Etruskische Grabanlagen


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Autor_in: Falk Wackerow
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Etruskische Grabanlagen

Leitfragen

1) Was verraten Grabanlagen über die Kultur der Etrusker?

2) Wodurch zeichnen sich etruskische Gräber aus?

3) Welche Einflüsse auf die etruskische Kultur sind anhand der Kunst festzustellen?

Kommentar:

Leider ist das Wissen über die Etrusker trotz intensiver Forschung der vergangenen Jahrzehnte immer noch überschaubar. Grund dafür ist der Quellenmangel, denn ähnlich wie viele andere antike Mittelmeeranrainer verfügten die Etrusker zwar über Schriftlichkeit, hinterließen aber kaum literarische Zeugnisse, die sich bis heute erhalten haben. Darum sind archäologische Überreste wie das oben abgebildete Tumulusgrabmal beim heutigen Cerveteri in Latium von großer Bedeutung für die Etruskologie. Aus Grabbeigaben und Fresken kann nicht nur auf Begräbnisriten, sondern bisweilen auch auf Kunst und Kultur sowie das alltägliche Leben geschlossen werden. Bekannt sind die Etrusker besonders für ihre prächtigen und fröhlichen Wandmalereien und die kunstvoll verzierten Ehepaarsarkophage. Dabei lässt sich, je nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung, ein orientalischer oder griechischer Einfluss feststellen. Grabbeigaben lassen sich seit Beginn der Villanova-Kultur, also seit ca. 1000 v. Chr., in Etrurien belegen. Häufig sind sie geschlechtsspezifisch (Waffen bei Männern, Spinn- und Webutensilien bei Frauen) und verweisen auf den sozialen Rang der Toten. Ähnlich wie bei den Ägyptern kamen später immer mehr Alltagsgegenstände hinzu, die das Grab „wohnlicher“ machten, d. h. ein häusliches Umfeld für das Jenseits schufen. So finden sich in vielen Gräbern Sessel und Throne, Geschirr und Schmuck. Ähnlich wie bei den Römern, die diese Tradition später übernahmen, gab es Leichenspiele zu Ehren ranghoher und reicher Verstorbener. Nicht wenige Abbildungen dieser Szenerien sind in den Gräbern als Wandmalereien erhalten. Die meisten Verstorbenen wurden verbrannt, selten gab es auch Körperbestattungen, vor allem in früherer Zeit. Die Urnen besaßen häufig die Form von stilisierten Hütten mit angedeuteten Dächern, denn der Verstorbene sollte auch im Jenseits in einem Haus leben. Die Forschung hat in diesem Zusammenhang außerdem auf die Bedeutung des pater familias als Familienoberhaupt und Herr des Hauses verwiesen. Der Großteil der Grabmäler befand sich in größeren Nekropolen, die in der Nähe der dazugehörigen Städte lagen. Viele Grabanlagen waren als Familiengrab angelegt, in dem die Angehörigen einer gens zur letzten Ruhe gebettet wurden. Während der Villanovazeit herrschten einfache Schachtgräber vor, die später durch Tumuli (aus Erde aufgeschüttete Grabhügel über steinernen Grabmalen) abgelöst wurden. In hellenistischer Zeit finden sich mehr und mehr Sarkophage, von denen die aufwendigeren von Büsten auf dem Deckel geziert werden. Die Identifizierung erfolgt jedoch nicht durch das eher anonym gehaltene Antlitz, sondern durch den in etruskischen Lettern festgehaltenen Namen des Verstorbenen.

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Die Seeschlacht von Kyme

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Autor_in: Diodor
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Diod. XI, 51 – Original

ἐπ᾽ ἄρχοντος δ᾽ Ἀθήνησιν Ἀκεστορίδου ἐν Ῥώμῃ τὴν ὕπατον ἀρχὴν διεδέξαντο Καίσων Φάβιος καὶ Τίτος Οὐεργίνιος. ἐπὶ δὲ τούτων Ἱέρων μὲν ὁ βασιλεὺς τῶν Συρακοσίων, παραγενομένων πρὸς αὐτὸν πρέσβεων ἐκ Κύμης τῆς Ἰταλίας καὶ δεομένων βοηθῆσαι πολεμουμένοις ὑπὸ Τυρρηνῶν θαλαττοκρατούντων, ἐξέπεμψεν αὐτοῖς συμμαχίαν τριήρεις ἱκανάς. [2] οἱ δὲ τῶν νεῶν τούτων ἡγεμόνες ἐπειδὴ κατέπλευσαν εἰς τὴν Κύμην, μετὰ τῶν ἐγχωρίων μὲν ἐναυμάχησαν πρὸς τοὺς Τυρρηνούς, πολλὰς δὲ ναῦς αὐτῶν διαφθείραντες καὶ μεγάλῃ ναυμαχίᾳ νικήσαντες, τοὺς μὲν Τυρρηνοὺς ἐταπείνωσαν, τοὺς δὲ Κυμαίους ἠλευθέρωσαν τῶν φόβων, καὶ ἀπέπλευσαν ἐπὶ Συρακούσας.

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Übersetzung: C. H. Oldfather
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Übersetzung

When Acestorides was archon in Athens, in Rome Caeso Fabius and Titus Verginius succeeded to the consulship. And in this year Hieron, the king of the Syracusans, when ambassadors came to him from Cumae in Italy and asked his aid in the war which the Tyrrhenians, who were at that time masters of the sea, were waging against them, he dispatched to their aid a considerable number of triremes. [2] And after the commanders of this fleet had put in at Cumae, joining with the men of that region they fought a naval battle with the Tyrrhenians, and destroying many of their ships and conquering them in a great sea-fight, they humbled the Tyrrhenians and delivered the Cumaeans from their fears, after which they sailed back to Syracuse.

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Autor_in: Falk Wackerow
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Leitfragen:

1) Wie ist die Stelle in den historischen Kontext einzuordnen?

2) Welche Auswirkungen hatte die Schlacht für Bewohner Italiens?

3) Was waren die Folgen für die Etrusker?

Kommentar:

Unsere Kenntnisse über die genauen Vorgänge der Schlacht von Kyme (Cumae) sind leider rar. Weder die ungefähre Anzahl der Kombattanten noch die Namen der Befehlshaber sind überliefert; auch eine Beschreibung des Ablaufs der Kämpfe hat sich nicht erhalten. Fest steht, dass die Etrusker seit jeher in Auseinandersetzungen mit den süditalischen Griechen verwickelt waren. Bereits 524 waren sie mit den Bewohnern der Stadt Kyme aneinander geraten und waren in der Schlacht besiegt worden. Kurz nach dem wahrscheinlich erfolgreichen Feldzug des Porsenna gegen Rom mussten sie 503 zudem eine weitere Niederlage bei Kyme verkraften, bei der Porsennas Sohn Arruns fiel. 474 unternahmen sie einen weiteren Vorstoß nach Süden, diesmal mit der Flotte. Der örtliche Machthaber Aristodemos, der sich im Zuge der Auseinandersetzungen mit den Etruskern zum Tyrannen aufgeschwungen hatte, ging ein Bündnis mit seinem syrakusanischen Amtskollegen Hieron I. ein. Anders als etwa fünfzig Jahre zuvor in der siegreichen Seeschlacht bei Alalia verbündeten sich die Etrusker diesmal nicht mit den Karthagern. Die Gründe dafür sind unbekannt. Wiederum ging die Schlacht für sie verloren; von dieser neuerlichen Niederlage sollten sie sich nicht mehr erholen. Weite Teile des etruskischen Herrschaftsgebietes in Süditalien mussten aufgrund des Drucks der italischen Stämme aufgegeben werden. Auch der Aufschwung der Römer begann wohl in dieser Zeit. Syrakus und Kyme sollten noch lange mächtige unabhängige Städte bleiben. Für die Etrusker hingegen markiert die Seeschlacht von Kyme den Anfang vom Ende ihrer eigenständigen Geschichte. Von den Italikern und Römern immer weiter zurückgedrängt, schließlich in ihrem Kerngebiet von den Kelten überrannt, gingen die etruskischen Städte früher oder später im entstehenden römischen Reich auf. Noch zu Zeiten des Kaisers Augustus und danach sind jedoch einige Überbleibsel (Epitheta, Wahrsagerei, künstlerische Einflüsse) etruskischer Kultur nachweisbar.

