Christenverfolgung in Palästina

Originalquelle

 

Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Andreas Bigelmair
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Übersetzung

[3] Im Verlauf des zweiten Jahres entbrannte der Kampf gegen uns noch furchtbarer. Zu der Zeit, da Urbanus Statthalter der Provinz (Palästina) war, erging nämlich zum ersten Male ein Schreiben der Kaiser, das den allgemein verpflichtenden Befehl enthielt: allenthalben haben alle Einwohner den Götterbildern Opfer und Trankspenden zu entrichten. Damals legte Timotheus in Gaza, einer Stadt in Palästina, durch seine Ausdauer in allen Leiden eine glänzende Probe von der Echtheit seines Glaubens an Gott ab und erlangte die Krone der Sieger in den heiligen Kämpfen für die Religion: nach zahllosen Folterqualen, die er erdulden mußte, wurde er einem kleinen und langsam brennenden Feuer übergeben. Gleichzeitig mit ihm bewährten auch Agapius und unsere Zeitgenossin Thekla edelste Standhaftigkeit: sie wurden verurteilt, den wilden Tieren zum Fraße vorgeworfen zu werden. Doch wen hätte nicht Staunen erfaßt, wenn er mit ansah, was weiter geschah, wen hätte es nicht bis in die Seele hinein ergriffen, wenn er auch nur davon gehört? Als nämlich die Heiden ein Volksfest und die dabei üblichen Schauspiele feierten, sprach man vielfach davon, daß außer denen, die sonst schon vor ihnen zu kämpfen hatten, auch die jüngst zu den wilden Tieren Verurteilten zum Kampf erscheinen würden. Als das Gerücht hiervon sich immer weiter verbreitete und mehr und mehr zu allen drang, banden sich sechs Jünglinge, um ihre völlige Bereitwilligkeit zum Martyrium auszurücken, selbst die Hände, traten in raschem Schritte vor Urbanus, der eben gehen wollte und bekannten sich vor ihm als Christen. Ihr Aufnehmen eines Kampfes mit allen Schrecknisse zeigte es, daß diejenigen, welche sich des Glaubens an den Gott des Alls rühmen dürfen, auch vor den Angriffen von wilden Tieren kein Bangen empfinden. Der eine von ihnen hieß Timolaus und stammte aus dem Pontus, der zweite, aus Tripolis in Phönizien gebürtig, nannte sich Dionysius, der dritte von ihnen, mit Namen Romulus, war Subdiakon der Kirche in Diospolis; dazu kamen zwei Ägypter, Paesis und Alexander, und ein mit dem letzteren gleichnamiger Alexander von Gaza. Nicht gering war das Erstaunen, in das sie den Statthalter und seine Umgebung versetzten. Sofort wurden sie in das Gefängnis gebracht. Nachdem wenige Tage später ihnen zwei andere zugestellt worden waren – der eine, ebenfalls mit dem Namen Agapius, hatte schon vor ihnen ob seines wiederholten früheren Bekenntnisses schreckliche und mannigfache Foltern zu überstehen gehabt, der andere, der auch den Namen Dionysius trug, hatte ihnen das zum Lebensunterhalt nötige gebracht – , wurden alle, jetzt acht an der Zahl, an einem Tage in Cäsarea enthauptet, am vierundzwanzigsten Tage des Monats Dystrus, das ist am neunten Tage vor den Aprilkalenden.
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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Euseb. De. Mart. Palaest. 3,1

Leitfragen:

1) Wie ist der Ablauf der Verfolgung in Palästina hier geschildert?

2) Welche Botschaft möchte der Autor mit diesem Bericht übermitteln?

3) Welche Rückschlüsse lässt die Quelle auf die Erfolgsaussichten der Verfolgung zu?

Kommentar:

Eusebius von Cäsarea war ein Schriftsteller um die Wende vom dritten zum vierten Jahrhundert n. Chr., seine Kirchengeschichte ist eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte der Spätantike, besonders des Christentums. In diesem Abschnitt berichtet er von den Verfolgungen unter Diokletian, deren Zeitzeuge er selbst war.

Ebenso wie in den anderen Teilen des Reiches wurde das Opfergebot Diokletians auch in Palästina umgesetzt. Hier war das Christentum besonders stark, da es dort schließlich auch entstanden war. Wie vom Kaiser befohlen, ordnete der Statthalter an, dass alle Bürger opfern sollten. Die Christen, die sich aus Glaubensgründen weigerten, wurden verhaftet und zum Tode verurteilt. Dabei wichen viele, so berichtet Eusebius, nicht einmal unter Folter von ihrem Glauben ab, sondern gingen bereitwillig in den Tod. Diese sogenannten „Zeugen“ (martyroi – Märtyrer) wurden für die Kirche später zu Helden. Eusebius berichtet uns hier von Szenen, in denen die Christen so demonstrativ todesverachtend auftraten, dass der Statthalter sie nicht im Circus hinrichten, sondern nach weiteren Tagen im Gefängnis enthaupten ließ. Da es Eusebius auch darum ging, das Andenken an das Vorbild der Märtyrer hochzuhalten, nennt er viele von ihnen hier namentlich.

Die Botschaft des Autors ist deutlich aus dem Text zu sehen. Die Verfolger, in diesem Fall der Statthalter, schrecken vor keiner Brutalität zurück, um die Christen entweder zum Opfer zu zwingen, oder hinzurichten. Die Christen jedoch, so Eusebius‘ Botschaft, wehrten sich standhaft, indem sie für ihren Glauben bereitwillig in den Tod gingen, so qualvoll er auch sein mochte. Diese Opferbereitschaft trug sicherlich einen großen Teil dazu bei, dass die Verfolgungen nur wenige Jahre später von Galerius als offensichtlich aussichtslos eingestellt wurden. Allerdings ist zu erwähnen, dass nicht alle Christen sich so verhielten, wie es Eusebius hier suggeriert. Viele brachen mit ihrem Glauben und opferten, wie es verlangt wurde, um der Folter zu entgehen und ihr Leben zu retten. Der Umgang mit diesen „Gestrauchelten“ (lapsi) war später für die Kirche kein geringes Problem.

Aus der Quelle lässt sich denn auch einiges auf die Erfolgsaussichten der Verfolgungen schließen. Zuerst einmal ist die große Zahl offensichtlich, die die Christen inzwischen darstellten. Eine derartig brutale Behandlung so großer Teile der Bevölkerung hätte womöglich früher oder später auch zu Aufständen geführt, trotz der hier so eindrücklich demonstrierten Gewaltfreiheit der Märtyrer. Gleichzeitig sind diese Märtyrer auch das eigentliche Problem für die Verfolger. Wenn die Christen nicht vor der Hinrichtung zurückschrecken und sich sogar absichtlich aneinander fesseln, um ihre Opferbereitschaft auszudrücken, kann der Statthalter so viele hinrichten wie er will: Er hat den Kampf auf der moralischen und massenpsychologischen Ebene schon verloren. Seine Reaktion zeigt, dass er dies begriffen hatte. Anstatt den Märtyrern im Circus eine Bühne zu bieten, lässt er sie Tage später enthaupten, damit sie sich nicht in derart performativer Art und Weise für ihren Glauben würden opfern können.

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Podcast-Hinweise
Sehen Sie zu dieser Quelle auch den Podcast „Religiöse Strukturen, Die Entwicklung des Christentums“. Um einen breiteren Einblick in die Spätantike zu erhalten, sehen Sie auch die Podcastreihe „Römische Geschichte III – Spätantike“.
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Siehe zur Christenverfolgung auch den anderen Bericht des Eusebius, den des Laktanz und zu den frühen Verfolgungen den des Tacitus. Zum Toleranzedikt siehe die entsprechende Stelle.

