Severin und Odoaker

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Eugippius
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vita sancti severini 32 – Original:

Isdem temporibus Odovacar rex sancto Severino familiares litteras dirigens, si qua speranda duceret, dabat suppliciter optionem, memor illius praesagii, quo eum quondam expresserat regnaturum. Tantis itaque sanctus eius alloquiis invitatus, Ambrosium quemdam exulantem rogat absolvi. Cuius Odovacar gratulabundus paruit imperatis. Quodam etiam tempore, dum memoratum regem multi nobiles coram sancto viro humana, ut fieri solet, adulatione laudarent, interrogat, quem regem tantis praeconiis praetulissent. Respondentibus, „Odovacarem“, „Odovacar -inquit- integerinter tredecim et quattuordecim“ annos videlicet integri eius regni significans: et his dictis adiecit citius illos, quod ipse praedixerat, probaturos.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Roger Pearse
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

At about the same time King Odoacer addressed a friendly letter to Saint Severinus, and, mindful of that prophecy, by which of yore he had foretold that |87 he should become king, entreated him to choose whatsoever gift he might desire. In response to this august invitation, the saint asked that one Ambrose, who was living in exile, be pardoned. Odoacer joyfully obeyed his command.
Also, once when in the saint’s presence many nobles were praising Odoacer with the adulation usual among men, Severinus asked on what king they were conferring such great commendations. They replied, „Odoacer.“ „Odoacer,“ he said, „safe between thirteen and fourteen“; meaning of course the years of his unchallenged sovereignty: and he added that they should live to see the speedy fulfillment of his prophecy.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Vita sancti severini 32

Leitfragen:

1) Welche Rolle spielt Severin?

2) Wie wird Odoaker beschrieben?

3) Welche Rolle spielt die Prophezeiung?

Kommentar:

Der Quellenausschnitt ist Teil der Bischofsvita des Heiligen Severin von Noricum, die von einem gewissen Eugippius (465-533 n. Chr.) verfasst worden ist. Die Vita Sancti Severini deckte in etwa einen Zeitraum vom Tode Attilas (453 n. Chr.) bis zum Tode Severins (482 n. Chr.) ab. Auch diese hagiographische Schrift wurde mit der Intention verfasst, das Leben und die beschriebenen Wundertaten des Heiligen zu überhöhen und damit als motivierendes Beispiel für die Gemeinde zu dienen.

Die um 511 n. Chr. verfasste Vita ist die Hauptquelle über das Leben des Heiligen. Severin selbst war ein spätantiker Heiliger und Missionar. Eine Zeit lang lebte er als Einsiedler und Mönch in der Wüste. Erst nach dem Tod des Hunnenkönigs Attila und in einer politisch schwierigen Situation begab er sich nach Ufernoricum, einer Provinz nördlich der Alpen. Der Mönch unterstützte die lokale Bevölkerung und versuchte diese vor den zunehmenden Überfällen der Germanen zu schützen und setzte sich auch sonst als Fürsprecher für sie ein. Allerdings hatte er wohl zu diesem Zeitpunkt kein offizielles Amt inne, sondern lebte als Anachoret, mehr oder weniger unabhängig vom öffentlichen Leben.

Der Ausschnitt beschreibt eine Szene zwischen dem weströmischen Offizier Odoaker (ca. 433-493 n. Chr.) und dem Heiligen Severin. Odoaker hatte bereits in seiner Jugend eine Prophezeiung von Severin erhalten, die besagte, dass er eines Tages König werden würde. Nachdem Odoaker tatsächlich nach der Absetzung von Romulus Augustulus 476 n. Chr. den barbarischen Titel rex Italiae annahm und sich als König von Rom bezeichnen konnte, wollte er sich bei Severin noch einmal für die Prophezeiung bedanken. Im Gegenzug forderte Severin einen Gefallen ein und bat den König darum, dass er einen gewissen Ambrosius – welcher nicht identisch mit Ambrosius von Mailand ist – begnadigen und ihn aus seiner Verbannung zurückzuholen sollte. Odoaker gestattete ihm diese Bitte und wurde darauf von der Bevölkerung für seine Milde gepriesen. Severin verweist allerdings auch auf die Fehlbarkeit Odoakers und sollte damit schließlich auch Recht behalten, denn der König wurde 493 n. Chr. in einem Kampf um die Macht von dem Ostgotenkönig Theoderich getötet. Besonders deutlich wird in dieser Szene zum einen der faktische Untergang des Weströmischen Reiches, welches nun unter der Herrschaft eines „barbarischen“ Königs stand, zum anderen nimmt der Heilige hier eine allen anderen übergeordnete Rolle ein; er wusste und weiß um das Schicksal des Königs und ist in der Lage, vor diesem wie vor anderen Herrschern Fürsprache für seine Gemeinde und seine Freunde vorzutragen.

Nach dem Tod Severins wurden die Gebeine des Heiligen zuerst in seinem Kloster beigesetzt und später im Rahmen einer Zwangsumsiedlung der Provinzialbevölkerung nach Italien gebracht. Im Auftrag von Odoaker 488 n. Chr. wurde der von Severin gegründete Konvent – mitsamt den Gebeinen des Heiligen – nach Italien übersetzt und in Neapel erneut beigesetzt. Seit 1807 liegen die Gebeine Severins in der Pfarrkirche von Frattamaggiore, ebenfalls in Neapel.

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Podcast-Hinweise
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Plünderung Roms durch die Vandalen

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Henry Bronson Dewing
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

And Gizeric, for no other reason than that he suspected that much money would come to him, set sail for Italy with a great fleet. And going up to Rome, since no one stood in his way, he took possession of the palace. Now while Maximus was trying to flee, the Romans threw stones at him and killed him, and they cut off his head and each of his other members and divided them among themselves. But Gizeric took Eudoxia captive, together with Eudocia and Placidia, the children of herself and Valentinian, and placing an exceedingly great amount of gold and other imperial treasure in his ships sailed to Carthage, having spared neither bronze nor anything else whatsoever in the palace. He plundered also the temple of Jupiter Capitolinus, and [4-9] tore off half of the roof. Now this roof was of bronze of the finest quality, and since gold was laid over it exceedingly thick, it shone as a magnificent and wonderful spectacle. But of the ships with Gizeric, one, which was bearing the statues, was lost, they say, but with all the others the Vandals reached port in the harbour of Carthage. Gizeric then married Eudocia to Honoric, the elder of his sons; but the other of the two women, being the wife of Olybrius, a most distinguished man in the Roman senate, he sent to Byzantium together with her mother, Eudoxia, at the request of the emperor. Now the power of the East had by now fallen to Leon, who had been set in this position by Aspar, since Marcian had already passed from the world.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Nathalie Klinck
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Prok. BV. 3,5,1-7

Leitfragen:

1) Was war der Auslöser für den Überfall auf Rom?

2) Wie wird der Überfall auf Rom beschrieben?

3) Welche Ziele verfolgte Geiserich damit?

Kommentar:

Der vorliegende Quellenausschnitt beschreibt Geiserichs „sacco di Roma“ – die Eroberung Roms durch den Vandalenkönig im Jahr 455 n. Chr. Der Verfasser Prokop von Caesarea (ca. 500-562 n. Chr.) stammte aus Caesarea Maritima und nahm selbst an einigen Feldzügen unter dem Kommando des oströmischen Feldherrn Belisar teil. Der spätantike Historiker, dessen literarischer Höhepunkt sich in die Mitte des 6. Jahrhunderts auf die Herrschaftszeit Kaiser Justinians datieren lässt, beschreibt in seinen Historien die Kriegs- bzw. Militärgeschichte Roms. Seine „Kriegsgeschichten“ umfassen acht Bücher. In den ersten beiden Büchern werden die Auseinandersetzungen im persischen Gebiet mit den Sassaniden beschrieben. Die Bücher drei und vier behandeln die Kämpfe mit den Vandalen in Nordafrika und die Bücher fünf bis sieben die Kriege gegen die Ostgoten in Oberitalien. Das achte Buch ist eine Zusammenschau verschiedener Kriege an unterschiedlichen Schauplätzen.

Geiserichs Angriff auf Rom kam für die Bewohner überraschend, es wurde kaum Wiederstand geleistet, die Vandalen konnten nach vierzehn Tagen mit reicher Beute und bedeutenden Geiseln nach Karthago zurückkehren. Wie aber kam es zu diesem Überfall auf die ewige Stadt? Um die Mitte des 5. Jahrhunderts kann die politische Ausgangslage für die Vandalen durchaus als positiv beschrieben werden. Nach dem zweiten römisch-vandalischen Friedenschluss zeigten sich die Vandalen als zuverlässige Bündnispartner Ravennas. Sie lieferten Getreide und ließen auf Bitten des Kaisers sogar wieder einen katholischen Bischof in der karthagischen Gemeinde einsetzen. Dies änderte sich allerdings rapide mit dem Tod Kaiser Valentinians III. und des Heermeisters Aetius. Durch das Ableben seiner Bündnispartner sah Geiserich die vorher geschlossenen Vertragsbindungen als nichtig an. Dabei ist das personalisierte Verständnis von Verträgen zwar auch an anderen Stellen überliefert, dennoch stellte in diesem Fall der Tod des Vertragspartners keine hinreichende Begründung für den Angriff auf Rom dar. Der eigentliche Auslöser lag wohl in der kaiserlichen Nachfolge durch Petronius Maximus. Dieser ehelichte die Kaiserwitwe Licina Eudoxia, um seinen dauerhaften Machtanspruch zu legitimieren.

Geiserich sah sich aller Wahrscheinlichkeit in der Klärung der Nachfolgefrage übergangen, denn die kaiserliche Tochter Eudoxia sollte mit seinem Sohn Hunerich verheiratet werden, was – zumindest in den Augen Geiserichs – Hunerich ebenfalls einen Anspruch auf die kaiserliche Nachfolge gegeben hätte. Er wollte seine bzw. die Rolle der Vandalen in dem politischen Machtkonstrukt deutlich machen und mit allen Mitteln verhindern, dass an ihm vorbei Politik betrieben wurde. In erster Linie zielte er damit darauf ab, dass Personen, wie der Heermeister Avitus, das politische Vakuum nicht ausnutzten konnten, um sich selbst als Kaiser ausrufen zu lassen, denn auch die Westgoten in Gallien akzeptierten Petronius Maximus nicht als neuen Kaiser. Geiserich nutzte das Überraschungsmoment, das vor allem durch den fehlenden militärischen Rückhalt von Petronius Maximus zustande kam, und nahm die Stadt quasi ohne Wiederstand ein – es kam zu einer Übereinkunft, dass die Vandalen ohne Wiederstand eingelassen wurden und sich nehmen konnten, was sie wollten, im Gegenzug sollte es keine Angriffe auf die Bevölkerung und keine Zerstörungen von Gebäuden geben – ironischer Weise prägte dieser Einfall den Begriff des „Vandalismus“, dabei handelte es sich um das genaue Gegenteil. Auch Prokop beschreibt keine größeren Verwüstungen, allerdings spricht er davon, dass die Vandalen eine große Menge an Gold und Kunstschätzen erbeuteten, darunter sogar die vergoldeten Ziegel des Tempels von Jupiter Capitolinus.