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Der Feldzug der Porsenna

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Autor_in: Livius
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Liv. II, 9,4-12,16 – Original

[4] Porsenna cum regem esse Romae , tum Etruscae gentis regem, amplum Tuscis ratus, Romam infesto exercitu uenit. [5] non unquam alias ante tantus terror senatum inuasit; adeo ualida res tum Clusina erat magnumque Porsennae nomen. nec hostes modo timebant sed suosmet ipsi ciues, ne Romana plebs, metu perculsa, receptis in urbem regibus uel cum seruitute pacem acciperet. [6] multa igitur blandimenta plebi per id tempus ab senatu data. annonae in primis habita cura, et ad frumentum comparandum missi alii in Uolscos, alii Cumas. salis quoque uendendi arbitrium, quia impenso pretio uenibat, in publicum omne sumptum, ademptum priuatis; portoriisque et tributo plebes liberata, ut diuites conferrent qui oneri ferendo essent: pauperes satis stipendii pendere, si liberos educent. [7] itaque haec indulgentia patrum asperis postmodum rebus in obsidione ac fame adeo concordem ciuitatem tenuit, ut regium nomen non summi magis quam infimi horrerent, [8] nec quisquam unus malis artibus postea tam popularis esset quam tum bene imperando uniuersus senatus fuit.
[…]https://emanualaltegeschichte.blogs.uni-hamburg.de/wp-admin/post-new.php
obsidio erat nihilo minus et frumenti cum summa caritate inopia, sedendoque expugnaturum se urbem spem Porsinna habebat, [2] cum C. Mucius, adulescens nobilis, cui indignum uidebatur populum Romanum seruientem cum sub regibus esset nullo bello nec ab hostibus ullis obsessum esse, liberum eundem populum ab iisdem Etruscis obsideri quorum [3] saepe exercitus fuderit,—itaque magno audacique aliquo facinore eam indignitatem uindicandam ratus […].
[…] abdito intra uestem ferro proficiscitur. [6] ubi eo uenit, in confertissima turba prope regium tribunal constitit. [7] ibi cum stipendium militibus forte daretur et scriba cum rege sedens pari fere ornatu multa ageret eum milites uolgo adirent, timens sciscitari uter Porsinna esset, ne ignorando regem semet ipse aperiret quis esset, quo temere traxit fortuna facinus, scribam pro rege obtruncat. [8] uadentem inde qua per trepidam turbam cruento mucrone sibi ipse fecerat uiam, cum concursu ad clamorem facto comprehensum regii satellites retraxissent, ante tribunal regis destitutus, tum quoque inter tantas fortunae minas metuendus magis quam metuens, [9] [p. 2018]’Romanus sum‘ inquit, ‚ciuis; C. Mucium uocant. hostis hostem occidere uolui, nec ad mortem minus animi est, quam fuit ad caedem; et facere et pati fortia Romanum est. [10] nec unus in te ego hos animos gessi; longus post me ordo est idem petentium decus. proinde in hoc discrimen, si iuuat, accingere, ut in singulas horas capite dimices tuo, ferrum hostemque in uestibulo habeas regiae. hoc tibi iuuentus Romana indicimus bellum. [11] nullam aciem, nullum proelium timueris; uni tibi et cum singulis res erit.‘ [12] cum rex simul ira infensus periculoque conterritus circumdari ignes minitabundus iuberet nisi expromeret propere quas insidiarum sibi minas per ambages iaceret, [13] ‚en tibi‘ inquit, ‚ut sentias quam uile corpus sit iis qui magnam gloriam uident‘; dextramque accenso ad sacrificium foculo inicit. quam cum uelut alienato ab sensu torreret animo, prope attonitus miraculo rex cum ab sede sua prosiluisset amouerique ab altaribus iuuenem iussisset, [14] ‚tu uero abi‘ inquit, ‚in te magis quam in me hostilia ausus. iuberem macte uirtute esse, si pro mea patria ista uirtus staret; nunc iure belli liberum te, intactum inuiolatumque hinc dimitto.‘ [15] tunc Mucius, quasi remunerans meritum, ‚quando quidem‘ inquit, ‚est apud te uirtuti honos, ut beneficio tuleris a me quod minis nequisti, trecenti coniurauimus principes iuuentutis Romanae ut in te hac uia grassaremur. [16] mea prima sors fuit; ceteri ut cuiusque ceciderit primi quoad te opportunum fortuna dederit, suo quisque tempore aderunt.‘
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Übersetzung: Benjamin Oliver Foster
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Übersetzung

[4] Porsinna, believing that it was not only a safe thing for the Etruscans that there should be a king at Rome, but an honour to have that king of Etruscan stock, invaded Roman territory with a hostile army. [5] Never before had such fear seized the senate, so powerful was Clusium in those days, and so great Porsinna’s fame. And they feared not only the enemy but their own citizens, lest the plebs should be terror-stricken and, admitting the princes into the City, should even submit to enslavement, for the sake of peace. [6] Hence the senate at this time granted many favours to the plebs. The question of subsistence received special attention, and some were sent to the Volsci and others to Cumae to buy up corn. Again, the monopoly of salt, the price of which was very high, was taken out of the hands of individuals and wholly assumed by the government. Imposts and taxes were removed from the plebs that they might be borne by the well-to-do, who were equal to the burden: the poor paid dues enough if they reared children. [7] Thanks to this liberality on the part of the Fathers, the distress which attended the subsequent blockade and famine was powerless to destroy the harmony of the state, which was such that the name of king was not more abhorrent to the highest than to the lowest; [8] nor was there ever a man in after years whose demagogic arts made him so popular as its wise governing at that time made the whole senate.
[…] 12. The blockade went on notwithstanding. The corn was giving out, and what there was cost a very high price, and Porsinna was beginning [2] to have hopes that he would take the City by sitting still, when Gaius Mucius, a young Roman noble, thinking it a shame that although the Roman People had not, in the days of their servitude when they lived under kings, been blockaded in a war by any enemies, they should now, [3] when free, be besieged by those same Etruscans whose armies they had so often routed, made up his mind that this indignity must be avenged by some great and daring deed.
[…] Hiding a sword under his dress, he set out. [7] Arrived at the camp, he took up his stand in the thick of the crowd near the royal tribunal. It happened that at that moment the soldiers were being paid; a secretary who sat beside the king, and wore nearly the same costume, was very busy, and to him the soldiers for the most part addressed themselves. Mucius was afraid to ask which was Porsinna, lest his ignorance of the king’s identity should betray his own, and following the blind guidance of Fortune, slew the secretary instead of the king. [8] As he strode off through the frightened crowd, making a way for himself with his bloody blade, there was an outcry, and thereat the royal guards came running in from every side, seized him and dragged him back before the tribunal of the king. [9] But friendless as he was, even then, when Fortune wore so menacing an aspect, yet as one more to be feared than fearing, “I am a Roman citizen,” he cried; “men call me Gaius Mucius. [10] I am your enemy, and as an enemy I would have slain you; I can die as resolutely as I could kill: both to do and to endure valiantly is the Roman way. Nor am I the only one to carry this resolution against you: behind me is a long line of men who are seeking the same honour. Gird yourself therefore, if you think it worth your while, for a struggle in which you must fight for your life from hour to hour with an armed foe always at your door. [11] Such is the war we, the Roman youths, declare on you. [12] Fear no serried ranks, no battle; it will be between yourself alone and a single enemy at a time.” [13] The king, at once hot with resentment and aghast at his danger, angrily ordered the prisoner to be flung into the flames unless he should at once divulge the plot with which he so obscurely threatened him. Whereupon Mucius, exclaiming, “Look, that you may see how cheap they hold their bodies whose eyes are fixed upon renown!” thrust his hand into the fire that was kindled for the sacrifice. When he allowed his hand to burn as if his spirit were unconscious of sensation, the king was almost beside himself with wonder. [14] He bounded from his seat and bade them remove the young man from the altar. “Do you go free,” he said, “who have dared to harm yourself more than me. I would invoke success upon your valour, were that valour exerted for my country; since that may not be, I release you from the penalties of war and dismiss you scathless and uninjured.” [15] Then Mucius, as if to requite his generosity, answered, “Since you hold bravery in honour, my gratitude shall afford you the information your threats could not extort: we are three hundred, the foremost youths of Rome, who have conspired to assail you in this fashion. [16] I drew the first lot; the others, in whatever order it falls to them, will attack you, each at his own time, until Fortune shall have delivered you into our hands.”
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Falk Wackerow
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Leitfragen:

1) Was bezweckt der Autor mit dieser Darstellungsweise der Ereignisse?

2) Wie passt die Stelle in den historischen Kontext?

3) Welcher wahre Kern steckt in der Schilderung?