Laktanz zur Tetrarchie

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Autor_in: Lactanz
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Lact. De mort. pers. 7,2 – Original:

[7] Diocletianus, qui scelerum inventor et malorum machinator fuit, cum disperderet omnia, ne a deo quidem manus potuit abstinere. Hic orbem terrae simul et avaritia et timiditate subuerit. Tres enim particeps regni sui fecit in quattuor partes orbe diviso et multiplicatis exercitibus, cum singuli eorum longe maiorem numerum militum habere contenderent, quam priores principes habuerant, cum soli rem publicam gererent. Adeo maior esse coeperat numerus accipientium quam dantium, ut enormitate indictionum consumptis viribus colonorum desererentur agri et culturae verterentur in silvam. Et ut omnia terrore conplerentur, provinciae quoque in frustra concisae: multi praesides et plura officia singulis regionibus ac paene iam civitatibus incubare, item rationales multi et magistri et vicarii praefectorum, quibus omnibus civiles actus admodum rari, sed condemnationes tantum et proscriptiones frequentes, exactiones rerum innumerabilium non dicam crebrae, sed perpetuae, et in exactionibus iniuriae non ferendae. Haec quoque tolerari non possunt quae ad exhibendos milites spectant. Idem insatiabili avaritia thesauros numquam minui volebat, sed semper extraordinarias opes ac largitiones congerebat, ut ea quae recondebat, integra atque inviolata servaret. Idem cum variis iniquitatibus inmensam faceret cupiditatem, legem pretiis rerum venalium statuere conatus est. Tunc ob exigua et vilia multus sanguis effusus, nec venale quicquam metu apparebat et caritas multo deterius exarsit, noc lex necessitate ipsa post multorum exitium solveretur. Huc accedebat infinita quaedam cupiditas aedificandi, non minor provinciarum exactio in exhibendis operariis et artificibus et plaustris omnibusque quaecumque sint fabricandis operibus necessaria. Hic basilicae, hic circus, hic moneta, hic armorum fabrica, hic uxori domus, hic filiae.

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Übersetzung: Aloys Hartl
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Übersetzung

[7] Diokletian, groß in Erfindung von Verbrechen und im Anstiften von Unheil, konnte bei dem allgemeinen Verderben, das er verbreitete, auch von Gott die Hand nicht zurückhalten. Zwei Eigenschaften wirkten bei ihm zusammen, um den Erdkreis zu verderben: seine Habsucht und seine Furchtsamkeit. Er teilte das gesamte Reich in vier Teile und nahm drei Mitregenten an. Die Heere wurden vervielfältigt; jeder trachtete danach, eine weit größere Anzahl Soldaten zu besitzen, als die früheren Herrscher zur Zeit der Alleinherrschaft gehabt hatten. So ser stieg allmählich die Zahl der Empfänger über die Zahl der Geber, daß bei der Maßlosigkeit der Auflagen die Kräfte der Landsleute sich erschöpften, die Ländereien verlassen wurden und die Saatfelder sich in Wald verwandelten. Und um alles mit Schrecken zu erfüllen, wurden auch die Provinzen in Stücke geteilt. Statthalter in Menge mit zahlreichen Unterbeamten übten den Druck ihrer Herrschaft aus über jedes Gebiet und fast schon über jede Stadt. Dazu kam noch eine Menge von Schatzmeistern, Verwaltungsbeamten, Unterbefehlshabern, und bei all diesen gab es gar selten Verhandlungen in bürgerlichen Rechtssachenm sondern nur Verurteilungen und Gütereinziehungen. Die Einforderungen unzähliger Dinge kehrten nicht bloß häufig wieder, sondern dauerten immerfort, und bei der Einhebung kam es zu unerträglichen Ungerechtigkeiten. Doch das hätte man noch ertragen können, was zum Unterhalt der Soldaten notwendig ist. Aber Diokletian wollte zugleich in unersättlicher Habsucht seine Schatzammern nie vermindert sehen, sondern unaufhörlich raffte er auf außerordentlichem Wege Schätze und Gaben zusammen, um das, was er hinterlegt hatte, unversehrt und ungeschmälert zu bewahren. Durch mannigfaltige Ungerechtigkeiten hatte er eine ungeheure Teuerung hervorgerufen, und nun unternahm er es, den Preis der Lebensmittel durch Gesetz zu bestimmen. Jetzt kam es wegen geringfügiger und unbedeutender Dinge zu vielem Blutvergießen. Aus Furcht brachte man nichts Verkäufliches mehr auf den Markt, und die Teuerung nahm in weit schlimmerem Grade zu, bis die Notwendigkeit selbst das Gesetz nach dem Untergange wieder außer Gebrauch setzte. Zur Habsucht gesellte sich eine grenzenlose Baulust und eine nicht minder schrankenlose Ausplünderung der Provinzen, von denen Werkleute, Künstler, Lastwagen und alle Erfordernisse zur Herstellung der Bauten zu liefern waren. Hier gab es Gerichtshallen zu errichten, hier eine Rennbahn, hier eine Münzstätte, hier eine Waffenwerkstätte, hier ein Haus für die Gemahlin, hier eines für die Tochter.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Lact. De mort. pers. 7,2

Leitfragen:

1) Welche konkreten Anordnungen Diokletians werden von Laktanz beschrieben?

2) Welche Meinung hat der Autor nach dieser Quelle von Diokletian?

3) Wie sind Diokletians Handlungen zu beurteilen?

Kommentar:

Lactantius ist einer der wichtigsten christlichen Schriftsteller des dritten und vierten Jahrhunderts. Er erlebte die Christenverfolgungen am eigenen Leib mit und wurde um 315 Hoflehrer für Crispus, den Sohn des Kaisers Konstantin. In dieser Stelle aus seiner Schrift De mortibus persecutorum („Über die Todesarten der Verfolger“) berichtet er über Maßnahmen Diokletians.

Nach dem Bericht des Laktanz teilte Diokletian die Herrschaft des Reiches auf mehrere Personen auf, insgesamt vier, ein System, das wir Tetrarchie nennen. Das Heer wurde bedeutend vergrößert und die Anzahl der Provinzen durch ihre Verkleinerung vervielfacht. Ferner vermehrte Diokletian das Verwaltungspersonal, begann eine große Bautätigkeit und versuchte sogar, die im Reich herrschende Inflation zu bekämpfen.

Die Stellung des Laktanz zum Kaiser ist dabei eindeutig negativ. Nur aus Herrschsucht habe Diokletian so gehandelt, sein Preisedikt habe zu Unruhen geführt, er plünderte die Provinzen aus und unterjochte jeden einzelnen Untertanen mit seinen zahllosen Beamten, damit er seine Schatzkammern füllen und sich große Prachtbauten errichten konnte. Da Diokletian auch eine Christenverfolgung angeordnet hatte, ist die negative Haltung Laktanz‘ verständlich, die Forschung jedoch kommt in Bezug auf Diokletian zu anderen Urteilen.

Diokletian war der Kaiser, der am Ende der sogenannten Reichskrise des 3. Jhs. die Herrschaft übernahm. Er war mittels Gewalt an die Macht gekommen, wie viele seiner kurzlebigen Vorgänger. Da sich offenbar das Reich nicht mehr von einem Mann beherrschen ließ, bestellte er drei Mitkaiser; zu viert sollte man alle Teile des Reiches verwalten können. Ein starkes Militär wurde benötigt, um die Einfälle von Germanen zu bekämpfen und die Parther in Schach zu halten. Diokletian war jedoch bewusst, dass aus dem Heer zahllose Usurpatoren gegen ihre jeweiligen Kaiser aufgestanden waren. Um ein solches Szenario zu verhindern, wurden die Provinzen und damit die Militärkommandos verkleinert, sodass kein einzelner General oder Statthalter mehr die Macht hätte, sich mit Erfolgsaussichten zum Kaiser auszurufen. Diokletian hatte auch erkannt, dass eine Verdichtung der Staatsverwaltung notwendig war, um die Kontrolle zu behalten, also führte er viele neue Beamte ein. Zwar sind unter seinen Bauten auch Paläste, aber selbst Laktanz kommt nicht umhin zu erwähnen, dass viele dieser Bauten durchaus dem Reich dienten, wie Münzstätten und Gerichte. Und obgleich das Höchstpreisedikt zur Bekämpfung der Inflation am Ende wirkungslos war und auch andere Maßnahmen nicht so griffen, wie Diokletian es beabsichtigt hatte, muss man aus heutiger Perspektive sagen, dass Diokletian es mit seinen Reformen bewerkstelligte, die Dauerkrise des Reiches zumindest für kurze Zeit zu beenden.