In erster Linie wollte Geiserich allerdings sicherstellen, dass die „Kaiserfrage“ im Westreich offenblieb bzw. dass er zumindest in die Entscheidung einbezogen wurde. Aus diesem Grund nahm er die Kaiserwitwe Licinia Eudoxia als Geisel sowie ihre beiden Töchter Eudocia und Placidia. Erst im Jahr 462, nachdem Eudocia mit seinem Sohn Hunerich verheiratet worden war und damit – zumindest nominell – auch von seiner Seite ein Herrschaftsanspruch bestand, ließ er sie wieder frei. Geiserich nutzte nicht nur die nordafrikanischen Ressourcen, um Rom wirtschaftlich unter Druck zu setzen – z.B. durch das Einstellen der Getreidelieferungen an die Hauptstadt, vielmehr nutzte er geschickt das dynastische Denken der Römer (welches wohl grundsätzlich auch dem vandalischen entsprochen haben wird) für sich und die Durchsetzung seiner Anliegen und machte sich und seine Vandalen zu einem unentbehrlichem Teil im Spiel um die Macht Roms.

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Kimon überführt die Gebeinde des Theseus

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Plutarch
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Plut. Kim. 8.3-6 – Original:

[3] ὤικισαν δὲ καὶ Σκῦρον ἑλόντος Κίμωνος ἐξ αἰτίας τοιαύτης. Δόλοπες ᾤκουν τὴν νῆσον, ἐργάται κακοὶ γῆς: ληϊζόμενοι δὲ τὴν θάλασσαν ἐκ παλαιοῦ, τελευτῶντες οὐδὲ τῶν εἰσπλεόντων παρ᾽ αὐτοὺς καὶ χρωμένων ἀπείχοντο ξένων, ἀλλὰ Θετταλούς τινας ἐμπόρους περὶ τὸ Κτήσιον ὁρμισαμένους συλήσαντες εἷρξαν. [4] ἐπεὶ δὲ διαδράντες ἐκ τῶν δεσμῶν οἱ ἄνθρωποι δίκην κατεδικάσαντο τῆς πόλεως Ἀμφικτυονικήν, οὐ βουλομένων τὰ χρήματα τῶν πολλῶν συνεκτίνειν, ἀλλὰ τοὺς ἔχοντας καὶ διηρπακότας ἀποδοῦναι κελευόντων, δείσαντες ἐκεῖνοι πέμπουσι γράμματα πρὸς Κίμωνα, κελεύοντες ἥκειν μετὰ τῶν νεῶν ληψόμενον τὴν πόλιν ὑπ᾽ αὐτῶν ἐνδιδομένην. [5] παραλαβὼν δ᾽ οὕτω τὴν νῆσον ὁ Κίμων τοὺς μὲν Δόλοπας ἐξήλασε καὶ τὸν Αἰγαῖον ἠλευθέρωσε, πυνθανόμενος δὲ τὸν παλαιὸν Θησέα τὸν Αἰγέως φυγόντα μὲν ἐξ Ἀθηνῶν εἰς Σκῦρον, αὐτοῦ δ᾽ ἀποθανόντα δόλῳ διὰ φόβον ὑπὸ Λυκομήδους τοῦ βασιλέως, [6] ἐσπούδασε τὸν τάφον ἀνευρεῖν. καὶ γὰρ ἦν χρησμὸς Ἀθηναίοις τὰ Θησέως λείψανα κελεύων ἀνακομίζειν εἰς ἄστυ καὶ τιμᾶν ὡς ἥρωα πρεπόντως, ἀλλ᾽ ἠγνόουν ὅπου κεῖται, Σκυρίων οὐχ ὁμολογούντων οὐδ᾽ ἐώντων ἀναζητεῖν. τότε δὴ πολλῇ φιλοτιμίᾳ τοῦ σηκοῦ μόγις ἐξευρεθέντος, ἐνθέμενος ὁ Κίμων εἰς τὴν αὑτοῦ τριήρη τὰ ὀστᾶ καὶ τἆλλα κοσμήσας μεγαλοπρεπῶς κατήγαγεν εἰς τὴν αὐτοῦ δι᾽ ἐτῶν σχεδὸν τετρακοσίων. ἐφ᾽ ᾧ καὶ μάλιστα πρὸς αὐτὸν ἡδέως ὁ δῆμος ἔσχεν.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Bernadotte Perrin
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

[3] They settled Scyros too, which Cimon seized for the following reason. Dolopians were living on the island, but they were poor tillers of the soil. So they practised piracy on the high sea from of old, and finally did not withhold their hands even from those who put into their ports and had dealings with them, but robbed some Thessalian merchants who had cast anchor at Ctesium, and threw them into prison. [4] When these men had escaped from bondage and won their suit against the city at the Amphictyonic assembly, the people of Scyros were not willing to make restitution, but called on those who actually held the plunder to give it back. The robbers, in terror, sent a letter to Cimon, urging him to come with his fleet to seize the city, and they would give it up to him. [5] In this manner Cimon got possession of the island, drove out the Dolopians and made the Aegean a free sea. On learning that the ancient Theseus, son of Aegeus, had fled in exile from Athens to Scyros, but had been treacherously put to death there, through fear, by Lycomedes the king, Cimon eagerly sought to discover his grave. [6] For the Athenians had once received an oracle bidding them bring back the bones of Theseus to the city and honor him as became a hero, but they knew not where he lay buried, since the Scyrians would not admit the truth of the story, nor permit any search to be made. Now, however, Cimon set to work with great ardour, discovered at last the hallowed spot, had the bones bestowed in his own trireme, and with general pomp and show brought them back to the hero’s own country after an absence of about four hundred years. This was the chief reason why the people took kindly to him.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plut. Kim. 8.3-6

Leitfragen:

1) Wovon handelt die Quellenstelle?

2) Welches Interesse hatte Kimon an der Rückführung der Gebeine?

3) Welche Bedeutung hatten die Rückführung der Gebeine für Athen?

Kommentar:

Die vorliegende Quellenstelle ist ein Auszug aus der Kimon-Vita des Plutarch (um 50 bis 120 n. Chr.). Plutarch schildert hier die Überführung der „Gebeine“ des Theseus, des mythischen Königs und Staatsheros der Athener, von der Insel Skyros nach Athen durch den athenischen Politiker Kimon. In der Quelle heißt es, dass die Doloper, die die Insel Sykros bewohnten, das Land schlecht bewirtschafteten und Seeräuberei betrieben. Zudem überfielen sie thrakische Kaufleute und nahmen sie gefangen. Als diese aus der Haft entkamen, erwirkten sie beim Gericht der Amphiktyonie (Staatenbund zur Verwaltung eines Heiligtums) ein Urteil gegen die Doloper. Einige auf Sykros lebende Doloper, die sich nicht schuldig fühlten, wollten sich dem Amphiktyonen-Spruch jedoch nicht beugen und riefen deswegen den Athener Kimon um Hilfe, damit das Urteil gegen sie nicht umgesetzt werde. Kimon hat daraufhin die Insel eingenommen, die Doloper vertrieben und die Ägäis von der Seeräuberei befreit. Während der Eroberung der Insel erfuhr Kimon, dass dort der alte König Theseus getötet worden sei und suchte deswegen nach dessen Grab. Denn ein Orakel hatte den Athenern aufgetragen, die Gebeine des Theseus nach Athen zu holen. Daraufhin suchten und fanden die Athener das Grab und Kimon ließ die Gebeine auf seine Triere bringen, die prunkvoll geschmückt war. So führte er die Gebeine des Theseus nach 400 Jahren wieder nach Athen und wurde dafür von den Bürgern Athens verehrt.

Dass der Athener Kimon die Gebeine des Theseus, wahrscheinlich um 476/5 v. Chr., in einem Triumphzug nach Athen überführte, wird in der Forschung als historisch anerkannt. Kimon, Sohn des Marathonsiegers Miltiades und führender Mann des altehrwürdigen Geschlechts der Philaiden, war zu dem Zeitpunkt der Überführung der Gebeine des Theseus einer der herausragendsten Köpfe der athenischen Politik. Die Eroberung der im ägäischen Meer gelegenen Insel Skyros durch diesen steht dabei sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit den frühen Aktivitäten des 478/7 v. Chr. gegründeten delisch-attischen Seebundes, an dessen Gründung Kimon entscheidend beteiligt war. Kimon erlangte durch die Eroberung von Skyros nicht nur einen Erfolg als Heerführer, sondern konnte sich auch als Politiker etablieren, indem er im Anschluss an den kriegerischen Akt der Einnahme der Insel die Heimführung der Gebeine des Theseus initiierte. Kimon konnte seinem Profil dadurch einen deutlichen religionspolitischen Akzent hinzufügen. Die Eroberung, das Auffinden des vermeintlichen Grabes sowie die Rückführung der Gebeine bedeutete für Kimon einen Zugewinn an Ansehen und Einfluss für sich und sein Geschlecht. Mit der berühmten Überführung gelang es Kimon somit, das Idealbild eines Atheners zu verkörpern, der Tatkraft und Tugend auf sich vereinte, eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lassen konnte.

Die Eroberung der Insel Skyros diente dem Aufbau und der Konsolidierung des noch jungen delisch-attischen Seebundes und der Stellung Athens innerhalb dieses Verbundes. Die anschließende Überführung der Gebeine des Theseus hatte hingegen eine andere, nämlich besonders symbolische Bedeutung. Theseus galt den Athenern als Stammesheros und die Rückführung seiner Gebeine nach Athen daher als große Heimkehr des Nationalhelden. In Athen selbst errichtete man dem Heros daraufhin eine Gedenkstätte, das Theseion. Das Theseion wurde dabei mit bedeutenden Sagenszenen aus dem Leben des Theseus geschmückt, wie etwa seinen Kämpfen gegen die Amazonen oder Kentauren. Diese Erinnerungen an die Taten des Theseus versinnbildlichten auf symbolische Weise den erfolgreichen Widerstand gegen fremde Invasoren und stellten damit gleichzeitig eine Verbindung zu den jüngst siegreich gefochtenen Schlachten der Athener gegen die Perser her. Die Perserkriege wurden auf diese Weise mythologisiert und erhöht. Durch die Rückführung der Gebeine des Theseus konnten die Athener somit einen Zusammenhang zwischen den heroischen und historischen Taten herstellen und damit gleichsam ihren Führungsanspruch im Ägäisraum begründen. Nicht unerwähnt sollte darüber hinaus bleiben, dass Kimon durch die Rückführung der Gebeine des Theseus zu einer Überhöhung der eigenen Familiengeschichte beitrug, da das kimonische Geschlecht der Philaiden sich damit rühmte, von Theseus abzustammen.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Kleisthenischen Reformen / Die athenische Außenpolitik des 5. Jahrhunderts“. Um einen breiteren Einblick in die Klassik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte II – Klassik“.
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Sehen Sie auch den Beitrag zu Athen und der Delisch-Attische Seebund.