Kommentar:

Die gesamte Geschichte um Porsennas legendären Feldzug gegen Rom diente Livius wohl vor allem dem Zweck, herausragende Tugenden der römischen Protagonisten zu betonen, auf dass sich der Leser ein Beispiel an ihnen nehme. Schon die den oben stehenden Geschehnissen um Gaius Mucius vorangehende Brückenverteidigung durch Horatius Cocles liest sich mehr wie ein Heldenepos als seriöse Geschichtsschreibung. Die Glorifizierung römischer Helden ist typisch sowohl für die livianische Darstellung als auch für die römische Geschichtsschreibung insgesamt.
Die Herrschaft des Lars Porsenna fällt in die letzte Phase etruskischer Dominanz in Ober- und Mittelitalien. Nachdem sie jahrhundertelang auch über Rom und Latium geherrscht hatten, symbolisiert die (mythische) Vertreibung des letzten Königs Tarquinius Superbus den Anfang vom Ende der etruskischen Hochkultur. Dieses ist jedoch weniger auf Rom, als auf den hartnäckigen Widerstand der Griechenstädte des Südens, namentlich Cumae und Syrakus zurückzuführen, die den Etruskern in der Seeschlacht von Kyme 474 eine vernichtende Niederlage zufügten, von der sie sich nie mehr erholen sollten. In diesem Kontext ist der Angriff Porsennas auf Rom zu verstehen: als der letzte erfolgreiche Versuch, ihre Machtposition zu behaupten. Aus welchen Gründen der Feldzug geführt wurde, ist nicht sicher. Die Quellen Livius und Dionysios von Halikarnassos behaupten, Porsenna habe Superbus nach dessen Vertreibung wieder als König einsetzen wollen, während die Forschung eher davon ausgeht, dass er seine eigene Macht ausbauen wollte. Unbestritten, wenn auch auffällig ist die Hilflosigkeit der Römer angesichts der Invasion. Sie stellten sich nicht zur Feldschlacht, sondern zogen sich ohne allzu großen Widerstand hinter die Mauern Roms zurück. Die Überlegenheit des etruskischen Heers scheint übermächtig gewesen zu sein, so übermächtig, dass die Römer sie ebenso wie die Kelten unter Brennus knapp 100 Jahre später für den Abzug bezahlen mussten. Die Stellung von Geiseln wird ebenso erwähnt, was eindeutig für einen positiven Ausgang der Kampagne des Porsenna spricht. Unklar ist, ob es seinen Truppen gelang, die Stadt einzunehmen. Als erobert genannt wird lediglich der Ianiculus, der damals noch nicht zum bebauten Stadtgebiet zählte. Trotz der angeblichen großen Kampfbereitschaft der Jugend und eines zurückgeschlagenen Angriffs scheinen die Römer nicht die Kraft für einen Gegenangriff gehabt zu haben. Dagegen steht die Episode des Gaius Mucius in den Quellen, der sich nach seiner Enttarnung als Attentäter und Römer zu erkennen gibt und seine Entschlossenheit mit der Verbrennung seiner rechten Hand demonstrierte, woraus sein späterer Beiname „Scaevola“, der Linkshänder, resultierte. Livius schreibt, Porsenna sei so beeindruckt gewesen und habe nach Mucius‘ Auftreten derart um sein Leben gefürchtet, dass er die Belagerung abbrach und zurück in seine Heimatstadt Clusium zog. Diese Darstellung widerspricht allerdings der Erwähnung der Geiseln und der „Güter des Porsenna“ später im Text. Die wahrscheinlichste Version ist wohl, dass Livius die Hilfslosigkeit der Römer mit heroischen Taten Einzelner kaschieren wollte.

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Der Sturz der Könige

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Liv. I, 58,1-59,1 – Original:

58. paucis interiectis diebus Sex. Tarquinius inscio Collatino cum comite uno Collatiam venit. [2] ubi exceptus benigne ab ignaris consilii cum post cenam in hospitale cubiculum deductus esset, amore ardens, postquam satis tuta circa sopitique omnes videbantur, stricto gladio ad dormientem Lucretiam venit sinistraque manu mulieris pectore oppresso ‚tace, Lucretia‘ inquit; ‚Sex. Tarquinius sum; ferrum in manu est; moriere, si emiseris vocem.‘ [3] cum pavida ex somno mulier nullam opem, prope mortem inminentem videret, tum Tarquinius fateri amorem, orare, miscere precibus minas, versare in omnes partes muliebrem animum. [4] ubi obstinatam videbat et ne mortis quidem metu inclinari, addit ad metum dedecus: cum mortua iugulatum servum nudum positurum ait, ut in sordido adulterio necata dicatur. [5] quo terrore cum vicisset obstinatam pudicitiam velut vi trux libido profectusque inde Tarquinius ferox expugnato decore muliebri esset, Lucretia maesta tanto malo nuntium Romam eundem ad patrem Ardeamque ad virum mittit.
[…] [7] adventu suorum lacrimae obortae quaerentique viro ’satin salve?‘ ‚minime‘ inquit; ‚quid enim salvi est mulieri amissa pudicitia? vestigia viri alieni, Conlatine, in lecto sunt tuo; ceterum corpus est tantum violatum, animus insons; mors testis erit. sed date dexteras fidemque haud inpune adultero fore. Sex. [8] est Tarquinius, qui hostis pro hospite priore nocte vi armatus mihi sibique, si vos viri estis, pestiferum hinc abstulit gaudium.‘
[…] [11] cultrum, quem sub veste abditum habebat, eum in corde defigit prolapsaque in vulnus moribunda cecidit.
[…] 59. Brutus illis luctu occupatis cultrum ex vulnere Lucretiae extractum manantem cruore prae se tenens, ‚per hunc‘ inquit ‚castissimum ante regiam iniuriam sanguinem iuro vosque, dii, testes facio me L. Tarquinium Superbum cum scelerata coniuge et omni liberorum stirpe ferro, igni, quacumque dehinc vi possim, exacturum nec illos nec alium quemquam regnare Romae passurum.‘

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Übersetzung

58. When a few days had gone by, Sextus Tarquinius, without letting Collatinus know, took a single attendant and went to Collatia. [2] Being kindly welcomed, for no one suspected his purpose, he was brought after dinner to a guest-chamber. Burning with passion, he waited till it seemed to him that all about him was secure and everybody fast asleep; then, drawing his sword, he came to the sleeping Lucretia. Holding the woman down with his left hand on her breast, he said, “Be still, Lucretia! I am Sextus Tarquinius. My sword is in my hand. Utter a sound, and you die!” In affright the woman started out of her sleep. [3] No help was in sight, but only imminent death. Then Tarquinius began to declare his love, to plead, to mingle threats with prayers, to bring every resource to bear upon her woman’s heart. [4] When he found her obdurate and not to be moved even by fear of death, he went farther and threatened her with disgrace, saying that when she was dead he would kill his slave and lay him naked by her side, that she might be said to have been put to death in adultery with a man of base condition. [5] At this dreadful prospect her resolute modesty was overcome, as if with force, by his victorious lust; and Tarquinius departed, exulting in his conquest of a woman’s honour. Lucretia, grieving at her great disaster, dispatched the same message to her father in Rome and to her husband at Ardea.
[…] The entrance of her friends brought the tears to her eyes, and to her husband’s question, “Is all well?” [7] she replied, “Far from it; for what can be well with a woman when she has lost her honour? The print of a strange man, Collatinus, is in your bed. Yet my body only has been violated; my heart is guiltless, as death shall be my witness. But pledge your right hands and your words that the adulterer shall not go unpunished. Sextus Tarquinius is he that last night returned hostility for hospitality, and armed with force brought ruin on me, and on himself no less —if you are men —when he worked his pleasure with me.”
[…] [11] Taking a knife which she had concealed beneath her dress, she plunged it into her heart, and sinking forward upon the wound, died as she fell.
[…] 59. Brutus, while the others were absorbed in grief, drew out the knife from Lucretia’s wound, and holding it up, dripping with gore, exclaimed, “By this blood, most chaste until a prince wronged it, I swear, and I take you, gods, to witness, that I will pursue Lucius Tarquinius Superbus and his wicked wife and all his children, with sword, with fire, aye with whatsoever violence I may; and that I will suffer neither them nor any other to be king in Rome!”

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Leitfragen:

1) Wie werden die dramatis personae von Livius charakterisiert?

2) Welchen historischen Hintergrund hat die Geschichte?

3) Wie glaubwürdig ist Livius‘ Darstellung?