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Podcast-Hinweise
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Sehen Sie auch den entsprechenden Beitrag zum Höchstpreisedikt und zu den Christenverfolgungen die jeweiligen Beiträge Christenverfolgung I und Christenverfolgung II.

Plotins Philosophie

Origninalquelle

 

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Übersetzung: Hermann Friedrich Müller
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Übersetzung

[3,4,2] Und von dieser Seele gilt hauptsächlich der Ausspruch: „alles was Seele ist, waltet über das Unbeseelte“; von den Einzelseelen gilt er in verschiedener Weise. „Sie durchwandert den ganzen Himmel bald in dieser, bald in jener Form“ d.h. entweder im empfindenden oder denkenden oder in der bloß vegetativen Form. Denn der herrschende Theil derselben thut das ihm Zukümmliche, die anderen Theile sind unthätig, denn sie sind ausserhalb. Im Menschen aber herrscht nicht das Schlechtere, sondern es ist zugleich mit vorhanden, freilich auch nicht stets das Bessere, sondern auch das Andere nimmt einen gewissen Raum ein. Deshalb [sind auch die Menschen nicht bloss denkende, sondern] auch empfindende Wesen. Sie haben ja auch Organe der Empfindung; auch erinnert vieles in ihnen an die Pflanzen, denn der Körper wächst und erzeugt. Alle Theile wirken also zusammen, nach dem Bessern aber wird die ganze Form als Mensch bezeichnet. Wenn nun die Seele den Körper verlässt, so wird sie das was sie in überwiegendem Maasse war. Deshalb muss man zu dem Höheren seine Zuflucht nehmen, um nicht zur sensitiven Seele zu werden, indem man den Bildern der sinnlichen Wahrnehmung folgt, noch zur vegetativen, indem man dem Zeugungstriebe und der sinnlichen Begier nach Speise folgt, sondern hinan zum Intellektuellen, zum Geist, zu Gott. Diejenigen welche den Menschen bewahrt haben, werden wieder Menschen; die welche bloss in sinnlicher Empfindung gelebt haben, Thiere. War ihre sinnliche Empfindung mit Zorn gepaart, werden sie wilde Thiere, und der hierbei stattfindende Unterschied bedingt den Unterschied dieser Thiere; war sie von Begierde begleitet, von sinnlicher Lust am Begehren, so werden sie die unmässigen und gefrässigen Thiere. Bildete aber nicht einmal die Empfindung im Verein mit diesen Trieben den Grund ihres Lebens, sondern gesellte sich Trägheit der Empfindung hinzu, so werden sie gar Pflanzen; denn dieser vegetative Theil war bei ihnen allein oder doch vorwiegend thätig, ihre Sorge war darauf gerichtet, Bäume zu werden. Diejenigen welche die Musik liebten, im übrigen aber lauter waren, lässt Plato zu Singvögeln werden; die welche als Könige unvernünftig regierten, zu Adlern, wenn nicht andereweitige Schlechtigkeit ihnen anhaftet; die welche sich mit ihren Gedanken in die Lüfte versteigen und sich ohne vernünftige Einsicht stets zum Himmel erheben, zu hochfliegenden Vögeln. Wer die bürgerliche Tugend besitzt, wird Mensch; wer sie aber in ungenügendem Grade besitzt, wird ein geselliges Thier, eine Biene oder dergleichen.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Plot. Enn. 3,4,2

Leitfragen:

1) Wie vollzieht sich nach Plotin der Abstieg der Seele?

2) Auf welcher Philosophie beruht Plotins Denkmodell?

3) In welchem Verhältnis steht diese Philosophie zu anderen religiös-philosophischen Phänomenen der Spätantike?

Kommentar:

Plotin, ein griechischer Philosoph des 3. Jahrhunderts n. Chr., kam wahrscheinlich aus Ägypten. Er gilt allgemein als einer der ersten und wichtigsten Vertreter des sogenannten Neuplatonismus, einer in der Spätantike sehr wichtigen philosophischen Strömung, die auf der Auslegung von Platons Werken beruht.

In diesem Abschnitt seiner Enneaden beschreibt Plotin, wie sich der Abstieg der Seele vollzieht. Nach ihm war die Seele Teil eines Kreislaufes von Wiedergeburten, an deren Ende idealerweise die Einheit mit Gott, dem reinen Intellekt, steht oder aber der Abstieg zu einem niederen Lebewesen, wie Tieren oder Pflanzen. Plotin sieht die Ursache der jeweiligen Wiedergeburt im Verhalten der Seele im vorhergehenden Leben. Stets seien alle drei Aspekte der Seele (intellektueller, sinnlicher und vegetativer) vorhanden. Wenn ein Mensch im Wesentlichen nach dem Intellekt gelebt habe, so werde er als Mensch wiedergeboren. Sollte er sich den Sinnen und der sinnlich wahrnehmbaren Welt verschrieben haben, so wird er als Tier wiedergeboren, jeweils passend zu den Emotionen, denen er am meisten verschrieben war. Wenn ein Mensch aber nur auf Fortpflanzung und damit die vegetative Funktion der Seele gezielt habe, so werde er nach Plotin gar als Pflanze wiedergeboren.

Dieses Denkmodell beruht eindeutig auf Platons Theorie der Seelenwanderung und der Ideenlehre. Letztere besagt, dass wir, dies entstammt dem Höhlengleichnis, nur Abbilder der Wirklichkeit mit unseren Sinnen wahrnehmen; lediglich der reine Intellekt könne das Wahre erkennen. Die Seelenwanderungslehre Platons beinhaltet ebenfalls diesen Kreislauf, allerdings ist er in der Politeia noch nicht so ausführlich dargestellt wie bei Plotin.

Der Neuplatonismus fügt sich in eine ganze Reihe religiös-philosophischer Strömungen der Spätantike. Denn die Idee der Seelenwanderung und des Ab- und Aufstiegs von Seelen ist nicht weit entfernt von den Gedanken der Gnostiker oder auch der christlichen Idee der fleischlichen Auferstehung, sowie der Vorstellung von Himmel und Hölle. In der christlichen Vorstellung führt ein sündhaftes Leben in die Hölle, ein tugendhaftes in den Himmel – im Neuplatonismus führen die Triebe zur Wiedergeburt als Tier, der Intellekt zur Erlösung durch Aufstieg. Erlösungsreligionen und -philosophien hatten in der Spätantike geradezu Hochkonjunktur, und der Neuplatonismus fügt sich gut in die anderen Theorien und Glaubensrichtungen ein.

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Vergleiche zur Religion in der Spätantike auch die Sol-Invictus-Münze oder den Bericht zum Konzil von Nicäa.

Christenverfolung unter Nero

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Autor_in: Tacitus
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Tac. Ann. 15,44 – Original

[44] Et haec quidem humanis consiliis providebantur. mox petita dis piacula aditique Sibyllae libri, ex quibus supplicatum Vulcano et Cereri Proserpinaeque ac propitiata Iuno per matronas, primum in Capitolio, deinde apud proximum mare, unde hausta aqua templum et simulacrum deae perspersum est; et sellisternia ac pervigilia celebravere feminae quibus mariti erant. sed non ope humana, non largitionibus principis aut deum placamentis decedebat infamia quin iussum incendium crederetur. ergo abolendo rumori Nero subdidit reos et quaesitissimis poenis adfecit quos per flagitia invisos vulgus Christianos appellabat. auctor nominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus erat; repressaque in praesens exitiabilis superstitio rursum erumpebat, non modo per Iudaeam, originem eius mali, sed per urbem etiam quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt celebranturque. igitur primum correpti qui fatebantur, deinde indicio eorum multitudo ingens haud proinde in crimine incendii quam odio humani generis convicti sunt. et pereuntibus addita ludibria, ut ferarum tergis contecti laniatu canum interirent, aut crucibus adfixi aut flammandi, atque ubi defecisset dies in usum nocturni luminis urerentur. hortos suos ei spectaculo Nero obtulerat et circense ludicrum edebat, habitu aurigae permixtus plebi vel curriculo insistens. unde quamquam adversus sontis et novissima exempla meritos miseratio oriebatur, tamquam non utilitate publica sed in saevitiam unius absumerentur.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
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Übersetzung: Alfred John Chruch und Willian Jackson Brodribb
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Übersetzung

