Kontinuität paganer Kulte

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
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Kontinuität paganer Kulte

Leitfragen:

1.) Um was für eine Art Text handelt es sich?
2.) Welche Rolle spielen die jeweiligen paganen und christlichen Elemente?
3.) Was für Rückschlüsse können auf die religiöse Praxis in Ägypten im 4./5. Jahrhundert gezogen werden?

Kommentar:

Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen Auszug aus einem Papyrus, der ca. im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. wahrscheinlich im ägyptischen Theben verfasst worden ist. Es handelt sich um eine Rolle (80,2 x 33,5 cm), auf der in 5 Kolumnen und 347 Zeilen Anweisungen für den Empfang einer Weissagung, Unsichtbarkeitszauber, Mittel zur Vorbereitung einer magischen Tinte und ein Zauber mit Hymne zur Anrufung einer prophetischen Gottheit gegeben werden. Der Text ist auf Griechisch verfasst. Texte wie dieser haben sich in dem heißen und trockenen Wüstenklima Ägyptens vor allem auf Papyrus oder Pergament erhalten – äußert selten auch auf Leinen.

Ägypten nahm mit seiner jahrtausendealten Kultur schon immer eine Sonderrolle in der griechisch-römischen Welt ein. Diese spiegelte sich besonders in den traditionsreichen und vielschichtigen Kulthandlungen, die sich seit der Zeit der Ptolemäer (ca. 4.-2. Jh. v. Chr.) aus dem alten Götterkult der Pharaonenzeit, den verschiedenen Kulten der griechischen Religion und einem griechisch-römischen Mischkult zusammensetzten. Auch monotheistische Religionen, wie das Judentum und Christentum fassten in Ägypten schnell Fuß. Daneben war das tägliche Leben der Zeitgenossen stark von Magie und magischen Riten durchzogen. Die Unterscheidung zwischen Magie und Religion ist eine komplexe Frage, die die moderne Forschung bis heute beschäftigt und die noch nicht abschließend geklärt werden konnte, allerdings kann festgehalten werden, dass viele Riten, die auf den ersten Blick magisch erscheinen, für die antiken Zeitgenossen gängige religiöse Praxis waren – zum Beispiel die Befragung von Orakeln oder das Durchführen von Auspizien.

Der in dem Ausschnitt dargestellte Hymnus wendet sich an Apollon und ist mit der Durchführung bestimmter magischer Rituale verbunden. Hierbei sind die magischen Symbole besonders auffällig, die sich wahrscheinlich auf – im römischen Ägypten bereits vergessene – Hieroglyphen zurückführen lassen und zusammen mit den sog. voces magicae, merkwürdig klingenden Zauberwörtern oder Phrasen, den mystischen Charakter vieler Zauberpapyri und Fluchtäfelchen ausmachen.

Diese Riten konnten oftmals nur zu bestimmten Tagen an besonderen Orten durchgeführt werden, die von einer magiekundigen Person als heilig anerkannt wurden. In diesem Fall findet eine direkte Befragung eines physisch anwesend-gedachten Gottes statt, dem Opfer dargebracht werden sollen. Auffallend ist, dass der Text neben diesen paganen Symbolen auch christliche Bilder aufgreift. Die paganen Gottheiten Apollon, Paieon, Zeus Iao, Adonai und Pakerbeth werden in einem Atemzug mit den christlichen Figuren Michael, Gabriel und Abraham genannt.

Der Text kann darauf hinweisen, dass trotz des allgemeinen Opferverbotes unter Theodosius im Jahr 391/2 n. Chr. immer noch pagane magische Riten durchgeführt wurden. Der hier aufgezeigte Synkretismus ist dabei beispielhaft für den Umgang mit Religion zu dieser Zeit im traditionsreichen Ägypten. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch in christlicher Zeit immer noch eine große Nachfrage nach magischen Ritualen und Orakeln bestand. Insbesondere im Bereich der Magie und Medizin lassen sich ägyptisch-mythologische Motive sogar bis ins 8. Jahrhundert. n. Chr. nachweisen.

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Trier als Sitz des Kaisers

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
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Trier als Sitz des Kaisers

Leitfragen:

1.) Wer ließ die Palastaula errichten?
2.) Um was für eine Art Bauwerk handelt es sich bei der sog. Palastaula?
3.) Was für Rückschlüsse lassen sich über Trier als Kaiserresidenz ziehen

Kommentar:

Die Stadt an der Mosel wurde ca. 18 v. Chr. von den Römern gegründet und nach Kaiser Augustus Augusta Treverorum benannt. Im Verlauf der Spätantike nahm die Bedeutung Triers mehr und mehr zu. Unter Diokletian und Maximian wurde Trier im Jahre 286 n. Chr. zur Hauptstadt der Provinz Gallia Belgica prima ernannt und sollte sich in den folgenden Jahren zur größten Stadt nördlich der Alpen entwickeln. Die reichsweite Ausstrahlung der Stadt als Kaiserresidenz und die überragende wirtschaftliche Bedeutung manifestierten sich auch darin, dass Trier 293/4 n. Chr. als Reichsmünzstätte fungierte. Schließlich erfuhr die Stadt unter Constantius Chlorus (293-305 n. Chr.) und Constantin (306-337 n. Chr.) ein umfassendes Bauprogramm. Während ihrer Blütezeit im 4. Jahrhundert n. Chr. war Trier nicht nur Residenzstadt der römischen Kaiser, Gratian, Valentinian I. (376-383 n. Chr.) und Valentinian II. (388-392) residierten hier, sondern auch Treffpunkt vieler berühmter Persönlichkeiten, wie Ambrosius von Mailand, Athanasius und Ausonius – von denen letzterer dem Gebiet mit seinem Gedicht „Mosella“ über die Mosel ein literarisches Denkmal schuf.

Die sog. Palastaula (oder Basilika) wurde ca. im 4. Jahrhundert im Rahmen dieser größeren Baumaßnahmen errichtet. Sie ist ca. 71 m lang (inklusive der 12,4 m langen Apsis) und 32,6 m breit. Mit einer Höhe von ca. 30 m dürfte es sich um eines der höchsten Gebäude im römischen Trier gehandelt haben. Der Bau wurde aus Ziegelmauerwerk errichtet, wobei die Außenmauern eine Dicke von 2,7 m aufwiesen. Der Innenraum war mit prächtigen mono- und polychromen Marmorplatten ausgekleidet. Besonders eindrucksvoll ist die große Hypokaustenanlage – eine Art Warmluftheizung, die unter dem Boden verlegt wurde und in der Lage war, den 1600m2 großen Innenraum zu beheizen. Außen war dem Bauwerk eine ebenfalls beheizbare Vorhalle mit repräsentativem Giebelschmuck vorgesetzt. Die Längsseiten der Aula umfassten zudem zwei U-förmige Portiken (Säulenhallen).

Die Palastaula bzw. Konstantinsbasilika bildet einen Komplex mit den Kaiserthermen und dem Circus. Dabei ist die Bezeichnung als Konstantinsbasilika irreführend, denn weder der Gebäudetypus noch seine Funktion waren der einer Basilika – zu keinem Zeitpunkt handelte es sich bei diesem Bauwerk um eine katholische Kirche. Vielmehr handelte es sich bei diesem Monument um eine Audienzhalle, die seit Diocletian als Kulisse für Empfänge und das ausgefeilte kaiserliche Hofzeremoniell fungierte.

Am Ende des 4. Jahrhunderts verlor Trier mehr und mehr an Bedeutung; 394 n. Chr. zog der Kaiserhof nach Mailand und die Prätorianerpräfekten wurden von Trier nach Arles verlegt und damit auch die Reichsmünzstätte. Im 5. Jahrhundert hatte sich die Bevölkerung stark verringert, und die Stadt ging langsam unter. 480 n. Chr. schließlich fiel die Stadt endgültig an die Franken und damit auch die Palastaula, die unter der fränkischen Herrschaft im Mittelalter als Residenz der Erzbischöfe und Kurfürsten umgewandelt wurde. 1844 verfügte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. einen Wiederaufbau der teilweise zerstörten Palastaula für die neu gegründete evangelische Erlöserkirche. Heute gehört das Bauwerk zum UNESCO Weltkulturerbe.