Kommentar:

Für die Königszeit und die frühe Republik gibt es außer Livius nur sehr wenige Quellen. Die Vergewaltigung der Lucretia ist eine der bekannteren Erzählungen aus der Zeit des letzten Etruskerkönigs Lucius Tarquinius, später mit dem Beinamen Superbus, der Hochmütige, versehen. Dessen Sohn Sextus bedrängt und vergewaltigt in der obigen Stelle die Ehefrau des Lucius Tarquinius Collatinus, seines Mitfeldherrn. Livius stellt ähnlich wie in anderen Erzählungen (siehe „Virginiaprozess“) die Charakteristika der Hauptpersonen einander gegenüber, um ein moralisches Bild und beim Leser Sympathie für die Sache der Römer zu erzeugen. So schildert er Lucretia als Inbegriff weiblicher Tugenden, die bis spät in die Nacht hinein an ihren Webarbeiten sitzt und die fremden Gäste willkommen heißt und bewirtet. Diese Gastfreundschaft wird von ihrem Widerpart Sextus Tarquinius missbraucht, als er sie mit einem Schwert bedroht und sie zwingen will, ihn zu lieben. Lucretia hingegen bleibt standhaft und verteidigt selbst im Angesicht des Todes im Sinne der römischen Tugenden ihre Keuschheit. Schließlich droht Sextus damit, sie und anschließend seinen Sklaven zu töten, neben sie zu legen und ihren Tod somit wie die gerechte Strafe für Ehebruch aussehen zu lassen. Diese durchtriebene Idee bricht Lucretias Widerstand. Lieber wird sie geschändet, als dass man sie für eine Ehebrecherin hält. Beim Erscheinen des von ihr benachrichtigten Ehemannes und des späteren Helden der Republik, Lucius Iunius Brutus, berichtet sie von ihrem Schicksal, lässt die Männer Rache schwören und gibt sich anschließend dem ehrenhaften Freitod hin, um nicht in Schande weiterleben zu müssen. Die aus der Empörung ihres Mannes und Vaters entstehende Revolte führt schlussendlich zur Absetzung und Exilierung des Etruskerkönigs Tarquinius Superbus und seiner Familie.

Livius‘ Darstellung der Vergewaltigung der Lucretia fügt sich passend in die restliche Schilderung der Regentschaft der Tarquinier ein, die nach seinem Zeugnis eine Schreckensherrschaft war. Dabei gilt es zu beachten, wie die Römer zu Livius Zeiten die Könige sahen. Noch Jahrhunderte nach dem Sturz der Könige war das Wort „rex“ negativ konnotiert, sodass beispielsweise Caesar sich genötigt sah, sich von dem Titel und der Stellung zu distanzieren. Aus historischer Sicht lässt sich kein Detail der livianischen Erzählung verifizieren, es handelt sich wohl um eine spätere Erfindung zur Klärung der mythischen Frühzeit, die nicht auf schriftlichen, sondern mündlichen Überlieferungen fußt. So liest sich die obige Stelle wie eine Szene aus einem shakespearischen Drama. Die Figuren und deren Handlungen wirken überzeichnet, die Dialoge stammen wohl aus Livius‘ eigener Feder. Zudem wirkt das Ende konstruiert, da ausgerechnet Brutus, der an sich gar nicht direkt in die Sache involviert war, zuerst dem König Rache schwört, dann dessen Familie, jedoch ohne den eigentlichen Übeltäter Sextus beim Namen zu nennen. Dass dieser nach gelungenem Staatsstreich lediglich wie der Rest seiner Verwandtschaft exiliert und nicht hingerichtet wird, trägt nicht zur Plausibilität der livianischen Schilderung bei.

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Etruskische Mantik


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Etruskische Mantik

Leitfragen

1) Wie ist die Bronzeleber aufgebaut?

2) Welchen Einfluss hatte die etruskische auf die römische Mantik?

3) Wie wichtig war die Vorzeichendeutung für die römische Gesellschaft?

Kommentar:

Die oben abgebildete sog. Bronzeleber von Piacenza, gefunden 1877 auf einem Acker bei Settima (Emilia Romagna), ist eine detailgetreue Nachbildung einer Schafsleber aus etruskischer Zeit. Die Abmessungen betragen 12,4×6,6 cm. Die unregelmäßige Oberfläche ist in etwa vierzig Flächen eingeteilt, wobei der Rand in sechzehn Abschnitte unterteilt ist, entsprechend der Sechzehnteilung des Himmels in der etruskischen Religion. Jeder Abschnitt enthält dabei eingeritzte Namen von Gottheiten. Besonders bemerkenswert ist das sechsspeichige Rad, wohl als Zeichen für den Lauf des Mondes. Die Verhältnisse der verschiedenen astronomischen Gebilde zueinander entsprechen recht genau den tatsächlichen Bahnen des Mondes bzw. der Sonne am Himmel. Dies belegt eine große astronomische Kenntnis der Etrusker. Drei Erhöhungen, eine tropfenförmig, eine pyramidal und eine schalenförmig, stechen heraus. Erstere ist mithilfe der nebenstehenden Inschrift hercl(es) als Keule des Herkules gedeutet worden, während die Pyramide wohl den Götterberg darstellt. Das Ellipsoid ist mit dem Nabel der Welt identifiziert worden.

Der Einfluss der Etrusker auf die römische Mantik war enorm. Schon der Begriff haruspex (Seher, Vorzeichendeuter) beruht wahrscheinlich auf der Zusammensetzung eines etruskischen Wortes -haru mit der lateinischen Form spex (spicere = sehen). Ebenso bezeichnet Cicero verschiedene Formen der Mantik, die von römischen Priestern angewandt wurden, als disciplina etrusca. Die aus spätantiker Zeit überlieferten Himmelsdeutungen bei Marcianus Capella (Mart. Cap. I, 45-61) stimmen nicht nur mit der Sechzehnteilung des etruskischen Himmels, sondern auch in den Nennungen der Götter mit der Bronzeleber überein. Daraus folgt, dass selbst in spätantiker Zeit die etruskische Mantik noch ein wichtiger Teil römischer Lebenswelt war.

Die Lebenswelt der Römer war stark durch Mantik geprägt. Keine wichtige politische Entscheidung konnte getroffen, kein Feldzug begonnen werden, ohne zuvor den Willen der Götter festgestellt zu haben. Caesar und andere Feldherren ließen sich im Felde von ihren eigenen Priestern begleiten, die ihnen vor jeder Schlacht die himmlischen Vorzeichen deuteten. In der Stadt selbst etablierten sich mit der Zeit verschiedene Formen der Mantik, zum Beispiel die Eingeweideschau, die Interpretation von Blitzen, das Fressverhalten der heiligen Hühner oder die sog. Auspizien (Deutung des Vogelflugs). Diese Vorgänge waren stets öffentlich, damit ein jeder sehen konnte, dass die Götter ihren guten Willen (oder Unwillen) zu einem Vorhaben bekundeten.

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Zur Herkunft der Etrusker aus Lydien

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Herodot
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Hdt. I, 94,1-7 – Original

Λυδοὶ δὲ νόμοισι μὲν παραπλησίοισι χρέωνται καὶ Ἕλληνές, χωρὶς ἢ ὅτι τὰ θήλεα τέκνα καταπορνεύουσι, πρῶτοι δὲ ἀνθρώπων τῶν ἡμεῖς ἴδμεν νόμισμα χρυσοῦ καὶ ἀργύρου κοψάμενοι ἐχρήσαντο, πρῶτοι δὲ καὶ κάπηλοι ἐγένοντο. [2] φασὶ δὲ αὐτοὶ Λυδοὶ καὶ τὰς παιγνίας τὰς νῦν σφίσι τε καὶ Ἕλλησι κατεστεώσας ἑωυτῶν ἐξεύρημα γενέσθαι: ἅμα δὲ ταύτας τε ἐξευρεθῆναι παρὰ σφίσι λέγουσι καὶ Τυρσηνίην ἀποικίσαι, ὧδε περὶ αὐτῶν λέγοντες. [3] ἐπὶ Ἄτυος τοῦ Μάνεω βασιλέος σιτοδείην ἰσχυρὴν ἀνὰ τὴν Λυδίην πᾶσαν γενέσθαι, καὶ τοὺς Λυδοὺς τέως μὲν διάγειν λιπαρέοντας, μετὰ δὲ ὡς οὐ παύεσθαι, ἄκεα δίζησθαι, ἄλλον δὲ ἄλλο ἐπιμηχανᾶσθαι αὐτῶν. ἐξευρεθῆναι δὴ ὦν τότε καὶ τῶν κύβων καὶ τῶν ἀστραγάλων καὶ τῆς σφαίρης καὶ τῶν ἀλλέων πασέων παιγνιέων τὰ εἴδεα, πλὴν πεσσῶν τούτων γὰρ ὦν τὴν ἐξεύρεσιν οὐκ οἰκηιοῦνται Λυδοί. [4] ποιέειν δὲ ὧδε πρὸς τὸν λιμὸν ἐξευρόντας, τὴν μὲν ἑτέρην τῶν ἡμερέων παίζειν πᾶσαν, ἵνα δὴ μὴ ζητέοιεν σιτία, τὴν δὲ ἑτέρην σιτέεσθαι παυομένους τῶν παιγνιέων. τοιούτῳ τρόπῳ διάγειν ἐπ᾽ ἔτεα δυῶν δέοντα εἴκοσι. [5] ἐπείτε δὲ οὐκ ἀνιέναι τὸ κακὸν ἀλλ᾽ ἔτι ἐπὶ μᾶλλον βιάζεσθαι οὕτω δὴ τὸν βασιλέα αὐτῶν δύο μοίρας διελόντα Λυδῶν πάντων κληρῶσαι τὴν μὲν ἐπὶ μόνῃ τὴν δὲ ἐπὶ ἐξόδῳ ἐκ τῆς χώρης, καὶ ἐπὶ μὲν τῇ μένειν αὐτοῦ λαγχανούσῃ τῶν μοιρέων ἑωυτὸν τὸν βασιλέα προστάσσειν, ἐπὶ δὲ τῇ ἀπαλλασσομένῃ τὸν ἑωυτοῦ παῖδα, τῷ οὔνομα εἶναι Τυρσηνόν. [6] λαχόντας δὲ αὐτῶν τοὺς ἑτέρους ἐξιέναι ἐκ τῆς χώρης καταβῆναι ἐς Σμύρνην καὶ μηχανήσασθαι πλοῖα, ἐς τὰ ἐσθεμένους τὰ πάντα ὅσα σφι ἦν χρηστὰ ἐπίπλοα, ἀποπλέειν κατὰ βίου τε καὶ γῆς ζήτησιν, ἐς ὃ ἔθνεα πολλὰ παραμειψαμένους ἀπικέσθαι ἐς Ὀμβρικούς, ἔνθα σφέας ἐνιδρύσασθαι πόλιας καὶ οἰκέειν τὸ μέχρι τοῦδε. [7] ἀντὶ δὲ Λυδῶν μετονομασθῆναι αὐτοὺς ἐπὶ τοῦ βασιλέος τοῦ παιδός, ὅς σφεας ἀνήγαγε, ἐπὶ τούτου τὴν ἐπωνυμίην ποιευμένους ὀνομασθῆναι Τυρσηνούς.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: A. D. Godley
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