[44] Such indeed were the precautions of human wisdom. The next thing was to seek means of propitiating the gods, and recourse was had to the Sibylline books, by the direction of which prayers were offered to Vulcanus, Ceres, and Proserpina. Juno, too, was entreated by the matrons, first, in the Capitol, then on the nearest part of the coast, whence water was procured to sprinkle the fane and image of the goddess. And there were sacred banquets and nightly vigils celebrated by married women. But all human efforts, all the lavish gifts of the emperor, and the propitiations of the gods, did not banish the sinister belief that the conflagration was the result of an order. Consequently, to get rid of the report, Nero fastened the guilt and inflicted the most exquisite tortures on a class hated for their abominations, called Christians by the populace. Christus, from whom the name had its origin, suffered the extreme penalty during the reign of Tiberius at the hands of one of our procurators, Pontius Pilatus, and a most mischievous superstition, thus checked for the moment, again broke out not only in Judæa, the first source of the evil, but even in Rome, where all things hideous and shameful from every part of the world find their centre and become popular. Accordingly, an arrest was first made of all who pleaded guilty; then, upon their information, an immense multitude was convicted, not so much of the crime of firing the city, as of hatred against mankind. Mockery of every sort was added to their deaths. Covered with the skins of beasts, they were torn by dogs and perished, or were nailed to crosses, or were doomed to the flames and burnt, to serve as a nightly illumination, when daylight had expired. Nero offered his gardens for the spectacle, and was exhibiting a show in the circus, while he mingled with the people in the dress of a charioteer or stood aloft on a car. Hence, even for criminals who deserved extreme and exemplary punishment, there arose a feeling of compassion; for it was not, as it seemed, for the public good, but to glut one man’s cruelty, that they were being destroyed.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
Lizenz: CC-BY-NC-SA

Tac. Ann. 15,44

Leitfragen:

1) Wieso lässt Nero laut Tacitus die Christen auf diese Weise hinrichten?

2) Welche Bilder von Nero und den Christen werden dabei hervorgerufen?

3)Welche Rückschlüsse lässt dies auf die Haltung Tacitus‘ in Bezug auf Nero zu?

Kommentar:

Diese berühmte Stelle aus den Annales des Tacitus, eines senatorischen Schriftstellers um die Wende zum zweiten Jahrhundert n. Chr., beschreibt die früheste bekannte „polizeiliche“ Maßnahme gegen die Christen im römischen Reich durch den Kaiser Nero. Dieser ließ nach dem großen Brand von Rom im Jahre 64 n. Chr. viele Christen Roms auf brutale Weise hinrichten, um von den Gerüchten abzulenken, er selbst habe den Brand angeordnet, so Tacitus. Nero lässt die Christen kreuzigen, den wilden Tieren vorwerfen und lebendig verbrennen. Die ersten beiden Strafen sind wohlbekannt als Strafen für entflohene Sklaven (Kreuzigung) und für Schwerverbrecher (Hinrichtung durch wilde Tiere – ad bestias). Die Wahl der Bestrafung durch Nero soll also den Bürgern zeigen, dass hier Schwerverbrecher hingerichtet werden.

Tacitus zeichnet ganz bestimmte Bilder von Nero und den Christen. Sie werden als Verbrecher, als Frevler dargestellt, die laut Tacitus eigentlich keine andere Strafe verdient hätten als das, was Nero mit ihnen tat. Damit ist er genau im Geiste seiner Zeit, die in den Christen wenig anderes als eine militante jüdische Sekte sah, die die römische Ordnung in Judäa und anderswo in Frage stellte und daher zerstört werden musste. Der Vorwurf, sie hätte Brunnen vergiftet, war damals weit verbreitet. Nero hingegen kommt bei Tacitus ebenfalls schlecht weg. Denn, so schlimm die Christen auch seien, hatten sie dennoch diese Art von Strafen nicht verdient – Tacitus sieht die Gründe vielmehr in Neros sprichwörtlichem Hang zur Grausamkeit, der sich hier ausgedrückt habe. Der wahnsinnige Kaiser, der erst seine eigene Stadt anzündet und dann aus purer Grausamkeit und um von der eigenen Tat abzulenken, viele Menschen brutal hinrichten lässt, entspricht einem Nerobild, das sich gut in die sonstige Darstellung Neros und anderer negativ besetzter Kaiser einfügt. Wie die meisten Historiographen seiner Zeit, gehörte auch Tacitus zu den Senatoren, welche im ersten Jahrhundert des Principates keine gute Meinung von den Kaisern hatten – Tiberius ist grausam und feige, Caligula sogar noch schlimmer, Claudius ist unfähig und Nero zündet Rom an und ermordet seine Mutter. Das von den senatorischen Schriftstellern aufgestellte Bild des Caesarenwahnsinns hat sich bis heute hartnäckig gehalten – alternative Quellen fehlen uns fast vollständig, sodass es heute kaum noch möglich ist, durch die literarisch überformten Bilder die tatsächlichen Principes zu greifen. Die senatorischen Geschichtsschreiber müssen daher stets mit großer Vorsicht gelesen werden, wenn es um die Persönlichkeiten der Principes geht.

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Siehe zu den späteren Christenverfolgungen auch die entsprechenden Beiträge (Opfergebot; Eusebius I; Eusebius II) und das Toleranzedikt.

Augustus Staatsakt

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Autor_in: Cassius Dio
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Cassius Dio 53,11,4-53,12,3 – Original

[4] οὔτ᾽ ἀπιστήσαντες διαβαλεῖν τε αὐτὸν καὶ ἐλέγξαι ἐτόλμων, οἱ μὲν ὅτι ἐφοβοῦντο, οἱ δ᾽ ὅτι οὐκ ἐβούλοντο. Ὅθενπερ καὶ πιστεύειν αὐτῷ πάντεςοἱ μὲν ἠναγκάζοντο οἱ δὲ ἐπλάττοντο. Καὶ ἐπαινεῖν αὐτὸν οἱ μὲν οὐκ ἐθάρσουνοἱ δ᾽ οὐκ ἤθελον, ἀλλὰ πολλὰ μὲν καὶ μεταξὺ ἀναγιγνώσκοντος αὐτοῦ διεβόωνπολλὰ δὲ καὶ μετὰ τοῦτο, μοναρχεῖσθαί τε δεόμενοι καὶ πάντα τὰ ἐςτοῦτο φέροντα ἐπιλέγοντες, μέχρις οὗ κατηνάγκασαν δῆθεν αὐτὸν αὐταρχῆσαι. [5] Καὶ παραυτίκα γε τοῖς δορυφορήσουσιν αὐτὸν διπλάσιον τὸν μισθὸν τοῦ τοῖς ἄλλοις στρατιώταις διδομένου ψηφισθῆναι διεπράξατο, ὅπως ἀκριβῆ τὴν φρουρὰν ἔχῃ. Οὕτως ὡς ἀληθῶς καταθέσθαι τὴν μοναρχίαν ἐπεθύμησε. [12, 1] τὴν μὲν οὖν ἡγεμονίαν τούτῳ τῷ τρόπῳ καὶ παρὰ τῆς γερουσίας τοῦ τε δήμου ἐβεβαιώσατο, βουληθεὶς δὲ δὴ καὶ ὣς δημοτικός τις εἶναι δόξαι, τὴν μὲν φροντίδα τήν τε προστασίαν τῶν κοινῶν πᾶσαν ὡς καὶ ἐπιμελείας τινὸς δεομένων ὑπεδέξατο, οὔτε δὲ πάντων αὐτὸς τῶν ἐθνῶν ἄρξειν, [2] οὔθ᾽ ὅσων ἂν ἄρξῃ, διὰ παντὸς τοῦτο ποιήσειν ἔφη, ἀλλὰ τὰ μὲν ἀσθενέστερα ὡς καὶ εἰρηναῖα καὶ ἀπόλεμα ἀπέδωκε τῇ βουλῇ, τὰ δ᾽ἰσχυρότερα ὡς καὶ σφαλερὰ καὶ ἐπικίνδυνα καὶ ἤτοι πολεμίους τινὰς προσοίκους ἔχοντα ἢ καὶ αὐτὰ καθ᾽ [3] ἑαυτὰ μέγα τι νεωτερίσαι δυνάμενα κατέσχε, λόγῳ μὲν ὅπως ἡ μὲν γερουσία ἀδεῶς τὰ κάλλιστα τῆς ἀρχῆς καρπῷτο, αὐτὸς δὲ τούς τε πόνους καὶ τοὺς κινδύνους ἔχῃ, ἔργῳ δὲ ἵνα ἐπὶ τῇ προφάσει ταύτῃ ἐκεῖνοι μὲν καὶ ἄοπλοικαὶ ἄμαχοι ὦσιν, αὐτὸς δὲ δὴ μόνος καὶ ὅπλα ἔχῃ καὶ στρατιώτας τρέφῃ.
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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
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Cassius Dio 53,11,4-53,12,3

Leitfragen:

1) Welche neuen Regelungen trifft Augustus in dieser Senatssitzung?

