besonders nicht, von wem. Es muss hierbei erwähnt werden, dass wir hier selbstverständlich die Geschichtsdarstellung des Siegers vor Augen haben, der seine Beteiligung im Bürgerkrieg und die Errichtung des Prinzipats als „Rettung“ des römischen Volkes und seiner Freiheit preist.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Augustus“. Um einen breiteren Einblick in die Römische Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
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Diese Münze fügt sich als Beispiel in die große Anzahl wirksamer Propagandamittel, die von Augustus eingesetzt wurden, um seine Version der Geschichte des Bürgerkrieges unter die Leute zu bringen. Andere Beispiele sind der Tatenbericht des Augustus oder die Augustusstatue von Prima Porta.

Zur Friedenspropaganda des Augustus im Vergleich zur realen Situation siehe auch den Bericht über die Veteranenansiedelung, den Bericht über die Varusschlacht und den Grabstein eines Gefallenen der Schlacht.

Moralische Gründe des Bürgerkriegs

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Sallust
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Sall. Jug. 29-32 – Original

[29] Sed ubi Iugurtha per legatos pecunia temptare bellique, quod administrabat, asperitatem ostendere coepit, animus aeger auaritia facile conuersus est. Ceterum socius et administer omnium consiliorum assumitur Scaurus, qui tametsi a principio plerisque ex factione eius corruptis acerrime regem impugnauerat, tamen magnitudine pecuniae a bono honestoque inprauum abstractus est. Sed Iugurtha primo tantummodo belli moram redimebat, existimans sese aliquid interim Romae pretio aut gratia effecturum. Postea vero quam participem negoti Scaurum accepit, in maximam spem adductus recuperandae pacis statuit cum iis de omnibus pactionibus praesens agere.
[…] [30]Postquam res in Africa gestas quoque modo actae forent fama diuulgauit, Romae per omnis locos et conventus de facto consulis agitari. Apud plebem grauis invidia, patres solliciti erant: probarentne tantum flagitium an decretum consulis subuerterent, parum constabat. Ac maxime eos potentia Scauri, quod is auctor et socius Bestiae ferebatur, a vero bonoque impediebat.
[…] [32] Haec atque alia huiusce modi saepe in contione dicendo Memmius populo persuadet, uti L.Cassius, qui tum praetor erat, ad Iugurtham mitteretur eumque interposita fide publica Romam duceret, quo facilius indicio regis Scauri et relicuorum, quos pecuniae captae arcessebat, delicta patefierent. Dum haec Romae geruntur, qui in Numidia relicti a Bestia exercitui praeerant,secuti morem imperatoris sui plurima et flagitiosissima facinora fecere. Fuere qui auro corrupti elephantos Iugurthae traderent, alii perfugas vendebant, pars ex pacatis praedas agebant: tanta vis auaritiae in animos eorum ueluti tabes invaserat.
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Übersetzung: Axel W. Ahlenberg
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Übersetzung

[Calpurnius wird in Rom als neuer Konsul bestellt und beginnt den Krieg gegen Jugurtha] [29]“But when Jugurtha began, through his emissaries, to tempt him [Calpurnius] with bribes, and to show the difficulties of the war which he had undertaken to conduct, his mind, corrupted with avarice, was easily altered. His accomplice, however, and manager in all his schemes, was Scaurus; who, though he had at first, when most of his party were corrupted, displayed violent hostility to Jugurtha, yet was afterward seduced, by a vast sum of money, from integrity and honor to injustice and perfidy-Jugurtha, however, at first sought only to purchase a suspension of hostilities, expecting to be able, during the interval, to make some favorable impression, either by bribery or by interest, at Rome; but when he heard that Scaurus was co-operating with Calpurnius, he was elated with great hopes of regaining peace, and resolved upon a conference with them in person respecting the terms of it. “
[…] [Jugurtha wird ein großzügiger Frieden vom Konsul erlaubt] [30]“When rumor had made known the affairs transacted in Africa, and the mode in which they had been brought to pass, the conduct of the consul became a subject of discussion in every place and company at Rome. Among the people there was violent indignation; as to the senators, whether they would ratify so flagitious a proceeding, or annul the act of the consul, was a matter of doubt. The influence of Scaurus, as he was said to be the supporter and accomplice of Bestia, was what chiefly restrained the senate from acting with justice and honor. “
[…] [Rede des Memmius] [32]By repeating these and similar sentiments, Memmius prevailed on the people to send Lucius Cassius,1 who was then prætor, to Jugurtha, and to bring him, under guarantee of the public faith,2 to Rome, in order that, by the prince’s evidence, the misconduct of Scaurus and the rest, whom they charged with having taken bribes, might more easily be made manifest.
During the course of these proceedings at Rome, those whom Bestia had left in Numidia in command of the army, following the example of their general, had been guilty of many scandalous transactions. Some, seduced by gold, had restored Jugurtha his elephants; others had sold him his deserters; others had ravaged the lands of those at peace with us; so strong a spirit of rapacity, like the contagion of a pestilence, had pervaded the breasts of all.“
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Sall. Jug. 29-32

Leitfragen:

1) Welche (moralischen) Vorwürfe macht der Autor der Quelle den römischen nobiles?