Hdt. I, 94,1-7

The customs of the Lydians are like those of the Greeks, except that they make prostitutes of their female children. They were the first men whom we know who coined and used gold and silver currency; and they were the first to sell by retail. [2] And, according to what they themselves say, the games now in use among them and the Greeks were invented by the Lydians: these, they say, were invented among them at the time when they colonized Tyrrhenia. This is their story: [3] In the reign of Atys son of Manes there was great scarcity of food in all Lydia. For a while the Lydians bore this with what patience they could; presently, when the famine did not abate, they looked for remedies, and different plans were devised by different men. Then it was that they invented the games of dice and knuckle-bones and ball and all other forms of game except dice, which the Lydians do not claim to have discovered. [4] Then, using their discovery to lighten the famine, every other day they would play for the whole day, so that they would not have to look for food, and the next day they quit their play and ate. This was their way of life for eighteen years. [5] But the famine did not cease to trouble them, and instead afflicted them even more. At last their king divided the people into two groups, and made them draw lots, so that the one group should remain and the other leave the country; he himself was to be the head of those who drew the lot to remain there, and his son, whose name was Tyrrhenus, of those who departed. [6] Then the one group, having drawn the lot, left the country and came down to Smyrna and built ships, in which they loaded all their goods that could be transported aboard ship, and sailed away to seek a livelihood and a country; until at last, after sojourning with one people after another, they came to the Ombrici, where they founded cities and have lived ever since. [7] They no longer called themselves Lydians, but Tyrrhenians, after the name of the king’s son who had led them there.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Falk Wackerow
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Leitfragen:

1) Wie schildert Herodot die Umstände der Auswanderung?

2) Gibt es Parallelen zu dieser Schilderung?

3) Wie steht die moderne Forschung zu Herodots Erzählung?

Kommentar:

Die teils drastische Schilderung des „Vaters der Geschichte“ Herodot erinnert an andere Erzählungen aus Gründungsmythen diverser griechischer Kolonien. Auch dort wird als Grund für den Auszug eines Teils der Bewohner häufig Mangel an Nahrung angegeben – eine plausible Erklärung. Auch ein Großteil der großen griechischen Kolonisationsphase (ca. 8. – 6. Jhdt.) ist wohl als Reaktion auf Überbevölkerung und daraus resultierende Hungersnöte zu verstehen. Ebenso wie in einigen Fällen aus Griechenland lässt hier Herodot das Los entscheiden, wer bleibt und wer in die Ferne zieht. Zugleich gibt er eine Erklärung für den Namen des neu entstehenden Volkes und des von ihm besiedelten Landstriches. Die Benennung erfolgte demnach aufgrund des Namens des ausziehenden Königssohnes Tyrrhenus (Tyrsenos). Schließlich gelangten sie in die Gestade der Ombrici, wohl der Vorfahren der späteren Umbrer, und siedelten sich in dieser Region an.

Soweit der Mythos. In der Forschung existierten lange Zeit zwei Theorien über den Ursprung der Etrusker: Die Einwanderungstheorie suchte den herodoteischen Ansatz zu untermauern, indem zum Einen die etruskische Sprache mit verschiedenen anatolischen, besonders der hethitischen, verglichen wurde. Eine Abstammung konnte allerdings nicht überzeugend nachgewiesen werden. Zum Anderen gelang es in jüngerer Vergangenheit mittels Genanalysen einen signifikanten Teil des Erbguts der heutigen Bewohner Etruriens und ihres Viehs als ursprünglich anatolisch zu verifizieren. Dagegen ging die autochthone Theorie davon aus, dass die Etrusker ein proto-indogermanisches, sprich ureuropäisches Volk seien, welches sich aus der sog. Villanova-Kultur (benannt nach dem wichtigsten Fundort) entwickelt habe. Dies wurde mittels eines Vergleichs der Kunst und Kultur zu belegen versucht. Ein neuerer Forschungsansatz vereint jedoch seit den Sechzigerjahren beide Theorien miteinander. Demnach stimme Herodots Theorie von der Herkunft der Etrusker/Tyrrhener aus Lydien, allerdings hätten sie sich nach ihrer Ankunft in Norditalien mit der einheimischen Bevölkerung gemischt und deren Bräuche teilweise übernommen. So konnten schriftliche Überlieferung und archäologischer Befund in Einklang gebracht werden.

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Aristoteles: Über die Ursachen der Tyrannis

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Aristoteles
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Original:

Aristot. Pol. 5. 1310b

φανερὸν δ᾽ ἐκ τῶν συμβεβηκότων. σχεδὸν γὰρ οἱ πλεῖστοι τῶν τυράννων γεγόνασιν ἐκ δημαγωγῶν ὡς εἰπεῖν, πιστευθέντες ἐκ τοῦ διαβάλλειν τοὺς γνωρίμους. αἱ μὲν γὰρ τοῦτον τὸν τρόπον κατέστησαν τῶν τυραννίδων, ἤδη τῶν πόλεων ηὐξημένων, αἱ δὲ πρὸ τούτων ἐκ τε τῶν βασιλέων παρεκβαινόντων τὰ πάτρια καὶ δεσποτικωτέρας ἀρχῆς ὀρεγομένων, αἱ δὲ ἐκ τῶν αἱρετῶν ἐπὶ τὰς κυρίας ἀρχάς (τὸ γὰρ ἀρχαῖον οἱ δῆμοι καθίστασαν πολυχρονίους τὰς δημιουργίας καὶ τὰς θεωρίας), αἱ δ᾽ ἐκ τῶν ὀλιγαρχιῶν, αἱρουμένων ἕνα τινὰ κύριον ἐπὶ τὰς μεγίστας ἀρχάς. πᾶσι γὰρ ὑπῆρχε τοῖς τρόποις τούτοις τὸ κατεργάζεσθαι ῥᾳδίως, εἰ μόνον βουληθεῖεν, διὰ τὸ δύναμιν προϋπάρχειν τοῖς μὲν βασιλικῆς ἀρχῆς τοῖς δὲ τὴν τῆς τιμῆς:

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: H. Rackham
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung:

Aristot. Pol. 5. 1310b

And this is manifest from the facts of history. For almost the greatest number of tyrants have risen, it may be said, from being demagogues, having won the people’s confidence by slandering the notables. For some tyrannies were set up in this manner when the states had already grown great, but others that came before them arose from kings departing from the ancestral customs and aiming at a more despotic rule, and others from the men elected to fill the supreme magistracies (for in old times the peoples used to appoint the popular officials and the sacred embassies for long terms of office), and others from oligarchies electing some one supreme official for the greatest magistracies. For in all these methods they had it in their power to effect their purpose easily, if only they wished, because they already possessed the power of royal rule in the one set of cases and of their honorable office in the other, […]

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Leitfragen:

1) Wovon handelt die Quellenstelle?

2) Welche Ursachen nennt Aristoteles für die Entstehung einer Tyrannis?

3) Welche Aussagen lassen sich über eine Tyrannis im Allgemeinen treffen?