2) Warum teilt Augustus die Provinzen des Reiches so auf, wie es Cassius Dio beschreibt?

3) Welche Informationen bietet die Quelle für das Verhältnis zwischen Senat und Augustus?

Kommentar:

Cassius Dio, ein aus Bithynien stammender Senator und Konsul aus severischer Zeit (geb. 164 n. Chr.), beschreibt uns in diesem Abschnitt seiner römischen Geschichte den berühmten Staatsakt Octavians aus dem Jahre 27 v. Chr., der als eines der politischen Meisterstücke des Princeps gilt.

Er hält eine lange Rede vor dem Senat, in der er diesem alle Kompetenzen, die er im Bürgerkrieg auf sich vereint hatte, zurückgibt und seine großen Taten für das römische Volk preist. Der Senat hat, berechtigterweise, Angst vor dem Mann, dem alle Armeen des Reiches direkt unterstehen und spielt das abgekartete Spiel mit, auch wenn eine Reihe von Senatoren Zweifel hat. Augustus lässt sich in diesem Staatsakt vom Senat die Alleinherrschaft „aufnötigen“ und kann somit später so tun, als wäre das nicht sein Ziel gewesen.

Dass alles von Anfang an geplant war, wird jedoch an den ersten Regelungen deutlich, die Cassius Dio überliefert. Zuerst sichert Octavian sich eine aufgrund doppelten Soldes höchst loyale Leibwache, was auch Cassius Dio als Merkmal der Monarchie ansieht. Im Anschluss daran teilt er die Provinzen des Reiches auf: Wo Probleme sind, übernimmt er die Macht, wo Frieden herrscht, gibt er die Provinzen in die Hände des Senates. Dies ist ebenfalls ein höchst geschickter Schachzug, denn so kann er behaupten, er habe sich doch selbst aller Probleme angenommen und die lukrativen Provinzen dem Senat abgetreten, während er in Wirklichkeit auf diese Weise weiterhin alle Truppen kontrolliert, denn die stehen in den umkämpften Grenzprovinzen, nicht in den befriedeten. Das persönliche Interesse der Senatoren wird ebenfalls deutlich: Bereicherung. Die Provinzen, die ihnen übertragen werden, sind die wohlhabendsten des Reiches, darunter Asia Minor. Es handelt sich um die Provinzen, in denen sie über das rücksichtslose Steuerpachtsystem enorme Summen von den Provinzialen erpressen können, ohne wirklich fürchten zu müssen, dafür belangt zu werden.

Dennoch, die Vorteile dieser Abmachung liegen eindeutig auf Augustus‘ Seite, und es ist offenkundig, dass der Senat aufgrund der militärischen Lage keine andere Wahl hatte als bei dieser Farce mitzuspielen.

Es ist dhttps://emanualaltegeschichte.blogs.uni-hamburg.de/wp-admin/post.php?post=526&action=editeutlich, dass Octavian kluge Schlüsse aus den Bürgerkriegen zog: Er gab die Truppen nicht aus der Hand, kam aber dem Senat in anderen Punkten entgegen. Er begrenzte vorgeblich diese Regelung auf zehn Jahre, ließ sie aber immer wieder erneuern; so verhinderte er den Eindruck, wie Cäsar eine lebenslange Diktatur/Alleinherrschaft anzustreben. Auch wenn jedem klar sein musste, dass dies sein Ziel war, musste man sich nicht, wie noch bei Cäsar, schlicht unterwerfen: Augustus bot dem Senat einen gesichtswahrenden Weg an, denn er wollte nicht das Schicksal seines Adoptivvaters teilen. Einen zweiten Marcus Antonius wusste er ebenfalls zu verhindern, indem er (dies erwähnt Cassius Dio später) den Senatoren den Besuch der kornreichen Provinz Ägypten untersagte. Diese lebenswichtige Provinz konnte er nur handverlesenen Leuten anvertrauen, den ritterlichen praefecti Aegypti; nicht ohne Grund war der praefectus Aegypti in der Kaiserzeit das höchste Amt der ritterlichen Laufbahn.

Im Staatsakt von 27 v. Chr. wird die ganze politische Raffinesse des ersten Princeps deutlich sowie seine Fähigkeit, aus den Fehlern der Vorgänger (Pompeius, Caesar, Marcus Antonius) zu lernen.

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Vergleiche zu seinem Verhältnis zum Senat auch die Umstrukturierung des Senates sowie die Verschwörung von 23 v. Chr. und zum Umgang der Statthalter mit ihren Provinzen das Edikt von Kyrene.

Augustus Prima Porta

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Augustus von Prima Porta

Leitfragen:

1 ) Wer sind die Adressaten der Statue?

2) Welche Botschaften möchte Augustus dem Betrachter mit der Statue übermitteln und was für Erkenntnisse kann man daraus über die Situation zur Zeit ihrer Herstellung gewinnen?

3) Welche Rückschlüsse lassen sich aus der Akzentsetzung der Statue auf die Gedankenwelt und Kultur der intendierten Betrachter ziehen?

Kommentar:

Beim Augustus von Prima Porta handelt es sich um eine der bekanntesten Statuen der Antike. Legt man ihren Hauptzweck, nämlich die Versinnbildlichung des Systems der augusteischen Propaganda, zu Grunde, kann man durchaus von einem langfristigen Erfolg sprechen. Dargestellt ist ein stehender, barfüßiger Augustus in Rüstung und Feldherrenmantel, neben seinem Bein ist ein kleiner Cupido auf einem Delphin abgebildet. Die Statue soll dem Betrachter eine Reihe von Botschaften übermitteln:

Erstens die Botschaft, dass Augustus von göttlicher Abstammung und beinahe selbst ein Gott ist. Der kleine Cupido auf seinem Delphin ist ein Hinweis auf seine Mutter, Venus, die gleichzeitig als mythische Ahnherrin der Familie der Julier fungiert, zu der Augustus nach seiner Adoption durch Julius Caesar gehört. Weiterhin ist er barfüßig dargestellt, dies ist gewöhnlich nur bei Götterstatuen der Fall.

Zweitens wird auf Augustus‘ militärischen Ruhm verwiesen, ein Ruhm den der oft kränkliche Princeps nicht selbst erwarb; bei seinem großen Sieg in Actium lag er höchstwahrscheinlich krank im Zelt. Er ist in Rüstung dargestellt und mit Feldherrenmantel über dem Arm, den rechten Arm in der Geste eines Feldherrn ausgestreckt, der zu seinen Truppen spricht. Links und rechts auf dem Brustpanzer finden sich die Darstellungen von Frauen, die Personifikationen Spaniens und Galliens, der neu unterworfenen Provinzen.

Drittens wird der größte diplomatische Erfolg des Princeps ins Zentrum der Darstellung gerückt. In der Mitte des Brustpanzers sieht man einen Parther, der einem Römer Legionsfeldzeichen überreicht. Es handelt sich dabei um die Feldzeichen, die die Parther im Jahre 53 v. Chr. nach der Schlacht von Carrhae erbeutet hatten. Bis zur Rückgabe der Feldzeichen war ihr Verlust eine „nationale“ Schmach für die Römer, die sie nicht vergessen konnten. 20 v. Chr. gelang es Augustus, die friedliche Rückgabe der Feldzeichen zu erwirken, was auch auf zahlreichen seiner Münzen geprägt wurde.