Ephialtes und die Entmachtung des Areopag

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Aristoteles oder Schüler des Aristoteles
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ath.pol.25 – Original:

[1] ἡ μὲν οὖν τροφὴ τῷ δήμῳ διὰ τούτων ἐγίγνετο. ἔτη δὲ ἑπτακαίδεκα μάλιστα μετὰ τὰ Μηδικὰ διέμεινεν ἡ πολιτεία προεστώτων τῶν Ἀρεοπαγιτῶν, καίπερ ὑποφερομένη κατὰ μικρόν. αὐξανομένου δὲ τοῦ πλήθους, γενόμενος τοῦ δήμου προστάτης Ἐφιάλτης ὁ Σοφωνίδου, ͅͅ δοκῶν καὶ ἀδωροδόκητος εἶναι καὶ δίκαιος πρὸς τὴν πολιτείαν, ἐπέθετο τῇ βουλῇ. [2] καὶ πρῶτον μὲν ἀνεῖλεν πολλοὺς τῶν Ἀρεοπαγιτῶν, ἀγῶνας ἐπιφέρων περὶ τῶν διῳκημένων. ἔπειτα τῆς βουλῆς ἐπὶ Κόνωνος ἄρχοντος ἅπαντα περιεῖλε τὰ ἐπίθετα δι᾽ ὧν ἦν ἡ τῆς πολιτείας φυλακή, καὶ τὰ μὲν τοῖς πεντακοσίοις, τὰ δὲ τῷ δήμῳ καὶ τοῖς δικαστηρίοις ἀπέδωκεν. [3] ἔπραξε δὲ ταῦτα συναιτίου γενομένου Θεμιστοκλέους, ὃς ἦν μὲν τῶν Ἀρεοπαγιτῶν, ἔμελλε δὲ κρίνεσθαι μηδισμοῦ. βουλόμενος δὲ καταλυθῆναι τὴν βουλὴν ὁ Θεμιστοκλῆς πρὸς μὲν τὸν Ἐφιάλτην ἔλεγεν ὅτι συναρπάζειν αὐτὸν ἡ βουλὴ μέλλει, πρὸς δὲ τοὺς Ἀρεοπαγίτας, ὅτι δείξει τινὰς συνισταμένους ἐπὶ καταλύσει τῆς πολιτείας. ἀγαγὼν δὲ τοὺς αἱρεθέντας τῆς βουλῆς οὗ διέτριβεν ὁ Ἐφιάλτης, ἵνα δείξῃ τοὺς ἀθροιζομένους, διελέγετο μετὰ σπουδῆς αὐτοῖς. [4] ὁ δ᾽ Ἐφιάλτης ὡς εἶδεν καταπλαγείς, καθίζει μονοχίτων ἐπὶ τὸν βωμόν. θαυμασάντων δὲ πάντων τὸ γεγονός, καὶ μετὰ ταῦτα συναθροισθείσης τῆς βουλῆς τῶν πεντακοσίων, κατηγόρουν τῶν Ἀρεοπαγιτῶν ὅ τ᾽ Ἐφιάλτης καὶ ὁ Θεμιστοκλῆς, καὶ πάλιν ἐν τῷ δήμῳ τὸν αὐτὸν τρόπον, ἕως περιείλοντο αὐτῶν τὴν δύναμιν. καὶ ἀνῃρέθη δὲ καὶ ὁ Ἐφιάλτης δολοφονηθεὶς μετ᾽ οὐ πολὺν χρόνον δι᾽ Ἀριστοδίκου τοῦ Ταναγραίου.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: H. Rackham
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

[1] By these means the people were provided with their food-supply. The constitution remained under the leadership of the Areopagites for about seventeen years after the Persian War, although it was being gradually modified. But as the population increased, Ephialtes son of Sophonides, having become head of the People and having the reputation of being incorruptible and just in regard to the constitution, attacked the Council. [2] First he made away with many of the Areopagites by bringing legal proceedings against them about their acts of administration; then in the archonship of Conon he stripped the Council of all its added powers which made it the safeguard of the constitution, and assigned some of them to the Five Hundred and others to the People and to the jury-courts. [3] For these acts of Ephialtes, Themistocles was partly responsible; he was a member of the Areopagus, but was destined to be put on trial for treasonable dealings with Persia. Themistocles desiring the Council to be destroyed used to tell Ephialtes that the Council was going to arrest him, while he told the Areopagites that he would give information about certain persons who were conspiring to destroy the constitution. And he used to take selected members of the Council to the place where Ephialtes resided to show them the people collecting there, and conversed with them seriously. [4] Ephialtes was dismayed when he saw this, and took his seat at the altar in only his shirt. Everybody was amazed at what had happened, and afterwards when the Council of Five Hundred assembled Ephialtes and Themistocles kept on denouncing the Areopagites, and again similarly at the meetings of the people, until they deprived them of their power. And also Ephialtes was actually made away with not long after, being craftily murdered by Aristodicus of Tanagra.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Ath.pol.25

Leitfragen:

1) Wovon handelt die Quellenstelle?

2) Worin genau bestand die Entmachtung des Areopags durch Ephialtes?

3) Welche Folgen hatte die Entmachtung des Areopags für Athen?

Kommentar:

Unsere ausführlichste Quelle zur Entmachtung des Areopags durch Ephialtes ist die vorliegende Quellenstelle aus der Athenaion Politeia (AP) des Aristoteles oder eines seiner Schüler. In diesem Bericht heißt es, dass Ephialtes, der aufgrund seiner Unbestechlichkeit und Verfassungstreue in den 60er Jahren des 5. Jh. v. Chr. führender Politiker in Athen war, zur Zeit des Archontats des Konon (462/61 v. Chr.) den Rat auf dem Areopag angriff. Zudem, so die AP, soll Ephialtes dem Areopag bedeutende gerichtliche Kompetenzen entzogen und diese auf den Rat der 500, das Volk und die Geschworenengerichte übertragen haben. Ephialtes erhielt bei der Entmachtung des Areopag Unterstützung von Themistokles, dem es zusammen mit Ephialtes gelang, den Areopag vor der Boule und der Volksversammlung anzuklagen. Schlussendlich jedoch, so der Bericht der AP, fiel Ephialtes einem Mordanschlag des Aristodikos von Tanagra zum Opfer.

Die Frage danach, worin genau die Entmachtung des Areopags durch Ephialtes bestand, ist nicht leicht zu beantworten und in der Forschung umstritten, da aufgrund der Quellenarmut nicht eindeutig ist, welche Kompetenz der Areopag vor seiner Entmachtung überhaupt besaß. Zudem sind den darüber berichtenden Autoren des 4. Jh. v. Chr. selbst offenbar kaum Details über die Reformen des Ephialtes bekannt gewesen. Aus der AP erhalten wir jedoch einige wenige Informationen. So ist zu lesen, dass Ephialtes durch das Führen von Prozessen einzelne Areopagiten aufgrund ihrer Amtsführung verfolgte. Wahrscheinlich ging es Ephialtes hierbei darum, das Ansehen einzelner Areopagiten zu schwächen und damit zugleich das Prestige und die traditionelle Autorität des gesamten Gremiums nachhaltig beim Demos in Verruf zu bringen. Zudem entzog er dem Areopag laut AP alle zusätzlichen Funktionen, die den Rat zum Wächter der Verfassung gemacht hatten. Was bedeutet das? Die neuere Forschung geht davon aus, dass Ephialtes dem Rat damit die Gerichtshoheit in Bezug auf Vergehen gegen Bürgerschaft und Polis entzogen sowie ihm alle Zuständigkeiten genommen habe, die mit der Kontrolle von Beamten einhergingen, d.h. die dokimasίai, die Prüfung der Bedingung für Ämter, sowie die euthýnai, die Prüfung der Amtsführung von Beamten. Zusammengenommen muss Ephialtes bei seinen Reformen wohl vor allem daran gelegen gewesen sein, der traditionell aristokratischen Institution des Areopags die Möglichkeit des direkten Einflusses auf den Kurs der Politik und seine konkrete Umsetzung zu entziehen. Durch die Übertragung der Kompetenzen auf das Volk und dessen Organe sollte vielmehr eine neue Kontrolle über allzu selbstherrliche aristokratische Politiker ausgeübt werden. Dadurch avancierte das Volk zur mächtigsten Instanz im Staat.

Durch Ephialtesʼ gerichtliche Kampagnen gegen mehrere führende Areopagiten und die Übertragung und die Verlagerung der politischen Macht auf das Volk ist die aristokratische Führungsschichte als Gruppe sowie der Areopag als Institution belastet worden und stand nun gewissermaßen als Kollektiv für ein veraltetes Verhalten, das den neuen politischen Verhältnissen der umfassenden Rechte und Entscheidungskompetenzen des Volkes im Wege stand. Es besteht kein Zweifel daran, dass die von Ephialtes beschlossenen Maßnahmen insofern zukunftsweisend waren und entscheidend dazu beitrugen, dass das institutionelle Gefüge in Athen in der folgenden Zeit in stärkerem Maße als Demokratie empfunden wurde, in welcher die Verfügungsgewalt des Demos essentiell war. Es handelt sich bei den Reformen des Ephialtes dabei nicht um eine grundlegend neue Konstituierung der Demokratie, denn die Voraussetzung für die Umsetzung seiner Reformen war durch die in den Jahren zuvor erstarkte Volksversammlung schon im Ansatz vorhanden. Die Reformen des Ephialtes bedeuteten jedoch die Bestätigung und Erweiterung der Macht des Volkes, wodurch die demokratische Staatsform Athens ihre grundlegende Ausformung erlangte.

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Der Machtkampf zwischen Kleisthenes und Isagoras

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Herodot
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Hdt. 5. 66 – 72.2 – Original:

Ἀθῆναι, ἐοῦσαι καὶ πρὶν μεγάλαι, τότε ἀπαλλαχθεῖσαι τυράννων ἐγίνοντο μέζονες: ἐν δὲ αὐτῇσι δύο ἄνδρες ἐδυνάστευον, Κλεισθένης τε ἀνὴρ Ἀλκμεωνίδης, ὅς περ δὴ λόγον ἔχει τὴν Πυθίην ἀναπεῖσαι, καὶ Ἰσαγόρης Τισάνδρου οἰκίης μὲν ἐὼν δοκίμου, ἀτὰρ τὰ ἀνέκαθεν οὐκ ἔχω φράσαι: θύουσι δὲ οἱ συγγενέες αὐτοῦ Διὶ Καρίῳ. [2] οὗτοι οἱ ἄνδρες ἐστασίασαν περὶ δυνάμιος, ἑσσούμενος δὲ ὁ Κλεισθένης τὸν δῆμον προσεταιρίζεται. μετὰ δὲ τετραφύλους ἐόντας Ἀθηναίους δεκαφύλους ἐποίησε, τῶν Ἴωνος παίδων Γελέοντος καὶ Αἰγικόρεος καὶ Ἀργάδεω καὶ Ὅπλητος ἀπαλλάξας τὰς ἐπωνυμίας, ἐξευρὼν δὲ ἑτέρων ἡρώων ἐπωνυμίας ἐπιχωρίων, πάρεξ Αἴαντος: τοῦτον δὲ ἅτε ἀστυγείτονα καὶ σύμμαχον, ξεῖνον ἐόντα προσέθετο.

