Gschnitzer, F., Griechische Sozialgeschichte. Von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Stuttgart: Steiner 22013, 150-208.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Josephine Jung
Lizenz: CC-BY-NC-SA
1) Gschnitzer legt zu Beginn des Textes die theoretische Grundlage seiner Untersuchung. Die klassische athenische Gesellschaft sei in Stände aufgeteilt (Textseite 151). Er beschreibt den Stand der Sklaven (Textseiten 153-156), den der Fremden (Textseiten 156-161) und den der Bürgerschaft (Textseiten 161-163). Erläutern Sie in je zwei Sätzen, deren kennzeichnende Merkmale.
2) Ein Großteil der Ausführungen bezieht sich auf den Faktor Wirtschaft. Nennen Sie die zwei großen wirtschaftlichen Betätigungsfelder im klassischen Athen (Textseiten 161-163) und beschreiben Sie diese in wenigen Worten.
3) Die wirtschaftliche Tätigkeit eines Bewohners von Athen war nicht direkt durch seinen Stand rechtlich vorgeschrieben. Das bedeutete, die Tätigkeiten konnten von allen Ständen ausgeführt werden (Textseiten 163-172). Erläutern Sie konkret an einem Beispiel die Überschneidung, die Ihnen persönlich besonders aufgefallen ist und erklären Sie warum.
4) Zwar ist die Tätigkeit eines freien griechischen Mannes eben nicht per Gesetz vorgeschrieben, aber es herrschte eine moralische Idealvorstellung. Welche nennt Gschnitzer und warum war sie seiner Meinung nach nicht nur ein Ideal, sondern zum Großteil auch Realität (Textseiten 172-178)?
5) Gschnitzer definiert auf der letzten Seite (Textseite 208) nur kurz den Begriff „athenische Demokratie“. Was versteht er Ihrer Meinung nach unter dem Phänomen und inwieweit steht seine Definition in Verbindung zum „System der Stände“ (u.a. Textseite 151) und den jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten der Bewohner Athens?
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Autor_in: Josephine Jung
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Forschungstradition des Autors
Prof. em. Dr. Fritz Gschnitzer († 27. Nov 2008) lehrte an der Universität Heidelberg das Fach Alte Geschichte. Er forschte vor allem zur griechischen Geschichte. Sein Fokus lag u.a. auf der mykenischen Schriftkunde, sogenannte Linear B-Schrift, auf den griechischen Inschriften sowie auf griechischen Staatsverträgen. Er sah den wichtigen Ursprung des antiken Griechenlands in der mykenischen Frühgeschichte, welche er auch in seiner Monographie zur Sozialgeschichte weitreichend erörtert.
Zur Monographie
Mit der 1981 erschienenen Monographie betrat Gschnitzer in der Forschung Neuland. Er nutzte den damals aktuellen soziologischen Zugang basierend auf der Theorie einer Ständegesellschaft bestehend aus Sklaven, Fremden und freien Bürgern. Heute wird die antike Sozialgeschichte von zahlreichen zusätzlichen Perspektiven aus den Sozialwissenschaften ergänzt. Altertumswissenschaft und Soziologie befruchten sich folglich immer noch. Gefragt wird heute nach Aspekten von Geschlecht, Emotionen, Sexualität, Gewalt oder Ritualen. Hervorzuheben ist, dass sein Zugang zur Sozialgeschichte vor allem auch durch eine politische und wirtschaftliche Perspektive geprägt ist. Das Werk ist im Jahr 2013 in einer zweiten, nahezu unveränderten Auflage, die auch hier verwendet wurde, mit einer ergänzenden Bibliographie erschienen. Es ist noch immer ein Standardwerk.