Viertens wird die Ära dauerhaften Friedens, die unter Augustus angeblich im Reich herrschte, auf dem Brustpanzer symbolisch geschickt präsentiert. Nach der Schlacht von Actium 31 v. Chr. waren zwar die inneren Bürgerkriege vorbei, aber damit herrschte mitnichten im gesamten Reich Frieden, denn vor allem in Germanien wurden Schlachten geschlagen, die berühmteste davon ist die Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr., in der drei römische Legionen vernichtet wurden. Auf der Statue wird jedoch ein dauerhafter Frieden in Wohlstand präsentiert. Am unteren Ende des Panzers finden sich die Erdgöttin Tellus mit dem Füllhorn und zwei Kleinkinder, den Zeichen für Wohlstand und Fruchtbarkeit. Über allem thront oben Saturn, der symbolisch für ein vergangenes, goldenes Zeitalter steht, das durch Augustus erneuert wurde. Horaz hat 17 v. Chr. in seinem carmen saeculare zur Feier des neuen Jahrhunderts das neue goldene Zeitalter des Augustus ebenfalls gepriesen. Neben Saturn befinden sich Sol, Aurora und Luna, die Götter der Sonne, der Morgenröte und des Mondes, deren ewiger Kreislauf auf die ebenfalls ewige Dauer dieser goldenen Zeit und des römischen Reiches verweist.

Alle diese Aspekte und noch weitere sind in der Statue kondensiert, die wohl in der Villa der Livia, der Frau des Augustus, in Prima Porta stand, wo Besucher sie bestaunen konnten. Es wird davon ausgegangen, dass eine Bronzeversion dieser Statue Bestandteil der großen Säkularspiele von 17 v. Chr. war.

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Vergleiche zur Propaganda des Augustus auch den Tugendschild, die Textbeispiele aus den res gestae (I; II; III) sowie seine Münzprägungen und zum Thema des eben nicht dauerhaften Friedens im Reich auch den Bericht über die Gründung von Augusta Praetoria, den Bericht zu Varusschlacht und den Grabstein eines Gefallenen der Schlacht.

Augustus-Inschrift von Kyrene

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Übersetzung: Johannes Stoux und Leopold Wenger
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Übersetzung

Imperator Caesar Augustus, Pontifex Maximus, Inhaber der tribunizischen Amtsgewalt das neunzehnte Mal verkündet:
Folgenden Senatsbeschluß, gefaßt im Jahre der Konsuln C. Calvisius und L. Passienus in meiner Gegenwart und mit Unterschrift auch meines Namens, welche die Sicherung der Bundesgenossen und des römischen Volkes betrifft, habe ich, um ihn allen, denen unsere Fürsorge gilt, bekannt zu machen, beschlossen in die Provinzen zu senden und unter Verkündigung (die Autorität meines Ediktes) zu stelle, Daraus wird allen Bewohnern der Provinz offenbar sein, welche Fürsorge ich und der Senat darauf verwenden, daß keiner unserer Untertanen wider die Billigkeit etwas (ein Unrecht) zu erleiden hat oder einer Betreibung ausgesetzt ist.
Senatsbeschluß:
[…] Unsere Vorfahren haben Klagen wegen Rückforderung (erpreßter) Gelder durch Gesetz geschaffen, damit die Bundesgenossen um so leichter wegen erlittenen Unrechts gerichtlich vorgehen und als Opfer einer Erpressung ihr Geld wieder erlangen könnten. Weil aber die Sonderart dieser Gerichte unter Umständen besonders beschwerlich und lästig ist für diejenigen, um derentwillen doch das Gesetz gegeben wurde, da aus weit entlegenen Provinzen als Zeugen arme gelegentlich auch durch Alter oder Krankheit geschwächte Personen herangeschleppt werden mußten, so bestimmt der Senat: Wenn Bundesgenossen inskünftig nach Zustandekommen dieses Senatsbeschlusses Gelder, die ihrem Gemeinwesen oder Privaten durch Erpressung genommen wurden, zurückverlangen wollen, ohne jedoch den, der sie genommen hat, mit einem Kapitalprozess zu verfolgen, und von dieser Forderung (als Kläger) auftretend einem der Magistrate, der die Befugnis zur Einberufung des Senates besitzt, Anzeige erstatten,dann soll sie der Magistrat so bald als möglich vor den Senat führen und ihnen einen Fürsprecher stellen, der für sie vor dem Senat das Wort führen wird, und zwar den, den sie selbst sich ausbitten. Wider seinen Willen soll keiner, dem auf Grund der Gesetze das Recht zur Ablehnung dieser Leistung zusteht, Fürsprecher sein.
Worüber sie im Senate Anschuldigungen vorbringen, damit sie darüber (des nähern) vernommen werden, soll der Magistrat, der ihnen den Zugang zum Senate verschaffte, am gleichen Tage noch in Anwesenheit des Senates, und zwar in Mindestzahl von 200 Mitgliedern eine Losung vornehmen: [Es folgt ein langer Abschnitt über das Losverfahren. Abgelehnt werden sollen alle, die Blutsverwandte oder Feinde des Klägers sind.] Die bestellten Richter sollen ausschließlich in Bezug auf die Gelder Gehör geben und erkennen, deretwegen einer angeklagt wird als Erpresser an Gemeinden oder Privaten; und sie sollen genau die Summe Geldes, von der die Ankläger nachweisen können, daß sie ihnen, sei es dem Gemeinwesen oder Privaten, entrissen worden ist, zurückzuerstatten Befehl geben, unter der Auflage, daß die Richter innerhalb von 30 Tagen ihren Spruch fällen. […] Ferner beschließe der Senat, daß der Magistrat, der die Losung der Richter vorgenommen habe, oder im Falle seiner Behinderung, von den Konsuln der die Geschäfte Führende, den Vorsitz in diesem Verfahren habe und die Befugnis erteile, Zeugen zu laden, nur solche, die sich in Italien aufhalten, und unter der Bedingung, daß er demjenigen, der aus privater Schädigung etwas einklagt, nicht mehr als fünf, denen die aus Schädigung der Gemeinde klagen, nicht mehr als zehn zu laden verstatte. Desgleichen bestimme der Senat, daß die Richter, die auf Grund dieses Senatsbeschlusses zur Auslosung kommen, das Urteil, das sich ein jeder von ihnen bildet, öffentlich Kund geben, und daß, was die Mehrzahl kund getan, Geltung habe.“

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Inschrift vom Marktplatz von Kyrene

Leitfragen:

1) Welche konkreten Veränderungen werden vom Senat beschlossen und welche Rückschlüsse lässt dies auf die vorherige Situation zu?

2) Inwieweit verbessert sich die Situation der Provinzialen tatsächlich?

3) Warum ordnet Augustus diese Maßnahmen an?

Kommentar:

Die vorliegende Inschrift datiert in das Jahr 5/4 v. Chr. Sie ist an der Zählung der tribunizischen Amtsgewalt des Herrschers genau zu datieren: Augustus erhielt diese im Jahre 23 v. Chr., daher fällt sein neunzehntes Tragen dieser Amtsgewalt entweder in das Jahr 5 oder 4 v. Chr.

Aufgestellt wurde sie auf dem Marktplatz von Kyrene, gut sichtbar für alle Bewohner. Sie ist auf Griechisch abgefasst, in der Standardsprache der Osthälfte des Reiches.

Es handelt sich um die Bekanntgabe eines Senatsbeschlusses, der sich mit der Situation der Provinzialen befasst. Seit der Entstehung der Provinzen hatte es immer wieder berechtigte Beschwerden über ihre rücksichtslose Ausplünderung durch die römischen Statthalter gegeben. Der bekannteste Fall wird der des Gaius Lucius Verres sein, Statthalter in Sizilien und von Cicero 70 v. Chr. seiner Verfehlungen im Amt wegen angeklagt und für seine Plünderungen ins Exil geschickt. Aber er war beileibe nicht die Ausnahme, sondern eher der Regelfall. Von Caesar wissen wir, dass er beim Antritt seiner Statthalterschaft in Spanien im Grunde bankrott und hochverschuldet war, danach hatte er nicht nur seine Schulden getilgt, sondern kam als reicher Mann wieder.