[…]

ὡς γὰρ δὴ τὸν Ἀθηναίων δῆμον πρότερον ἀπωσμένον τότε πάντων πρὸς τὴν ἑωυτοῦ μοῖραν προσεθήκατο, τὰς φυλὰς μετωνόμασε καὶ ἐποίησε πλεῦνας ἐξ ἐλασσόνων: δέκα τε δὴ φυλάρχους ἀντὶ τεσσέρων ἐποίησε, δέκαχα1δὲ καὶ τοὺς δήμους κατένειμε ἐς τὰς φυλάς: ἦν τε τὸν δῆμον προσθέμενος πολλῷ κατύπερθε τῶν ἀντιστασιωτέων.
ἐν τῷ μέρεϊ δὲ ἑσσούμενος ὁ Ἰσαγόρης ἀντιτεχνᾶται τάδε: ἐπικαλέεται Κλεομένεα τὸν Λακεδαιμόνιον γενόμενον ἑωυτῷ ξεῖνον ἀπὸ τῆς Πεισιστρατιδέων πολιορκίης: τὸν δὲ Κλεομένεα εἶχε αἰτίη φοιτᾶν παρὰ τοῦ Ἰσαγόρεω τὴν γυναῖκα. τὰ μὲν δὴ πρῶτα πέμπων ὁ Κλεομένης ἐς τὰς Ἀθήνας κήρυκα ἐξέβαλλε Κλεισθένεα καὶ μετ᾽ αὐτοῦ ἄλλους πολλοὺς Ἀθηναίων, τοὺς ἐναγέας ἐπιλέγων: ταῦτα δὲ πέμπων ἔλεγε ἐκ διδαχῆς τοῦ Ἰσαγόρεω. οἱ μὲν γὰρ Ἀλκμεωνίδαι καὶ οἱ συστασιῶται αὐτῶν εἶχον αἰτίην τοῦ φόνου τούτου, αὐτὸς δὲ οὐ μετεῖχε οὐδ᾽ οἱ φίλοι αὐτοῦ.

[…]

Κλεομένης δὲ ὡς πέμπων ἐξέβαλλε Κλεισθένεα καὶ τοὺς ἐναγέας, Κλεισθένης μὲν αὐτὸς ὑπεξέσχε, μετὰ δὲ οὐδὲν ἧσσον παρῆν ἐς τὰς Ἀθήνας ὁ Κλεομένης οὐ σὺν μεγάλῃ χειρί, ἀπικόμενος δὲ ἀγηλατέει ἑπτακόσια ἐπίστια Ἀθηναίων, τά οἱ ὑπέθετο ὁ Ἰσαγόρης. ταῦτα δὲ ποιήσας δεύτερα τὴν βουλὴν καταλύειν ἐπειρᾶτο, τριηκοσίοισι δὲ τοῖσι Ἰσαγόρεω στασιώτῃσι τὰς ἀρχὰς ἐνεχείριζε. [2] ἀντισταθείσης δὲ τῆς βουλῆς καὶ οὐ βουλομένης πείθεσθαι, ὅ τε Κλεομένης καὶ ὁ Ἰσαγόρης καὶ οἱ στασιῶται αὐτοῦ καταλαμβάνουσι τὴν ἀκρόπολιν. Ἀθηναίων δὲ οἱ λοιποὶ τὰ αὐτὰ φρονήσαντες ἐπολιόρκεον αὐτοὺς ἡμέρας δύο: τῇ δὲ τρίτῃ ὑπόσπονδοι ἐξέρχονται ἐκ τῆς χώρης ὅσοι ἦσαν αὐτῶν Λακεδαιμόνιοι.

[…]

τοὺς δὲ ἄλλους Ἀθηναῖοι κατέδησαν τὴν ἐπὶ θανάτῳ, ἐν δὲ αὐτοῖσι καὶ Τιμησίθεον τὸν Δελφόν, τοῦ ἔργα χειρῶν τε καὶ λήματος ἔχοιμ᾽ ἂν μέγιστα καταλέξαι.

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Übersetzung: A. D. Godley
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Übersetzung:

Athens, which had been great before, now grew even greater when her tyrants had been removed. The two principal holders of power were Cleisthenes an Alcmaeonid, who was reputed to have bribed the Pythian priestess, and Isagoras son of Tisandrus, a man of a notable house but his lineage I cannot say. His kinsfolk, at any rate, sacrifice to Zeus of Caria. [2] These men with their factions fell to contending for power, Cleisthenes was getting the worst of it in this dispute and took the commons into his party. Presently he divided the Athenians into ten tribes instead of four as formerly. He called none after the names of the sons of Ion—Geleon, Aegicores, Argades, and Hoples—but invented for them names taken from other heroes, all native to the country except Aias. Him he added despite the fact that he was a stranger because he was a neighbor and an ally.

[…]

When he had drawn into his own party the Athenian people, which was then debarred from all rights, he gave the tribes new names and increased their number, making ten tribe-wardens in place of four, and assigning ten districts to each tribe. When he had won over the people, he was stronger by far than the rival faction.
Isagoras, who was on the losing side, devised a counter-plot, and invited the aid of Cleomenes, who had been his friend since the besieging of the Pisistratidae. It was even said of Cleomenes that he regularly went to see Isagoras‘ wife. Then Cleomenes first sent a herald to Athens demanding the banishment of Cleisthenes and many other Athenians with him, the Accursed, as he called them. This he said in his message by Isagoras‘ instruction, for the Alcmeonidae and their faction were held to be guilty of that bloody deed while Isagoras and his friends had no part in it.
When Cleomenes had sent for and demanded the banishment of Cleisthenes and the Accursed, Cleisthenes himself secretly departed. Afterwards, however, Cleomenes appeared in Athens with no great force. Upon his arrival, he, in order to take away the curse, banished seven hundred Athenian families named for him by Isagoras. Having so done he next attempted to dissolve the Council, entrusting the offices of government to Isagoras‘ faction. [2] The Council, however, resisted him, whereupon Cleomenes and Isagoras and his partisans seized the acropolis. The rest of the Athenians united and besieged them for two days. On the third day as many of them as were Lacedaemonians left the country under truce.

[…]

As for the rest, the Athenians imprisoned them under sentence of death. Among the prisoners was Timesitheus the Delphian, whose achievements of strength and courage were quite formidable.

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Autor_in: Agnes von der Decken
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Hdt. 5. 66 – 72.2

Leitfragen:

1) Wovon handelt der Quellentext?

2) Wer war alles am Machtkampf zwischen Isagoras und Kleisthenes beteiligt?

3) Welche Rückschlüsse auf Kleinsthenesʼ Vorgehen zeigt die Entwicklung der Ereignisse?

Kommentar:

In dieser Quellenstelle beschreibt der griechische Historiker Herodot die innerathenischen Machtkämpfe und die damit einhergehenden dramatischen Ereignisse, die sich Ende des 6. Jh. v. Chr. in Athen zutrugen. Die Protagonisten der Auseinandersetzung um die Macht in Athen waren der Alkmeonide Kleisthenes und sein Kontrahent Isagoras, Sohn des Teisandros. Herodot berichtet, dass Kleisthenes anfänglich unterlag und es Isagoras gelang, sich das Archontenamt für das Jahr 508/507 zu sichern. Später konnte Kleisthenes jedoch durch eine Phylenreform, mit welcher er aus vier bestehenden Phylen zehn neue Phylen schuf, das Volk der Athener, wie Herodot schreibt, gänzlich auf seine Seite bringen. Isagoras, der die von Kleistehens beantragte Verfassungsänderung fürchtete, sah sich gezwungen, gegen den drohenden Machtverlust vorzugehen. Deswegen rief er den spartanischen König Kleomenes, der sein Gastfreund war, zur Hilfe. Dieser forderte auf Geheiß des Isagroas die Verbannung des Kleisthenes und seiner athenischen Anhänger. Begründet wurde diese Forderung mit der Schuld, die sich das Geschlecht des Kleistehens drei Generationen vorher mit dem sogenannten Kylonischen Frevel aufgeladen hatte. So musste der „fluchbeladene“ Kleisthenes die Stadt verlassen und seine politischen Anhänger, 700 athenische Familien, wurden von Kleomenes‘ Heer vertrieben. Isagoras und Kleomenes versuchten daraufhin, den von Kleisthenes gegründeten Rat in Athen aufzulösen und durch eigene Anhänger zu ersetzen. Weil sich der Rat jedoch widersetzte, besetzten Kleomenes und Isagoras die Akropolis. Hier wurden sie jedoch zwei Tage lang belagert, bis sie schließlich am dritten Tag die Stadt verlassen mussten. Die übrigen Anhänger Isagoras‘ wurden von den Athenern festgenommen und hingerichtet.

Herodot berichtet zu Beginn der oben angeführten Quellenstelle, dass Kleisthenes im anfänglichen Machtkampf seinem Kontrahenten und dessen Gefolgschaft unterlag. Danach, so Herodot, habe Kleisthenes den Demos zu seiner Hetairie hinzugewonnen. Im Machtkampf zwischen Kleisthenes und Isagoras waren also auch Gruppen von Menschen beteiligt, die sich auf die eine oder die andere Seite stellten. Dabei handelte es sich um sogenannte Hetairien, also adlige Gefährten der einzelnen Kontrahenten. Die Hetairien waren ein ausgewählter Kreis adliger Tischgenossen von etwa zehn Personen. Es war ein gängiges Prinzip, dass einzelne Adlige mit Unterstützung der Familien, ihrer Verwandtschaft aber eben auch ihrer Hetairoi versuchten, politischen Einfluss in den jeweiligen Poleis zu erlangen. Wahrscheinlich ist, dass Isagoras und anfänglich auch Kleisthenes ebenfalls auf diesem Wege versuchten, den Kampf für sich zu entscheiden. Interessant ist jedoch, dass Herodot darüber hinaus auch von Freunden bzw. Parteigängern (συστασιῶται) der Männer spricht. Dies lässt Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Anhängerschaft von Isagoras und Kleisthenes zu. So nennt Herodot insgesamt 300 Parteifreunde des Isagoras und 700 befreundete Familien des Kleisthenes. Diese Zahlen können nicht auf die oben erwähnten ursprünglichen Hetairien der Kontrahenten zurückgehen. Es kann deswegen davon ausgegangen werden, dass sich den beiden Gegenspielern jeweils mehrere Hetairien anschlossen, als sich der Konflikt zuspitzte. Vermutlich handelte es sich insgesamt um eine größere und komplexere Struktur der Anhängerschaften, die in den Machtkampf zwischen Isagoras und Kleisthenes involviert waren. Der innere Zirkel bestand aber wohl nach wie vor aus dem engsten Freundeskreis, den Hetairoi.