Erläuterung missverständlicher, schwieriger und wichtiger Stellen für das Textverständnis
Zu Anfang seiner Ausführungen weist Gschnitzer inhaltlich auf vorherige Kapitel hin. Das vorliegende Kapitel ist das letzte in der Monographie. Er spricht zu Beginn von einer hohen Anzahl an unfreien Bauern, welche von Solon, einem großen Reformer, befreit wurden (Textseiten 150-151). Er beschreibt damit den Schuldenerlass, die sogenannte Seisachtheia. Athenische freie Bürger hatten sich selbst und ihr Land in letzter Instanz aufgrund sehr hoher Schulden in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Gläubiger begeben, um ihre Schulden zu tilgen. Dies war jedoch zumeist aufgrund der Höhe der Schulden nicht möglich. Sie verblieben daher in dieser Schuldknechtschaft. Solon beendete diese Praxis per Gesetz.
Grundsätzlich sollte im Hinblick auf die gesamte Darstellung betont werden, dass Athen als klassischer Stadtstaat in der Forschung vielfach im Vordergrund steht. Auch wenn Gschnitzer beständig auf andere Stadtstaaten wie Theben und natürlich Sparta verweist, so bleibt Athen immer der Hauptbezugspunkt, da Athen für den Historiker die Polis mit der besten Quellenlage ist.
Weiterhin ergänzt Gschnitzer sein Stände-Modell durch antik-griechische soziale Ordnungsprinzipien der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Einkommens (Textseiten 161-163). Bezüglich der wirtschaftlichen Tätigkeit werden Handwerk und landwirtschaftliche Tätigkeiten im weitesten Sinne unterschieden. Das Ordnungsprinzip Einkommen wird nicht direkt in Geldwert gemessen, sondern an der Verfügungsgewalt über Grund und Boden. Nicht der wohlhabende freie Bürger, war auch der angesehene und reiche Bürger. Reich war der „Besitzende“, der freie Eigentümer eines Stücks Land, welches er selbst bewirtschaften konnte. Die „Besitzlosen“ waren hingegen arm, völlig unabhängig von der Höhe ihres Einkommens.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass nicht der vermeintlich gut begüterte Bürger als Handwerker oder Händler reich war, er war ein πένης (penes), ein Mann, der für sein tägliches Auskommen arbeiten musste. Der mit vergleichsweise niedrigem Einkommen lebende freie Bauer mit seinem kleinen Stück Land war hingegen πλούσιος (ploúsios) – reich. Dass diese Darstellung nicht immer mit einem weitreichenden politischen Einfluss deckungsgleich war, betont Gschnitzer (Textseiten 163-178).
Deutlich tritt bei Gschnitzer eine Fragestellung hervor, die Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung und der damit einhergehenden Verarmung großer Bevölkerungsteile erstmals gestellt wurde. Er stellt fest, dass die Schere zwischen Arm und Reich im 4. Jahrhundert immer weiter aufging und er fragt, warum die Demokratie als Staatsform des Stadtstaates Athen diese Entwicklung nicht verhindern konnte. Er spricht von einem nicht eingesetzten Nivellierungsprozess (Textseiten 179-180). Er meint damit, dass die athenische Demokratie als System der gleichberechtigten Partizipation an der politischen Willensbildung selbst Vermögensunterschiede hätte ausgleichen sollen.
Diese moderne Fragestellung ist selbstverständlich an Gschnitzers Zeithorizont gebunden. Diese Forschungsperspektive ist jedoch nicht mit den Anforderungen der Athener an ihr eigenes politisches System gleichzusetzen. Gschnitzer hebt am Ende seiner Ausführungen selbst deutlich hervor, dass den Athenern die Idee einer finanziell egalitären Demokratie fremd war. Es sind uns keine geplanten Änderungen der ökonomischen und sozialen Strukturen bekannt. Zwar stand es jedem Bürger frei, unabhängig von seinem Vermögen jedes politische Amt bekleiden zu können, jedoch waren die höheren Ämter meist von den Vermögenden und Gebildeten besetzt. Nur sie waren zu diesen Ämtern auch befähigt und in der finanziellen Lage, diese Ämter, zumeist Ehrenämter, zu übernehmen (Textseiten 170, 179-187).