Das vorliegende Edikt des Senates verbessert die Situation der Provinzialen bedeutend. Zwar werden sie weiterhin regelmäßig von ihren Statthaltern und Magistraten ausgebeutet, was der Senat mit seinem Beschluss gar nicht verhindern will. Es werden auch keine besonderen Strafen genannt, die den der Erpressung überführten Magistrat erwarten; er muss lediglich die Summe zurückzahlen, die er erpresst hat, von einer Strafzahlung oder gar dem Exil ist hier keine Rede.

Warum ist dieser Senatsbeschluss dennoch eine Verbesserung für die Provinzialen? Im Gegensatz zur Situation vorher, haben sie immerhin eine wesentlich verbesserte Möglichkeit, überhaupt gegen ausbeuterische Magistrate zu klagen. Das durften sie vorher zwar auch, aber sie mussten als Ankläger mit allen ihren Zeugen nach Rom kommen. Außer für besonders reiche Provinziale war es damit den meisten Reichsbewohnern faktisch unmöglich zu klagen, da sie weder die Mittel für die Reise aufbringen noch den Verdienstausfall möglicherweise eines ganzen Jahres in Kauf nehmen konnten. Ferner war ihre Aussicht auf Erfolg gering, weil die Senatoren ungerne ihre Standesgenossen aufgrund von Vergehen verurteilten, die sie selbst praktizierten. Diese Schwierigkeiten hatte schon Cicero in seinen Verres-Reden deutlich gemacht. Mit dem neuen Senatsbeschluss können die Ankläger jedoch einen Vertreter vor Gericht benennen, der für sie spricht – ebenfalls ein großer Vorteil für die breiteren Schichten, die keine rhetorische Ausbildung besaßen. Der Beschluss besagt, dass jeder Magistrat, der den Senat einberufen darf, als Vertreter fungieren kann, weshalb sich die Provinzialen ab diesem Zeitpunkt auch direkt an Augustus wenden konnten. Ebenso vorteilhaft war die Möglichkeit, nun einige der zuvor ausgelosten Richter ablehnen zu können.

Außerdem war es den Senatoren nicht mehr möglich, den Prozess ewig zu verschleppen, da das Gericht binnen 30 Tagen ein Urteil fällen musste, was die Verdienstausfälle für die Provinzialen besser kalkulierbar machte.

Auch wenn dieser Beschluss das Problem der Provinzausplünderung durch die Magistrate nicht beseitigte, so milderte er die Situation zumindest ab. Augustus hatte scheinbar erkannt, dass man den Menschen in den besetzten Gebieten entgegen kommen musste, um Aufstände zu verhindern. Die Fürsorge, die er zu Beginn anspricht, entspricht seiner Rolle als Patron der gesamten Reichsbevölkerung. 

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Vergleiche zur Rolle des Augustus als pater patriae auch den Bericht zur Veteranenansiedlung sowie die Statue des Augustus aus Prima Porta.

Clipeus Virtutis

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Tugendschild des Augustus

Leitfragen:

1) Welche Botschaften lassen sich der Inschrift auf dem Tugendschild entnehmen?

2) Wieso stellt der Senat Augustus diesen Ehrenschild in seinem Sitzungssaal auf?

3) Welche Bedeutung hat der Tugendschild für die Propaganda des Augustus?

Kommentar:

Das vorliegende Objekt ist nur als Kopie auf uns gekommen. Das Original, ein im Sitzungssaal des Senates aufgestellter, goldener Schild ist verloren gegangen, erhalten hat sich jedoch eine Kopie aus Stein, die in Gallien gefunden wurde und sich heute im Museum von Arles befindet. Auch einige Darstellungen auf Münzen sind gefunden worden.

Die Inschrift des clipeus virtutis (Tugendschild) sollte jedem Senator beständig eine Reihe wichtiger Botschaften übermitteln, die eine zentrale Rolle in Augustus‘ Propaganda spielten.

Das Wichtigste ist der Beginn der Inschrift: SENATUS POPULUSQUE ROMANUS […] DEDIT CLIPEUM (Der Senat und das römische Volk gaben diesen Schild…). Hiermit drückt sich der Grundgedanke des Prinzipates aus: Angeblich liegt die Macht im Staat immer noch, bzw. wieder bei Senat und Volk, das dem Princeps Augustus aus freien Stücken wegen seiner Verdienste diese Ehrungen zuteil werden lässt. Dass die Macht de facto alleine bei Augustus lag, lässt sich ebenfalls erahnen, nämlich in den Titeln, die ihm zugewiesen wurden: IMP CAESARI DIVI F AUGUSTO COS VIII (dem Imperator Cäsar, dem Sohn des vergöttlichten Cäsars, Augustus, Konsul zum 8. Mal). Er ist nicht nur Imperator, also oberster Feldherr, sondern auch Nachkomme eines vergöttlichten Menschen, seines Adoptivvaters Julius Caesar. Außerdem trägt er den Titel, unter dem ihn heute die Allgemeinheit kennt: Augustus, der Erhabene. Nicht rex, dictator oder tyrannus, nicht einmal princeps, er nennt sich Augustus und deutet damit die subtile Art seiner Machtstellung an. Allerdings sieht man auch ganz konkrete Machtbefugnisse auf dem Schild, die deutlich machen, dass die Grundsätze der Republik mitnichten wiederhergestellt wurden: Augustus ist zu diesem Zeitpunkt zum 8. Mal Konsul. Eigentlich durfte dieses Amt erst mit 43 Jahren angetreten werden, er ist mit 36 nun schon acht Mal Konsul gewesen, obwohl eigentlich auch immer mindestens ein Jahr zwischen den Konsulaten liegen sollte.

Die wichtigste Propagandabotschaft dieses Ehrenschildes ist jedoch der Grund für seine Verleihung. Es ist der CLUPEUM VIRTUTIS CLEMENTIAE IUSTITIAE PIETATIS ERGA DEOS PATRIAMQUE (der Schild der Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und Frömmigkeit gegenüber den Göttern und dem Vaterland). Alle diese Tugenden weisen deutlich auf den idealen Adligen der hohen Republik hin: Tapfer auf dem Schlachtfeld, mild dort, wo es nützt, gerecht, fromm und heimatliebend. Augustus werden alle diese Tugenden zugeschrieben und mehr noch: Durch den prominenten Aufstellungsort vor Augen der versammelten Nobilität im Senatssaal und seiner prächtigen, goldenen Erscheinung, wird jedem deutlich, dass Augustus diese Tugenden in einem Ausmaß repräsentiert, das von den normalen nobiles nicht erreicht werden kann. Er ist eindeutig Augustus, der Erhabene, und kein gewöhnlicher Mensch mehr.

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Vergleiche zur Propaganda des Augustus auch seine Münzprägungen, die Textbeispiele aus seiner Autobiographie (res gestae I; II; III) und die Statue des Augustus von Prima Porta. Zu seinem Verhältnis zum Senat ferner die Beschreibung des Staatsaktes und der Senatsumstrukturierung.

Res Gestae zu den Bürgerkriegen

 

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Autor_in: Tobias Nowitzki
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Res gestae Divi Augusti, 1-3

Leitfragen:

1) Wie stellt Augustus seine Rolle in den Bürgerkriegen dar?

2) Inwiefern ist sein Vorgehen rechtmäßig?

3) Wieso stellt Augustus in einer Monumentalinschrift diesen Teil seiner Autobiographie dar?

Kommentar:

Die res gestae Divi Augusti, also der Tatenbericht des ersten römischen Kaisers, sind eine sehr wertvolle Quelle für die Historiker, da wir hier die Selbstdarstellung eines Herrschers finden und viele Informationen zu seiner Herrschaft erhalten. Diese sind außerdem nicht durch Überlieferungsprobleme beeinflusst, da die Inschrift so erhalten ist, wie sie um 14 n. Chr. abgefasst wurde.

Augustus stellt hier eine Rechtfertigung seiner Teilnahme an der Bürgerkriegen dar, und wir müssen uns bei der Lektüre dieser Quelle immer vor Augen halten, dass wir hier Geschichtsschreibung aus der Hand des Siegers vor uns haben.

Seine eigene Rolle stellt er in ein sehr positives Licht. Er beschloss, dem bedrohten Staat zu helfen, stellte aus seinem Vermögen ein Heer auf, wurde in die ordnungsgemäßen Ämter gewählt, besiegte die Mörder seines Vaters, die Staatsfeinde, und richtete sie nach rechtmäßigen Prinzipien hin.