Wie Herodot berichtet, war es Kleisthenes anfangs offenbar nicht gelungen, den Machtkampf für sich zu entscheiden. Isagoras hingegen erreichte, für das Jahr 508/507 zum Archon gewählt zu werden. Kleistehens muss daraufhin erkannt haben, dass seine bisherigen Mittel zur Einflussname ihren Zweck nicht erfüllten. Wahrscheinlich nahm er dies zum Anlass, sein Vorgehen zu ändern. Herodot schildert anschaulich, dass der vorerst unterlegene Kleisthenes nun versuchte, das Volk auf seine Seite zu ziehen. Und es gelang ihm wohl, in relativ kurzer Zeit auch breitere Kreise der Mittel- und Unterschicht für sich zu gewinnen. Wie war das möglich? Denkbar ist, dass Kleisthenes schon zu diesem Zeitpunkt, lange bevor seine Reformen endgültig umgesetzt wurden, seine Konzeption einer politischen Neuordnung Attikas der Öffentlichkeit (vielleicht in der Volksversammlung) vorstellte und diese dabei – weil sie von relevantem Interesse für den Demos waren – Zustimmung fanden. Nicht anders ist auch der von Herodot beschriebene, ungewöhnlich starke Widerstand des Demos gegen die militärische Intervention des Kleomenes und die Obstruktion des Isagoras zu erklären. Kleisthenes muss dem Demos eine politische Neuordnung Attikas vorgeschlagen haben, die eine attraktive Alternative zum Bestehenden dargestellt haben muss. Der Widerstand des Demos gegen Isagoras und Kleomenes war damit auch eine Absage an die alte Ordnung und das Verhalten der Aristokraten, das man in Isagoras und seinen Anhänger klassischerweise verkörpert sah.

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Der Kallias-Frieden

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Diodor
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Diodor 12,4,4-6 – Original:

[4] Ἀρταξέρξης δὲ ὁ βασιλεὺς πυθόμενος τὰ περὶ τὴν Κύπρον ἐλαττώματα, καὶ βουλευσάμενος μετὰ τῶν φίλων περὶ τοῦ πολέμου, ἔκρινε συμφέρειν εἰρήνην συνθέσθαι πρὸς τοὺς Ἕλληνας. ἔγραψε τοίνυν τοῖς περὶ Κύπρον ἡγεμόσι καὶ σατράπαις, ἐφ᾽ οἷς ἂν δύνωνται συλλύσασθαι πρὸς τοὺς Ἕλληνας. [5] διόπερ οἱ περὶ τὸν Ἀρτάβαζον καὶ Μεγάβυζον ἔπεμψαν εἰς τὰς Ἀθήνας πρεσβευτὰς τοὺς διαλεξομένους περὶ συλλύσεως. ὑπακουσάντων δὲ τῶν Ἀθηναίων καὶ πεμψάντων πρέσβεις αὐτοκράτορας, ὧν ἡγεῖτο Καλλίας ὁ Ἱππονίκου, ἐγένοντο συνθῆκαι περὶ τῆς εἰρήνης τοῖς Ἀθηναίοις καὶ τοῖς συμμάχοις πρὸς τοὺς Πέρσας, ὧν ἐστι τὰ κεφάλαια ταῦτα: αὐτονόμους εἶναι τὰς κατὰ τὴν Ἀσίαν Ἑλληνίδας πόλεις ἁπάσας, τοὺς δὲ τῶν Περσῶν σατράπας μὴ καταβαίνειν ἐπὶ θάλατταν κατωτέρω τριῶν ἡμερῶν ὁδόν, μηδὲ ναῦν μακρὰν πλεῖν ἐντὸς Φασήλιδος καὶ Κυανέων: ταῦτα δὲ τοῦ βασιλέως καὶ τῶν στρατηγῶν ἐπιτελούντων, μὴ στρατεύειν Ἀθηναίους εἰς τὴν χώραν, ἧς βασιλεὺς ἄρχει. [6] συντελεσθεισῶν δὲ τῶν σπονδῶν Ἀθηναῖοι τὰς δυνάμεις ἀπήγαγον ἐκ τῆς Κύπρου, λαμπρὰν μὲν νίκην νενικηκότες, ἐπιφανεστάτας δὲ συνθήκας πεποιημένοι. συνέβη δὲ καὶ τὸν Κίμωνα περὶ τὴν Κύπρον διατρίβοντα νόσῳ τελευτῆσαι.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: C. H. Oldfather
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

[4] Artaxerxes the king, however, when he learned of the reverses his forces had suffered at Cyprus, took counsel on the war with his friends and decided that it was to his advantage to conclude a peace with the Greeks. Accordingly he dispatched to the generals in Cyprus and to the satraps the written terms on which they were permitted to come to a settlement with the Greeks. [5] Consequently Artabazus and Megabyzus sent ambassadors to Athens to discuss a settlement. The Athenians were favourable and dispatched ambassadors plenipotentiary, the leader of whom was Callias the son of Hipponicus; and so the Athenians and their allies concluded with the Persians a treaty of peace, the principal terms of which run as follows: All the Greeks cities of Asia are to live under laws of their own making; the satraps of the Persians are not to come nearer to the sea than a three days‘ journey and no Persian warship is to sail inside of Phaselis or the Cyanean Rocks; and if these terms are observed by the king and his generals, the Athenians are not to send troops into the territory over which the king is ruler. [6] After the treaty had been solemnly concluded, the Athenians withdrew their armaments from Cyprus, having won a brilliant victory and concluded most noteworthy terms of peace. And it so happened that Cimon died of an illness during his stay in Cyprus.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Diodor 12,4,4-6

Leitfragen:

1) Worin bestand der Kallias-Frieden?

2) Warum wurde der Kallias-Frieden geschlossen?

3) Hat es den Kallias-Frieden wirklich gegeben?

Kommentar:

Diodors Bericht über das Zustandekommen des sogenannten Kallias-Friedens findet sich im zwölften Buch seines aus 40 Büchern bestehenden Geschichtswerks Bibliotheke, einer Universalgeschichte von der Entstehung der Welt bis ins 1. Jh. v. Chr. Diodor berichtet hier über einen Vertrag zwischen Athen und Persien, der nach dem daran federführend beteiligten Athener Kallias benannt ist. In der Quelle heißt es, dass der persische Großkönig Artaxerxes I. sich dazu entschied, Frieden mit den Griechen zu schließen und dafür ein Treffen mit athenischen Gesandten arrangierte. Die Athener willigten ein und unter der Führung des Kallias wurde 449/448 v. Chr. (diese Zeitangabe von Diodor geht der obigen Quellenpassage voraus) Frieden zwischen Athen mit seinen Bundesgenossen und Persien geschlossen. Aus der Quelle erfahren wir zudem, welche Vertragsbedingungen bei dem Kallias-Frieden ausgehandelt wurden: 1) Die griechischen Poleis in Kleinasien bleiben autonom 2) Persische Streitkräfte dürfen sich der kleinasiatischen Küste nur bis auf drei Tagesmärsche nähern 3) Persische Kriegsschiffe dürfen die Ägäis zwischen den Chelidonischen Inseln im Süden und den Eingang am thrakischen Bosporus im Norden nicht befahren 4) Den Athenern ist es verboten, Angriffe auf persische Gebiete zu unternehmen.

Dem Kallias-Frieden gingen die in der ersten Hälfte des 5. Jh. v. Chr. geführten Kämpfe zwischen den Persern und den Griechen voraus. Persien versuchte seit Beginn des 5. Jh. durch verschiedene gewaltsame Unternehmungen, Griechenland in sein Reich einzugliedern. Dieses Vorhaben der truppenmäßig überlegenen Perser scheiterte jedoch wiederholt an dem von Sparta und Athen geleiteten Bündnis vereinter griechischer Heere. In mehreren Schlachten, wie etwa der von Marathon, Plataiai und Salamis, unterlagen die Perser den Griechen. Die Niederlagen der Perser führte im Umkehrschluss zu einer Verschiebung der griechischen Verteidigungslinie nach Osten und zu aggressiven Unternehmungen der Griechen gegen die Perser unter dem Vorwand der Rache. Nach einer Offensive gegen Persien unter dem Athener Kimon um 450 v. Chr. auf Zypern und einem Sieg gegen Verbündete der Perser bei Salamis auf Zypern kam es laut Diodor 449/448 zum oben beschriebenen Kallias-Frieden. Bei Diodor heißt es, Artaxerxes habe es für gut befunden, mit den Athenern Frieden zu schließen. Nach dieser Schilderung scheinen die Perser nach den bedeutenden Niederlagen gegen die Griechen also ein ernsthaftes Interesse an den Friedensverhandlungen gehabt zu haben. Dies könnte auch die starke Verhandlungsposition der Athener begründen. Diodors Bericht nach zu urteilen sind die Perserkriege mit dem Kallias-Frieden endgültig beigelegt. Allerdings sind die Datierung und Existenz dieser Vereinbarung in der modernen Forschung umstritten.

Die Frage der Historizität des Kallias-Friedens wird in der Forschung nach wie vor diskutiert. Zu dieser Debatte hat etwa die Tatsache geführt, dass Autoren erst ab dem 4. Jh. v. Chr. beginnen, über den (vermeintlich) im 5. Jh. v. Chr. geschlossenen Friedensvertrag zu berichten. Zeitgenössische Autoren wie Herodot und Thukydides erwähnen den Kallias-Frieden gar nicht. Andere Autoren, wie Kallisthenes oder Theopomp, leugnen den Kallias-Frieden sogar. Grundsätzlich ist auch nicht einleuchtend, weshalb die athenische Führung einer Einigung mit Persien überhaupt zustimmen sollte, da die Macht der Athener aus dem Seebund erwuchs, der einzig der Abwehr der Perser diente. Und so wird neben der Frage nach der korrekten Datierung des Friedensvertrages auch die Frage nach der Existenz des Kallias-Friedens gestellt. Auch wenn diese Fragen hier nicht im Detail erörtert werden können, soll dennoch davon ausgegangen werden, dass es zumindest ein informelles Abkommen gegeben haben muss, das die Kämpfe zwischen den Persern und den Griechen beendet hat. Mit diesem Abkommen haben die Athener de facto die Vorherrschaft in der Ägäis erreicht und konnten sich nun vermehrt der angespannten Situation in Griechenland widmen, wo es zu zunehmenden Auseinandersetzungen mit Sparta kam. Nach dem Doppelschlag bei Salamis gegen die Perser hat es jedenfalls faktisch tatsächlich und auf lange Zeit keine Kämpfe mehr zwischen Persern und Griechen gegeben.