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Auseinandersetzung um den Viktorienaltar

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Autor_in: Quintus Aurelius Symmachus
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Symm.rel. 3,7-10 – Original:

7. Accipiat aeternitas vestra alia eiusdem principis facta, quae in usum dignius trahat. Nihil ille decerpsit sacrarum virginum privilegiis, decrevit nobilibus sacerdotia, Romanis caerimoniis non negavit inpensas et per omnes vias aeternae urbis laetum secutus senatum vidit placido ore delubra, legit inscripta fastigiis deorum nomina, percontatus templorum origines est, miratus est conditores cumque alias religiones ipse sequeretur, has servavit imperio.
8. Suus enim cuique mos, suus cuique ritus est. Varios custodes urbibus cultus mens divina distribuit. Ut animae nascentibus, ita populis fatales genii dividuntur. Accedit utilitas, quae maxime homini deos adserit. Nam cum ratio omnis in operto sit, unde rectius quam de memoria atque documentis rerum secundarum cognitio venit numinum? Iam si longa aetas auctoritatem religionibus faciat, servanda est tot saeculis fides et sequendi sunt nobis parentes, qui secuti sunt feliciter suos
9. Romam nunc putemus adsistere atque his vobiscum agere sermonibus: Optimi principum, patres patriae, reveremini annos meos, in quos me pius ritus adduxit! Utar caerimoniis avitis; neque enim paenitet. Vivam meo more, quia libera sum! Hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. Ad hoc ergo servata sum, ut longaeva reprehendar?
10. Videro, quale sit, quod instituendum putatur; sera tamen et contumeliosa emendatio senectutis. Ergo diis patriis, diis indigetibus pacem rogamus. Aequum est, quidquid omnes colunt, unum putari. Eadem spectamus astra, commune caelum est, idem nos mundus involvit. Quid interest, qua quisque prudentia verum requirat? Uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum. Sed haec otiosorum disputatio est. Nunc preces, non certamina offerimus.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Philip Schaff
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Übersetzung:

7. But the divine Constantius is said to have done the same. Let us rather imitate the other actions of that Prince, who would have undertaken nothing of the kind, if any one else had committed such an error before him. For the fall of the earlier sets his successor right, and amendment results from the censure of a previous example. It was pardonable for your Grace’s ancestor in so novel a matter to fail in guarding against blame. Can the same excuse avail us if we imitate what we know to have been disapproved?
8. Will your Majesties listen to other actions of this same Prince, which you may more worthily imitate? He diminished none of the privileges of the sacred virgins, he filled the priestly offices with nobles, he did not refuse the cost of the Roman ceremonies, and following the rejoicing Senate through all the streets of the eternal city, he contentedly beheld the shrines with unmoved countenance, he read the names of the gods inscribed on the pediments, he enquired about the origin of the temples, and expressed admiration for their builders. Although he himself followed another religion, he maintained its own for the empire, for everyone has his own customs, everyone his own rites. The divine Mind has distributed different guardians and different cults to different cities. As souls are separately given to infants as they are born, so to peoples the genius of their destiny. Here comes in the proof from advantage, which most of all vouches to man for the gods. For, since our reason is wholly clouded, whence does the knowledge of the gods more rightly come to us, than from the memory and evidence of prosperity? Now if a long period gives authority to religious customs, we ought to keep faith with so many centuries, and to follow our ancestors, as they happily followed theirs.
9. Let us now suppose that Rome is present and addresses you in these words: “Excellent princes, fathers of your country, respect my years to which pious rites have brought me. Let me use the ancestral ceremonies, for I do not repent of them. Let me live after my own fashion, for I am free. This worship subdued the world to my laws, these sacred rites repelled Hannibal from the walls, and the Senones from the capitol. Have I been reserved for this, that in my old age I should be blamed? I will consider what it is thought should be set in order, but tardy and discreditable is the reformation of old age.”
10. We ask, then, for peace for the gods of our fathers and of our country. It is just that all worship should be considered as one. We look on the same stars, the sky is common, the same world surrounds us. What difference does it make by what pains each seeks the truth? We cannot attain to so great a secret by one road; but this discussion is rather for persons at ease, we offer now prayers, not conflict.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Symm.rel. 3,7-10

Leitfragen:

1) Was war die politische Ausgangslage für die Auseinandersetzung?

2) Mit welchen Punkten argumentiert Symmachus?

3) Welche Auswirkungen hatte die Auseinandersetzung?

Kommentar:

In einer Epoche, die wie kaum eine andere geprägt war von politischen und militärischen Konflikten, scheint auf den ersten Blick dem Streit um die Aufstellung des Viktorienaltars in der Curia Iulia eine relativ geringe Bedeutung zuzukommen. Und doch steht dieser Streit sinnbildlich für die Auseinandersetzung, die im Kontext des allgemeinen Erlöschens der altrömischen Traditionen zwischen den Anhängern des traditionellen römischen Staatskultes und den Christen geführt wurde. Der Altar der Siegesgöttin und ihr vergoldetes Abbild, welches einen Palmzweig und einen Lorbeerkranz in den Händen hielt, wurde bereits 29 v.Chr. von Kaiser Augustus anlässlich seines Sieges in Actium (31 v.Chr.) in der Curia geweiht. Von diesem Zeitpunkt an war es Brauch, dass die Senatoren vor jeder Sitzung im Senatsgebäude dem Standbild der geflügelten Göttin ein Opfer darbrachten. Der Altar stand damit nicht nur für den Sieg von Augustus über Antonius, sondern vielmehr allgemein für die militärische Stärke Roms und des Principats. Constantius II. ließ im Jahre 357 n.Chr. im Zuge des allgemeinen Opferverbotes als erster den Altar aus der Curia entfernen. Sein Nachfolger Julian – auch Apostata, der Abgefallene genannt – ließ den Altar 361/63 n.Chr. allerdings wieder aufstellen mit der Intention, die paganen Kulte wiederzubeleben – ein Versuch, der durch die umfassende Etablierung des Christentums zum Scheitern verurteilt war. Im Jahr 382/83 n.Chr. entfernte Gratian den Altar erneut und stellte zusätzlich dazu auch die staatliche Finanzierung des Vestakultes ein.

Als Reaktion der zum Großteil immer noch paganen Senatorenschaft Roms wurde Quintus Aurelius Symmachus in seiner Funktion als Stadtpräfekt beauftragt, sich mit einer Gesandtschaft an den Kaiser in Mailand zu wenden, um ihn davon zu überzeugen, den Altar wiederaufstellen sowie den Kulten wieder eine staatliche Förderung zukommen zulassen; zudem sollten den Priestern ihre Privilegien wieder eingeräumt werden. Der Entzug der staatlichen Grundlage der paganen Kulte, ohne die diese nicht mehr bestehen konnten, kann wohl als der wichtigste Auslöser für die Gesandtschaft gesehen werden. Der römische Senator qualifizierte sich für diese Aufgabe durch seinen hohen Bekanntheitsgrad als Redner, der ihm den Ruf eines zweiten Ciceros einbrachte. Allerdings wies ihn Gratian vor den Toren Mailands ab. Der vorliegende Quellenausschnitt stammt aus einer Bittschrift, der 3. Relatio, die er nach dem Tode Gratians verfasste und an den jungen Kaiser Valentinian richtete. In seinem Schreiben bittet Symmachus diesen darum, die Entscheidungen seines Vorgängers zurückzunehmen. Valentinian schien ihm, wohl auch aufgrund seines noch jungen Alters, beeinflussbarer als Gratian es gewesen war.