Soweit klingt alles relativ positiv, aber ein genauerer Blick fördert ein anderes Bild zu Tage. Nimmt man chronologisch den Anfang, so setzen die Ereignisse mit der Ermordung seines Adoptivvaters Caesar im Jahre 44 v. Chr. ein. Octavian stellt sie als ein Verbrechen dar, die Mörder Caesars sahen sich jedoch als Tyrannenmörder und Befreier des Staates von einer Diktatur und wurden so auch von nicht wenigen im Staat gesehen. Es beginnt dann ein Bürgerkrieg zwischen den Caesarmördern und den Nachfolgern des Diktators, Marcus Antonius und Octavian; die Schuld dafür schiebt Octavian vollkommen den Gegnern zu, ein beliebter Topos in der Geschichte. Man muss bedenken: Hätten die Caesarmörder bei Philippi gewonnen, dann würde heute möglicherweise eine Inschrift kursieren, die die Hinrichtung des Diktators Octavian preist – der Sieger schreibt hier, wie in vielen Fällen, die Geschichte.

Besonders interessant ist an dieser Quellenstelle, dass Augustus erwähnt, wie er sein Heer aufstellte. Ein Privatmann, der aus dem reichen Erbe Caesars und seinen Veteranen eine Armee formt, kann auch durchaus als Putschist gesehen werden – er stellt sich hier als Held dar. Er erwähnt nicht, dass niemand eine andere Wahl hatte, als ihn nach dem Tod der beiden Konsuln zum Konsul zu wählen, da er mit einem großen Heer vor Rom stand. Wer hätte ihm diesen Titel verweigern sollen, den er sich mit handfesten Drohungen holte? Noch zynischer ist die Behauptung, dass das zweite Triumvirat bestehend aus ihm, Marcus Antonius und Lepidus, rechtmäßig gewesen sei: Auch hier konnte niemand den drei Männern, die alle größeren Armeen befehligten, irgendetwas abschlagen. Ebenso unerwähnt bleibt, dass die „Rettung“ des Staates neben den erwähnten Schlachten durch groß angelegte Proskriptionen von Statten ging, also der Ermordung einer Vielzahl von politisch missliebigen Menschen. Darunter waren auch Republikaner wie Cicero, also Repräsentanten der staatlichen Ordnung, die Octavian angeblich rettete.

Die Gründe für die Erstellung dieser Inschrift liegen auf der Hand. Augustus möchte damit versuchen, die Kontrolle über die Darstellung der Bürgerkriege zu erlangen. Jahrzehnte nach ihrem Ende lebte ohnehin kaum noch jemand, der sie direkt miterlebt hatte und erst recht niemand, der Augustus‘ Version widersprochen hätte – diese gehörten alle zu den „inneren und äußeren Feinden“, die er beseitigt hatte. 

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Vergleiche zu Augustus Autobiographie auch die beiden anderen besprochenen Abschnitte aus den res gestae (I; II). Zu seiner Propaganda vergleiche auch seine Münzprägung. Zu den moralischen Gründen des Bürgerkriegs aus Sicht des Sallust vergleiche den entsprechenden Abschnitt.

Res Gestae zu den Ehrungen des Augustus

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Projekttitel: eManual Alte Geschichte
Modul [optional]:
Autor_in: Tobias Nowitzki
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Res gestae Divi Augusti, 5,22,34-35

Leitfragen:

1) Welche Ehrungen besaß Augustus zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Inschrift?

2) Wie viel Macht besaß der Princeps durch diese Ehrungen im Staat?

3) Warum ließ Augustus gerade diese Ehrungen in einer großen Inschrift an einem Tempel in Ancyra anbringen?

Kommentar:

Die res gestae Divi Augusti, also der Tatenbericht des ersten römischen Kaisers, sind eine sehr wertvolle Quelle für die Historiker, da wir hier die Selbstdarstellung eines Herrschers finden und viele Informationen zu seiner Herrschaft erhalten. Diese sind außerdem nicht durch Überlieferungsprobleme beeinflusst, da die Inschrift so erhalten ist, wie sie um 14 n. Chr. abgefasst wurde.

Welche Titel und Ehrungen nennt Augustus? Zuerst einmal sind hier die tatsächlichen Ämter zu nennen. Zum einen der Konsulat, den er dreizehnmal bekleidete, sowie die cura annonae, die Aufsicht über die Getreideversorgung der Hauptstadt, die er nach eigenen Angaben in wenigen Tagen abschloss. Die Zahl seiner Konsulate wäre für republikanische Verhältnisse unmöglich gewesen, besonders weil man dieses Amt erst mit 43 antreten konnte – Augustus trat sein erstes Konsulat mit 19 Jahren an! Die Getreideversorgung war ein extrem wichtiges Amt, denn über sie konnte der Princeps sich die Dankbarkeit der städtischen Bevölkerung sichern. Andere Ämter lehnte er demonstrativ ab, darunter den dauerhaften Konsulat und die Diktatur auf Lebenszeit, hier hatte er aus dem Beispiel seines ermordeten Adoptivvaters Caesar gelernt. Als zweite Gruppe von Ehrungen nennt er die Spiele, die er ausrichten durfte, weit mehr, als es in der Republik möglich gewesen wäre. Öffentliche Spiele, insbesondere in der hier beschriebenen Größenordnung, begeisterten das Volk und sicherten dem jeweiligen Stifter Rückhalt und Beliebtheit. Die dritte Gruppe schließlich sind die interessantesten Ehrungen, denn sie sind die, die seiner Rolle als Princeps am ehesten entsprechen: Er überragt alle an Ehre, aber (angeblich) nicht an Amtsgewalt. Die Bürgerkrone und die Quadriga auf dem (von ihm erbauten) Forum, sind traditionell republikanische Ehrungen, die für besondere Verdienste um den Staat selten verliehen wurden. Die Quadriga ist jedoch insofern besonders, als dass meistens „nur“ ein Reiterstandbild verliehen wurde und kein ganzer Streitwagen mit vier Pferden. Der Lorbeer um seine Tür weist auf den Lorbeerkranz des Triumphators, des siegreichen Feldherren, hin, jedoch verewigt Augustus diesen Ruhm: Während republikanische Triumphatoren nur einmalig geehrt wurden, blieb sein Ruhm dauerhaft erhalten. Der Ehrenschild in der Senatshalle macht allen Senatoren immer wieder deutlich, wie groß Macht und Einfluss des Princeps tatsächlich waren. Die Krönung der Ehrungen ist sein neuer Name, Augustus, der Erhabene. Durch diesen Namen wurde er in jeder Anrede ein wenig aus dem Kreis normalsterblicher Menschen herausgehoben und seine Machtstellung in der alltäglichen Praxis gezeigt.

Waren einzelne dieser Ehren auch aus der Republik bekannt, so stellte ihre Ansammlung in den Händen eines Mannes eine so herausragende Stellung dar, dass kein anderer im Staat auch nur annähernd an ihn heranreichen konnte. Anders als Caesar, der auf direkte Machtausübung durch die Amtsgewalt eines Diktators gesetzt hatte und damit gescheitert war, setzte Augustus auf subtilere Methoden. Durch alle diese Ehrungen musste der Senat sich stets der Meinung des Princeps anschließen, insbesondere sein Tugendschild in der Senatshalle mahnte ständig an seine Stellung. De iure mag Augustus nicht mehr Macht besessen haben als andere, de facto ging alle Macht von ihm aus, insbesondere, da das gesamte Heer auf ihn vereidigt war und den wichtigsten Teil seiner Klientel darstellte.

Durch die Anbringung dieser Monumentalinschrift an einem großen Tempel der Provinz machte Augustus für alle Bürger des Reiches seine Stellung noch einmal deutlich.

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Für den Tugendschild des Augustus vergleiche den entsprechenden Text, für die Propaganda auch den Augustus von Prima Porta, ebenso die beiden anderen Texte aus den res gestae (I; II). Außerdem zu ähnlichen Themen der Staatsakt des Augustus, sowie sein Verhältnis zum Senat, ausgedrückt im Senatsumbau.