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Der gescheiterte Hilfeversuch des Kimon

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Plutarch
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plut. Kim. 16-17.2 – Original:

16. ἦν μὲν οὖν ἀπ᾽ ἀρχῆς φιλολάκων: καὶ τῶν γε παίδων τῶν διδύμων τὸν ἕτερον Λακεδαιμόνιον ὠνόμασε, τὸν δ᾽ ἕτερον Ἠλεῖον, ἐκ γυναικὸς αὐτῷ Κλειτορίας γενομένους, ὡς Στησίμβροτος ἱστορεῖ: διὸ πολλάκις τὸν Περικλέα τὸ μητρῷον αὐτοῖς γένος ὀνειδίζειν. Διόδωρος δ᾽ ὁ Περιηγητὴς καὶ τούτους φησὶ καὶ τὸν τρίτον τῶν Κίμωνος υἱῶν Θεσσαλὸν ἐξ Ἰσοδίκης γεγονέναι τῆς Εὐρυπτολέμου τοῦ Μεγακλέους. [2] ηὐξήθη δ᾽ ὑπὸ τῶν Λακεδαιμονίων ἤδη τῷ Θεμιστοκλεῖ προσπολεμούντων καὶ τοῦτον ὄντα νέον ἐν Ἀθήναις μᾶλλον ἰσχύειν καὶ κρατεῖν βουλομένων. οἱ δ᾽ Ἀθηναῖοι τὸ πρῶτον ἡδέως ἑώρων οὐ μικρὰ τῆς πρὸς ἐκεῖνον εὐνοίας τῶν Σπαρτιατῶν ἀπολαύοντες: αὐξανομένοις γὰρ αὐτοῖς κατ᾽ ἀρχὰς καὶ τὰ συμμαχικὰ πολυπραγμονοῦσιν οὐκ ἤχθοντο τιμῇ καὶ χάριτι τοῦ Κίμωνος. [3] τὰ γὰρ πλεῖστα δι᾽ ἐκείνου τῶν Ἑλληνικῶν διεπράττετο, πρᾴως μὲν τοῖς συμμάχοις, κεχαρισμένως δὲ τοῖς Λακεδαιμονίοις ὁμιλοῦντος. ἔπειτα δυνατώτεροι γενόμενοι καὶ τὸν Κίμωνα τοῖς Σπαρτιάταις οὐκ ἠρέμα προσκείμενον ὁρῶντες ἤχθοντο. καὶ γὰρ αὐτὸς ἐπὶ παντὶ μεγαλύνων τὴν Λακεδαίμονα πρὸς Ἀθηναίους, καὶ μάλιστα ὅτε τύχοι μεμφόμενος αὐτοῖς ἢ παροξύνων, ὥς φησι Στησίμβροτος, εἰώθει λέγειν: ‘ἀλλ᾽ οὐ Λακεδαιμόνιοί γε τοιοῦτοι.’ [4] ὅθεν φθόνον ἑαυτῷ συνῆγε καὶ δυσμένειάν τινα παρὰ τῶν πολιτῶν. ἡ δ᾽ οὖν ἰσχύσασα μάλιστα κατ᾽ αὐτοῦ τῶν διαβολῶν αἰτίαν ἔσχε τοιαύτην. Ἀρχιδάμου τοῦ Ζευξιδάμου τέταρτον1ἔτος ἐν Σπάρτῃ βασιλεύοντος ὑπὸ σεισμοῦ μεγίστου δὴ τῶν μνημονευομένων πρότερον ἥ τε χώρα τῶν Λακεδαιμονίων χάσμασιν ἐνώλισθε πολλοῖς καὶ τῶν Ταϋγέτων τιναχθέντων κορυφαί τινες ἀπερράγησαν, αὐτὴ δ᾽ ἡ πόλις ὅλη συνεχύθη πλὴν οἰκιῶν πέντε, τὰς δ᾽ ἄλλας ἤρειψεν ὁ σεισμός. [5] ἐν δὲ μέσῃ τῇ στοᾷ γυμναζομένων ὁμοῦ τῶν ἐφήβων καὶ τῶν νεανίσκων λέγεται μικρὸν πρὸ τοῦ σεισμοῦ λαγὼν παραφανῆναι, καὶ τοὺς μὲν νεανίσκους, ὥσπερ ἦσαν ἀληλιμμένοι, μετὰ παιδιᾶς ἐκδραμεῖν καὶ διώκειν, τοῖς δ᾽ ἐφήβοις ὑπολειφθεῖσιν ἐπιπεσεῖν τὸ γυμνάσιον καὶ πάντας ὁμοῦ τελευτῆσαι. τὸν δὲ τάφον αὐτῶν ἔτι νῦν Σεισματίαν προσαγορεύουσι. [6] ταχὺ δὴ συνιδὼν ἀπὸ τοῦ παρόντος τὸν μέλλοντα κίνδυνον ὁ Ἀρχίδαμος, καὶ τοὺς πολίτας ὁρῶν ἐκ τῶν οἰκιῶν τὰ τιμιώτατα πειρωμένους σώζειν, ἐκέλευσε τῇ σάλπιγγι σημαίνειν, ὡς πολεμίων ἐπιόντων, ὅπως ὅτι τάχιστα μετὰ τῶν ὅπλων ἀθροίζωνται πρὸς αὐτόν. ὃ δὴ καὶ μόνον ἐν τῷ τότε καιρῷ τὴν Σπάρτην διέσωσεν. οἱ γὰρ εἵλωτες ἐκ τῶν ἀγρῶν συνέδραμον πανταχόθεν ὡς ἀναρπασόμενοι τοὺς σεσωσμένους τῶν Σπαρτιατῶν. [7] ὡπλισμένους δὲ καὶ συντεταγμένους εὑρόντες ἀνεχώρησαν ἐπὶ τὰς πόλεις καὶ φανερῶς ἐπολέμουν, τῶν τε περιοίκων ἀναπείσαντες οὐκ ὀλίγους, καὶ Μεσσηνίων ἅμα τοῖς Σπαρτιάταις συνεπιθεμένων. πέμπουσιν οὖν οἱ Λακεδαιμόνιοι Περικλείδαν εἰς Ἀθήνας δεόμενοι βοηθεῖν, ὅν φησι κωμῳδῶν Ἀριστοφάνης καθεζόμενον ἐπὶ τοῖς βωμοῖς ὠχρὸν ἐν φοινικίδι στρατιὰν ἐπαιτεῖν. [8] Ἐφιάλτου δὲ κωλύοντος καὶ διαμαρτυρομένου μὴ βοηθεῖν μηδ᾽ ἀνιστάναι πόλιν ἀντίπαλον ἐπὶ τὰς Ἀθήνας, ἀλλ᾽ ἐᾶν κεῖσθαι καὶ πατηθῆναι τὸ φρόνημα τῆς Σπάρτης, Κίμωνά φησι Κριτίας τὴν τῆς πατρίδος αὔξησιν ἐν ὑστέρῳ θέμενον τοῦ Λακεδαιμονίων συμφέροντος ἀναπείσαντα τὸν δῆμον ἐξελθεῖν βοηθοῦντα μετὰ πολλῶν ὁπλιτῶν. ὁ δ᾽ Ἴων ἀπομνημονεύει καὶ τὸν λόγον, ᾧ μάλιστα τοὺς Ἀθηναίους ἐκίνησε, παρακαλῶν μήτε τὴν Ἑλλάδα χωλὴν μήτε τὴν πόλιν ἑτερόζυγα περιϊδεῖν γεγενημένην.
17. ἐπεὶ δὲ βοηθήσας τοῖς Λακεδαιμονίοις ἀπῄει διὰ Κορίνθου τὴν στρατιὰν ἄγων, ἐνεκάλει Λάχαρτος αὐτῷ πρὶν ἐντυχεῖν τοῖς πολίταις εἰσαγαγόντι τὸ στράτευμα: καὶ γὰρ θύραν κόψαντας ἀλλοτρίαν οὐκ εἰσιέναι πρότερον ἢ τὸν κύριον κελεῦσαι. καὶ ὁ Κίμων ‘ἀλλ᾽ οὐχ ὑμεῖς,’ εἶπεν, ‘ὦ Λάχαρτε, τὰς Κλεωναίων καὶ Μεγαρέων πύλας κόψαντες, ἀλλὰ κατασχίσαντες εἰσεβιάσασθε μετὰ τῶν ὅπλων ἀξιοῦντες ἀνεῳγέναι πάντα τοῖς μεῖζον δυναμένοις.’ οὕτω μὲν ἐθρασύνατο πρὸς τὸν Κορίνθιον ἐν δέοντι, καὶ μετὰ τῆς στρατιᾶς διεξῆλθεν. [2] οἱ δὲ Λακεδαιμόνιοι τοὺς Ἀθηναίους αὖθις ἐκάλουν ἐπὶ τοὺς ἐν Ἰθώμῃ Μεσσηνίους καὶ εἵλωτας, ἐλθόντων δὲ τὴν τόλμαν καὶ τὴν λαμπρότητα δείσαντες ἀπεπέμψαντο μόνους τῶν συμμάχων ὡς νεωτεριστάς. οἱ δὲ πρὸς ὀργὴν ἀπελθόντες ἤδη τοῖς λακωνίζουσι φανερῶς ἐχαλέπαινον, καὶ τὸν Κίμωνα μικρᾶς ἐπιλαβόμενοι προφάσεως ἐξωστράκισαν εἰς ἔτη δέκα: τοσοῦτον γὰρ ἦν χρόνου τεταγμένον ἅπασι τοῖς ἐξοστρακιζομένοις.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: Bernadotte Perrin
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