Das Schreiben ist stilistisch auf einem sehr hohen Niveau verfasst. Symmachus plädiert nicht nur für die Wichtigkeit der paganen Kulte, sondern untermauert seine Argumentation sorgfältig mit den Ideen des philosophischen Pluralismus im Sinne des Neuplatonismus und dem Konzept der inneren Gleichheit der verschiedenen Glaubensformen. Am Höhepunkt seiner Ausführungen lässt er eine Prosopopoiie der Ewigen Stadt das Wort ergreifen. Die personifizierte Roma sollte für eine Verbindung mit der glorreichen Vergangenheit des Imperiums und ein garantiert glückliches Weiterbestehen der Stadt stehen. Symmachus greift damit auf die Romidee zurück, die der Stadt eine universelle Vorrangstellung im politischen, kulturellen und religiösen Bereich zuspricht. Gleichzeitig erinnert er an die ruhmreiche Vergangenheit und greift Bilder von historisch wichtigen Erfolgen auf, die sich tief in das kollektive Gedächtnis der Römer eingebrannt hatten. Seinen Aussagen nach verdanke Rom seine ruhmreiche Vergangenheit und den Aufstieg zum caput mundi in erster Linie dem treuen Vollzug des Staatskultes und der Verehrung der traditionellen Götter.

Interessanterweise geht er nicht auf den Umkehrschluss ein, dass der „neue Glaube“ verantwortlich sei für die jüngsten Misserfolge Roms, wie dem Verlust der Schlacht bei Adrianopel – vielleicht auch, um den Kaiser nicht auf seine Niederlagen hinzuweisen. Lediglich indirekt fragt er, wer denn den Barbaren so freundlich gesinnt wäre, als dass er die Wiedererrichtung des Altars der Victoria nicht wünsche? Er macht deutlich, dass die geschichtlichen Erfahrungen und eine generelle Klugheit ein Festhalten an den traditionellen Staatskult gebieten würden. Die Bittschrift machte am Mailänder Hof durchaus Eindruck und wäre unter Umständen sogar erfolgreich gewesen, wenn sich nicht auch der Bischof von Mailand, Ambrosius, in den Streit eingemischt hätte. Seinen ersten Brief verfasste er, ohne die Bittschrift gelesen zu haben. Eindringlich warnt er den Kaiser davor, seine Pflicht als Christ und Verteidiger des Glaubens zu vernachlässigen und droht ihm indirekt sogar mit Exkommunikation.

Bei seinem zweiten Brief hingegen handelt es sich um eine argumentative Widerlegung der Bittschrift, in der er argumentiert, dass 387 v.Chr. Rom lediglich von einer Schar Gänse und nicht von dem Gott Jupiter befreit worden sei und Hannibal dieselben Götter angebetet hätte wie die Römer – die aus diesem Grund mal dem einen, mal dem anderen Vorzug gaben. Valentinian folgte schließlich der Argumentation des Erzbischofes. Im Jahr 393 n.Chr. wurden in Rom zum letzten Mal die traditionellen paganen Kultfeiern begangen. Ein Jahr später wurde der Altar schließlich endgültig aus der Curia entfernt. Das Entfernen des Altars bedeutete nicht nur eine wirkungsmächtige symbolische Niederlage für die Anhänger der paganen Kulte, sondern zeigte auch, dass in Rom ein neues Zeitalter angebrochen war, in dem die Kultausübung nicht mehr Sache des Kaisers war, er aber sehr wohl von der Kircher beeinflusst werden konnte.

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Einfall der Goten und anderer Völker

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Autor_in: Ammianus Marcellinus
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Amm. 31,12,1-7 – Original:

1 Isdemque diebus exagitatus ratione gemina Valens, quod Lentienses conpererat superatos, quodque Sebastianus subinde scribens facta dictis exaggerabat, e Melanthiade signa commovit, aequiperare facinore quodam egregio adulescentem properans filium fratris, cuius virtutibus urebatur: ducebatque multiplices copias nec contemnendas nec segnes, quippe etiam veteranos isdem iunxerat plurimos, inter quos et honoratiores alii et Traianus recinctus est, paulo ante magister armorum. 2 Et quoniam exploratione sollicita cognitum est cogitare hostes fortibus praesidiis itinera claudere, per quae commeatus necessarii portabantur, occursum est huic conatui conpetenter, ad retinendas oportunitates angustiarum, quae prope erant, peditibus sagittariis et equitum turma citius missa. 3 Triduoque proximo cum barbari gradu incederent leni et metuentes eruptionem per devia, quindecim milibus passuum a civitate discreti stationem peterent Nicen incertum quo errore procursatoribus omnem illam multitudinis partem, quam viderant, in numero decem milium esse firmantibus, imperator procaci quodam calore perculsus isdem occurrere festinabat. 4 Proinde agmine quadrato incedens prope suburbanum Hadrianopoleos venit, ubi vallo sudibus fossaque firmato, Gratianum inpatienter operiens, Richomerem comitem domesticorum suscepit ab eodem imperatore praemissum cum litteris, ipsum quoque venturum mox indicantibus. 5 Quarum textu oratus ut praestolaretur paulisper periculorum participem, neve abruptis discriminibus temere semet committeret solum, adhibitis in consilium potestatibus variis, quid facto opus esset deliberabat. 6 Et cum Sebastiano auctore quidam protinus eundum ad certamen urgerent, Victor nomine magister equitum, Sarmata sed cunctator et cautus, eadem sentientibus multis imperii socium exspeetari eensebat, ut incrementis exercitus Gallicani adscitis opprimeretur levius tumor barbaricus flammans. 7 Vicit tamen funesta principis destinatio et adulabilis quorundam sententia regiorum, qui, ne paene iam partae victoriae ut opinabantur consors fieret Gratianus, properari cursu celeri suadebant.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: J.C. Rolfe
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

1 In those same days Valens was troubled for two reasons: first, by the news that the Lentienses had been defeated; secondly, because Sebastianus wrote from time to time exaggerating his exploits. He therefore marched forth from Melanthias, being eager to do some glorious deed to equal his young nephew, whose valiant exploits consumed him with envy. He had under his command a force made up of varying elements, but one neither contemptible, nor unwarlike; for he had joined with them also a large number of veterans, among whom were other officers of high rank and Trajanus, shortly before a commander-in chief, whom he had recalled to active service. 2 And since it was learned from careful reconnoitring that the enemy were planning with strong guards to block the roads over which the necessary supplies were being brought, he tried competently to frustrate this attempt by quickly sending an infantry troop of bowmen and a squadron of cavalry, in order to secure the advantages of the narrow passes, which were near by. 3 During the next three days, when the barbarians, advancing at a slow pace and through unfrequented places, since they feared a sally, were •fifteen miles distant from the city, and were making for the station of Nice, through some mistake or other the emperor was assured by his skirmishers that all that part of the enemy’s horde which they had seen consisted of only ten p465 thousand men, and carried away by a kind of rash ardour, he determined to attack them at once. 4 Accordingly, advancing in square formation, he came to the vicinity of a suburb of Hadrianopolis, where he made a strong rampart of stakes, surrounded by a moat, and impatiently waited for Gratian; there he received Richomeres, general of the household troops, sent in advance by Gratian with a letter, in which he said that he himself also would soon be there. 5 Since the contents besought him to wait a while for the partner in his dangers, and not rashly to expose himself alone to serious perils, Valens called a council of various of his higher officers and considered what ought to be done. 6 And while some, influenced by Sebastianus, urged him to give battle at once, the man called Victor, a commander of cavalry, a Sarmatian by birth, but foresighted and careful, with the support of many others recommended that his imperial colleague be awaited, so that, strengthened by the addition of the Gallic army, he might the more easily crush the fiery over-confidence of the barbarians. 7 However, the fatal insistence of the emperor prevailed, supported by the flattering opinion of some of his courtiers, who urged him to make all haste in order that Gratian might not have a share in the victory which (as they represented) was already all but won.

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Autor_in: Nathalie Klinck
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Amm. 31,12,1-7

Leitfragen:

1) Was war die Ausgangslage der Auseinandersetzung?

2) Welche Gründe führt Ammian für die Niederlage an?

3) Was waren die Folgen der Niederlage?