Kommentar:

Nach dem Zusammenbruch der mykenischen Welt war das Königtum in Griechenland keine weit verbreitete Institution mehr. Seit der Mitte des 7. Jh. v. Chr. gelang es Usurpatoren in verschiedenen Poleis (Stadtstaaten) die Macht zu ergreifen und für eine kurze Dauer Dynastien einzurichten. Später, als sich die Demokratie in einigen Poleis als Staatsform entwickelte, bestand bei den Griechen, insbesondere den Menschen des demokratischen Athens, ein großes Interesse an dieser frühen Form der Herrschaft, was sich in der Literatur des 5. und 4. Jh. v. Chr. niederschlug. Immer wieder wurde hier nach den Gründen für die Entstehung der Tyrannenherrschaft in der archaischen Zeit gesucht. So auch bei Aristoteles, zu dessen Lebzeiten es in Griechenland schon seit Generationen keine Tyrannenherrschaft mehr gegeben hat. In seinem Werk Politik, in welchem er über den Staat, seine Verfassung und seine ökonomischen Grundlagen schreibt, thematisiert der Philosoph im fünften Buch den Wandel und den Erhalt von Verfassungen. In der oben angeführten Quellenstelle beschreibt Aristoteles dabei, auf welch unterschiedliche Weise sich eine Tyrannenherrschaft durchsetzen konnte.

Die Quellenpassage wird mit den Worten eingeleitet, dass sich die Zustände in der Geschichte zeigten. Grundsätzlich, so Aristoteles, seien alle Tyrannen dabei ursprünglich Führer des Volkes gewesen. Im Folgenden differenziert Aristoteles jedoch. So unterscheidet er systematisch zwischen unterschiedlichen Ursachen der Entstehung einer Tyrannenherrschaft. Dabei lassen sich vier verschiedene von Aristoteles genannte Ursachen aus der angeführten Quellenstelle herauslesen: So seien Männer zu Tyrannen aufgestiegen, die ursprüngliche Volksführer gewesen sind, indem sie durch die Bekämpfung von Angesehenen das Vertrauen des Volkes gewannen. Eine andere Ursache für die Entstehung einer Tyrannis sieht Aristoteles darin, dass Könige die alten Traditionen verletzt und eine Despotenherrschaft angestrebt hätten. Eine weitere Variante, sich zum Tyrannen aufzuschwingen, sei der Missbrauch eines Amtes innerhalb der Polis gewesen, dass jemand für eine lange Dauer innehatte. Eine letzte Ursache sieht Aristoteles darin, wenn einem Einzelnen innerhalb eines oligarchischen Systems die höchste Gewalt übertragen werde.

In dieser Quellenpassage erklärt Aristoteles also, auf welche Weise ein Tyrann die Macht erlangen konnte. So ist der Tyrann nach Aristoteles zumeist ein gewöhnlicher Volksführer, der das Volk vor der zuvor herrschenden Klasse schützt. Oft ist er sogar selbst Teil dieser alten Regierungsschicht. Dabei ergreift der Tyrann die Macht meist wider die Verfassung. Daraus lässt sich ein gewisses Muster in der Entwicklung einer Tyrannenherrschaft ablesen: Die Tyrannis war demnach ursprünglich eine volksverbundene Regierungsform, die sich gegen die alte Aristokratie stellte. Insofern deckten sich die Interessen des Tyrannen anfänglich mit denen des Volkes. Im Laufe der Zeit und mit steigendem Selbstvertrauen verlor der Tyrann jedoch oftmals seine Basis, zumal er außerhalb der verfassungsgemäßen Institutionen wie Volksversammlung oder Rat regierte, die es in vielen großen Poleis in Griechenland gab. Aufgrund des mangelnden Rückhaltes und etwaiger neu geschlossener Allianzen gegen ihn kam es mit der Zeit häufig zu stärker werdender Willkür und brutalerer Machtausübung durch den Tyrannen oder seinen Sohn. Dies führte wiederrum schlussendlich nicht selten zum Sturz des Tyrannen.

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Tyrtaios über das Kämpfen

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tyrtaios
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Original

οὔτ᾽ ἂν μνησαίμην οὔτ᾽ ἐν λόγῳ ἄνδρα τιθείμην
οὐδὲ ποδῶν ἀρετῆς οὔτε παλαιμοσύνης,
οὐδ᾽ εἰ Κυκλώπων μὲν ἔχοι μέγεθός τε βίην τε,
νικῴη δὲ θέων Θρηΐκιον Βορέην,
οὐδ᾽ εἰ Τιθωνοῖο φυὴν χαριέστερος εἴη,
πλουτοίη δὲ Μίδεω καὶ Κινύρεω μάλιον,
οὐδ᾽ εἰ Τανταλίδεω Πέλοπος βασιλεύτερος εἴη,
γλῶσσαν δ᾽ Ἀδρήστου μειλιχόγηρυν ἔχοι,
οὐδ᾽ εἰ πᾶσαν ἔχοι δόξαν πλὴν θούριδος ἀλκῆς:
οὐ γὰρ ἀνὴρ ἀγαθὸς γίγνεται ἐν πολέμῳ,
εἰ μὴ τετλαίη μὲν ὁρῶν φόνον αἱματόεντα
καὶ δηίων ὀρέγοιτ᾽ ἐγγύθεν ἱστάμενος.
ἥδ᾽ ἀρετή, τόδ᾽ ἄεθλον ἐν ἀνθρώποισιν ἄριστον
κάλλιστόν τε φέρειν γίγνεται ἀνδρὶ νέῳ.
ξυνὸν δ᾽ ἐσθλὸν τοῦτο πόληϊ τε παντί τε δήμῳ,
ὅστις ἂν εὖ διαβὰς ἐν προμάχοισι μένῃ
νωλεμέως, αἰσχρῆς δὲ φυγῆς ἐπὶ πάγχυ λάθηται,
ψυχὴν καὶ θυμὸν τλήμονα παρθέμενος,
θαρσύνῃ δ᾽ ἔπεσιν τὸν πλησίον ἄνδρα παρεστώς.
οὗτος ἀνὴρ ἀγαθὸς γίγνεται ἐν πολέμῳ:
αἶψα δὲ δυσμενέων ἀνδρῶν ἔτρεψε φάλαγγας
τρηχείας, σπουδῇ δ᾽ ἔσχεθε κῦμα μάχης:
[…]

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J. M. Edmonds
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

I would neither call a man to mind nor put him in my tale for prowess in the race or the wrestling, not even had he the stature and strength of a Cyclops and surpassed in swiftness the Thracian Northwind, nor were he a comelier man than Tithonus and a richer than Midas or Cinyras, nor though he were a greater king than Pelops son of Tantalus, and had Adrastus‘ suasiveness of tongue, nor yet though all fame were his save of warlike strength; for a man is not good in war if he have not endured the sight of bloody slaughter and stood nigh and reached forth to strike the foe. This is prowess, this is the noblest prize and the fairest for a lad to win in the world; a common good this both for the city and all her people, when a man standeth firm in the forefront without ceasing, and making heart and soul to abide, forgetteth foul flight altogether and hearteneth by his words him that he standeth by. Such a man is good in war; he quickly turneth the savage hosts of the enemy, and stemmeth the wave of battle with a will;

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Leitfragen:

1) Worum geht es in dem Ausschnitt dieses tyrtäischen Fragments?

2) Welche Absicht verfolgt Tyrtaios mit seinem Gedicht?

3) Was kann das Gedicht über den Zusammenhang von Hoplitenphalanx und gesellschafts-politischen Entwicklungsprozessen in Sparta sagen?

Kommentar:

Der archaische Dichter Tyrtaios, der Mitte des 7. Jh. v. Chr. in Sparta lebte und wirkte, verfasste dieses Gedicht in einer Zeit, in der sich Sparta in einem Krieg mit seinem westlichen Nachbarn Messenien befand. In diesem sogenannten Zweiten Messenischen Krieg mussten die Spartaner sich gegen die im Ersten Messenischen Krieg unterworfenen Messenier wehren, die nun einen Aufstand gegen ihre Unterdrücker initiierten. In dem obigen Fragment spricht Tyrtaios, der möglicherweise als eine Art Feldherr fungierte, zu den spartanischen Soldaten und vermittelt ihnen die für ihn wichtigen Werte im Kampf. Dabei betont der Dichter, dass ein Kämpfer nicht wegen seiner Geschicklichkeit im Ringkampf, seiner Kraft, Größe und Schnelligkeit, nicht wegen seines Reichtums oder seiner Wortgewandtheit achtenswert und erinnerungswürdig sei, sondern allein aufgrund seiner Bewährung im Gefecht. Diese zeige sich, wie Tyrtaios fortfährt zu erklären, in der Standhaftigkeit im Kampf, in dem Mut, dem Feinde ins Angesicht zu blicken und in der Bereitschaft, dem Gefährten im Kampf zur Seite zu stehen. Dadurch erlange der Soldat nicht nur den Stolz der Stadt und des Volkes, was der schönste Preis eines Jünglings sei, sondern erreiche auch die Flucht der feindlichen Truppen.