2) Warum werden diese moralischen Verfehlungen so ausführlich dargestellt, welche Aussageabsicht verbindet der Autor damit?

3) Wieso kann eine Quelle über einen 100 Jahre zurückliegenden Krieg ebenfalls eine für Augustus‘ Selbstdarstellung sein?

Kommentar:

Die vorliegende Passage stammt aus dem Bellum Iugurthinum des Sallust (86-34 v.Chr.), geschrieben um ca. 40 v. Chr. Das Werk thematisiert den Kampf Roms gegen den numidischen König Iughurta, der die Jahre 111-105 v. Chr. umfasst und in dem Rom mehrfach in große Bedrängnis gerät. Als einen zentralen Grund dafür identifiziert Sallust unter anderem in diesem Abschnitt die moralische Verkommenheit der römischen Nobilität, in diesem Beispiel Lucius Bestia Calpurnius, Konsul von 111 v. Chr. Er lässt sich von Jugurtha, den er eigentlich bekämpfen sollte, bestechen, handelt einen für diesen günstigen Frieden aus und kehrt nach Rom zurück. Schlimm genug, dass er seinen Auftrag nicht erfüllt hat, Sallust setzt noch eine üble Konsequenz darauf: Das schlechte Beispiel ihres Feldherren verdirbt auch seine Soldaten, die in der Folge während seiner Abwesenheit in vielfacher Weise gegen die Interessen Roms handeln. Diese Episode ist nicht die einzige, in der römische nobiles scheinbar problemlos von Jugurtha bestochen werden können, am Ende ist der Populare und homo novus Marius der Held des Tages, der die Römer vor einer schweren Niederlage in Numidien bewahrt. Die moralische Verkommenheit eines großen Teils der Senatsaristokratie wird von Sallust somit als einer der zentralen Gründe für den Ausbruch des ersten Bürgerkrieges des 1. Jahrhunderts (zwischen dem Popularen Marius und dem Optimaten Sulla) identifiziert.

Nimmt man die bekannten Fakten über den Autor mit in den Blick, so lässt sich diese Quellenstelle auch anders lesen. Zum einen hatte Sallust sicher eine große Kenntnis besonders der afrikanischen Provinzgeschichte, da er Statthalter der Provinz Africa Nova war, was ihn sehr reich machte. Sallust war außerdem großer Anhänger Cäsars und kämpfte auf seiner Seite im Bürgerkrieg, den Bellum Iugurthinum schrieb er nach Cäsars Tod, als er sich aus der Politik zurückgezogen hatte. Wenn er mit Marius eine Figur sehr positiv darstellt, die später in einen sehr blutigen Bürgerkrieg verwickelt sein und sich weit von den Grundsätzen der Republik entfernen wird, so kann dies auch als eine Rechtfertigung Cäsars gelesen werden. So mancher Zeitgenosse wird wohl in dem brillanten General Marius, der die militärischen Probleme Roms schnell und effektiv löst, wo andere nur versagt haben, eine Verbindung zu Caesar gesehen haben, dem Sieger der Bürgerkriege. Außerdem ist Cäsar wie Marius ein Popular, der gegen die im Bellum Iugurthinum sehr negativ dargestellten Optimaten kämpfte.

Sallusts Beschreibung der verkommenen Aristokratie, die die Schuld an den Bürgerkriegen trägt, rückt auch Augustus in ein anderes Licht, um den es in diesem Podcast geht. Er hat die Bürgerkriege endgültig beendet, und das neue Rom, der neue Senat, die res publica restituta, sind Kontrastfolien zu der moralisch verdorbenen, dekadenten Zeit der Bürgerkriege, die nun endgültig überwunden sind. Die avaritia (Gier) von Personen wie Calpurnius ist ein wunderbares Gegenbeispiel für die iustitia, pietas, clementia und virtus des Augustus.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Augustus“. Um einen breiteren Einblick in die Römische Kaiserzeit zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte II – Kaiserzeit“.
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Siehe hierzu auch vergleichend den Tugendschild des Augustus, den Tatenbericht zum Bürgerkrieg, die augusteische Münze sowie den Augustus von Prima Porta.

Zum Verhalten der Nobilität unter Augustus siehe auch den Erlass von Kyrene und den Staatsakt.