Kommentar:

Der vorliegende Quellenausschnitt zeigt einen Auszug aus den Res Gestae des Ammianus Marcellinus (ca. 330-395 n. Chr.). Das Werk des römischen Historikers umfasst 31 Bücher, die wahrscheinlich einen Zeitraum vom Regierungsantritt Nervas (96 n. Chr.) bis zur Schlacht von Adrianopel (378 n. Chr.) behandelten. Überliefert sind allerdings nur die Beschreibungen der Jahre 353-378 n. Chr. – einige der beschriebenen Ereignisse hatte Ammian durch seine Zeit als Soldat unter Constantius II. somit selbst miterlebt. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei diesem Werk um die umfangreichste historiographische Schrift der Spätantike, die sich durchaus mit dem Werk des Tacitus vergleichen lassen kann. Inhaltlich handelt es sich um eine Mischung aus Kaiserbiographien und Reichsgeschichte. Um das stadtrömische Publikum anzusprechen, verfasste Ammian sein Werk auf Latein und nicht in seiner griechischen Muttersprache – er selbst kam aus Antiochia.

Der vorliegende Abschnitt behandelt den Zeitraum kurz vor der fatalen Entscheidung von Kaiser Valens, bei Adrianopel gegen die Goten zu ziehen. Die Ursache dieser militärischen Auseinandersetzung lässt sich grob auf die Migrationsbewegungen verschiedener germanischer Truppen in das Römische Reich zurückführen (oftmals auch als „Völkerwanderung“ bezeichnet). In diesem Kontext ersuchten auch die tervingischen Goten um Aufnahme in das Imperium, im Gegenzug waren sie bereit, Kriegsdienst für die Römer zu leisten. Dieses Anliegen wurde ihnen von römischer Seite aus gestattet, wohl auch in der Hoffnung, dadurch die eigene Armee zu stärken. Die Goten wurden aber ihrerseits stark von den Hunnen bedrängt. Dies führte dazu, dass neben den tervingischen Goten weitere Germanen die Donau überschritten und weite Teile Thrakiens – auch aufgrund einer allgemeinen Hungersnot – verwüsteten.

Nachdem die lokalen römischen Beamten die Situation nicht mehr unter Kontrolle bringen konnten, schickten sie nach Hilfe von kaiserlicher Seiter. Kaiser Valens hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch in Antiochia auf, schickte von dort aus zuerst einige Truppen und entschied sich daraufhin mit seinem eigenen Heer nach Thrakien zu kommen. Auch Gratian sicherte seine Hilfe zu und setzte sich mit seinem Heer von Westen aus ebenfalls in Richtung Thrakien in Bewegung.

Ammian beschreibt, dass Gratian in einem Brief Valens darum bittet, mit seinem Vorstoß noch zu warten, bis er einträfe. Allerdings entschied sich Valens am 9. August 378 in Erwartung eines leichten Sieges zu einem – in der Forschung oftmals als kopflos oder überstürzt charakterisierten – Vorstoß noch bevor die Hilfstruppen unter Gratian eingetroffen waren. Ammian nennt als möglichen Grund für dieses Handeln den Drang von Valens, einen ruhmriechen Sieg zu erringen, welchen er Gratian nicht gönnte. Dieser Drang nach einem militärischen Erfolg und eine falsche Einschätzung der ausgesendeten Späher werden von Ammian als Gründe für das Handeln von Valens angeführt. Zudem ließ sich der Kaiser, seiner Meinung nach, zu leicht von den „Schmeicheleien“ der ihn beratenden Höflinge beeinflussen, die sich für ein rasches Eingreifen aussprachen.

Im weiterführenden Abschnitt widmet Ammian den detaillierten Beschreibungen der militärischen Aktionen bei Adrianopel besondere Aufmerksamkeit, die sich wohl insbesondere auf seine eigene Erfahrung als Soldat zurückführen lässt. Nach einem äußerst blutigen Kampf erlitten die Römer eine verheerende Niederlage. Insgesamt fielen ca. zwei Drittel des römischen Heeres, darunter kamen auch Kaiser Valens nebst einer Vielzahl seiner Offiziere ums Leben.

Die Goten konnten erst vor den Toren Konstantinopels aufgehalten werden. Rom hatte durch diese Niederlage nicht nur einen Kaiser, sondern auch sein bewegliches kaiserliches Heer verloren, welches bis dahin als mobile Reserve an unterschiedlichen Fronten eingesetzt worden war. Dies führte dazu, dass immer mehr Kriegsverbände in das Imperium einfielen.

Nach dem Tod des Valens wurde im Jahr 379 Theodosius zum „Seniorkaiser“, zum Augustus erklärt. Er bemühte sich darum, die Situation durch einen Vertragsabschluss mit den terwingischen Goten zu lösen. Die Goten erhielten Land im römischen Thrakien und waren als foederati zur Waffenhilfe verpflichtet, allerdings waren sie ansonsten autark und handelten als halbautonome Einheiten innerhalb der römischen Armee – Theodosius schuf damit eine Art Präzedenzfall. Den Römern blieb nichts anderes übrig, als den einfallenden Germanenstämmen mehr Freiheiten zuzugestehen. Immer mehr germanische Truppen wurden in die römische Armee integriert, was zu einer Art „Barbarisierung“ des Militärs führte und prägend für diese Epoche werden sollte. Mit der in diesem Auszug beschriebenen katastrophalen Niederlage der römischen Armee gegen die Germanen bei Adrianopel beschließt Ammian sein Werk – vielleicht sogar in der Überzeugung, dass der Untergang des Römischen Reiches ebenfalls feststehe.

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Tetrarchie

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Tetrarchengruppe Venedig

Leitfragen:

1.) Was zeichnet die Tetrarchie als Herrschaftsform aus?

2.) Welche Charakteristika der Tetrarchie sollen mit der Statue herausgestellt werden?

3.) Welche Vorteile bot diese Herrschaftsform?

Kommentar:

Als Tetrarchie wird eine im Jahr 293 n.Chr. unter Kaiser Diocletian eingeführte Herrschaftsform bezeichnet, die den Principat ablöste. Der Begriff leitet sich vom griechischen τετραρχία ab und bedeutet so viel wie „Viererherrschaft“. Diese sah vor, dass vier Herrscher die Macht im Imperium Romanum unter sich aufteilten; zwei davon als Augusti („Seniorkaiser“) und zwei als Caesaren („Juniorkaiser“). Diocletian versuchte durch diese Umstrukturierung des Herrschaftssystems die innere und äußere Stabilität des Reiches wiederherzustellen. Das Imperium hatte während der sog. „Reichskrise des 3. Jahrhunderts“ immer wieder mit Unruhen und Aufständen zu kämpfen gehabt, die letztendlich auch zu diversen Usurpationen führten. Insbesondere zwischen 235 und 285 n.Chr. wurden mehrfach erfolgreiche Feldherren von ihren Soldaten zu Kaisern ausgerufen – Diocletian selbst setzte sich als letzter der sog. Soldatenkaiser durch. Allerdings war diese Zeit nicht nur innenpolitisch von Instabilität geprägt, auch an den Reichsgrenzen kam es zu Problemen. Die Germanen bedrohten das Imperium an Rhein und Donau und die Sassaniden von Osten her.

Das Konzept, welches hinter der Idee der Tetrarchie steckt, lässt sich besonders deutlich anhand der venezianischen Tetrarchengruppe festmachen. Diese Gruppe wurde im Jahr 1204 von Konstantinopel nach Venedig gebracht und befindet sich heute in der Basilica di San Marco, dem Markusdom. Es handelt sich um eine Darstellung von vier männlichen Figuren, die paarweise angeordnet sind. Die Figuren sind ca. 1,30 m hoch und als Vollrelief aus rötlichem Porphyr gearbeitet, lediglich die Rückseiten der Figuren gehen in die Wand oder Säule hinein. Die Paare zeigen jeweils zwei nahezu identisch dargestellte Männer, die einander mit einer Hand umarmen und mit der anderen ihr Schwert berühren. Alle vier zeichnen sich durch eine typisch römische Militärtracht aus; über der langen Tunika tragen sie einen Brustpanzer und das Paludamentum, den Militärmantel. Zudem tragen sie eine runde Kopfbedeckung und halboffene Schuhe, deren Riemen sich über dem Spann der Füße kreuzen.