Dieses Gedicht des Tyrtaios, welches er den Soldaten möglicherweise unmittelbar vor dem Kampf vortrug, ist eines von vielen sogenannten kampfparänetischen Gedichten des Tyrtaios. Bei der Kampfparänese geht es darum, mangelnde Kampfbereitschaft aufzuheben oder bestehende Kampfbereitschaft zu verstärken. Eben dies will Tyrtaios hier mit seinen Worten erreichen: Er möchte die Soldaten auf den bevorstehenden Kampf gegen die Messenier einschwören. Dabei will er die Soldaten jedoch nicht davon überzeugen, überhaupt in den Krieg zu ziehen, sondern sie vielmehr zu einer bestimmten Verhaltensweise im Kampf motivieren. Wie oben beschrieben, geht es Tyrtaios dabei hauptsächlich darum, standhaft im Verbund der Schlachtenreihe zu bleiben. Das höchste Lob erhalten diejenigen, die als Hopliten in der Schlachtenreihe Zuverlässigkeit und Verantwortungsgefühl gegenüber ihren Mitstreitern zeigen. Bei Tyrtaios finden sich damit erstmals in Form literarischer Überlieferung wesentliche Aussagen zur Phalanxtaktik.

Auffällig ist, dass Tyrtaios in diesem Fragment klar zwischen individuellen Ambitionen im Kampf und der Nützlichkeit für die gesamte Mannschaft unterscheidet. Nicht derjenige, der adlige Vorzüglichkeitsmerkmale im Kampf aufweist, sondern derjenige, der aufopferungsvoll für die Gemeinschaft und die heimatliche Polis zu sterben bereit ist, zählt zu den wahren agathoi, den Guten. Tyrtaios bewertet hier also die Eigenschaften und das Verhalten eines Mannes nach „bürgerlichem“ Maßstab und seinem Nutzen für die Polis. Dieses Gedankengut muss aus dem gesellschaftlichen Umfeld, in welchem sich Tyrtaios Mitte des 7. Jh. v. Chr. in Sparta befand, erwachsen sein. Dabei steht offenbar nicht mehr die Ehre des einzelnen Helden im Zentrum, wie vielfach noch bei Homer, sondern das Individuum als fester Bestandteil der Polisgemeinschaft. In dem tyrtäischen Fragment wird damit der gesellschafts- und geistesgeschichtliche Umbruch widergespiegelt, der sich im archaischen Griechenland im 7. Jh. v. Chr. vollzog: Durch die Entwicklung eines aus Polisbürgern zusammengesetzten Hoplitenheeres in Phalanxformation erfuhr der einzelne Hoplit eine neue Bedeutung. Jeder einzelne Soldat der Phalanx war nun tragendes Element des Bürgerheeres, weil innerhalb dieser neuen Kampfformation alle aufeinander angewiesen waren. Dadurch stieg die Bedeutung des einzelnen Hopliten auch in gesellschaftlicher Hinsicht, während die der adligen Heerführer sank. Aus der militärischen Gleichheit erwuchs damit eine politische Gleichheit. Gleichzeitig entwickelte sich ein neues ethisches Prinzip, das in der Pflicht des Einzelnen gegenüber dem Staat bestand. Die neue Kampfesweise führte also zu einer Neuerung in der sozialen Ethik sowie im politischen System, weswegen die Polisentwicklung häufig mit der gleichzeitigen Entwicklung der Hoplitenphalanx in Verbindung gebracht wird. In der Forschung wird dieser Zusammenhang jedoch nach wie vor kontrovers diskutiert und sicherlich muss insgesamt von einer heterogenen Entwicklung ausgegangen werden, bei welcher zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Erneuerungsprozesse in Gang gesetzt wurden. Nichtsdestoweniger greifen wir in den Versen des Tyrtaios durch die Betonung der Wichtigkeit des einzelnen Hopliten im Gesamtverbund erstmals eine neue Vorstellung von Polisgemeinschaft.

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Thukydides über die Phalanx

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Thukydides
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Thuk. 5, 71, 1 – Original

τὰ στρατόπεδα ποιεῖ μὲν καὶ ἅπαντα τοῦτο: ἐπὶ τὰ δεξιὰ κέρατα αὐτῶν ἐν ταῖς ξυνόδοις μᾶλλον ἐξωθεῖται, καὶ περιίσχουσι κατὰ τὸ τῶν ἐναντίων εὐώνυμον ἀμφότεροι τῷ δεξιῷ, διὰ τὸ φοβουμένους προσστέλλειν τὰ γυμνὰ ἕκαστον ὡς μάλιστα τῇ τοῦ ἐν δεξιᾷ παρατεταγμένου ἀσπίδι καὶ νομίζειν τὴν πυκνότητα τῆς ξυγκλῄσεως εὐσκεπαστότατον εἶναι: καὶ ἡγεῖται μὲν τῆς αἰτίας ταύτης ὁ πρωτοστάτης τοῦ δεξιοῦ κέρως, προθυμούμενος ἐξαλλάσσειν αἰεὶ τῶν ἐναντίων τὴν ἑαυτοῦ γύμνωσιν, ἕπονται δὲ διὰ τὸν αὐτὸν φόβον καὶ οἱ ἄλλοι.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Übersetzung: J. M. Dent
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Übersetzung

All armies are alike in this: on going into action they get forced out rather on their right wing, and one and the other overlap with this their adversary’s left; because fear makes each man do his best to shelter his unarmed side with the shield of the man next him on the right, thinking that the closer the shields are locked together the better will he be protected. The man primarily responsible for this is the first upon the right wing, who is always striving to withdraw from the enemy his unarmed side; and the same apprehension makes the rest follow him.

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Leitfragen:

1) Worum geht es in dieser Quellenstelle?

2) Welche Besonderheiten fallen bei der Beschreibung der Phalanxformation auf?

3) Welche Rückschlüsse können im Allgemeinen über die Phalanx gezogen werden?

Kommentar:

Der attische Historiker Thukydides beschreibt in dieser Quellenstelle eine Szene aus der Schlacht bei Mantinea, die 418 v. Chr. stattfand. Diese Schlacht war eine der Schlachten im Peloponnesischen Krieg, bei welcher die Großmacht Sparta auf verbündete Truppen aus Argos, Mantinea und Athen traf. Thukydides berichtet darüber, wie beide Heere bei Mantinea aufeinanderstießen und es zur größten offenen Feldschlacht des Peloponnesischen Krieges kam. In der hier angeführten Quellenstelle beschreibt der Historiker die spartanische Heeresaufstellung, wobei er lediglich die Vorgänge in der ersten Schlachtenreihe darstellt. Durch seine objektive Erzählweise suggeriert Thukydides dabei eine gewisse Authentizität, was ihm, wie er in dem dem Werk vorangestellten Methodenkapitel erklärt, besonders wichtig gewesen ist. So stellt er dar, wie allen Heeren in der Phalanxtaktik das Gleiche widerfahre: Der rechte Flügel des Heeres schwenke beim Aufeinandertreffen weit aus, sodass die Linke des Gegners mit der eigenen Rechten überflügelt werde. Dies passiere, da jeder einzelne Hoplit Schutz hinter dem Schild des rechten Nebenmannes suche, in der Annahme, in diesem dichten Zusammenschluss am besten geschützt zu sein. Dadurch bleibe die rechte Seite des vordersten rechten Flügelmannes ungeschützt, sodass dieser bestrebt sei, mit der eigenen ungeschützten rechten Seite über den Gegner hinauszukommen. Ihm würden aus der gleichen Angst heraus die Anderen folgen.

Durch Thukydidesʼ Bericht erhalten wir an dieser Stelle eine der ausführlichsten Beschreibungen einer Phalanxformation. So erfahren wir etwa, dass der Schild des Hopliten ein entscheidenden Teil der Hoplitenausrüstung, die daneben aus Beinschienen, einem Brustharnisch (-panzer), einem Helm sowie einer Lanze und einem kurzen Schwert für den Nahkampf bestand, war. Der Schild war normalerweise aus Holz gefertigt und wurde mit dem Unterarm in einer Schlaufe in der Schildmitte (dem sogenannten Schildband) getragen. Der Schild spielte vor allem deswegen eine wichtige Rolle, da der Hoplit mit ihm, wie Thukydides anschaulich beschreibt, seinen linken Nebenmann abschirmte. Jeder einzelne Schild eines Hopliten ragte dabei offenbar so weit nach links, dass die ungeschützte rechte Seite des Nachbarmannes gedeckt wurde. In dieser dichten Formation waren die einzelnen Hopliten gut geschützt. Die so entstandene Kampfaufstellung glich dabei den Nachteil der durch die Ausrüstung gegebenen geringen Beweglichkeit aus. Andrerseits entstand aufgrund des Abschirmens des linken Nebenmannes auch der (so erstmals von Thukydides beschriebene) Rechtsdrall der Phalanx, denn der äußerste rechte Phalangit versuchte, seine ungeschützte rechte Seite über den Gegner hinauszubringen, was den Rest der Reihe nach sich zog, da jeder Hoplit so eng wie möglich hinter den Schild des rechten Nebenmannes drängte.