16. It is true indeed that he was from the first a philo-Laconian. He actually named one of his twin sons Lacedaemonius, and the other Eleius,— the sons whom a woman of Cleitor bare him, as Stesimbrotus relates, wherefore Pericles often reproached them with their maternal lineage. But Diodorus the Topographer says that these, as well as the third of Cimon’s sons, Thessalus, were born of Isodice, the daughter of Euryptolemus, the son of Megacles. [2] And he was looked upon with favour by the Lacedaemonians, who soon were at enmity with Themistocles, and therefore preferred that Cimon, young as he was, should have the more weight and power in Athens. The Athenians were glad to see this at first, since they reaped no slight advantage from the good will which the Spartans showed him. While their empire was first growing, and they were busy making alliances, they were not displeased that honor and favour should be shown to Cimon. [3] He was the foremost Hellenic statesman, dealing gently with the allies and acceptably with the Lacedaemonians. But afterwards, when they became more powerful, and saw that Cimon was strongly attached to the Spartans, they were displeased thereat. For on every occasion he was prone to exalt Lacedaemon to the Athenians, especially when he had occasion to chide or incite them. Then, as Stesimbrotus tells us, he would say, ‘But the Lacedaemonians are not of such a sort.’ [4] In this way he awakened the envy and hatred of his fellow-citizens. At any rate, the strongest charge against him arose as follows. When Archidamus, the son of Zeuxidamus, was in the fourth year of his reign at Sparta,1 a greater earthquake than any before reported rent the land of the Lacedaemonians into many chasms, shook Taygetus so that sundry peaks were torn away, and demolished the entire city with the exception of five houses. The rest were thrown down by the earthquake. [5] It is said that while the young men and youths were exercising together in the interior of the colonnade, just a little before the earthquake, a hare made its appearance, and the youths, all anointed as they were, in sport dashed out and gave chase to it, but the young men remained behind, on whom the gymnasium fell, and all perished together. Their tomb, even down to the present day, they call Seismatias. [6] Archidamus at once comprehended from the danger at hand that which was sure to follow, and as he saw the citizens trying to save the choicest valuables out of their houses, ordered the trumpet to give the signal of an enemy’s attack, in order that they might flock to him at once under arms. This was all that saved Sparta at that crisis. For the Helots hurriedly gathered from all the country round about with intent to despatch the surviving Spartans. [7] But finding them arrayed in arms, they withdrew to their cities and waged open war, persuading many Perioeci also so to do. The Messenians besides joined in this attack upon the Spartans. Accordingly, the Lacedaemonians sent Pericleidas to Athens with request for aid, and Aristophanes introduces him into a comedy as ‘sitting at the altars, pale of face, in purple cloak, soliciting an army.’ [8] But Ephialtes opposed the project, and besought the Athenians not to succour nor restore a city which was their rival, but to let haughty Sparta lie to be trodden under foot of men. Whereupon, as Critias says, Cimon made his country’s increase of less account than Sparta’s interest, and persuaded the people to go forth to her aid with many hoplites. And Ion actually mentions the phrase by which, more than by anything else, Cimon prevailed upon the Athenians, exhorting them ‘not to suffer Hellas to be crippled, nor their city to be robbed of its yoke-fellow.’
17. After he had given aid to the Lacedaemonians, he was going back home with his forces through the Isthmus of Corinth, when Lachartus upbraided him for having introduced his army before he had conferred with the citizens. ‘People who knock at doors,’ said he, ‘do not go in before the owner bids them’; to which Cimon replied, ‘And yet you Corinthians, O Lachartus, did not so much as knock at the gates of Cleonae and Megara, but hewed them down and forced your way in under arms, demanding that everything be opened up to the stronger.’ Such was his boldness of speech to the Corinthian in an emergency, and he passed on through with his forces. [2] Once more the Lacedaemonians summoned the Athenians to come to their aid against the Messenians and Helots in Ithome, and the Athenians went, but their dashing boldness awakened fear, and they were singled out from all the allies and sent off as dangerous conspirators. They came back home in a rage, and at once took open measures of hostility against the Laconizers, and above all against Cimon. Laying hold of a trifling pretext, they ostracised him for ten years. That was the period decreed in all cases of ostracism.

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Plut. Kim. 16-17.2

Leitfragen:

1) Wovon handelt die Quelle?

2) Aus welchen Gründen wiesen die Spartaner die Athener zurück?

3) Welche Folgen hatten die bei Plutarch geschilderten Vorfälle?

Kommentar:

In dieser Quellenstelle, die einen Auszug aus der biographischen Erzählung über den griechischen Politiker und Feldherren Kimon darstellt, berichtetet Plutarch (um 50 bis 120 n. Chr.) über ein Hilfegesuch der Spartaner, welchem der Athener Kimon 462 v. Chr. nachkam. Kimon bestimmte in der ersten Hälfte der Pentekontaëtie (einem Zeitraum von 50 Jahren zwischen der Abwehr des Perserzuges unter Xerxes bis zum Ausbruch des Peloponnesischen Krieges) von etwa 480 – 460 v. Chr. die politischen Geschicke Athens. Von Plutarch erfahren wir, dass er ein Freund der Spartaner war und seinen Söhnen gar spartanische Namen gegeben habe. Kimon war es auch, der das Verhältnis zwischen Sparta und Athen im Gleichgewicht hielt. Als Athen jedoch an Macht gewann, hegten die Athener zunehmend Skepsis gegenüber dem „Lakonerfreund“ Kimon, der Sparta bei jeder Gelegenheit pries. Zu einem Eklat kam es jedoch erst, als das Land der Spartaner 464 v. Chr. von einem schweren Erdbeben getroffen wurde. Dies hatte zur Folge, dass die von Sparta unterdrückten messenischen Heloten (Unfreie) einen Aufstand gegen ihre nun geschwächten Herren anzettelten (3. Messenischer Krieg). In ihrer Not riefen die Spartaner ihre Verbündeten zu Hilfe, darunter auch Athen. Plutarch berichtet, dass der Athener Ephialtes dagegen war, einer feindlich gesonnenen Stadt zu helfen. Der Lakonerfreund Kimon hingegen setzte sich gegen Ephialtes durch und eilte den Spartanern an der Spitze eines Hoplitenheeres zur Hilfe. Nach einer ersten Hilfeleistung begaben sich Kimon und das athenische Heer auf den Rückweg, wurden jedoch ein zweites Mal von Sparta um Hilfe gegen messenische Rebellen, die sich auf dem Berg Ithome verschanzt hatten, gerufen. Als die Athener nun wieder nach Sparta kamen, wurden die Spartaner wegen des glänzenden Auftretens der Athener plötzlich misstrauisch und schickten die Athener kurzerhand zurück – als einzige aller Bundesgenossen. Plutarch schreibt, dass die Athener durch diese Zurückweisung von Zorn über die Spartaner ergriffen wurden. Zudem suchten sie einen Vorwand, um Kimon durch ein Scherbengericht für zehn Jahre zu verbannen.

In dem Bericht Plutarchs werden die Gründe für das Misstrauen der Spartaner gegenüber den Athenern nur angedeutet. Lediglich in einem Satz erwähnt Plutarch, dass die Spartaner aufgrund der Kühnheit und des glänzenden Auftretens der Athener in Furch gerieten und deswegen die athenischen νεωτεριστάς, hier übersetzt mit „dangerous conspirators“, nach Hause schickten. Bei einem genaueren Blick auf diese Äußerung werden dabei zwei Gründe für die Zurückweisung der Athener deutlich: Einerseits fürchteten die Spartaner sich vor dem glänzenden Auftreten und der Kühnheit der Athener. Dies kann sinnbildlich für die wachsende Macht der Athener stehen, die die Spartaner aufgrund ihrer Rivalität zu den Athenern um die Vorherrschaft in Griechenland vermutlich schon seit Längerem mit Sorge beobachteten. Zum anderen sahen die Spartaner in den Athenern laut Plutarch „dangerous conspirators“. Es ist dieser Äußerung zu Folge möglich, dass die Spartaner fürchteten, die Athener würden heimlich die feindlichen Messenier unterstützen und nun gemeinsame Sache mit den Messeniern machen wollen. Es ist nicht abschließend zu klären, ob es sich bei diesem Verdacht um mehr als nur eine Vermutung handelte. Interessant ist jedoch, dass die Athener sich tatsächlich als Protektoren der Messenier erwiesen, als diese nach der Niederlage gegen Sparta bei Ithome von den Spartanern von der Peloponnes vertrieben wurden.

Die von Plutarch geschilderten Ereignisse des Affronts gegen die Athener unter der Leitung Kimons führten schlussendlich zum formalen Bruch der politischen Freundschaft zwischen Athen und Sparta. Die Athener waren über die Zurückweisung der Spartaner so empört, dass sie 462 v. Chr. das noch bestehende Bündnis zur Waffenhilfe, den 481 v. Chr. zur Abwehr der Perser gegründeten Hellenenbund, mit den Spartanern aufkündigten. Zugleich schlossen sie einen Waffenbund mit Argos, der großen Gegnerin Spartas auf der Peloponnes. Damit ist der Beginn der offenen Auseinandersetzungen zwischen Sparta und Athen markiert, der in weiterer Folge zu den kriegerischen Auseinandersetzungen im Peloponnesischen Krieg führte.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Die Kleisthenischen Reformen / Die athenische Außenpolitik des 5. Jahrhunderts“. Um einen breiteren Einblick in die Klassik zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Griechische Geschichte II – Klassik“.
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Sehen Sie auch den Beitrag zu Athen und der Delisch-Attische Seebund.

Athen und der Delisch-Attische Seebund

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Thuk. 1. 96-99 – Original:

96 παραλαβόντες δὲ οἱ Ἀθηναῖοι τὴν ἡγεμονίαν τούτῳ τῷ τρόπῳ ἑκόντων τῶν ξυμμάχων διὰ τὸ Παυσανίου μῖσος, ἔταξαν ἅς τε ἔδει παρέχειν τῶν πόλεων χρήματα πρὸς τὸν βάρβαρον καὶ ἃς ναῦς: πρόσχημα γὰρ ἦν ἀμύνεσθαι ὧν ἔπαθον δῃοῦντας τὴν βασιλέως χώραν. [2] καὶ Ἑλληνοταμίαι τότε πρῶτον Ἀθηναίοις κατέστη ἀρχή, οἳ ἐδέχοντο τὸν φόρον: οὕτω γὰρ ὠνομάσθη τῶν χρημάτων ἡ φορά. ἦν δ᾽ ὁ πρῶτος φόρος ταχθεὶς τετρακόσια τάλαντα καὶ ἑξήκοντα. ταμιεῖόν τε Δῆλος ἦν αὐτοῖς, καὶ αἱ ξύνοδοι ἐς τὸ ἱερὸν ἐγίγνοντο. 97. ἡγούμενοι δὲ αὐτονόμων τὸ πρῶτον τῶν ξυμμάχων καὶ ἀπὸ κοινῶν ξυνόδων βουλευόντων τοσάδε ἐπῆλθον πολέμῳ τε καὶ διαχειρίσει πραγμάτων μεταξὺ τοῦδε τοῦ πολέμου καὶ τοῦ Μηδικοῦ, ἃ ἐγένετο πρός τε τὸν βάρβαρον αὐτοῖς καὶ πρὸς τοὺς σφετέρους ξυμμάχους νεωτερίζοντας καὶ Πελοποννησίων τοὺς αἰεὶ προστυγχάνοντας ἐν ἑκάστῳ. [2] ἔγραψα δὲ αὐτὰ καὶ τὴν ἐκβολὴν τοῦ λόγου ἐποιησάμην διὰ τόδε, ὅτι τοῖς πρὸ ἐμοῦ ἅπασιν ἐκλιπὲς τοῦτο ἦν τὸ χωρίον καὶ ἢ τὰ πρὸ τῶν Μηδικῶν Ἑλληνικὰ ξυνετίθεσαν ἢ αὐτὰ τὰ Μηδικά: τούτων δὲ ὅσπερ καὶ ἥψατο ἐν τῇ Ἀττικῇ ξυγγραφῇ Ἑλλάνικος, βραχέως τε καὶ τοῖς χρόνοις οὐκ ἀκριβῶς ἐπεμνήσθη. ἅμα δὲ καὶ τῆς ἀρχῆς ἀπόδειξιν ἔχει τῆς τῶν Ἀθηναίων ἐν οἵῳ τρόπῳ κατέστη. 98. πρῶτον μὲν Ἠιόνα τὴν ἐπὶ Στρυμόνι Μήδων ἐχόντων πολιορκίᾳ εἷλον καὶ ἠνδραπόδισαν, Κίμωνος τοῦ Μιλτιάδου στρατηγοῦντος. [2] ἔπειτα Σκῦρον τὴν ἐν τῷ Αἰγαίῳ νῆσον, ἣν ᾤκουν Δόλοπες, ἠνδραπόδισαν καὶ ᾤκισαν αὐτοί. [3] πρὸς δὲ Καρυστίους αὐτοῖς ἄνευ τῶν ἄλλων Εὐβοέων πόλεμος ἐγένετο, καὶ χρόνῳ ξυνέβησαν καθ᾽ ὁμολογίαν. [4] Ναξίοις δὲ ἀποστᾶσι μετὰ ταῦτα ἐπολέμησαν καὶ πολιορκίᾳ παρεστήσαντο, πρώτη τε αὕτη πόλις ξυμμαχὶς παρὰ τὸ καθεστηκὸς ἐδουλώθη, ἔπειτα δὲ καὶ τῶν ἄλλων ὡς ἑκάστῃ ξυνέβη. 99. αἰτίαι δὲ ἄλλαι τε ἦσαν τῶν ἀποστάσεων καὶ μέγισται αἱ τῶν φόρων καὶ νεῶν ἔκδειαι καὶ λιποστράτιον εἴ τῳ ἐγένετο: οἱ γὰρ Ἀθηναῖοι ἀκριβῶς ἔπρασσον καὶ λυπηροὶ ἦσαν οὐκ εἰωθόσιν οὐδὲ βουλομένοις ταλαιπωρεῖν προσάγοντες τὰς ἀνάγκας. [2] ἦσαν δέ πως καὶ ἄλλως οἱ Ἀθηναῖοι οὐκέτι ὁμοίως ἐν ἡδονῇ ἄρχοντες, καὶ οὔτε ξυνεστράτευον ἀπὸ τοῦ ἴσου ῥᾴδιόν τε προσάγεσθαι ἦν αὐτοῖς τοὺς ἀφισταμένους. [3] ὧν αὐτοὶ αἴτιοι ἐγένοντο οἱ ξύμμαχοι: διὰ γὰρ τὴν ἀπόκνησιν ταύτην τῶν στρατειῶν οἱ πλείους αὐτῶν, ἵνα μὴ ἀπ᾽ οἴκου ὦσι, χρήματα ἐτάξαντο ἀντὶ τῶν νεῶν τὸ ἱκνούμενον ἀνάλωμα φέρειν, καὶ τοῖς μὲν Ἀθηναίοις ηὔξετο τὸ ναυτικὸν ἀπὸ τῆς δαπάνης ἣν ἐκεῖνοι ξυμφέροιεν, αὐτοὶ δέ, ὁπότε ἀποσταῖεν, ἀπαράσκευοι καὶ ἄπειροι ἐς τὸν πόλεμον καθίσταντο.

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Übersetzung:

96. The Athenians having thus succeeded to the supremacy by the voluntary act of the allies through their hatred of Pausanias, fixed which cities were to contribute money against the barbarian, which ships; their professed object being to retaliate for their sufferings by ravaging the king’s country. [2] Now was the time that the office of ‘Treasurers for Hellas’ was first instituted by the Athenians. These officers received the tribute, as the money contributed was called. The tribute was first fixed at four hundred and sixty talents. The common treasury was at Delos, and the congresses were held in the temple. 97. Their supremacy commenced with independent allies who acted on the resolutions of a common congress. It was marked by the following undertakings in war and in administration during the interval between the Median and the present war, against the barbarian, against their own rebel allies, and against the Peloponnesian powers which would come in contact with them on various occasions. [2] My excuse for relating these events, and for venturing on this digression, is that this passage of history has been omitted by all my predecessors, who have confined themselves either to Hellenic history before the Median war, or to the Median war itself. Hellanicus, it is true, did touch on these events in his Athenian history; but he is somewhat concise and not accurate in his dates. Besides, the history of these events contains an explanation of the growth of the Athenian empire. 98. First the Athenians besieged and captured Eion on the Strymon from the Medes, and made slaves of the inhabitants, being under the command of Cimon, son of Miltiades. [2] Next they enslaved Scyros the island in the Aegean, containing a Dolopian population, and colonized it themselves. [3] This was followed by a war against Carystus, in which the rest of Euboea remained neutral, and which was ended by surrender on conditions. [4] After this Naxos left the confederacy, and a war ensued, and she had to return after a siege; this was the first instance of the engagement being broken by the subjugation of an allied city, a precedent which was followed by that of the rest in the order which circumstances prescribed. 99. Of all the causes of defection, that connected with arrears of tribute and vessels, and with failure of service, was the chief; for the Athenians were very severe and exacting, and made themselves offensive by applying the screw of necessity to men who were not used to and in fact not disposed for any continuous labour. [2] In some other respects the Athenians were not the old popular rulers they had been at first; and if they had more than their fair share of service, it was correspondingly easy for them to reduce any that tried to leave the confederacy. [3] For this the allies had themselves to blame; the wish to get off service making most of them arrange to pay their share of the expense in money instead of in ships, and so to avoid having to leave their homes. Thus while Athens was increasing her navy with the funds which they contributed, a revolt always found them without resources or experience for war.

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Autor_in: Agnes von der Decken
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Thuk. 1. 96-99

Leitfragen:

1) Was erfahren wir aus der Quelle über den Delisch-Attischen Seebund?

2) Welche Rolle nahm Athen im Seebund ein?

3) Welche Folgen hatte der Machtzuwachs Athens durch den Delisch-Attischen Seebund?

Kommentar:

Die vorliegende Quellenstelle ist ein Auszug aus dem Werk des attischen Historikers Thukydides (* um 460 v. Chr.), in welcher es um die Entstehung des Delisch-Attischen Seebundes unter der Führung Athens 478/477 v. Chr. geht. Die Quellenstelle setzt nach einem Bericht über die Übernahme des gegen die Perser geführten Kriegszuges des Hellenenbundes durch die Athener ein. Damit lösten die Athener den Spartaner Pausanias als Kommandeur des Unternehmens ab, der aufgrund seines gewaltsamen Auftretens während des Kriegszuges, wie Thukydides berichtet, in Ungnade gefallen war. Die Athener gründeten daraufhin ein neues Bündnis, das zum Ziel hatte, die Perser künftig aus der Ägäis fernzuhalten. Welche Poleis (Stadtstaaten) im Einzelnen am Bündnis beteiligt waren, geht aus der Quelle nicht direkt hervor. Es ist jedoch bekannt, dass sich Sparta und andere Staaten der Peloponnes dem Seebund nicht anschlossen. Thukydides berichtet, dass das neue Bündnis zum Ziel hatte, Rache für das Leid zu nehmen, das die Perser den Griechen beigefügt hatten. Die Bündner mussten dafür, wie Thukydides darlegt, entweder Schiffe für den Krieg stellen oder Geldbeiträge zahlen. Diese kamen in das Schatzhaus des Heiligtums des Apollon auf Delos, wo auch auf Anordnung der Athener die Versammlungen des neu gegründeten Seebundes abgehalten wurden. Die Höhe der Zahlungen soll nach Thukydides jährlich 460 Talente betragen haben und von athenischen Schatzmeistern verwaltet worden sein. So vereinten die Athener militärische und organisatorische Leitung und übernahmen die Führung der zunächst noch selbstständigen Verbündeten im neu gegründeten Delisch-Attischen Seebund.

Thukydides erklärt in dieser Quellenstelle anschaulich, inwiefern die Athener ihre Vormachtstellung im neu gegründeten Delisch-Attischen Seebund, der parallel zum Peloponnesischen Bund existierte, erlangten und somit ganz grundsätzlich ihre Stärke im Zeitraum zwischen den Perserkriegen und dem zukünftigen Peloponnesischen Krieg ausbauten. Thukydides ist es dabei wichtig zu betonen, dass die Athener im neuen Bündnis nicht nur die Auseinandersetzungen mit den Persern dominierten, sondern auch mit eigenen widerspenstigen Verbündeten oder aber peloponnesischen Staaten – wenn es hier zu Konfrontationen kam – gewaltsam verfuhren. So erfahren wir aus Thukydidesʼ Bericht etwa, dass die Athener Eion am Strymon, das ursprünglich von den Persern gehalten war, erst belagerten und dann seine Einwohner versklavten. Das gleiche Schicksal traf auch die Insel Skyros. Die Athener führten zudem Krieg gegen Orte wie Naxos, die dem Bündnis abtrünnig geworden waren. Oder aber sie zwangen andere Orte, wie Karystos, durch militärischen Druck zum Beitritt in den Bund. Auch trieben sie die Geldbeiträge mit großer Härte ein und zwangen unwillige Städte zum Kriegsdient. Athens Dominanz wuchs zudem durch die Tatsache, dass Verbündete, die einen Widerwillen gegen den Felddienst entwickelten, keine Schiffe mehr stellten, sondern den entsprechenden Betrag in Geld entrichteten und damit zur Vergrößerung der athenischen Flotte beitrugen. Der Seebund – ursprünglich eine Allianz freier Mitglieder – avancierte auf diese Weise zunehmend zu einem Reich unter der Kontrolle Athens.

Diese Beschreibung über die Entwicklung des Delisch-Attischen Seebundes ist Teil der von Thukydides geschilderten Vorgeschichte des zwischen den Großmächten Athen und Sparta ausgefochtenen Peloponnesischen Krieges (heute auf 431 v. Chr. – 404 v. Chr. datiert). Von Thukydides erfahren wir hier, dass Athen den Mitgliedern des Seebundes zwar nominell noch Freiheit und Ebenbürtigkeit zusprach, faktisch jedoch in zunehmenden Maße Macht über eine große Anzahl an griechischen Staaten ausübte. In den folgenden Jahren versuchte Athen, sein Machtgebiet stetig zu erweitern. Insbesondere die Hegemonialmacht Sparta blickte auf den Machtgewinn des einstigen Juniorpartners mit besonderem Argwohn. Der durch den Delisch-Attischen Seebund begründete Machtzuwachs Athens kann im Rückblick als Ursprung des wachsenden Spannungsverhältnisses zwischen Athen und Sparta angesehen werden und stellte den Ausgangspunkt der Rivalität zwischen den beiden Großmächten dar, die schlussendlich zum großen Peloponnesischen Krieg zwischen der alten und der neuen Macht führen sollte.

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Sehen Sie auch die Beiträge zum gescheiterten Hilfeversuch des Kimon und zu Kimon überführt die Gebeinde des Theseus.