Bei den dargestellten Männern handelt es sich um die Tetrarchen Diocletian, Maximianus, Constantius Chlorus und Galerius, die jeweils zusammen als ein Augustus und ein Caesar stehen. Eine genaue Unterscheidung der Kaiser anhand kleinerer Merkmale, wie den strengen Gesichtszügen des angeblichen Galerius, wird gelegentlich versucht, lässt sich allerdings nicht zufriedenstellend belegen.

Das System der Tetrarchie entwickelte sich nicht über Nacht. Im Jahr 285 ernannte Diocletian zuerst seinen Freund Maximianus mit dem Titel Caesar zum Mitregenten, der ihm allerdings formal untergeordnet war. Bereits ein Jahr später wurde Maximianus ebenfalls zum Augustus erhoben und 293 erfolgte die Ernennung zweier Caesaren: Constantius Chlorus und Galerius. Ab diesem Zeitpunkt teilte sich dieses Kollegium die Macht im Römischen Reich; Maximianus war für Westrom verantwortlich, abgesehen von den gallischen und britannischen Provinzen, für die Constantius Chlorus zuständig war. Die anderen beiden Regenten waren für den Ostteil des Reiches verantwortlich. Die gemeinsame Teilhabe an der Machtausübung im Reich wird im Relief auch durch die Abkehr von der individuellen Darstellung der persönlichen Physiognomie zu einer entindividualisierten Darstellung deutlich. Das Bildnis steht damit im starken Gegensatz zu den vorherigen Kaiserdarstellungen, wie der idealisierten Darstellung des Augustus, des ungeschminkt realistischen Portraits im Stile Vespasians oder der stark individualisierten Darstellung Caracallas. Damit steht das Bildnis gleichzeitig am Anfang einer fast vollständig entindividualisierten Darstellungsweise, die typisch für die Spätantike werden sollte.

Anders als das Relief der Kaiser es vermuten lassen würde, war die Hierarchie innerhalb dieses Kaisertums streng aufgeteilt. Dies wird auch in der Titulatur durch die Beinamen Iovius (für Jupiter) und Herculius (für Hercules) deutlich. Auch wenn z.B. Gesetzte offiziell von allen vier Kaisern erlassen wurden, wurde die Vorrangstellung von Diocletian während seiner gesamten Herrschaftszeit niemals angezweifelt. Die Verbindungen unter den Kaisern wurden – wie es in der römischen Politik gängig war – durch Heiraten besiegelt. Die Caesaren wurden zudem von den Augusti adoptiert. Die Nachfolgeregelung erfolgte damit nicht direkt dynastisch, sondern durch das Nachrücken der vorher ausgewählten Caesaren auf die Positionen der Augusti. Die Vorteile, die dieses Herrschaftssystem mit sich brachte, liegen auf der Hand: durch die beständige Loyalität großer Teile der Truppen, die allen vier Regenten zukam, konnte die Gefahr von Usurpation, die die Krise des 3. Jahrhunderts so stark geprägt hatte, vermindert werden. Andersherum stand ein potentieller Usurpator immer gleich drei weiteren Kontrahenten mit militärischem und politischem Rückhalt gegenüber, wenn er einen der amtierenden Machthaber umbrachte. Außerdem war beim Tode einer der Augusti der Nachfolgende Caesar bereits mit der Reichsführung vertraut.

Zudem konnten die Kaiser das Reich durch die Aufteilung der Herrschaftsgebiete flexibler verwalten. So war es einem Kaiser möglich, einem Aufstand innerhalb der Reichsgrenzen niederzuschlagen, während die anderen weiterhin die Außengrenzen sicherten. Damit brachte diese Form der Herrschaft dem Reich in erster Linie wieder Beständigkeit und Stabilität. Dies galt allerdings nicht für die Tetrarchie selbst. Bereits mit dem Rücktritt von Diocletian im Jahr 304 zerfiel das stark auf seine Person hin ausgerichtete System. Schließlich setzte sich mit der Ausrufung Konstantins zum Kaiser der in der römischen Gesellschaft tief verankerte dynastische Gedanke wieder durch. Die Eintracht der vier Kaiser, wie sie in der venezianischen Porphyrgruppe dargestellt wurde, blieb demnach in den Folgejahren nicht erhalten, aber es hielten sich viele der administrativen Neuerungen der Tetrarchen. Am wichtigsten war die Idee des Mehrkaisertums, die eine grundsätzliche Einteilung in ein Ost- und Weströmisches Reich zur Folge hatte, aber auch die Verkleinerungen der Provinzen und die Abwendung von Rom als Mittelpunkt des Reiches gehören zu diesen Veränderungen. Zudem wurde die militärische Verwaltung von der zivilen getrennt und stärker zentralisiert und bürokratisiert.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Diokletian, Konstantin und die konstantinische Dynastie“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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Mailänder Vereinbarung

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Laktanz
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Lact. mort. pers. 48 – Original