An der Beschreibung der Phalanxtaktik durch Thukydides wird ersichtlich, auf welche Weise ein Angriff in Phalanxformation vonstattenging: Attackiert wurde vom rechten Flügel, der die linke Seite des Gegners zu überflügeln und den Rest der Armee aufzurollen versuchte. Auf diese Weise besiegten die Spartaner in der Schlacht von Mantinea ihre Gegner. Die bei Thukydides beschriebene Phalanxformation zeigt zudem, dass eine solche Formation für unebenes Gelände kaum geeignet war. Die meisten Schlachten in Hoplitenformation wurden daher in Ebenen geschlagen. Zudem zeigt sich an Thukydidesʼ Bericht, wie sehr die Soldaten innerhalb der Phalanx aufeinander angewiesen waren. Ein Ausbruch aus der Phalanx nach vorne oder hinten hätte den Zusammenhalt und die Geschlossenheit des Heeres bedroht. Dies zeigt, dass Ordnung, Disziplin und kontrollierter Mut die wesentlichen Tugenden eines Hopliten sein mussten. Diese Ideale werden schon in der Kriegslyrik des Spartaners Tyrtaios (7. Jh. v. Chr.) besungen oder zeigen sich an der Darstellung der sogenannten Chigi-Kanne (um 650 v. Chr.).

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Sehen Sie zu diesem Beitrag auch die Kommentare zur Chigi-Kanne und zum aristokratischen Machtkampf.

Die Chigi-Kanne


Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Agnes von der Decken
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Die Chigi-Kanne

Leitfragen

1) Was ist die „Chigi-Kanne“?

2) Was kann uns die Phalanx-Darstellung auf der Chigi-Kanne sagen?

3) Welche Botschaft transportiert die Phalanx-Darstellung auf der Chigi-Kanne?

Kommentar:

Die sogenannte Chigi-Kanne stammt von einem korinthischen Maler und kann nach stilistischen Gesichtspunkten auf etwa 650 v. Chr. datiert werden. Die Kanne wurde in der etruskischen Stadt Veji gefunden, ein genauerer Fundkontext ist aber nicht bekannt. Die 26,2 cm hohe Weinkanne (Olpe) im protokorinthischen Stil, die heute in der Villa Giulia in Rom ausgestellt ist, ist in drei bebilderte Zonen unterteilt. Der Maler der Chigi-Kanne wollte offenbar eine Geschichte illustrieren. Für eine Gesamtinterpretation der Kanne, die hier nicht geleistet werden kann, müssen alle Darstellungen auf der Kanne, wenn möglich, in Zusammenhang gebracht werden. Die oberste Zone besteht aus einem einzigen, lediglich durch den Henkel unterbrochenen Fries und zeigt zwei gegeneinander anrückende Schlachtreihen. Die mittlere Zone, das Bauchfries, zeigt das Parisurteil, einen Reiterzug mit Wagen, eine Doppelsphinx und eine Löwenjagd. Auf der schmalen untersten Zone ist eine Hasen- und Fuchsjagd abgebildet. Die Kanne könnte im griechischen Symposion Verwendung gefunden haben. Die Bilder sprachen vornehmlich Aristokraten an, da sie die aristokratische Lebensweise und Gedankenwelt widerspiegeln. Dafür spricht auch die sorgfältige Arbeit der Kanne. Die Chigi-Kanne ist eine der am reichsten und feinsten bemalten Exemplare ihrer Art. Besonders ist dabei auch ihr polychromer Charakter: Der Tongrund ist elfenbeinfarben, darüber finden sich die Farben Purpur, Weiß, Gelb, Braun und Glanzton. Besonderes Augenmerk soll hier auf das oben abgebildete Schulterfries der obersten Zone der Kanne geworfen werden, auf welchem zwei Armeen dargestellt sind, die in engen Reihen gegeneinander marschieren. Vom Henkel aus gegen den Uhrzeigersinn betrachtet, sind zwei sich rüstende Kämpfer zu erkennen. Links daneben marschieren sieben Kämpfer mit geschulterten Speeren in dichter Formation. Dahinter ist ein schwarzgekleideter Flötenspieler, ein Aulet, zu erkennen, der die marschierenden Soldaten im Gleichschritt hält. Er wirft seinen Kopf in den Nacken und bläst einen Doppelaulos, eine Oboenart. In der Mitte des Frieses begegnen sich zwei Formationen (etwa vier bis fünf Kämpfer). Die Soldaten in den vordersten Reihen treffen bereits aufeinander und kreuzen ihre Speere. Die Schilde der von links anrückenden Soldaten sind von innen zu sehen, die der Gegner von außen. Diese Schilde sind reich verziert. Hinter der rechten Formation rücken weitere Krieger nach. Die Rüstung der Kämpfer besteht aus Helmen, Panzern und Beinschienen sowie Speeren und Rundschilden. Der Künstler hat also zeitlich verschiedene Vorgänge in einem Bild vereinigt. Wichtig war es ihm dabei wohl, die dichte Formation der Kämpfer darzustellen, da es keine Kampfszene gibt, in welcher diese Formation aufgelöst gewesen wäre.

Die Rüstung der Soldaten und ihre Formation zeigen eindeutig, dass es sich bei den Dargestellten um Hopliten (Schwerbewaffnete) handelt, die in der Phalanx (Schlachtreihe) aneinanderrücken. Neben ihrem besonderen ästhetischen Wert ist die Chigi- Kanne vor allem wegen dieser Phalanx-Darstellung von großer Bedeutung, denn hier ist die älteste bekannte Darstellung einer Hoplitenphalanx zu sehen. Die Chigi-Kanne ist damit eines der wichtigsten nichtschriftlichen Quellenzeugnisse im Zusammenhang mit der Erforschung der Hoplitenphalanx. Die Hoplitenphalanx war zwar schon in Ansätzen bei Homer bekannt, wurde jedoch erst später (besonders in Sparta) taktisch verbessert. Der Erfolg der Phalanx lag dabei im Zusammenhalt der Schlachtenreihen während des Aufmarsches und im Kampf, wobei die Feinde durch die Wucht des Zusammenpralles zurückgedrängt und in die Flucht geschlagen werden sollten. Wahrscheinlich greifen wir bei der Darstellung auf der Vase noch eine Frühform der Phalanx, bei welcher die Kriegsreihen noch nicht so eng geschlossen sind, wie es später der Fall war. Dies könnte jedoch auch auf den Versuch des Künstlers zurückgehen, die Reihen der Phalanx und die Verzierung der Schilde bildlich darzustellen. Interessant sind darüber hinaus eben jene verzierten Schilde der Kämpfer. Hierbei kann es sich um Embleme zur Identifizierung und Hervorhebung der durch die Rüstung anonymisierten Träger handeln. Dies könnte aufzeigen, dass in dem hier repräsentierten Frühstadium der Phalanx vorrangig Aristokraten kämpften. Auch wenn die Vasendarstellung der Hoplitenphalanx also vermutlich nicht identisch ist mit späteren antiken literarischen Beschreibungen einer Phalanx, werden die wesentlichen Elemente der Phalanx von dem Vasenmaler aufgegriffen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Phalanx zum Zeitpunkt der Herstellung der Vase, also spätestens 650 v. Chr., in Griechenland schon eingeführt war und die Betrachter der Vase insofern die Darstellung verstehen konnten.

Die Chigi-Kanne gibt dem modernen Betrachter damit einen Einblick in die antike griechische Militärorganisation zur Zeit der Herstellung der Vase. Vielleicht hatte der Vasenmaler einen bestimmten, eben geführten Krieg vor Augen, schließlich lassen sich zwei gegnerischen Parteien der Schlachtenreihen erkennen. Jedoch ist völlig unklar, wer hier abgebildet ist. Auch zusätzliche Informationen, wie sie durch die Darstellung von Landschaften gegeben werden könnten, fehlen auf der Kanne. Wir können heute also (und wahrscheinlich konnte man es ebenso wenig in der Antike) auf Grundlage der Darstellung auf der Vase nicht mehr sagen, als dass hier Hopliten gegen Hopliten kämpfen. Dies ist typisch für die Darstellung von Schlachtenreihen auf Vasen. Selten sind diese individuell oder geben Auskunft über eine bestimmte historische Szene. Insofern ist die Chigi-Kanne ein Beispiel für die Darstellung eines im Wesentlichen sich wiederholenden Geschehens. Die Botschaft der Darstellung auf der Chigi-Kanne liegt daher vermutlich vielmehr im Aufzeigen der Prinzipien einer guten Phalanx: Eine dichte Formation, Gleichschritt und Gleichklang (wie der Flötenbläser zeigt), Zusammenhalt im Kampf und Disziplin.

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