[1] Licinius vero accepta exercitus parte ac distributa traiecit exercitum in Bithyniam paucis post pugnam diebus et Nicomediam ingressus gratiam deo, cuius auxilio vicerat, retulit ac die Iduum Iuniarum Constantino atque ipso ter consulibus de resituenda ecclesia huius modi litteras ad praesidem datas proponi iussit:
[2] «Cum feliciter tam ego [quam] Constantinus Augustus quam etiam ego Licinius Augustus apud Mediolanum cinvenissemus atque universa quae ad commoda et securitatem publicam pertinerent, in tractatu haberemus, haec inter cetera quae videbamus pluribus hominibus profutura, vel in primis ordinanda esse credidimus, quibus divinitatis reverentia continebatur, ut daremus et Christianis et omnibus liberam potestatem sequendi religionem quam quisque voluisset, quod quicquid ‹est› divinitatis in sede caelesti. Nobis atque omnibus qui sub potestate nostra sunt constituti, placatum ac propitium possit existere. [3] Itaque hoc consilium salubri ac reticissi ma ratione ineundum esse credidimus, ut nulli omnino facultatem abnegendam putaremus, qui vel observationi Christianorum vel ei religioni mentem suam dederet quam ipse sibi aptissimam esse sentiret, ut possit nobis summa divinitas, cuius religioni liberis mentibus obsequimur, in omnibus solitum favorem suum benivolentiamque praestare. [4] Quare scire dicationem tuam convenit placuisse nobis, ut amotis omnibus omnino condicionibus quae prius scriptis ad officium tuum datis super Christianorum nomine ‹continebantur, et quae prorsus sinistra et a nostra clementia aliena esse› videbantur, ‹ea removeantur. Et› nunc libere ac simpliciter unus quisque eorum, qui eandem observandae religionis Christianorum gerunt voluntatem. Citra ullam inquietudinem ac molestiam sui id ipsum observare contendant. [5] Quae sollicitudini tuae plenissime significanda esse credidimus, quo scires nos liberam atque absolutam colendae religionis suae facultatem isdem Christianis dedisse. [6] Quod cum isdem a nobis indultum esse pervideas, intellegit dicatio tua etiam aliis religionis suae vel observantiae potestatem similiter apertam et liberam pro quiete temporis nostri ‹esse› concessam, ut in colendo quod quisque delegerit, habeat liberam facultatem. ‹Quod a nobis factum est. Ut neque cuiquam› honori neque cuiquam religioni ‹detrac tum› aliquid a nobis ‹videatur›. [7] Atque hoc insuper in persona Christianorum statuendum esse censuimus, quod, si eadem loca, ad quae antea convenire consuerant, de quibus etiam datis ad officium tuum litteris certa antehac forma fuerat comprehensa. Priore tempore aliqui vel a fisco nostro vel ab alio quocumque videntur esse mercati, eadem Christianis sine pecunia et sine ulla pretii petitione, postposita omni frustratione atque ambiguitate restituant; qui etiam dono fuerunt consecuti, eadem similiter isdem Christianis quantocius reddant, etiam vel hi qui emerunt vel qui dono fuerunt consecuti, si petiverint de nostra benivolentia aliquid, vicarium postulent, quo et ipsis per nostram clementiam consulatur. Quae omnia corpori Christianorum protinus per intercessionem tuam ac sine mora tradi oportebit. [9] Et quoniam idem Christiani non [in] ea loca tantum ad quae convenire consuerunt, sed alia etiam habuisse noscuntur ad ius corporis eorum id est ecclesiarum, non hominum singulorum, pertinentia, ea omnia lege quam superius comprehendimus, citra ullam prorsus ambiguitatem vel controversiam isdem Christianis id est corpori et conventiculis eorum reddi iubebis, supra dicta scilicet ratione servata, ut ii qui eadem sine pretio sicut diximus restituant, indemnitatem de nostra benivolentia sperent. [10] In quibus omni bus supra dicto corpori Christianorum intercessionem tuam efficacissimam exhibere debebis, ut praeceptum nostrum quantocius compleatur, quo etiam in hoc per clementiam nostram quieti publicae consulatur. [11] Hactenus fiet, ut, sicut superius comprehensum est, divinus iuxta nos favor, quem in tantis sumus rebus experti, per omne tempus prospere successibus nostris cum beatitudine publica perseveret. [12] Ut autem huius sanctionis ‹et› benivolentiae nostrae forma ad omnium possit pervenire notitiam, prolata programmate tuo haec scripta et ubique proponere et ad omnium scientiam te perferre conveniet, ut huius nostrae benivolentiae [nostrae] sanctio latere non possit.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Aloys Hartl
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Licinius verteilte den Teil des Heeres, der sich ihm ergeben hatte, unter seine Mannschaft, setzte dann mit dem Heere wenige Tage nach der Schlacht nach Bithynien über und hielt seinen Einzug in Nikomedien. Hier erstattete er Gott, durch dessen Beistand er gesiegt hatte, den schuldigen Dank und ließ am Tage der Iden des Juni (13. Juni 313) unter dem dritten Konsulate des Konstantin und Licinius folgendes Edikt an die Statthalter über die Wiederherstellung der Kirche öffentlich anschlagen:
„Nachdem wir, sowohl ich Konstantinus Augustus, als auch ich Licinius Augustus glücklich zu Mailand uns eingefunden hatten und alle Angelegenheiten der öffentlichen Wohlfahrt und Sicherheit in Beratung nahmen, so glaubten wir unter den übrigen Anordnungen, von denen wir uns Nutzen für die Gesamtheit versprachen, vor allem die Dinge ordnen zu müssen, auf denen die Verehrung der Gottheit beruht, und zwar in der Art, daß wir sowohl den Christen wie auch allen übrigen freie Befugnis gewährten, der Religion sich anzuschließen, die jeder sich wählen würde, auf daß alles, was von göttlicher Wesenheit auf himmlischem Sitze thront, uns und allen, die unter unserer Herrschaft stehen, gnädig und gewogen sein möge. Und so glaubten wir in heilsamer und vernünftiger Erwägung den Entschluß fassen zu müssen, durchaus keinem die Erlaubnis zu versagen, der entweder der Religionsübung der Christen oder jener Religion sich zuwenden wollte, die er für sich als die geeignetste erachtete, auf daß die höchste Gottheit, deren Verehrung wir aus freiem Herzen ergeben sind, uns in allem die gewohnte Huld und Gnade erweisen könne. Es mag daher deine Ergebenheit wissen, daß es uns gefallen hat, die Bestimmungen, die in den früheren Erlassen an deine Dienstbeflissenheit über den Namen der Christen enthalten waren und die als durchaus ungünstig und unserer Milde widersprechend erschienen, alle ohne Ausnahme aufzuheben, so daß jetzt frei und unbehindert jeder, der die Religion der Christen zu beobachten geneigt ist, ohne alle Beunruhigung und Belästigung dieser Beobachtung obliegen mag. Und dies glauben wir deiner Besorgtheit ausführlichst zur Kenntnis bringen zu sollen, damit du wissest, daß wir freie und unbeschränkte Ausübung ihrer Religion den nämlichen Christen gewährt haben. Und indem du deutlich ersiehst, daß wir dieses den Christen gestattet haben, so erkennt deine Ergebenheit, daß wir auch den übrigen eine ähnlich offene und uneingeschränkte Ermächtigung zur Ausübung ihrer Religion im Interesse der Ruhe unserer Zeit eingeräumt haben, so daß jeder in der Verehrung dessen, was er sich erwählt hat, ungehinderte Freiheit hat. Und dies ist von uns geschehen, damit keine Art von Gottesverehrung und keine Religion durch uns irgendwelchen Abbruch erfahre. Und überdies haben wir bezüglich der Gesamtheit der Christen folgendes zu bestimmen für gut befunden: Wer etwa solche Stätten, an denen die Christen früher zusammenzukommen pflegten — über welche auch in den früheren Schreiben an deine Dienstbeflissenheit besondere Anweisungen enthalten waren —, in früherer Zeit von unserem Schatze oder sonst von irgend jemand käuflich erworben hat, der muß dieselben ohne Kaufpreis und ohne irgendwelche Entschädigung mit Ausschluß aller Hintanhaltung und Umständlichkeit zurückerstatten. Und wer solche Stätten zum Geschenke erhalten hat, muß sie ebenfalls den nämlichen Christen in kürzester Bälde zurückgeben; und sowohl Käufer als Beschenkte mögen sich, wenn sie etwas von unserer Wohlgeneigtheit erhoffen, an unseren Stellvertreter wenden, damit auch für sie durch unsere Milde gesorgt werde. Und dies alles muß der Körperschaft der Christen durch deine Vermittlung unverweilt und unverzüglich übergeben werden. Und nachdem die nämlichen Christen nicht bloß die Stätten, an denen sie sich zum Gottesdienst zu versammeln pflegten, sondern auch noch anderes zum Eigentum hatten, das zum Recht ihrer Körperschaft, das heißt der Kirchen, nicht einzelner Menschen, gehörte, so wirst du all dieses nach dem Gesetz, das wir oben dargelegt haben, ohne jegliche Ausflucht und Widerrede denselben Christen, das heißt der Körperschaft und den Versammlungsstätten der Christen zurückgeben lassen unter Einhaltung der vorher erwähnten Rücksichtnahme, daß jene, welche dieselben ohne Entgelt zurückerstatten, Schadloshaltung von unserem Wohlwollen erwarten dürfen. In all diesen Dingen wirst du der erwähnten Körperschaft der Christen deine wirksamste Vermittlung angedeihen lassen, damit unsere Vorschrift je eher desto lieber zur Ausführung komme, auf daß auch hierin durch unsere Milde für die öffentliche Ruhe gesorgt werde. Auf diese Art wird es geschehen, daß, wie wir bereits oben angeführt haben, die göttliche Hulderweisung gegen uns, die wir in Dingen von höchster Wichtigkeit erfahren haben, für alle Zeit glücklich bei unseren Unternehmungen zur allgemeinen Glückseligkeit verbleibe. Damit aber der Wortlaut dieser unserer gnädigen Verordnung allen zur Kenntnis gelangen kann, so wirst du dieses Schreiben durch öffentlichen Anschlag überall bekannt machen und zur Wissenschaft aller gelangen lassen, damit die Anordnung unseres Wohlwollens niemand unbekannt bleiben kann.“

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Lact. mort. pers. 48

Leitfragen

1) Was war die politische Ausgangslage für das Edikt?

2) Um was für eine Textgattung handelt es sich?

3) Welche Veränderungen ergaben sich für das Christentum?

Kommentar:

Das sog. Edikt von Mailand (auch Toleranzedikt oder Mailänder Vereinbarung) wird oftmals als eines der Schlüsselereignisse für den Aufstieg des Christentums genannt. Hierbei handelt es sich um eine Vereinbarung, die im Jahr 313 n.Chr. zwischen dem weströmischen Kaiser Constantin (später Constantin der Große) und dem oströmischen Kaiser Licinius getroffen wurde und den Bewohnern des Römischen Reichs eine freie Religionsausübung zugestand. Damit stand das Edikt von Mailand am Ende einer Reihe konfliktreicher Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Rom. Die Tetrarchie, die Diocletian geschaffen hatte, war zerfallen und Constantin hatte alle seine Rivalen ausgeschaltet, zuletzt Maxentius, der von ihm 312 n.Chr. in der berühmten Schlacht an der Milvischen Brücke geschlagen wurde. Im Vorfeld zu dieser entscheidenden Schlacht soll Constantin auch die Vision gehabt haben, die besagte, dass er im Zeichen Gottes (caeleste signum dei) mit dem Chi-Rho – dem Christogramm – auf den Schilden siegen werde (Siehe: Kommentar zu Konstantins Vision bei Laktanz). Kaiser Constantin im Westen und Licinius im Osten teilten sich anfänglich die Macht, besiegelt durch die Verheiratung von Licinius mit der Schwester Constantins. In den Folgejahren kam es allerdings auch zwischen diesen beiden Herrschern zu Spannungen, die erst 324 in der Schlacht bei Adrianopel ihr Ende fanden und Constantin als Alleinherrscher über das Römische Reich zurückließen.
Die moderne Bezeichnung als „Edikt“ ist hierbei allerdings irreführend, denn es handelte sich bei dieser Absprache nicht um einen offiziellen Erlass und schon gar nicht um ein „Toleranz“-Edikt. Inhaltlich baut der Text des Edikts von Mailand auf dem Edikt von Galerius aus dem Jahre 311 auf, in dem das Christentum bereits zur religio licita – gleichberechtigten und anerkannten Religion – erklärt wurde. Galerius gewährte den Christen durch sein Edikt eine freie Ausübung ihres Glaubens – zumindest solange sie durch diese die öffentliche Ordnung nicht störten – und gestand damit gleichzeitig das offizielle Scheitern der Christenverfolgungen ein. Im Gegensatz dazu geht das Edikt von Mailand eher auf Gleichstellung und Wiedergutmachung ein. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Zurückerstattung von Grundbesitz an die Kirche, der während der Verfolgungen vielerorts privatisiert und verkauft worden war. Außerdem soll die Kirchengemeinschaft für die Schäden, die sie während der Verfolgungen zwischen 303 und 311 n.Chr. erlitten hatte, entschädigt werden. Durch diese Vereinbarung wird das Christentum also den übrigen Kulten auch rechtlich gleichgestellt.
Beide Edikte werden bei Laktanz, in seinem Werk de mortibus persecutorum – über die Todesarten der Christenverfolger überliefert, außerdem in der griechischen Übersetzung in der Kirchengeschichte des Eusebius. Der christliche Apologet Laktanz beschreibt in seinem Werk die Lebens- und vor allem Leidens- und Todesgeschichten von zehn römischen Kaisern, die sich während der Christenverfolgungen besonders hervorgetan hatten. Dabei muss bedacht werden, dass das Werk mit der Intention verfasst wurde, den Aufstieg des Christentums zu rechtfertigen, demnach ist es z.T. stark „propagandistisch“ gefärbt und die beschriebenen Herrschaftsjahre der Kaiser werden oftmals in einem denkbar schlechten Licht dargestellt.
Obwohl das Christentum durch das Edikt ungleich bessergestellt und rechtlich anerkannt wurde, im großen Umfang seinen Grundbesitz zurückerhielt und die präferierte Religion des Kaisers war, wurde es zu diesem Zeitpunkt keinesfalls Staatsreligion. Constantin favorisierte das Christentum stets, was sich durch seine rege Kirchenbautätigkeit oder die Einberufung des ersten Konzils in Nicäa zur Klärung von Schismen und innerkirchlichen Fragen nachweisen lässt. Zur Staatsreligion wurde das Christentum allerdings erst im Jahr 380 n.Chr. durch Kaiser Theodosius erhoben. Nichtsdestoweniger markiert das Edikt von Mailand ohne Frage den Beginn für den Aufstieg des Christentums auf seinem Weg zur Staatsreligion.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Die Entwicklung des Christentums“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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Severin und Odoaker

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Eugippius
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vita sancti severini 32 – Original:

Isdem temporibus Odovacar rex sancto Severino familiares litteras dirigens, si qua speranda duceret, dabat suppliciter optionem, memor illius praesagii, quo eum quondam expresserat regnaturum. Tantis itaque sanctus eius alloquiis invitatus, Ambrosium quemdam exulantem rogat absolvi. Cuius Odovacar gratulabundus paruit imperatis. Quodam etiam tempore, dum memoratum regem multi nobiles coram sancto viro humana, ut fieri solet, adulatione laudarent, interrogat, quem regem tantis praeconiis praetulissent. Respondentibus, „Odovacarem“, „Odovacar -inquit- integerinter tredecim et quattuordecim“ annos videlicet integri eius regni significans: et his dictis adiecit citius illos, quod ipse praedixerat, probaturos.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Roger Pearse
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

At about the same time King Odoacer addressed a friendly letter to Saint Severinus, and, mindful of that prophecy, by which of yore he had foretold that |87 he should become king, entreated him to choose whatsoever gift he might desire. In response to this august invitation, the saint asked that one Ambrose, who was living in exile, be pardoned. Odoacer joyfully obeyed his command.
Also, once when in the saint’s presence many nobles were praising Odoacer with the adulation usual among men, Severinus asked on what king they were conferring such great commendations. They replied, „Odoacer.“ „Odoacer,“ he said, „safe between thirteen and fourteen“; meaning of course the years of his unchallenged sovereignty: and he added that they should live to see the speedy fulfillment of his prophecy.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vita sancti severini 32

Leitfragen:

1) Welche Rolle spielt Severin?

2) Wie wird Odoaker beschrieben?

3) Welche Rolle spielt die Prophezeiung?

Kommentar:

Der Quellenausschnitt ist Teil der Bischofsvita des Heiligen Severin von Noricum, die von einem gewissen Eugippius (465-533 n. Chr.) verfasst worden ist. Die Vita Sancti Severini deckte in etwa einen Zeitraum vom Tode Attilas (453 n. Chr.) bis zum Tode Severins (482 n. Chr.) ab. Auch diese hagiographische Schrift wurde mit der Intention verfasst, das Leben und die beschriebenen Wundertaten des Heiligen zu überhöhen und damit als motivierendes Beispiel für die Gemeinde zu dienen.

Die um 511 n. Chr. verfasste Vita ist die Hauptquelle über das Leben des Heiligen. Severin selbst war ein spätantiker Heiliger und Missionar. Eine Zeit lang lebte er als Einsiedler und Mönch in der Wüste. Erst nach dem Tod des Hunnenkönigs Attila und in einer politisch schwierigen Situation begab er sich nach Ufernoricum, einer Provinz nördlich der Alpen. Der Mönch unterstützte die lokale Bevölkerung und versuchte diese vor den zunehmenden Überfällen der Germanen zu schützen und setzte sich auch sonst als Fürsprecher für sie ein. Allerdings hatte er wohl zu diesem Zeitpunkt kein offizielles Amt inne, sondern lebte als Anachoret, mehr oder weniger unabhängig vom öffentlichen Leben.

Der Ausschnitt beschreibt eine Szene zwischen dem weströmischen Offizier Odoaker (ca. 433-493 n. Chr.) und dem Heiligen Severin. Odoaker hatte bereits in seiner Jugend eine Prophezeiung von Severin erhalten, die besagte, dass er eines Tages König werden würde. Nachdem Odoaker tatsächlich nach der Absetzung von Romulus Augustulus 476 n. Chr. den barbarischen Titel rex Italiae annahm und sich als König von Rom bezeichnen konnte, wollte er sich bei Severin noch einmal für die Prophezeiung bedanken. Im Gegenzug forderte Severin einen Gefallen ein und bat den König darum, dass er einen gewissen Ambrosius – welcher nicht identisch mit Ambrosius von Mailand ist – begnadigen und ihn aus seiner Verbannung zurückzuholen sollte. Odoaker gestattete ihm diese Bitte und wurde darauf von der Bevölkerung für seine Milde gepriesen. Severin verweist allerdings auch auf die Fehlbarkeit Odoakers und sollte damit schließlich auch Recht behalten, denn der König wurde 493 n. Chr. in einem Kampf um die Macht von dem Ostgotenkönig Theoderich getötet. Besonders deutlich wird in dieser Szene zum einen der faktische Untergang des Weströmischen Reiches, welches nun unter der Herrschaft eines „barbarischen“ Königs stand, zum anderen nimmt der Heilige hier eine allen anderen übergeordnete Rolle ein; er wusste und weiß um das Schicksal des Königs und ist in der Lage, vor diesem wie vor anderen Herrschern Fürsprache für seine Gemeinde und seine Freunde vorzutragen.

Nach dem Tod Severins wurden die Gebeine des Heiligen zuerst in seinem Kloster beigesetzt und später im Rahmen einer Zwangsumsiedlung der Provinzialbevölkerung nach Italien gebracht. Im Auftrag von Odoaker 488 n. Chr. wurde der von Severin gegründete Konvent – mitsamt den Gebeinen des Heiligen – nach Italien übersetzt und in Neapel erneut beigesetzt. Seit 1807 liegen die Gebeine Severins in der Pfarrkirche von Frattamaggiore, ebenfalls in Neapel.

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Plünderung Roms durch die Vandalen

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Henry Bronson Dewing
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

And Gizeric, for no other reason than that he suspected that much money would come to him, set sail for Italy with a great fleet. And going up to Rome, since no one stood in his way, he took possession of the palace. Now while Maximus was trying to flee, the Romans threw stones at him and killed him, and they cut off his head and each of his other members and divided them among themselves. But Gizeric took Eudoxia captive, together with Eudocia and Placidia, the children of herself and Valentinian, and placing an exceedingly great amount of gold and other imperial treasure in his ships sailed to Carthage, having spared neither bronze nor anything else whatsoever in the palace. He plundered also the temple of Jupiter Capitolinus, and [4-9] tore off half of the roof. Now this roof was of bronze of the finest quality, and since gold was laid over it exceedingly thick, it shone as a magnificent and wonderful spectacle. But of the ships with Gizeric, one, which was bearing the statues, was lost, they say, but with all the others the Vandals reached port in the harbour of Carthage. Gizeric then married Eudocia to Honoric, the elder of his sons; but the other of the two women, being the wife of Olybrius, a most distinguished man in the Roman senate, he sent to Byzantium together with her mother, Eudoxia, at the request of the emperor. Now the power of the East had by now fallen to Leon, who had been set in this position by Aspar, since Marcian had already passed from the world.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Prok. BV. 3,5,1-7

Leitfragen:

1) Was war der Auslöser für den Überfall auf Rom?

2) Wie wird der Überfall auf Rom beschrieben?

3) Welche Ziele verfolgte Geiserich damit?

Kommentar:

Der vorliegende Quellenausschnitt beschreibt Geiserichs „sacco di Roma“ – die Eroberung Roms durch den Vandalenkönig im Jahr 455 n. Chr. Der Verfasser Prokop von Caesarea (ca. 500-562 n. Chr.) stammte aus Caesarea Maritima und nahm selbst an einigen Feldzügen unter dem Kommando des oströmischen Feldherrn Belisar teil. Der spätantike Historiker, dessen literarischer Höhepunkt sich in die Mitte des 6. Jahrhunderts auf die Herrschaftszeit Kaiser Justinians datieren lässt, beschreibt in seinen Historien die Kriegs- bzw. Militärgeschichte Roms. Seine „Kriegsgeschichten“ umfassen acht Bücher. In den ersten beiden Büchern werden die Auseinandersetzungen im persischen Gebiet mit den Sassaniden beschrieben. Die Bücher drei und vier behandeln die Kämpfe mit den Vandalen in Nordafrika und die Bücher fünf bis sieben die Kriege gegen die Ostgoten in Oberitalien. Das achte Buch ist eine Zusammenschau verschiedener Kriege an unterschiedlichen Schauplätzen.

Geiserichs Angriff auf Rom kam für die Bewohner überraschend, es wurde kaum Wiederstand geleistet, die Vandalen konnten nach vierzehn Tagen mit reicher Beute und bedeutenden Geiseln nach Karthago zurückkehren. Wie aber kam es zu diesem Überfall auf die ewige Stadt? Um die Mitte des 5. Jahrhunderts kann die politische Ausgangslage für die Vandalen durchaus als positiv beschrieben werden. Nach dem zweiten römisch-vandalischen Friedenschluss zeigten sich die Vandalen als zuverlässige Bündnispartner Ravennas. Sie lieferten Getreide und ließen auf Bitten des Kaisers sogar wieder einen katholischen Bischof in der karthagischen Gemeinde einsetzen. Dies änderte sich allerdings rapide mit dem Tod Kaiser Valentinians III. und des Heermeisters Aetius. Durch das Ableben seiner Bündnispartner sah Geiserich die vorher geschlossenen Vertragsbindungen als nichtig an. Dabei ist das personalisierte Verständnis von Verträgen zwar auch an anderen Stellen überliefert, dennoch stellte in diesem Fall der Tod des Vertragspartners keine hinreichende Begründung für den Angriff auf Rom dar. Der eigentliche Auslöser lag wohl in der kaiserlichen Nachfolge durch Petronius Maximus. Dieser ehelichte die Kaiserwitwe Licina Eudoxia, um seinen dauerhaften Machtanspruch zu legitimieren.

Geiserich sah sich aller Wahrscheinlichkeit in der Klärung der Nachfolgefrage übergangen, denn die kaiserliche Tochter Eudoxia sollte mit seinem Sohn Hunerich verheiratet werden, was – zumindest in den Augen Geiserichs – Hunerich ebenfalls einen Anspruch auf die kaiserliche Nachfolge gegeben hätte. Er wollte seine bzw. die Rolle der Vandalen in dem politischen Machtkonstrukt deutlich machen und mit allen Mitteln verhindern, dass an ihm vorbei Politik betrieben wurde. In erster Linie zielte er damit darauf ab, dass Personen, wie der Heermeister Avitus, das politische Vakuum nicht ausnutzten konnten, um sich selbst als Kaiser ausrufen zu lassen, denn auch die Westgoten in Gallien akzeptierten Petronius Maximus nicht als neuen Kaiser. Geiserich nutzte das Überraschungsmoment, das vor allem durch den fehlenden militärischen Rückhalt von Petronius Maximus zustande kam, und nahm die Stadt quasi ohne Wiederstand ein – es kam zu einer Übereinkunft, dass die Vandalen ohne Wiederstand eingelassen wurden und sich nehmen konnten, was sie wollten, im Gegenzug sollte es keine Angriffe auf die Bevölkerung und keine Zerstörungen von Gebäuden geben – ironischer Weise prägte dieser Einfall den Begriff des „Vandalismus“, dabei handelte es sich um das genaue Gegenteil. Auch Prokop beschreibt keine größeren Verwüstungen, allerdings spricht er davon, dass die Vandalen eine große Menge an Gold und Kunstschätzen erbeuteten, darunter sogar die vergoldeten Ziegel des Tempels von Jupiter Capitolinus.

In erster Linie wollte Geiserich allerdings sicherstellen, dass die „Kaiserfrage“ im Westreich offenblieb bzw. dass er zumindest in die Entscheidung einbezogen wurde. Aus diesem Grund nahm er die Kaiserwitwe Licinia Eudoxia als Geisel sowie ihre beiden Töchter Eudocia und Placidia. Erst im Jahr 462, nachdem Eudocia mit seinem Sohn Hunerich verheiratet worden war und damit – zumindest nominell – auch von seiner Seite ein Herrschaftsanspruch bestand, ließ er sie wieder frei. Geiserich nutzte nicht nur die nordafrikanischen Ressourcen, um Rom wirtschaftlich unter Druck zu setzen – z.B. durch das Einstellen der Getreidelieferungen an die Hauptstadt, vielmehr nutzte er geschickt das dynastische Denken der Römer (welches wohl grundsätzlich auch dem vandalischen entsprochen haben wird) für sich und die Durchsetzung seiner Anliegen und machte sich und seine Vandalen zu einem unentbehrlichem Teil im Spiel um die Macht Roms.

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